OGH 7Ob94/12t

OGH7Ob94/12t4.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** S*****, vertreten durch Dr. Andreas König und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J***** L*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer und Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 52.827,98 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. März 2012, GZ 2 R 172/11x-42, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Unfall, bei dem die Klägerin verletzt wurde und für dessen Folgen der Beklage als Betreiber einer Reitschule haften soll, ereignete sich dadurch, dass das Pferd nach der Durchführung eines „Rollback“ gerade beim Angaloppieren eine sehr plötzliche und rasche Ausreißbewegung nach rechts vollführte und fast im selben Augenblick mit der Klägerin zu Boden stürzte. Es steht nicht fest, ob das Pferd Eigenheiten aufweist, die im Zuge des Reitunterrichts von anderen Pferden für diese Qualifikation abweichen, insbesondere ob es irgendwelche Eigenschaften aufweist, die im Zuge des Reitunterrichts zu gefährlichen Situationen führen können, sohin ob das Pferd grundsätzlich für den Einsatz als Schulpferd ungeeignet war und ist.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797). Die Beweislast des § 1298 ABGB greift nur Platz, wenn der Geschädigte zunächst beweist, dass der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat. Wenn jedoch ein auch nur objektiv vertragswidriges Verhalten des Schädigers nicht feststellbar ist, kann die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB nur dann angewendet werden, wenn der Geschädigte beweist, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0026290). Der Geschädigte hat zu beweisen, dass der Schädiger sich in einer konkreten Lage nur in einer bestimmten Weise rechtmäßig verhalten hätte, sich aber tatsächlich anders verhalten hat (RIS-Justiz RS0026338).

Wird ein Pferd zu Reitzwecken einem Dritten überlassen, so handelt es sich um einen Mietvertrag (vgl 2 Ob 560/84, RIS-Justiz RS0023283). Werden auch noch Reitstunden gegeben, so trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, für die Sicherheit der Klägerin in zumutbarer Weise vorzusorgen (2 Ob 560/84 mwN). Er ist auch verpflichtet, den Mieter auf besondere Eigenschaften des Pferdes wie starkes Temperament, häufiges Ausschlagen udgl aufmerksam zu machen (RIS-Justiz RS0030472). Andererseits kommt es aber immer wieder vor, dass Pferde auch von erfahrenen Reitern nicht unverzüglich unter Kontrolle gebracht werden können, sodass gefährliche Berührungen zwischen Reitern und Pferden grundsätzlich zum Wesen des Reitsports gehören. Der Reiter hat die mit dem Reitsport verbundenen typischen Gefahren selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0044112). Eine gewisse, bei den einzelnen Sportarten mehr oder weniger große und verschiedenartig bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Sportausübenden ist im Wesen des Sports begründet und das notwendigerweise damit verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit der daran teilnehmenden Personen daher gebilligt (RIS-Justiz RS0023400).

Pferde sind keine Maschinen, sondern Lebewesen mit eigenem Willen. Sie sind Fluchttiere und damit grundsätzlich schreckhaft. Sie können aus vom Reiter nicht als gefährlich erkennbaren Anlässen scheuen. Daraus, dass ein Pferd mit Reiter auf Grund einer heftigen Rechtsbewegung und der damit verbundenen plötzlichen Schwerpunktverlagerung zu Boden geht, ist noch nicht abzuleiten, dass es für den Reitunterricht grundsätzlich nicht geeignet ist. Das nicht immer kalkulierbare Verhalten eines Pferdes, das zu Stürzen des Reiters führen kann, stellt ein typisches Risiko des Reitsports dar, das nicht unter allen Umständen ausgeschlossen werden kann. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass daher die Nichtfeststellung zu Lasten der Klägerin geht, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat nicht beweisen können, dass sich das Pferd untypisch verhalten hat. Sie hätte Umstände beweisen müssen, aus denen sich ergeben kann, dass das Pferd auffällig geworden war, also objektive Hinweise bestanden, dass das Pferd nicht als Schulpferd geeignet ist. Gerade derartige Anhaltspunkte bestehen nicht.

Die Frage, ob der Anscheinsbeweis tatsächlich erbracht wurde, gehört zur nicht revisiblen Beweiswürdigung, die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises zur rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0022624 ua). Der Anscheinsbeweis ist aber nur dann zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht. Er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen zu füllen (RIS-Justiz RS0040287, RS0022624). Eine Verschiebung der Beweislast kann also nur dann in Betracht kommen, wenn ein allgemeiner, für jedermann in gleicher Weise bestehender, Beweisnotstand gegeben ist und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültige Erfahrungssätze beruhende Geschehnisabläufe für den Anspruchswerber sprechen (RIS-Justiz RS0039895; 9 Ob 59/10g).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier kein prima-facie-Beweis Platz zu greifen hat, hält sich ebenfalls im Rahmen der Judikatur. Wie bereits dargelegt, gibt es eben keine Erfahrungssätze, dass ein Pferd, das einmal eine plötzliche Ausweichbewegung macht und dabei zu Sturz kommt, habituell untauglich ist.

Es werden insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

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