OGH 3Ob88/12f

OGH3Ob88/12f14.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiter 1. S*****, und 2. A*****, Deutschland, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems als Rekursgericht vom 19. Jänner 2012, GZ 2 R 202/11k‑120, womit der Rekurs der Einschreiter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 27. Oktober 2011, GZ 21 P 105/07k‑99 (nunmehr GZ 211 P 79/11i‑99), zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiter wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Für den am 9. Mai 1945 geborenen Betroffenen war mit Beschluss vom 14. Juni 2011 der NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung zum Sachwalter bestellt worden.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 den Bericht des Sachwalters zur Kenntnis genommen und die für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis 1. August 2011 vorgelegte Pflegschaftsrechnung bestätigt. Dem Sachwalter wurde (insgesamt) eine Entschädigung von 990 EUR und ein Aufwandersatz von 356 EUR zuerkannt.

Das Rekursgericht wies den dagegen von der Ehegattin und vom Sohn erhobenen Rekurs mangels Parteistellung der Einschreiter zurück und ließ den Revisionsrekurs im Hinblick auf die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zu.

Anders als für das Sachwalter‑Bestellungsverfahren und für das Verfahren betreffend die Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft (§§ 127 f AußStrG) treffe das AußStrG in Bezug auf die Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger im Rechnungslegungs- und Entschädigungsverfahren während aufrechter Sachwalterschaft keine Sonderregelungen. Die Einschreiter könnten ihre Rechtsmittellegitimation somit nur aus einer allfälligen Parteistellung gemäß § 2 AußStrG herleiten. Eine solche käme ihnen aber nicht zu, weil sie durch die begehrte Entscheidung nicht in ihrer „rechtlich geschützten Stellung“ unmittelbar beeinflusst würden.

Ausnahmsweise gestehe die Rechtsprechung eine Rechtsmittellegitimation naher Angehöriger zu, wenn beispielsweise das Kindeswohl anders nicht gewahrt werden könne. Ein solcher Fall liege aber nicht vor. Durch die Bestätigung der Rechnung werde nämlich keine Entlastung des gesetzlichen Vertreters bewirkt; vielmehr spreche das Gericht lediglich aus, dass es keinen Anlass für eine fortgesetzte Prüfung der Rechnung gebe. Unmissverständlich folge aus der in § 137 AußStrG übernommenen Regelung des § 207 Abs 3 AußStrG alt idF KindRÄG 2001, dass die rechtskräftige Bestätigung der Rechnung über die Vermögensverwaltung im Außerstreitverfahren die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Vermögensverwaltung durch den Pflegebefohlenen oder seinen Erben im streitigen Rechtsweg nicht ausschließe. Der Begriff „Bedenken gegen die Richtigkeit“ in § 207 Abs 1 AußStrG alt idF KindRÄG 2001 sei daher im Sinn einer bloß formalen Unbedenklichkeit der gelegten Rechnung zu verstehen.

Die eheliche Verbindung und die daraus resultierenden Ansprüche sowie das Vater-Sohn-Verhältnis würden keine Parteistellung im Rechnungslegungs- und Entschädigungsverfahren während aufrechter Sachwalterschaft begründen, selbst wenn man von einer Reflexwirkung der angefochtenen Entscheidung auf die Ehegattin ausgehen wollte. Grundsätzlich bedürfe es im Verfahren zur Festsetzung der Sachwalterentschädigung allein zur Vertretung des Betroffenen keiner Bestellung eines Kollisionskurators; vielmehr genüge im Regelfall die unter Bedachtnahme auf das Wohl des Leistungspflichtigen vorzunehmende amtswegige Prüfung der Ansprüche durch das Gericht. Ein Anlass für die ausnahmsweise Bestellung eines Kollisionskurators sei nicht erkennbar.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiter ist nicht zulässig.

Die Einschreiter bringen vor, es könne wohl nicht Ziel einer Sachwalterschaft sein, dass die betroffene Person durch den bestellten Sachwalter einen Vermögensnachteil erleide. Der Entzug des Vermögens durch die Entschädigung und den Aufwandersatz seien „nicht unter den Tisch zu wischen“; alle diese Beträge würden den Einschreitern als präsumptiven Erben entgehen. Die Vorinstanzen seien jede Rechtfertigung darüber schuldig geblieben, warum für eine in Krems wohnhafte Person ein Sachwalter mit dem Sitz in St. Pölten bestellt worden sei. Anders ausgedrückt: Es könne nicht Aufgabe der betroffenen Person sein, den bestellten Sachwalter wirtschaftlich zu finanzieren. In diesem Sinn komme den Einschreitern sehr wohl eine Rechtsmittellegitimation im Sinne des § 2 AußStrG zu, weil sie durch den Entzug der dem Sachwalter zugesprochenen Beträge in ihrer rechtlich geschützten Stellung als präsumptive Erben unmittelbar beeinflusst würden. Die Erklärung, nur dem Betroffenen komme Parteistellung zu, erscheine realitätsfern, weil dieser hilflos sei. Er sei nicht in der Lage, sich zu artikulieren und um Hilfe zu rufen; er sei dem Gericht (und dem seine eigenen Interessen verfolgenden Sachwalter) ausgeliefert. Das Gericht habe seine Pflicht verletzt, die Vermögenssituation des Betroffenen zu schützen. Bis zu einem Erfolg in einem Zivilprozess könnten Jahre vergehen.

Dazu wurde erwogen:

1. Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiter gegen die Bestimmung der Entschädigung des Sachwalters bezieht, ist er jedenfalls unzulässig.

§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG schließt einen Revisionsrekurs „über den Kostenpunkt“ aus. Den Kostenpunkt betreffen alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form ‑ materiell oder formell ‑ über „Kosten“ abgesprochen wird (RIS-Justiz RS0007695; zuletzt 3 Ob 3/12f und 3 Ob 5/12z). Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RIS-Justiz RS0044233). Dies gilt auch für rein formale Entscheidungen der zweiten Instanz über die Zulässigkeit oder Ablehnung einer Kostenentscheidung (RIS‑Justiz RS0044233 [T6]), auch selbst für rein formale Entscheidungen der zweiten Instanz, mit denen etwa ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts aus formalen Gründen oder als unzulässig zurückgewiesen wurde (RIS-Justiz RS0044233 [T1 und T21]; RS0044288 [T4]).

Unter den Begriff der „Kosten“ fallen nach ständiger Rechtsprechung auch die Kosten eines Sachwalters und dessen Belohnung bzw Entschädigung (RIS-Justiz RS0007695 [T13 und T23]; RS0007696; RS0008673; RS0017311). Die Unanfechtbarkeit nach § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG gilt auch dann, wenn zugleich mit der Entscheidung über den Entlohnungsanspruch über die Genehmigung der Pflegschaftsrechnung abgesprochen wird (7 Ob 93/04h). Einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung 6 Ob 556/88 = RIS‑Justiz RS0017311 [T13], wonach bei untrennbarem Zusammenhang mit der gleichfalls angefochtenen Genehmigung der Pflegschaftsrechnung eine Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt zulässig sein soll, bedarf es nicht, weil den Einschreitern jedenfalls keine Rechtsmittellegitimation im Sachwalterschaftsverfahren zukommt.

2. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, der auch das Rekursgericht gefolgt ist, fehlt es den Einschreitern in Bezug auf die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung an der Parteistellung gemäß § 2 Abs 1 AußStrG.

2.1. Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen (§§ 127 f AußStrG) gilt im Sachwalterschaftsverfahren generell, dass nahen Angehörigen ebenso wie dritten Personen kein Antragsrecht zukommt; sie haben keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts (RIS‑Justiz RS0006610 [T2]), selbst wenn ihre Interessen tangiert werden (vgl RIS‑Justiz RS0006610 [T3]). Wegen des Zuschnitts des Sachwalterschaftsverfahrens auf die betroffene Person kann es auch nicht über die Behauptung, dass das Gericht und der Sachwalter ihre Stellung missbrauchen würden, zu einer Parteistellung dritter Personen iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG kommen (vgl RIS‑Justiz RS0006229 [T19] und [T20]; zuletzt 3 Ob 244/11w). Die rechtlich geschützte Stellung dritter Personen wird nämlich durch die gerichtliche Tätigkeit in einem Sachwalterschaftsverfahren nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beeinflusst (vgl RIS‑Justiz RS0006610 [T4]; Neumayr, Die Parteistellung in familienrechtlichen Außerstreitverfahren, Jahrbuch Zivilverfahrensrecht 2009, 117 [128]).

2.2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in besonders gelagerten Fällen ein Rekursrecht naher bzw nächster Angehöriger dann anerkannt hat, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen erforderlich ist (RIS-Justiz RS0006433 [T9]). Ein solches besonderes Interesse ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, da einerseits die wesentliche Rolle des Pflegschaftsgerichts nach § 133 AußStrG darin besteht, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen (RIS-Justiz RS0126331). Zum anderen fehlt es an einem bei Fehlen eines Rekursrechts eintretenden Rechtsschutzdefizit (siehe auch RIS-Justiz RS0124443 [T1]). Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Bestätigung der Pflegschaftsrechnung nur eingeschränkte rechtliche Wirkungen zukommen; insbesondere fehlt ihr eine Bindungswirkung für ein etwaig nachfolgendes Zivilverfahren (§ 137 Abs 3 AußStrG; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG [2006] § 137 Rz 4).

2.3. Die Einschreiter leiten ihre Betroffenheit von ihren eigenen finanziellen Interessen als potenziellen Erben ab. Allein die präsumtive Erbenstellung vermag nach der Rechtsprechung keine Parteistellung iSd § 2 Abs 1 AußStrG zu begründen. Präsumtiven Erben kommt allein ein wirtschaftliches Interessen, nicht aber eine rechtliche geschützte Stellung zu (RIS-Justiz RS0008425; vgl auch RS0006172).

3. Der Revisionsrekurs der Einschreiter ist daher zurückzuweisen.

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