OGH 7Ob91/12a

OGH7Ob91/12a4.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** B*****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei E***** A*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. März 2012, GZ 3 R 192/11m-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 26. September 2011, GZ 1 C 1346/10m-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit nicht die Abweisung des Hauptbegehrens bereits in Rechtskraft erwachsen ist, dahin abgeändert, dass auch das Eventualbegehren, es werde der beklagten Partei als Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** gegenüber festgestellt, dass zugunsten des jeweiligen Grundeigentümers des Grundstücks Nr *****, einliegend in EZ ***** GB *****, die Dienstbarkeit besteht, auf dem Grundstück Nr *****, einliegend in EZ ***** GB *****, eine Garage zu errichten, wobei diese direkt an die westliche Außenmauer des Hauses ***** angebaut werden könne und diese Westmauer in einem die östliche Mauer der Garage darstelle, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.701,17 EUR (darin enthalten 589,19 EUR an USt und 1.166 EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger, seiner Frau einen Teil der damals in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaft mit dem darauf errichteten Haus ***** zu übertragen. Es wurde ausdrücklich auf einen beiliegenden Mappenplan, in dem die zukünftige Grenze der Flächen mit roter Farbe markiert war, verwiesen. Sie sollte unter anderem entlang der westlichen Außenmauer des Wohnhauses ***** verlaufen. Bereits seit den 1970er Jahren war westlich an das Haus ***** eine hölzerne Wagenhütte angebaut. Bedingung des Vergleichs war, dass die Wagenhütte, die auf dem dem Kläger verbleibenden Grundstück stand, als Garage ausgebaut und diese auch wieder an das Haus ***** angebaut werden darf. Am 18. 12. 1998 - vier Tage vor Abschluss des Scheidungsvergleichs - trafen der Kläger und seine Frau eine schriftliche Vereinbarung, wonach sich die Frau einverstanden erklärte, dass die bestehende Garage vom Kläger an der Westseite des Hauses ***** um ca ein Drittel erweitert und erneuert werden dürfe; die neue Garage werde ebenfalls an die westliche Hausmauer direkt angebaut; die westliche Hausmauer sei gleichzeitig die östliche Mauer der Garage, die später vom gemeinsamen Sohn benützt werde. „Die Vereinbarung war auf Dauer angelegt“.

Die tatsächliche Grundstücksteilung erfolgte auf Grund einer Vermessungsurkunde, die aus nicht bekannten Umständen zum Nachteil des Klägers und im Widerspruch zum Vergleich die Grenze im Abstand von 50 cm westlich des Gebäudes ***** verlaufend festlegte. Dementsprechend erfolgte auch die Eintragung in den Grenzkataster. Die Beteiligten unterfertigten Zustimmungserklärungen gemäß § 43 Abs 6 Vermessungsgesetz.

Die Errichtung der Garage erfolgte vereinbarungsgemäß, aber ohne baubehördliche Bewilligung.

Die geschiedene Frau des Klägers verkaufte die Liegenschaft am 14. 11. 2002 an die Beklagte. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass Lage, Ausmaß und Beschaffenheit des Kaufobjekts den Vertragsteilen aus eigener Wahrnehmung bekannt seien und die Verkäuferin keine wie immer geartete Haftung für ein bestimmtes Ausmaß, eine bestimmte Qualität oder eine bestimmte Eignung des Kaufobjekts übernehme, jedoch für die Lastenfreiheit des Kaufobjekts hafte. Vorher wies die geschiedene Frau des Klägers bei der Besichtigung „die Beklagte in die wesentlichen Grundstücksgrenzen ein“. Sie beschrieb den Grenzverlauf im Wesentlichen entlang der westlichen Hausmauer des Hauses *****. Sie wies die Beklagte auf den Grundbuchsstand hin und teilte mit, dass alle Grenzen neu vermessen und eingetragen seien. Sie sagte der Beklagten, dass die angebaute Garage dem Kläger gehöre. Die Beklagte ging davon aus, dass sich die Garage zur Gänze auf dem Grund des Klägers befinde. Der Beklagten war bekannt, dass die Grundstücksgrenzen im Grenzkataster eingetragen waren.

Erst als auch der Kläger im Jahr 2009 seine Liegenschaft verkaufen wollte, forderte ihn die Beklagte auf, die Grundstücksgrenzen zu klären und es wurden unterschiedliche Ansichten zum Grenzverlauf vertreten. Es gab Vergleichsgespräche zwischen den Parteien, die letztlich nicht erfolgreich waren.

Mit Kaufvertrag vom 11. 9. 2009 verkaufte der Kläger die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft an M***** K*****.

Auf Grund der Anzeige der Beklagten, dass eine nicht behördlich genehmigte Garage errichtet worden sei, wurde ein Baurechtsverfahren eingeleitet. Mit Bescheid der Gemeinde B***** vom 2. 3. 2011 wurde M***** K***** aufgetragen, den rechtmäßigen Zustand innerhalb der Frist eines Jahres wiederherzustellen oder die Garage abzutragen.

Mit der am 1. 10 2010 eingebrachten Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass die Grenze gemäß der mit seiner geschiedenen Frau getroffenen Vereinbarung einen bestimmten Verlauf habe. Das Eventualbegehren war auf die Feststellung gerichtet, dass gemäß der Erfüllung und des Zustandekommens des von der Beklagten selbst vorgeschlagenen Vergleichs die Garage, die an die westliche Außenmauer des Hauses ***** direkt angebaut sei, vom Kläger und dem jeweiligen Grundeigentümer der EZ ***** GB ***** errichtet, erhalten sowie ausschließlich benützt werden könne. Nach Erörterung durch den Erstrichter zog der Kläger das Hauptbegehren zurück, machte das Eventualbegehren zum Hauptbegehren und stellte das aus dem Spruch ersichtliche Eventualbegehren. Er brachte vor, dass die Grenze zwischen den Grundstücken eindeutig und ausdrücklich als eine Gerade entlang der westlichen Außenmauer des Hauses ***** festgelegt worden sei und aus nicht bekannten Gründen die Vermessungsurkunde dem gemeinsamen Willen der damaligen Eheleute nicht entsprochen habe. Völlig unvorhersehbar habe die Beklagte plötzlich eine von der tatsächlichen Nutzungsgrenze abweichende Grenze eingefordert. Seine Gattin habe zumindest eine Dienstbarkeit eingeräumt, die Garage an die Westmauer des Hauses ***** anzubauen. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der geschiedenen Frau könne sich nicht auf guten Glauben berufen, weil die Existenz der Garage für sie in der Natur deutlich erkennbar gewesen sei. Nach Einleitung des Bauverfahrens habe M***** K***** eine Klärung der strittigen Grenzfragen durch den Kläger als seinen Rechtsvorgänger verlangt. Daraus resultiere sein rechtliches Interesse.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Im Zeitpunkt der Teilung des Grundstücks sei an den Grundstücksgrenzen kein Gebäude errichtet gewesen. Die Beklagte habe das Grundstück im Vertrauen auf den Grenzkataster erworben. Weder mündlich noch schriftlich sei ein Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen worden. Es fehle eine Eintragung im Grundbuch. Der ohne Baubewilligung errichtete Grenzüberbau verstoße gegen zwingende Bestimmungen des öffentlichen Rechts, sodass auch eine Ersitzung ausscheide. Der Kläger habe als Nichteigentümer der Liegenschaft kein wie immer geartetes rechtliches Interesse an der Feststellung des Grenzverlaufs.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab aber dem Eventualbegehren statt. Das festzustellende Rechtsverhältnis müsse nicht zwischen den Parteien, sondern es könne auch zu oder zwischen Dritten bestehen, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten habe, weil sich das Rechtsverhältnis auf die rechtliche Position des Klägers auswirke. Ein solcher Fall liege vor. Der Kläger habe seine Liegenschaft im Zeitraum der Konflikte mit der Beklagten hinsichtlich der Liegenschaftsgrenze an M***** K***** verkauft. Der Abbruchbescheid greife massiv in die Rechtssphäre des derzeitigen Eigentümers M***** K***** ein. Der Kläger hafte diesem als direkter Rechtsvorgänger aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag. Dem Kläger drohten im Fall des Abbruchs der Garage Rückgriffsansprüche seines Vertragspartners. Es sei daher dem Kläger ein rechtliches Interesse an der Klärung der im Verfahren strittigen Fragen zuzubilligen. Das Erstgericht kam zum Ergebnis, dass zwar zwischen den Parteien keine vergleichsweise Bereinigung der Streitpunkte erfolgt sei, dem Kläger aber von seiner geschiedenen Frau mit der Vereinbarung vom 18. 12. 1998 zumindest die Dienstbarkeit eingeräumt worden sei, die Garage an die Mauer des Hauses ***** anzubauen. Es handle sich um eine Realservitut. Bei Verkauf der Liegenschaft samt Wohnhaus an die Beklagte sei die Garage des Klägers in der Natur ersichtlich und damit die Servitut offenkundig gewesen. Es liege eine bewilligungswidrige, aber keine verbotene Benützung vor.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Der Beklagten sei der Grenzverlauf in der Natur bekannt gewesen. Sie habe das Grundstück nicht im Vertrauen auf den Grenzkataster erworben, sondern sei vielmehr davon ausgegangen, dass die Garage zur Gänze auf dem Grund des Klägers erbaut sei. Ihr komme kein Vertrauensschutz zugute. Bei der Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dienen solle, entstehe nach der Judikatur eine Dienstbarkeit auch ohne spezifische Vereinbarung oder Verbücherung. Es werde angenommen, dass der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspreche und die Dienstbarkeit damit unmittelbar durch den Übertragungsakt entstehe, weil im Zweifel anzunehmen sei, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleibe und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen solle. Da die Beklagte zunächst vom Eigentum des Klägers an den strittigen Grundflächen ausgegangen sei, müsse sie jetzt - unter Zugrundelegung der Grenzen laut Kataster, wie dies die Parteien getan hätten - umso mehr die entsprechende Dienstbarkeit als schwächeres Recht gegen sich gelten lassen. Es sei rechtsunerheblich, ob die Dienstbarkeit durch ein baubewilligtes Gebäude ausgenützt werde oder nicht. Auf die Frage des rechtlichen Interesses des Klägers ging das Berufungsgericht nicht ein.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Judikatur des Obersten Gerichtshof zur Frage fehle, ob auch im Fall eines Irrtums bei Unterfertigung des Ergebnisses der Vermessung für den Grenzkataster die Judikatur zur Entstehung einer Dienstbarkeit bei Teilung der Liegenschaft anzuwenden sei oder ob die Parteien auf eine Berichtigung des Grenzkatasters im Verwaltungsweg zu verweisen seien.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das rechtliche Interesse des Klägers ungeprüft gelassen. Der Mangel des rechtlichen Interesses an einer Feststellungsklage ist nämlich auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0039123).

Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht (RIS-Justiz RS0037422). Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für den Feststellungsanspruch (RIS-Justiz RS0039177). Es muss irgendeine streitverhindernde oder sonstige Rechtswirkung zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits denkbar sein (RIS-Justiz RS0039080). Voraussetzung ist eine unmittelbare Wirkung des festzustellenden Rechts auf die Rechtsposition der die Feststellung beantragenden Partei (1 Ob 176/10d). Die Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die im Verhältnis zu nicht am Verfahren beteiligten Dritten bestehen, ist zwar nicht generell ausgeschlossen. Ein solches Begehren ist jedoch nur zulässig, wenn das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis die Rechtssphäre des Klägers oder des Beklagten unmittelbar berührt (RIS-Justiz RS0038819), also unmittelbar in seinen Rechtsbereich hineinreicht, diesen stört und beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0038958). Ein bloß wirtschaftliches Interesse allein genügt nicht. Bei der Feststellung von Drittrechtsverhältnissen ist das rechtliche Interesse genau zu prüfen, weil das Feststellungsurteil einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten gegenüber keine Rechtskraftwirkung äußert (4 Ob 93/09v mwN). Das rechtliche Interesse fehlt, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann und damit die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des Beklagten nicht unmittelbar berührt werden (1 Ob 49/09a, RIS-Justiz RS0039071).

Der Kläger ist im Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft gewesen. Durch die strittige Frage, ob eine Servitut zugunsten der Liegenschaft, die nun im Eigentum eines Dritten steht, besteht, wird seine Rechtsposition somit nicht unmittelbar beeinträchtigt. Die Klärung der Streitfrage dient auch nicht der Abklärung seines Rechtsverhältnisses zur Beklagten. Durch die Feststellung soll nur eine mögliche Vorfrage für allfällige Ansprüche des am Verfahren nicht beteiligten Dritten gegen den Kläger geklärt werden. Dies kann aber nach der dargelegten Rechtslage kein rechtliches Interesse begründen. Dem Kläger fehlt das rechtliche Interesse an seinem Feststellungsbegehren. Das Klagebegehren ist daher abzuweisen, ohne dass auf die anderen Rechtsfragen eingegangen werden kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der ERV-Zuschlag gemäß § 23a RATG gebührt nur für verfahrenseinleitende, nicht jedoch für fortgesetzte Schriftsätze, unter denen nicht nur Rechtsmittel, sondern auch weitere Rechtsmittelbeantwortungen zu verstehen sind (RIS-Justiz RS0126594).

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