OGH 3Ob222/12m

OGH3Ob222/12m23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Mag. Christian Breit, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die WKG Korp-Grünbart Rechtsanwälte GmbH in Andorf, wegen 278.117,66 EUR sA, über I. die Revision gegen das Teilurteil und II. den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss jeweils des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2012, GZ 2 R 36/12w-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 25. November 2011, GZ 1 Cg 20/10d-40, zum Teil abgeändert und zum Teil aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben soweit sie über einen Betrag von 60.000 EUR sA an Ausgleichsanspruch (§ 24 HVertrG) abgesprochen haben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

II. Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Den Gegenstand des mit Klage vom 15. März 2010 eingeleiteten Verfahrens bilden die Forderungen des früher für die Beklagte als Handelsvertreter für den Verkauf vorrangig im Textilbereich tätigen Klägers an restlichen (Vertreter- und Produktmanager-)Provisionen für das Jahr 2006 von zusammen 165.122,83 EUR, an Aufwandersatz von restlich 15.030,89 EUR für die Bezahlung einer von der Beklagten verwendeten Arbeitskraft und an Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG von 97.963,94 EUR, denen die Beklagte ua mit dem Einwand der Verjährung begegnete.

Das Erstgericht sprach dem Kläger insgesamt 178.460,48 EUR zu, nämlich 103.429,59 EUR an Provisionen, den Aufwandersatz zur Gänze und 60.000 EUR an Ausgleichsanspruch, während es das Mehrbegehren (von 61.693,34 EUR an Provisionen und 37.963,94 EUR an Ausgleichsanspruch) unbekämpft abwies.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge.

Es änderte das Ersturteil in eine Abweisung des Ausgleichsanspruchs ab, weil der Kläger dazu trotz mehrfacher Hinweise der Beklagten keine ausreichenden Behauptungen aufgestellt habe; auf die ebenso fehlende nähere Präzisierung der Gründe für die Vertragsauflösung durch den Kläger komme es daher gar nicht an. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu, weil es die einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs bedacht habe.

Den erstgerichtlichen Zuspruch an Provisionen und Aufwandersatz hob das Berufungsgericht auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück.

Der vereinbarte und an sich zu Recht bestehende Aufwandersatzanspruch (für eine der Beklagten überlassene Arbeitskraft) sei zur Frage der Verjährung § 1486 Z 1 ABGB zu unterstellen; ausgehend vom Ende der Beschäftigung im Mai 2004 sei von einer Verjährung des Anspruchs im Frühsommer 2007 auszugehen; zum vom Kläger behaupteten, jedoch von der Beklagten bestrittenen Anerkenntnis ihres Geschäftsführers zuletzt im Sommer 2007 fehle es aber an Feststellungen, die vom Erstgericht nachzuholen seien.

Die Beendigung des Handelsvertreter-verhältnisses habe der Kläger mit Schreiben vom 4. Oktober 2006 „mit sofortiger Wirkung“ erklärt, sodass von einer Auflösung zu diesem Zeitpunkt auszugehen sei. Die spätere Abwicklung bereits hereingebrachter Aufträge und Vermittlung neuer Aufträge stelle keinen stichhaltigen Grund für die Annahme einer Fortsetzung/Wiederaufnahme des Vertragsverhältnisses dar. Für Provisionsansprüche, die noch vor der Lösung des Vertragsverhältnisses abzurechnen gewesen seien, führe dies nach § 18 Abs 2 lit a und b HVertrG zu einem Beginn der Verjährung mit dem Ende des Jahres 2006 und deshalb zu deren Eintritt mit Ablauf des Jahres 2009, also zweieinhalb Monate vor Klagseinbringung (15. März 2010); für solche, die erst nach Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses (also nach dem 4. Oktober 2006) abzurechnen gewesen seien, beginne die Verjährung nach § 18 Abs 2 lit c HVertrG mit dem Ende jenes Jahres, in dem die nachvertragliche Abrechnung erfolgen hätte sollen. Dies führe im vorliegenden Fall nur für jene Provisionen zu einem späteren Verjährungsbeginn, welche die Beklagte nach gesetzlicher Vorschrift (§ 14 Abs 1 HVertrG; hier 31. Jänner 2007) oder davon abweichender vertraglicher Vereinbarung - soweit eine solche gemäß § 27 Abs 1 HVertrG zulässig sei - erst nach dem 31. Dezember 2006 abzurechnen verpflichtet gewesen sei. Eine Fortlaufshemmung nach § 18 Abs 3 HVertrG nahm das Berufungsgericht nur für die Zeit vom 26. Juli 2007 (ziffernmäßige Anmeldung der rückständigen Provisionen durch den Kläger) bis zum 9. August 2007 (schriftliche Reaktion der Beklagten darauf) an; dieses Schreiben sei als Antwort iSd § 18 Abs 3 HVertrG zu qualifizieren, weil sein Inhalt erkennen lasse, dass die erhobenen Forderungen nicht anerkannt und befriedigt, sondern als unberechtigt angesehen und bestritten würden. Die Hemmung der Verjährungsfrist für etwa zwei Wochen reiche aber nicht aus, um die Verfristung der Klage zu beseitigen. Das Berufungsgericht verneinte auch einen Verzicht der Beklagten auf den Verjährungseinwand und eine - ohnehin vom Kläger gar nicht behauptete - Unterbrechung der Verjährungsfrist durch Anerkenntnis der Beklagten oder durch Vergleichsverhandlungen im Jahr 2007. Um zu klären, ob das Klagebegehren auch bereits verjährte Provisionsansprüche umfasse, sei das Ersturteil im Umfang des Zuspruchs von 103.429,59 EUR sA aufzuheben, wozu nähere Aufträge an das Erstgericht erteilt wurden. Eine Erledigung der Beweisrüge zur Provisionsbemessungsgrundlage erübrige sich daher. Der Rekurs sei zuzulassen, weil zur Fortlaufshemmung nach § 18 Abs 3 HVertrG, vor allem zu den inhaltlichen Anforderungen an die „Antwort" des Unternehmers, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Gegen die Abweisung seiner Forderung auf Ausgleichsanspruch erhob der Kläger eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zuspruchs, hilfsweise auf Aufhebung. Dazu erstattete die Beklagte, ohne dass ihr das freigestellt worden wäre, eine Revisionsbeantwortung.

Darüber hinaus brachte der Kläger auch einen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss mit dem Antrag ein, auch in diesem Umfang das Ersturteil wiederherzustellen. Dem tritt die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht seiner Erörterungspflicht nach §§ 182, 182a ZPO zur ausreichenden Substantiierung des Klagevorbringens für einen Ausgleichsanspruch nicht nachgekommen ist. Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

I.1.1. Für eine iSd § 24 Abs 1 HVertrG ausgleichspflichtige Geschäftserweiterung genügt es noch nicht, dass der Handelsvertreter dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bestehende Geschäftsverbindungen erweitert hat; ein Ausgleichsanspruch kann nämlich nur dann entstehen, wenn alle Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 1 bis 3 HVertrG vorliegen (6 Ob 260/00d; 7 Ob 233/07a; 9 ObA 24/08g). Aus der Anspruchsvoraussetzung, dass dem Unternehmer auch nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses „erhebliche Vorteile“ erwachsen müssen, folgt, dass mit den neu zugeführten Kunden eine Geschäftsverbindung entstanden sein muss, wobei Geschäftsverbindung die Aussicht auf weitere Geschäftsabschlüsse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bedeutet (RIS-Justiz RS0124681). Die Stammkundschaft ist somit von der übrigen Kundschaft abzugrenzen. „Stammkunden“ sind Mehrfachkunden, das heißt diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder - bei Wirtschaftsgütern mit einem längeren Bestellintervall - auch Einmalkunden, von denen unter den gegebenen Umständen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragsende Wiederholungskäufe zu erwarten sind (RIS-Justiz RS0124681 [T1 und T2]). Da die dem Unternehmer nach Auflösung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile erheblich sein müssen, muss das mit den neuen Stammkunden und ebenso das mit den intensivierten Altkunden zu erwartende Geschäft überdies einen gewissen Umfang und eine gewisse Beständigkeit aufweisen (9 ObA 24/08g; vgl RIS-Justiz RS0117344; RS0062649). Die Behauptungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des Ausgleichs trägt der Handelsvertreter; gelingt ihm der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, so trifft ihn für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung; den Unternehmer hingegen trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben (RIS-Justiz RS0106003).

I.1.2. Das Vorbringen eines einen Ausgleichsanspruch fordernden Klägers darf sich daher nicht bloß auf die Darstellung von erwirtschafteten Umsatzsteigerungen und Erhöhungen der Kundenzahlen (iSd § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG) beschränken, sondern hat sich jedenfalls auch mit der Frage auseinander zu setzen, dass dem Unternehmer (iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG) auch nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Vorteile erwachsen können (vgl RIS-Justiz RS0112456), dass der übergebene Kundenstock also (auch) Stammkunden umfasst, die die Aussicht auf weitere Geschäftsabschlüsse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bieten (vgl 2 Ob 252/08k).

Derartige Behauptungen lässt das Klagevorbringen allerdings vermissen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Beweisergebnisse notwendige Prozessbehauptungen nicht zu ersetzen vermögen und anerkannte Beweiserleichterungen die Behauptungslast der Partei nicht beseitigen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es fehle an ausreichenden Klagebehauptungen zum eingeforderten Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG, ist daher nicht zu beanstanden.

I.2. Allerdings ist bei Unschlüssigkeit das Klagebegehren nicht sofort abzuweisen, sondern es muss vom Gericht eine Verbesserung angeregt werden. Der Verbesserungsauftrag ist von Amts wegen zu erteilen, selbst wenn die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist und die Notwendigkeit einer Präzisierung nicht selbst erkannte (RIS-Justiz RS0037166; RS0037516 [T2 und T3]; RS0117576 [T1]; RS0036455 [T5 und T9]).

Ein solcher Verbesserungsversuch unterblieb sowohl in erster Instanz (weil das Erstgericht - wie schon der Zuspruch von 60.000 EUR zeigt - offensichtlich von einem ausreichenden Vorbringen ausging) als auch im Berufungsverfahren. Soweit das Berufungsgericht (erkennbar) meint, eine Erörterung der Schlüssigkeit der Klage erübrige sich, weil schon die Beklagte in erster Instanz entsprechende Einwände erhoben hat, übersieht es, dass das Erstgericht das Vorbringen des Klägers offenbar als ausreichend substantiiert erachtete und keinen Auftrag zur weiteren Präzisierung erteilte. Es wäre daher mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens unvereinbar, wenn das Berufungsgericht jetzt ohne weitere Aufforderung das Klagebegehren unter Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit abwiese (RIS-Justiz RS0037300 [T35]). Auch das Rechtsmittelgericht darf aber die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht iSd § 182a ZPO überraschen (Schragel in Fasching/Konecny² II/2 §§ 182, 182a Rz 20, Fucik in Rechberger³ § 182a ZPO Rz 1).

I.3. Einen solchen Verstoß gegen das „Verbot der Überraschungsentscheidung“ macht der Revisionswerber nun geltend, wenn er ua ausführt, bei Beachtung des § 182a ZPO durch das Berufungsgericht hätte er darlegen können, welche Stammkunden er neu aquiriert und mit welchen er die Geschäftsverbindung wesentlich erweitert habe.

Der Rechtsmittelwerber hat in einer Verfahrensrüge wegen Verletzung des Verbots der Überraschungsentscheidung die Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes darzutun, also darzulegen, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wenn der Fehler unterblieben wäre. Im Falle der mangelnden Schlüssigkeit wegen des Fehlens anspruchsbegründender Tatsachenbehauptungen hat der Rechtsmittelwerber somit darzulegen, welche konkreten Behauptungen er aufgestellt hätte, wenn ihm nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten worden wäre (RIS-Justiz RS0037095 [T6]). Diese Konkretisierungspflicht darf jedoch nicht überspannt werden. Eine detaillierte Darstellung aller für die Nachvollziehbarkeit der Voraussetzung des § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG erheblichen Tatsachen ist zur Darstellung der Erheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels jedenfalls dann nicht zu verlangen, wenn aufgrund allgemeiner Ausführungen des Rechtsmittelwerbers mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, er werde in der Lage sein, nach entsprechender Erörterung gegenüber dem Erstgericht ein detaillierteres, nachvollziehbares Vorbringen zu erstatten (vgl 1 Ob 183/09g). Unter diesem Aspekt können die Ausführungen der Revisionswerberin als noch ausreichend angesehen werden.

I.4. Der somit zu bejahende Mangel des Berufungsverfahrens zwingt zur Aufhebung des den Ausgleichsanspruch abweisenden Teilurteils.

Sowohl die zu erwartenden ergänzenden Beweisaufnahmen zum Thema „Stammkunden“ (§ 24 Abs 1 Z 2 HVertrG) als auch die vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigte (Berufungsurteil S 19/20) Notwendigkeit zur Präzisierung des Vorbringens des Klägers zum Bestehen eines Ausgleichsanspruchs trotz der von ihm ausgesprochenen Auflösung des Vertragsverhältnisses zur Beklagten (§ 24 Abs 3 Z 1 HVertrG; vgl dazu RIS-Justiz RS0124101; RS0124099; RS0124100; RS0108379) lassen eine Zurückverweisung in die erste Instanz zweckmäßig erscheinen.

Das Erstgericht wird die angesprochenen Defizite des Klagsvorbringens zum Ausgleichsanspruch zu beiden Themen zu erörtern und nach entsprechender Konkretisierung durch den Kläger ausreichend konkrete Feststellungen im Rahmen des Parteivorbringens zu treffen haben.

I.5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

II. Der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gegen den im Berufungsverfahren ergangenen Aufhebungsbeschluss ist zulässig, weil zu den Anforderungen an eine Antwort iSd § 18 Abs 3 HVertrG noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

II.1. Der Vorwurf an das Berufungsgericht, es habe zum behaupteten Anerkenntnis des Aufwandersatzanspruchs eine Feststellung des Erstgerichts übergangen, ist aktenwidrig. Die angesprochene Fundstelle im Ersturteil betrifft die rechtliche Beurteilung und baut nur auf der Annahme auf, dass „von der beklagten Partei ausdrücklich ein Rückersatz zugesichert“ wurde. Selbst wenn man diese Wendung als dislozierte Feststellung qualifizieren wollte, könnte der vom Berufungsgericht angenommene sekundäre Feststellungsmangel nicht verneint werden, weil der Zeitpunkt der angeblichen Zusicherung verschwiegen wird. An anderer Stelle festgestellte Gespräche der Streitteile betrafen (nur) die Provisionsansprüche (Ersturteil S 14).

II.2. Zur Frage der Verjährung der Provisionsansprüche bekämpft der Kläger weder die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Rechtsfolgen aus den Bestimmungen der §§ 14 und 18 HVertrG (Berufungsurteil S 12/13 oben) noch jene zu den Konsequenzen für eine notwendige Ergänzung des Verfahrens (Berufungsurteil S 16 Mitte). Kritik übt er (nur) an den Rechtsansichten des Berufungsgerichts, das Handelsvertreterverhältnis sei mit 4. Oktober 2006 beendet worden, es sei zu keiner Unterbrechung der Verjährung durch Vergleichsverhandlungen gekommen und das Schreiben der Beklagten vom 9. August 2007 (als Reaktion auf die Provisionsforderung des Klägers) stelle eine die Fortlaufhemmung beendende Antwort iSd § 18 Abs 3 HVertrG dar. Schließlich macht er erkennbar geltend, die Beklagte habe ihm Geschäftsabschlüsse verheimlicht, weshalb er keine Kenntnis von der Abrechnungspflicht der Beklagten gehabt habe, sodass erst Mitte des Jahres 2007 Klarheit über die Höhe der Provision bestanden habe.

II.2.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei zur Auflösung des Handelsvertretervertrags durch das Kündigungs-Fax des Klägers vom 4. Oktober 2006 gekommen, in dem die Beendigung mit sofortiger Wirkung erklärt wurde, ist nicht zu beanstanden; denn dem Klagevorbringen ist in keiner Weise zu entnehmen, wie es zur (neuerlichen) Auflösung eines (dennoch) schlüssig fortgesetzten Vertrags als Dauerschuldverhältnis gekommen sein soll, von der jedoch beide Seiten unstrittig ausgehen. Ansprüche aus einem allenfalls gesondert später abgeschlossenen Vertrag (für ohnehin nur eine einzige danach festgestellte Vermittlung durch den Kläger) wären gesondert zu beurteilen und sind auch nicht Gegenstand des Klagebegehrens, sondern bereits erfüllt.

II.2.2. Vergleichsverhandlungen haben keineswegs die Unterbrechung der Verjährung zur Folge, ja nicht einmal eine Fortlaufshemmung der Verjährungsfrist während ihrer Dauer (3 Ob 58/09i; RIS-Justiz RS0034518; Dehn in KBB³ § 1494 ABGB Rz 3 mwN). Von der Rechtsprechung ist nur anerkannt, dass Vergleichsverhandlungen, die bis zum Ablauf der Verjährungsfrist geführt werden, einen besonderen Fall einer Ablaufshemmung bilden; scheitern Vergleichsverhandlungen nach einem Zeitpunkt, in dem ohne sie der Rechtsverlust bereits eingetreten wäre, tritt Verjährung dann nicht ein, wenn die Klage unverzüglich eingebracht wird (3 Ob 110/11i; RIS-Justiz RS0034450; RS0034518). Hier wurde aber ein Ende der Parteiengespräche Ende Oktober 2007 behauptet und festgestellt, also lange vor Ablauf der Verjährungsfrist mit Ende des Jahres 2009.

II.2.3. Nach § 18 Abs 3 HVertrG ist die Verjährung eines beim Unternehmer angemeldeten Anspruchs aus dem Handelsvertretervertragsverhältnis bis zum Einlangen der schriftlichen Antwort des Unternehmers gehemmt. Zweck dieser Regelung ist es zu verhindern, dass der Handelsvertreter seine Ansprüche zur Vermeidung von deren Verjährung schon zu einem Zeitpunkt gerichtlich geltend machen muss, zu dem noch keine Reaktion seines Unternehmers auf die geltend gemachten Ansprüche vorliegt (Nocker, Komm zum HVertrG § 18 Rz 26; Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG Praxiskomm § 18 Rz 9). Es soll also dem Handelsvertreter vor Einleitung eines Prozesses gegen den Unternehmer dessen Stellungnahme als Entscheidungsgrundlage vorliegen, ohne dass das Gesetz besondere Anforderungen an den Inhalt und die Qualität der Antwort stellt oder gar eine Begründung verlangt, wohl aber deren Schriftlichkeit fordert.

Eine Antwort als Erwiderung des Befragten muss natürlich, um den dargelegten Zweck erfüllen zu können, eine inhaltliche Stellungnahme zur erhobenen Forderung enthalten, dem Handelsvertreter also die Haltung des Unternehmers dazu offen legen. Für eine weitergehende Auslegung, eine Antwort liege erst vor, wenn sich der Unternehmer sowohl abschließend als auch entweder zustimmend oder ablehnend geäußert hat (wie dies dem Kläger offenbar vorschwebt), bietet die gesetzliche Regelung (vgl die ganz anders lautende Regelung des § 12 Abs 2 VersVG) und ihr Zweck aber keinen Anlass; eine derartige Interpretation findet sich auch in der Lehre nicht (vgl Nocker § 18 Rz 27 f; Petsche/Petsche-Demmel § 18 Rz 8).

Dem Schreiben der Beklagten vom 9. August 2007 ist zu entnehmen, dass die Beklagte gewillt sei, die Angelegenheit außergerichtlich einer Bereinigung zuzuführen, die geforderten Beträge jedoch trotz Prüfung sämtlicher Geschäftsfälle nicht annähernd nachvollziehbar seien. Unpräjudiziell der Sach- und Rechtslage schlug die Beklagte eine gemeinsame Besprechung bei gleichzeitiger Durchsicht der Unterlagen vor und hielt abschließend an der mangelnden Nachvollziehbarkeit der geforderten Beträge fest, weshalb die angeblichen Provisionsansprüche derzeit nicht fällig seien.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Äußerung stelle eine Antwort iSd § 18 Abs 3 HVertrG dar und beende mit dem Zugang beim Kläger die Fortlaufshemmung, ist daher nicht zu beanstanden. Abgesehen davon ist auch die Auslegung des Antwortschreibens durch das Berufungsgericht dahin, die beklagte Unternehmerin anerkenne die angemeldeten Forderungen nicht, sondern sehe sie als unberechtigt an, zutreffend, zumal sie ausdrücklich trotz Prüfung als „nicht annähernd nachvollziehbar“ bezeichnet wurden und die Beklagte nur unpräjudiziell für die Sach- und Rechtslage die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen erklärte.

II.2.4. Eine vom Kläger (schon in erster Instanz) behauptete Verletzung der Abrechnungspflicht der Beklagten ist nicht mit einer Verheimlichung von Geschäftsabschlüssen gleichzusetzen. Dass die Beklagte dem Kläger provisionsrelevante Geschäftsabschlüsse verschwiegen habe oder solche dem Kläger unbekannt gewesen seien, wurde vom Kläger in erster Instanz aber nicht dezidiert behauptet. Deshalb stellt dieses erstmals in der Revision erstattete Vorbringen eine unzulässige Neuerung dar, auf die (derzeit) nicht einzugehen ist.

II.3. Da die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts, die seinem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegen, nicht zu beanstanden sind, muss der Rekurs des Klägers dagegen erfolglos bleiben. Abschließend erledigt ist die Frage der Höhe der vereinbarten Provisionen; ebenso das Thema Aufwandersatz, ausgenommen das fragliche Anerkenntnis.

Das Erstgericht wird daher im zweiten Rechtsgang zur Vervollständigung des Sachverhalts zu einem allfälligen Anerkenntnis des Aufwandersatzanspruchs durch die Beklagte zu sorgen haben; weiters wird es die dargestellte Problematik der Verjährung beider Provisionsansprüche mit den Parteien zu erörtern und ihnen die Gelegenheit zur Erstattung ergänzenden Vorbringens zu geben haben. In dessen Rahmen werden sodann weitere Beweise aufzunehmen und möglichst präzise Feststellungen (sowohl für die getrennt zu behandelnden Vertreter- als auch die Produktmanagerprovision) zu treffen sein.

II.4. Die Kostenentscheidung beruht angesichts der Erfolglosigkeit des zulässigen Rekurses auf § 52 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).

Stichworte