OGH 4Nc2/13a

OGH4Nc2/13a12.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M***** P*****, wider den Antragsgegner F***** R*****, wegen Unterhalt, AZ 29 FAM 138/12a des Bezirksgerichts Donaustadt, über die Anzeige eines Zuständigkeitsstreits zwischen diesem Bezirksgericht und dem Bezirksgericht Graz-Ost in nichtöffentlicher Sitzung nach § 47 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040NC00002.13A.0212.000

 

Spruch:

Zur Fortführung der Familienrechtssache ist das Bezirksgericht Donaustadt zuständig.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 4. Dezember 2012, GZ 29 FAM 138/12a-5, mit dem es seine Unzuständigkeit aussprach und das Verfahren dem Bezirksgericht Graz-Ost übertrug, wird aufgehoben.

Begründung

Die volljährige Antragstellerin, die als Wohnort Lieboch angab, stellte mit Schreiben vom 8. 1. 2012 beim Bezirksgericht Graz-Ost einen gegen den Antragsgegner als ihren Vater gerichteten Antrag auf Unterhaltsfestsetzung. Sie gab im Schreiben bekannt, nach bestandener Aufnahmsprüfung nunmehr an der Veterinärmedizinischen Universität Wien im ersten Semester zu studieren.

Das Bezirksgericht Graz-Ost holte eine Melderegisterauskunft ein, aus der sich die von der Antragstellerin angegebene Adresse als Nebenwohnsitz und ein Studentenwohnheim in Wien als Hauptwohnsitz ergibt. Es sprach mit Beschluss vom 26. 11. 2012 seine Unzuständigkeit zur weiteren Verfahrensführung aus und überwies das Verfahren nach § 44 JN an das Bezirksgericht Donaustadt, in dessen Sprengel sich das Studentenwohnheim befindet. Es leitete den Akt dem Bezirksgericht Donaustadt mit Ausfertigungen des Abtretungsbeschlusses zu (ON 4).

Das Bezirksgericht Donaustadt erklärte sich mit Beschluss vom 4. 12. 2012 (ON 5) für unzuständig und überwies das Verfahren an das Bezirksgericht Graz-Ost zurück; diesen Beschluss stellte es gemeinsam mit dem Unzuständigkeitsbeschluss ON 4 den Parteien zu.

Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist legte das Bezirksgericht Donaustadt den Akt gemäß § 47 Abs 1 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat dazu erwogen:

1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof (anders als in Delegierungs- und Ordinationssachen gemäß § 7 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 OGHG) im Fünfersenat nach § 6 leg cit zu erfolgen (RIS-Justiz RS0126085).

2. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die beiden konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über ihre (Un-)Zuständigkeit zur Entscheidung über die (gleiche) Rechtssache abgesprochen und diese verneint haben (vgl RIS-Justiz RS0046299 [T1]; RS0118692 [T2 und T3]). Diese Voraussetzung liegt hier vor.

3. Den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet ein Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes, über den nach § 101 AußStrG im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist; örtlich zuständig ist nach § 114 Abs 2 JN das Gericht, in dessen Sprengel der Unterhaltsberechtigte seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hat.

4. Im hier zu beurteilenden Zuständigkeitsstreit haben zwei Gerichte rechtskräftig ihre örtliche Zuständigkeit verneint. Die (jüngere) Entscheidung des Bezirksgerichts Donaustadt missachtete aber, dass der Überweisungsbeschluss unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien (vgl RIS‑Justiz RS0046363) für das Adressatgericht solange maßgebend bleibt, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RIS-Justiz RS0081664), sodass das Adressatgericht seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS-Justiz RS0046315; RS0002439).

5. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS-Justiz RS0081664 [T1]; RS0046391 [T6]). Auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses ist bei der Entscheidung nach § 47 JN daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RIS-Justiz RS0046391 [T8]). Die gegenteilige Ansicht im Schrifttum ( Fucik in RZ 1985, 240; Mayr in Rechberger ³ § 44 JN Rz 4; Ballon in Fasching/Konecny ² § 47 JN Rz 12) wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach abgelehnt (RIS-Justiz RS0046391 [T9]; jüngst 7 Nc 18/12z).

6. Der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 4. 12. 2012, GZ 29 FAM 138/12a-5, mit dem es seine Unzuständigkeit aussprach und das Verfahren dem Bezirksgericht Graz-Ost übertrug, verletzte demgemäß die Bindungswirkung des vorausgehenden Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Graz-Ost und war daher - ohne auf die Frage nach seiner Richtigkeit einzugehen (RIS-Justiz RS0046391 [T10]) - aufzuheben.

Stichworte