Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten Shkumbin V*****, Umid A***** und Ismail At***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und einen rechtskräftigen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Shkumbin V*****, Umid A***** und Ismail At***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 (zu ergänzen: Abs 1), 143 zweiter und dritter Fall StGB (1./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (3./), darüber hinaus V***** des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (2./) und At***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach (zu ergänzen: § 127 und) § 131 erster Fall StGB (5./) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung -
1./ Shkumbin V*****, Umid A*****, Ismail At***** sowie ein weiterer Angeklagter am 23. März 2011 in Linz mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Gerit H***** zirka zwei Kilogramm Cannabis unter Verwendung einer Waffe mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem einer der Angeklagten mit einem Schlagstock gegen H***** schlug und, nachdem sie von diesem aus der Wohnung gedrängt worden waren, die Wohnungstüre durch von V***** mit einem zuvor im Stiegenhaus abmontierten Feuerlöscher geführte Schläge sowie durch Fußtritte aufbrachen, in die Wohnung eindrangen und gegen H***** weiter tätlich werden wollten, worauf dieser die Flucht ergriff und aus dem Schlafzimmerfenster seiner im ersten Stock gelegenen Wohnung sprang und sich dadurch eine schwere Verletzung (richtig: § 84 Abs 1 StGB), nämlich einen Bruch des rechten Fersenbeins zuzog;
2./ Shkumbin V***** am 23. März 2011 in Linz eine fremde Sache, die der öffentlichen Sicherheit (richtig: der Verhütung oder Bekämpfung von Katastrophen) dient, nämlich den zu 1./ genannten Feuerlöscher unbrauchbar gemacht, indem er ihn aus der Verankerung riss, gegen die Wohnungseingangstüre schlug und anschließend dessen Inhalt in der Wohnung H*****s versprühte;
3./ Shkumbin V*****, Umid A*****, Ismail At***** und ein weiterer Angeklagter am 23. März 2011 in Linz eine fremde Sache beschädigt, indem sie die Wohnung H*****s durchsuchten und verwüsteten, insbesondere Kleidungsstücke und andere Gegenstände aus Kästen und anderen Verwahrungsorten entnahmen und auf den Boden warfen;
...
5./ Ismail At***** am 7. Jänner 2011 in Wels 2.490 Euro Bargeld Verantwortlichen des Wettbüros S***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen anderen durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, dass er gegen die ihn an der Jacke festhaltende Vesna S***** mit den Armen ausschlug, wodurch diese mit dem Rücken gegen die hinter ihr befindliche Theke prallte und sich eine Prellung zuzog, sich das weggenommene Bargeld erhalten konnte.
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Shkumbin V*****, Umid A***** und Ismail At*****, welche V***** und At***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und lit b sowie 10 StPO, letzterer darüber hinaus auf Z 2, A***** wiederum ausschließlich auf Z 5 stützen. Diesen kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shkumbin V*****:
Die Mängelrüge (Z 5 fünfter, der Sache nach vierter Fall) behauptet zu 1./, das Erstgericht habe unter lebensfremder Annahme einer Verletzung des Gerit H*****, welche jedoch nicht im Behandlungsbericht des Opfers dokumentiert sei, die Verwendung einer Waffe unterstellt. Sie übersieht, dass die vom Erstgericht festgestellte (US 9) und auf die Aussage des Zeugen H***** gestützte (US 16) (leichte) Verletzung am linken Schienbein des Opfers weder für die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens unter den zweiten Fall des § 143 StGB noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung ist.
Mit der Kritik, das Erstgericht habe „nur kursorisch dargelegt“, weshalb es dem Zeugen H***** und nicht den Angeklagten geglaubt habe, zeigt die Beschwerde keinen Begründungsmangel auf, weil die Tatrichter - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten sind, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt sämtlicher Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428; RIS-Justiz RS0098377). Indem die Beschwerde in den Aussagen des Zeugen H***** „erhebliche Schlüssigkeitslücken“ sieht, darüber spekuliert, ob ein „Türprügel“ die Wohnungstüre des Opfers versperren hätte können, und die darauf bezogenen Angaben des Zeugen H***** als „reine Schutzbehauptungen“ wertet, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände, sondern bekämpft - aus Z 5 unzulässig - die Beweiswürdigung des Erstgerichts.
Die im Rahmen der Berufung wegen Strafe vorgebrachte Behauptung (der Sache nach Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe die Feststellungen zur subjektiven Tatseite mit „dolus ex re“ abgetan, verkennt, dass es - insbesondere bei Fehlen eines Geständnisses - zulässig und rechtsstaatlich vertretbar ist, aus dem objektiven Verhalten des Angeklagten Schlüsse auf dessen Wissen und Wollen zu ziehen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671). Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit aus Z 5 aufgezeigt (RIS-Justiz RS0117445, RS0102162).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag zu 1./ mit eigenen beweiswürdigenden Überlegungen insbesondere zur subjektiven Tatseite, jedoch ohne Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).
Diesen Anforderungen wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ nicht gerecht, wenn sie unter Vernachlässigung der Feststellungen zum Tatvorsatz und zu dessen Umsetzung (US 8 bis 10) die von einem einheitlichen Tatentschluss getragene Straftat (iSe tatbestandlichen Handlungseinheit; vgl Ratz in WK² Vor §§ 28-31 Rz 89) in mehrere „Handlungsabschnitte“ zerlegt und behauptet, das Erstgericht hätte zum ersten Handlungsabschnitt zu entscheiden gehabt, ob lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung oder bereits ein Versuch vorgelegen sei.
Ebenfalls nicht prozessordnungskonform ausgeführt ist die gegen die Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB gerichtete Beschwerde (der Sache nach Z 10), indem sie die Urteilskonstatierungen übergeht, wonach das bereits von einem der Angeklagten leicht verletzte Raubopfer aus Angst vor den Angeklagten die Flucht ergriff, indem es aus dem Fenster sprang und dadurch einen Bruch des Fersenbeins erlitt (US 9 f) und ohne Darlegung der rechtlichen Relevanz behauptet, die Angeklagten hätten keine Gewalt ausgeübt, das Opfer sei „selbstständig“ aus dem Fenster gesprungen, es hätte sich auch erfolgreich zur Wehr setzen können und - insoweit aktenfremd (US 13 letzter Absatz) -, das Erstgericht habe festgestellt, dass die Angeklagten ausdrücklich vereinbart hätten, keine Gewalt gegen das Opfer auszuüben.
Soweit die Rechtsrüge zu 1./ behauptet, das gegenständliche Cannabis sei „bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Funktion der Sache im Vermögen des Bestohlenen“ mangels legalen Tauschwerts kein taugliches Tatobjekt eines Raubes, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), weshalb es für die Frage der Wertträgereigenschaft einer Sache darauf ankommen soll, ob sie (bloß) legal vermarktbar sei (vgl dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0093529; Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 15).
Die Behauptung (Z 9 lit a), es liege zu 1./ ein absolut untauglicher Versuch vor, weil das Opfer zu keiner Zeit zwei Kilogramm Cannabiskraut besessen habe, übergeht die Urteilsannahmen zum Vorhandensein von „Cannabiskraut in einer großen Menge“ (US 7) oder „zumindest 500 Gramm Cannabiskraut“ (US 10) in der Wohnung des Gerit H***** wenige Tage vor dem Vorfall und legt nicht dar, warum es bei generalisierender Betrachtung geradezu denkunmöglich sei und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden habe können (RIS-Justiz RS0115363; Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 73 ff), dass das Opfer über Suchtgift (der intendierten Art und Menge) verfüge.
Soweit die Beschwerde (Z 9 lit b) zu 1./ und (gemeint:) 2./ - eigene beweiswürdigende Erwägungen zugrunde legend - substratlos und unter Vernachlässigung der Urteilsfeststellungen (US 9 f) eine „indizierte Nothilfe- oder Notstandsituation“ abzuleiten versucht, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig dargestellt.
Einer sachbezogenen Erwiderung entzieht sich auch die Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b), welche prozessordnungswidrig die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 7) übergeht.
Die (richtig:) Subsumtionsrüge (Z 10, teilweise auch aus Z 9 lit a geltend gemacht) zu 1./, welche das Vorliegen der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB in Abrede stellt, übergeht die Urteilskonstatierungen zum Einsatz eines Schlagstocks (US 9) und verfehlt somit eine gesetzeskonforme Ausrichtung.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Umid A*****:
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) liegt kein Begründungsmangel vor, wenn die Tatrichter - dem Gebot gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen der Angeklagten erörtern und darauf untersuchen, wie weit dieser für oder gegen den festgestellten Tatplan aller Angeklagter (US 7 und 8) und die Verantwortung des Beschwerdeführers spricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428; RIS-Justiz RS0098377). Die aus Sicht des Nichtigkeitswerbers übergangenen Aussagen sprechen hingegen - mit Blick auf die Urteilskonstatierungen, welche den konkreten Zeitpunkt der Vereinbarung des Tatplans nicht nennen - keine erheblichen Tatumstände an (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).
Indem die Beschwerde aus einer behaupteten Aussage des Angeklagten A*****, er sei im Erdgeschoß verblieben und habe abgewartet, günstigere Schlüsse als das Erstgericht zieht (vgl US 8), verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ismail At*****:
Soweit der Beschwerdeführer mit identem Vorbringen wie der Angeklagte V***** Nichtigkeit nach Z 5, 5a, 9 lit a und b sowie 10 geltend macht, wird auf die Ausführungen zur Erledigung dieser Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen.
Die Verfahrensrüge (Z 2) zu 1./ zeigt mit der Behauptung, durch die Verlesung des Protokolls über die von einem Rechtspraktikanten ohne Beisein eines Richters durchgeführte Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers sei ein „nichtiger Voruntersuchungsakt in die Hauptverhandlung eingeflossen“, keine nichtige Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren auf, weil darunter zum einen nur die durch Gesetz ausdrücklich als nichtig bezeichneten Akte zu verstehen sind (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 173, 177) und zum anderen der Angeklagte die am 25. Mai 2011 lediglich vor Rechtspraktikanten getätigten Angaben (ON 12 S 1 bis 3) in der am 26. Mai 2011 fortgesetzten Vernehmung vor einer Richterin aufrecht erhielt (ON 12 S 5; vgl RIS-Justiz RS0096113, RS0126133). Im Übrigen ist der Beschwerdeführer zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nicht legitimiert, weil er weder seiner gesetzlichen Rügeobliegenheit nachgekommen ist noch dargelegt hat, wodurch er an einem rechtzeitigen Widerspruch gehindert worden wäre (RIS-Justiz RS0099326; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 191); vielmehr hat er sich sogar mit dem Vortrag des gesamten Akteninhalts einverstanden erklärt (ON 49 S 61; vgl RIS-Justiz RS0116040).
Dem zu 5./ erhobenen Einwand der Aktenwidrigkeit (der Sache nach Unvollständigkeit, Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht mit den Aussagen der Zeugin Vesna S***** und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten At***** mängelfrei auseinandergesetzt (US 17) und war auch nicht dazu verhalten, über Tatsachenwahrnehmungen hinausgehende subjektive Einschätzungen der Zeugin zu erörtern (RIS-Justiz RS0097540).
Mit ihrer „Rüge“ einer angeblich „dem Protokoll entnehmbaren Suggestivfragestellung“ spricht die Beschwerde keine Anfechtungskategorie der Mängelrüge (Z 5) an.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Angemerkt wird, dass die hinsichtlich des Angeklagten V***** erfolgte Subsumtion der Fakten 2./ und 3./ sowohl unter das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (2./) als auch unter das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (3./) dem Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB widerspricht (vgl Ratz in WK2 § 29 Rz 5). Diese Gesetzesverletzung wirkte sich im konkreten Fall jedoch nicht für den Angeklagten nachteilig iSd § 290 Abs 1 StPO aus, weil bei der Strafbemessung zwar zu Unrecht das „Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen“, nicht aber - wie es statt dessen richtig gewesen wäre - die mehrfache Tatbegehung bei der Sachbeschädigung als erschwerend angelastet wurde (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 und 24; RIS-Justiz RS0114927). Zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO bestand daher kein Anlass.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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