Spruch:
Dem Rekurs des Dr. Aleksa P*** wird nicht stattgegeben. Den anderen Rekursen wird stattgegeben. Der rekursgerichtliche Zurückweisungsbeschluß vom 17.September 1987, ON 78, und die rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlüsse vom 17.Dezember 1987, ON 94 und ON 96, werden aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Rekurse ON 72 sowie ON 89 und ON 90 a unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 30.Oktober 1985 für die serbische griechisch-orientalische K*** Z*** H*** S*** in Wien gemäß § 12 Abs.1 OrthG einen Rechtsanwalt zum Kurator bestellt (Einzelheiten können der Sachverhaltsdarstellung in der Entscheidung vom 6.November 1986, 6 Ob 666/86 = ON 49 a entnommen werden).
Der Kurator legte am 17.Februar 1987 für die Zeit vom 30. Oktober 1985 bis 31.Dezember 1986 Rechnung. Für diesen Zeitraum begehrte er als Belohnung einen Betrag von 34.252,07 S. Mit dem Beschluß vom 4.Mai 1987, ON 67, genehmigte das Pflegschaftsgericht die vom Kurator gelegte Rechnung (Punkt 1), ermächtigte den Kurator, den als Reingewinn ausgewiesenen Betrag von 4.068,09 S auf ein Konto der Kirchengemeinde zu deren freien Verfügung zu überweisen (Punkt 2), wies den Kurator an, für das Jahr 1987 bis Ende März 1988 Rechnung zu legen (Punkt 3) und bestimmte die Belohnung des Kurators nach dessen Antrag (Punkt 4). Namens der Kirchengemeinde brachte ein Rechtsanwalt gegen diese Entscheidung (ausgenommen den Auftrag zur Rechnungslegung für 1987) Rekurs ein. Der Parteienvertreter hatte zum Nachweis seiner Bevollmächtigung eine mit 4.Mai 1987 datierte Vollmachtsurkunde vorgelegt, die drei Unterschriften trägt. Die Unterzeichner sind nach dem Inhalt eines Schriftstückes vom 6.Januar 1987, das in einer Ablichtung vorgelegt wurde, als Präses, Sekretär und Kassierer zu Mitgliedern des nach den Statuten der Kirchengemeinde vorgesehenen engeren Ausschusses "nominiert" worden.
Der Kurator erstattete am 29.Oktober 1987 über die Verwendung des im Eigentum der Kirchengemeinde stehenden Hauses, in dem sich unter anderem vor allem das Bethaus und die Versammlungsräume der Kirchengemeinde befinden, Bericht. Der Kurator teilte dem Gericht mit, einem ehemaligen Sekretär der Kirchengemeinde die von diesem nach seinem eigenen Vorbringen aufgrund eines Verwaltungsauftrages ausgeübte Verwaltung des Hauses durch Abberufung entzogen, die Verwaltung selbst übernommen und einen Immobilientreuhänder substituiert zu haben, das bisher als Verwalter tätige Kirchengemeindemitglied vergeblich zur Übergabe der Verwaltungsunterlagen aufgefordert zu haben und diesbezüglich voraussichtlich zur Klagsführung genötigt zu sein. Der Kurator ersuchte um Genehmigung dieser von ihm beabsichtigten Prozeßführung. Der Kurator berichtete weiter über eine von ihm veranlaßte Änderung des Haustorschlosses und über seine Weigerung, Schlüssel zum geänderten Schloß an Personen auszuliefern, die sich auf eine eigene Organstellung in der Kirchengemeinde berufen und Zutritt zu den im Haus befindlichen Kult- und Versammlungsräumen begehren. Der Kurator legte seine Ansicht über die bestmögliche Gewährleistung einer widmungsgemäßen Verwendung der dem Gottesdienst und dem sonstigen Gemeinschaftsleben der Kirchengemeinde gewidmeten Räumlichkeiten dar, wonach die Vermietung von Bethaus und Sakristei, Büroraum, Sitzungssaal und Pfarrerwohnung an ein Kirchengemeindemitglied zweckdienlich erschiene, dem von einer außerhalb der Kirchenorganisation stehenden Stiftung bescheinigt werde, das Vertrauen des Patriarchen von Serbien und des Bischofs für Westeuropa zu besitzen. Diese Person hatte allerdings im Zuge polizeilicher Erhebungen von sich behauptet, Präsident einer von der durch die Pflegschaft betroffenen Kirchengemeinde unabhängigen anderen Kirchengemeinde zu sein. Der Kurator ersuchte um pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des von ihm über Bethaus samt Sakristei, Büroraum, Sitzungsraum und Pfarrerwohnung geschlossenen Mietvertrages nach der Urkunde vom 27.Oktober 1987. Mit dem Beschluß vom 30.Oktober 1987, ON 85, hat das Pflegschaftsgericht den Bericht des Kurators zur Kenntnis genommen (Punkt 1), die vom Kurator beantragte Klagsermächtigung erteilt (Punkt 2) und den vom Kurator abgeschlossenen Mietvertrag genehmigt (Punkt 3).
Namens der Kirchengemeinde brachten einerseits der sich auf die Vollmacht vom 4.Mai 1987 berufende Rechtsanwalt gegen die Genehmigung des Mietvertrages und außerdem zwei Personen gegen die Genehmigung des Mietvertrages und gegen die formelle Kenntnisnahme des Kuratorberichtes Rekurse ein, wobei sich die letzterwähnten zwei Personen darauf beriefen, am 6.April 1986 zu Präsident und Sekretär gewählt worden zu sein. Außerdem erhob ein einzelnes Kirchengemeindemitglied unter Berufung auf die hervorragende Stellung zweier seiner Vorfahren (Patriarch und Gründer der Kirchengemeinde) gegen die Punkte 1 und 3 des Beschlusses vom 30. Oktober 1987 Rekurs.
Das Rekursgericht hat sowohl den namens der Kirchengemeinde gegen den Beschluß vom 4.Mai 1987, ON 67, erhobenen Rekurs als auch die drei erwähnten Rekurse gegen den Beschluß vom 30.Oktober 1987, ON 85, zurückgewiesen.
Nach der Ansicht des Rekursgerichtes wirke die von der Kultusbehörde unter Berufung auf § 12 Abs.2 OrthG bescheidmäßig ausgesprochene zeitweilige Hemmung der Handlungsfähigkeit der Kirchengemeinde für den staatlichen Bereich uneingeschränkt auch für das gerichtliche Pflegschaftsverfahren. Diese Wirkung könne, so lange die verwaltungsbehördliche Maßnahme nach § 12 Abs.5 OrthG nicht wieder aufgehoben worden sei, weder dadurch umgangen werden, daß der Kirchenbehörde Neubestellungen von vertretungsbefugten Organen im Sinne des § 9 OrthG angezeigt würden, noch durch die Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten durch solche neu bestellte Organe.
Sämtliche Rechtsmittelwerber, deren Rekurse vom Gericht zweiter Instanz zurückgewiesen wurden, erheben dagegen Rekurs an den Obersten Gerichtshof.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Rechtsmitteln gegen die zweitinstanzlichen Rekurszurückweisungen stehen keine Anfechtungsbeschränkungen entgegen, in Ansehung des Rekurses gegen den Beschluß vom 4.Mai 1987, ON 67, auch nicht jene nach § 14 Abs.2 AußStrG (Unzulässigkeit von Rekursen gegen zweitinstanzliche Entscheidungen über den Kostenpunkt), weil Punkt 4 des Beschlusses über die Kuratorbelohnung in einem untrennbaren Zusammenhang mit der gleichfalls angefochtenen Genehmigung der Pflegschaftsrechnung nach Punkt 1 desselben Beschlusses steht. Es bestehen auch nach der aktenkundigen Anzeige des Vertreterwechsels im Zusammenhang mit dem Revisionsrekurs ON 68 keine Bedenken gegen die Rechtzeitigkeit des gegen den Beschluß vom 4. Mai 1987, ON 67, eingebrachten Rekurses.
Zur Rechtsmittelbefugnis der von der Kuratorenbestellung im Sinne des § 12 Abs.2 OrthG betroffenen Kirchengemeinde und von einzelnen Kirchengemeindemitgliedern sowie zur Vertretung der Kirchengemeinde im anhängigen Pflegschaftsverfahren ist entgegen den rekursgerichtlichen Ansichten zu erwägen:
Die von der Kuratorbestellung betroffene Kirchengemeinde ist im § 4 Abs.1 OrthG namentlich genannt. Sie genießt im Sinne der erwähnten Gesetzesstelle für die Dauer ihres Bestehens die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Als solche kann sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr, aber auch in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren nur durch vertretungsbefugte Organe handeln. Die Bestellung solcher Organe ist zunächst grundsätzlich eine innerkirchliche Angelegenheit. Zur Rechtswirksamkeit der Organbestellung für den staatlichen Bereich ist nach § 9 OrthG die formelle Anzeige an die Kulutsbehörde, deren Prüfung des angezeigten Bestellungsaktes und das Unterbleiben einer bescheidmäßigen Ablehnung der Anzeigenentgegennahme erforderlich. Der autonome innerkirchliche Bestellungsakt und das Fehlen eines die Bestellung wieder aufhebenden Aktes oder Umstandes ist eine Art "natürlicher" Voraussetung jeder Organstellung, ohne die auch für den staatlichen Bereich eine solche nicht anzuerkennen wäre. Zur aufrechten Organstellung nach innerkirchlichen Vorschriften muß der im § 9 OrthG umschriebene Vorgang hinzutreten, wenn die Organstellung auch für den staatlichen Bereich wirksam sein soll. Im Falle des § 12 Abs.2 OrthG tritt für den staatlichen Bereich an die Stelle eines je nach der Grundlage der innerkirchlichen Regelungen bestellten vertretungsbefugten Organes der gerichtlich bestellte Kurator.
Gerät dessen Gestion in einen Interessenwiderstreit zu der von der Kuratorbestellung betroffenen Kirchengemeinde, ist hierüber vom Pflegschaftsgericht zu entscheiden. In diesem Pflegschaftsverfahren kommt der von der Kuratorbestellung betroffenen Kirchengemeinde nicht nur Parteistellung zu, zur wirksamen Ausübung ihrer Parteistellung bedarf es im Interessenwiderstreit mit dem Kurator einer von diesem unabhängigen Vertretung.
Zu einer solchen Vertretung im Pflegschaftsverfahren, und nur in diesem, sind die jeweils nach innerkirchlichen Vorschriften wirksam bestellten Organe berufen.
Die Überprüfung der innerkirchlich wirksamen aufrechten Bestellung einer im Pflegschaftsverfahren namens der Kirchengemeinde als deren Organ auftretenden Person kommt im Rahmen der dem Gericht in jedem Verfahren auferlegten Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der ordnungsgemäßen Vertretung der Parteien dem Gericht zu. Das Pflegschaftsgericht hat dabei das Recht und die Pflicht, Bestellungsvorgänge sowie gegenteilige Akte und Umstände in Ansehung der für die Kirchengemeinde handelnd auftretenden Personen im selben inhaltlichen Umfang zu prüfen, wie dies im Falle des § 9 OrthG der Kultusbehörde obläge.
Wer in einem nach § 12 Abs.2 OrthG eingeleiteten Pflegschaftsverfahren namens der betroffenen Kirchengemeinde einschreitet, hat daher darzulegen, auf welchen innerkirchlichen Vorgang er die von ihm in Anspruch genommene Vertretungsbefugnis gründe.
Fehlt es an einer schlüssigen Darlegung der Vertretungsbefugnis, ist diesbezüglich ein Mangelbehebungsverfahren einzuleiten. Obwalten Zweifel an der Wirksamkeit des behaupteten Bestellungsaktes oder besteht der Verdacht einer Endigung der Organstellung, sind vom Gericht darüber Erhebungen zu pflegen. Dies gilt insbesondere für den Fall einer Gruppenbildung, bei der die einzelnen Fraktionen die Wirksamkeit von Wahlen oder sonstigen Bestellungsakten wechselseitig nicht anzuerkennen erklären.
Nur ausnahmsweise erschiene die Lösung der Frage nach der aufrechten Wirksamkeit einer Organbestellung entbehrlich, wenn nämlich sämtliche sich der aufrechten Organstellung berühmenden Einschreiter namens der Kirchengemeinde inhaltlich gleichgerichtete Verfahrenshandlungen setzen, also etwa eine Gerichtsentscheidung in derselben Richtung mit demselben Antrag anfechten.
Einzelnen Kirchengemeindemitgliedern im eigenen Namen kann in einem nach § 12 Abs.2 OrthG eingeleiteten Pflegschaftsverfahren nur insoweit Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis zugestanden werden, als durch eine gerichtliche Entscheidung unmittelbar in die eigene Rechtssphäre des betroffenen Kirchengemeindemitgliedes eingegriffen wird.
Im Sinne dieser Rechtsansichten erfolgte die rekursgerichtliche Zurückweisung (ON 95) des von einem einzelnen Kirchengemeindemitglied im eigenen Namen erhobenen Rekurses (ON 90) gegen den Beschluß vom 30.Oktober 1987, ON 85, zu Recht. Dem dagegen erhobenen Rekurs (ON 103) muß ein Erfolg versagt bleiben. Dem namens der Kirchengemeinde erhobenen Rekurs (ON 82) gegen die rekursgerichtliche Zurückweisung (ON 78) des gegen den Beschluß vom 4.Mai 1987, ON 67, eingebrachten Rekurses (ON 72) ist stattzugeben.
Das Rekursgericht wird für eine Klärung der im Schreiben vom 6. Januar 1987 behaupteten "Nominierung" eines Generalausschusses zu sorgen und danach zu beurteilen haben, ob unter Einhaltung der satzungsgemäßen Bestellungsvorgänge und ohne Verletzung der für eine Wirksamkeit der Organbestellung nach staatlichem Recht bestehenden Vorschriften (§ 9 Abs.2 OrthG) die Personen, die dem als Parteienvertreter einschreitenden Rechtsanwalt Verfahrensvollmacht erteilt haben, damals wirksam zu vertretungsbefugten Organen der Kirchengemeinde bestellt waren und wie weit damit die Funktion früher bestellter Organe beendet wurde. Nach dem Ergebnis dieser Erhebungen und Prüfungen wird entweder ein Verfahren zur Behebung des Mangels der ordnungsgemäßen Vertretung der Kirchengemeinde, eine Zurückweisung des Rekurses wegen eines unbehebbaren oder unbehobenen derartigen Mangels oder eine Sachentscheidung über den Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß erforderlich sein.
Den beiden namens der Kirchengemeinde eingebrachten Rekursen (ON 105 und 104) gegen die rekursgerichtliche Zurückweisung (ON 94 und ON 96) der gegen den Beschluß vom 30.Oktober 1987, ON 85, eingebrachten Rekurse (ON 90 a und 89) ist ebenfalls stattzugeben. In diesem Fall wird zu prüfen sein, ob von einer Entscheidung in der Vertretungsfrage mit Rücksicht darauf abgesehen werden könnte, daß alle nach der Aktenlage als vertretungsbefugte Organe der Kirchengemeinde in Betracht zu ziehenden Personen eine inhaltlich gleichgerichtete Anfechtung vorgenommen haben. Zutreffendenfalls wird unverzüglich über den gegen die erstinstanzliche Entscheidung ergriffenen Rekurs zu entscheiden sein. Anderenfalls gilt dasselbe, was zur Anfechtung des Zurückweisungsbeschlusses, ON 78, ausgeführt wurde.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)