OGH 2Ob13/12v

OGH2Ob13/12v8.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, gegen die beklagten Parteien 1. K***** W*****, und 2. O***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 226.486,16 EUR sA, Rente (Streitwert: 36.766,80 EUR) und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. November 2011, GZ 4 R 171/11m-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Juni 2011, GZ 2 Cg 180/10d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des (nur) gegen die erstbeklagte Partei gerichteten Teilbegehrens auf Zahlung von 3.500 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2007 richtet, als (absolut) unzulässig, im Übrigen jedoch gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

I. Zur absoluten Unzulässigkeit der Revision:

Der Kläger begehrte nach einem Verkehrsunfall, im Zuge dessen er als Lenker eines vom Erstbeklagten gehaltenen und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten „Quads“ von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum gestoßen war, von den beklagten Parteien (als Solidarschuldner) Schadenersatz, wobei er auch ein Renten- und ein Feststellungsbegehren stellte. Als Anspruchsgrundlage nannte er insbesondere die Bestimmungen über die Gefährdungshaftung nach dem EKHG.

Vom Erstbeklagten begehrte der Kläger überdies die Zahlung von 3.500 EUR sA. Dazu brachte er vor, seine Lebensgefährtin habe nach dem Unfall im Glauben, dass der Kläger den Fahrzeugschaden ersetzen müsse, das Wrack vom Erstbeklagten um 4.000 EUR gekauft. Später habe der Erstbeklagte das Wrack um 500 EUR zurückgekauft. Der Kläger verlange die verbleibende Differenz von 3.500 EUR aus jedem erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, zurück. Hilfsweise werde der Kaufvertrag wegen laesio enormis angefochten. Die Lebensgefährtin des Klägers habe diesem die ihr allenfalls zustehenden Ansprüche gegen den Erstbeklagten abgetreten.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision stellt sich zunächst die Frage, ob die nur gegen den Erstbeklagten gerichtete Forderung mit den auf die Leistung von Schadenersatz gerichteten Forderungen des Klägers zusammenzurechnen ist oder nicht. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Rechtliche Beurteilung

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß Abs 4 leg cit auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind mehrere in einer Klage von einer Partei erhobene Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037838, RS0042741).

Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766).

Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RIS-Justiz RS0037899).

Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RIS-Justiz RS0042741, RS0106759).

2. Im vorliegenden Fall ist ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang nicht erkennbar. Den Schadenersatzansprüchen des Klägers und dem auf die Anfechtung eines Kaufvertrags gerichteten Anspruch seiner Lebensgefährtin liegen unterschiedliche Sachverhaltselemente zugrunde, jeder Anspruch kann unabhängig von dem anderen bestehen. Für die Bejahung eines tatsächlichen Zusammenhangs mangelt es daher an einem identen Klagesachverhalt im oben dargelegten Sinn. Die Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs muss daran scheitern, dass die Ansprüche auf unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen beruhen und einer völlig eigenständigen Beurteilung zugänglich sind. Eine Zusammenrechnung kommt daher nicht in Betracht.

3. In Ansehung des 5.000 EUR nicht übersteigenden Begehrens auf Rückzahlung des nach An- und Verkauf des Fahrzeugwracks durch die Lebensgefährtin des Klägers verbliebenen Differenzbetrags ist die Revision demnach gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen.

II. Zur Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage:

1. Seit der Novellierung des § 333 Abs 3 ASVG durch die 48. ASVG-Novelle (BGBl 1989/642) wird der Grund für den Haftungsausschluss des § 3 Z 3 EKHG primär darin gesehen, dass die beim Betrieb der Eisenbahn oder beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätigen Personen die Folgen ihrer eigenen Tätigkeit, sei diese nun sorglos oder sorgfältig, grundsätzlich selbst zu tragen haben (2 Ob 47/08p; 9 ObA 52/11d; RIS-Justiz RS0108193). Aus der bisherigen Rechtsprechung zu § 3 Z 3 EKHG geht bereits klar hervor, dass der Lenker eines Kraftfahrzeugs jedenfalls zu dem beim Betrieb tätigen Personenkreis zu zählen ist und zwar - ungeachtet der historischen Konzeption dieser Bestimmung (vgl dazu etwa 2 Ob 222/97d und 2 Ob 109/04z) - unabhängig davon, ob er Dienstnehmer des Halters war oder nicht (2 Ob 2392/96w; 2 Ob 86/98f mwN; vgl auch Neumayr in Schwimann, ABGB-TaKomm § 3 EKHG Rz 4; Schauer in Schwimann, ABGB³ VII § 3 EKHG Rz 11). Das bedeutet, dass der Haftungsausschluss auch auf den Kläger, der das Kraftfahrzeug gemietet hatte, Anwendung finden kann. Eine Verkennung dieser Rechtslage ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

2. In der Entscheidung 2 Ob 109/04z erachtete der Oberste Gerichtshof, gestützt auf Schauer (aaO Rz 14), eine teleologische Reduktion des § 3 Z 3 EKHG in jenen Fällen geboten, in denen der Unfall auf eine durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen oder aufgrund eines Fehlers in der Beschaffenheit oder des Versagens der Verrichtungen eingetreten ist, der Halter dieses Risiko demnach jedenfalls selbst zu tragen hat, während das Element der Zurechnung zum Geschädigten in den Hintergrund tritt. Seien in diesem Sinne risikoerhöhende Umstände auf Seiten des Halters gegeben, erscheine es als sachgerechte Lösung, dem beim Betrieb Tätigen die Gefährdungshaftung zu eröffnen und ein allfälliges (aber nicht allein schadensstiftendes) Mitverschulden des Geschädigten nach § 7 EKHG iVm § 1304 ABGB angemessen zu berücksichtigen (vgl auch 2 Ob 204/08a; RIS-Justiz RS0120591; ferner die Entscheidungsbesprechungen von Vonkilch in ZVR 2007/123, 202 [205 ff] und Kissich in ZAS 2007/6, 39 [42 ff]).

Damit wurde entgegen der Meinung des Klägers bereits klargestellt, dass die erwähnten „risikoerhöhenden Umstände“ (von einem Tier oder einem betriebsfremden Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr; Fehler in der Beschaffenheit; Versagen der Verrichtungen) auf der Wertung des § 9 EKHG beruhen, nach der diese Risiken jedenfalls der Betriebsunternehmer oder Halter zu tragen hat, ohne dass ihm ein Entlastungsbeweis offen stünde (vgl Neumayr aaO § 3 EKHG Rz 4). Die Auffassung des Berufungsgerichts, es begründe keinen die Gefährdungshaftung eröffnenden „risikoerhöhenden Umstand“, dass das vom Kläger benützte Kraftfahrzeug (zur Qualifikation eines „Quads“ vgl 2 Ob 205/09z) über keine Sicherheitseinrichtungen wie ein Pkw verfüge, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Richtig ist zwar, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich der Halter eines Kraftfahrzeugs den für ihn günstigen Ausschlusstatbestand des § 3 Z 3 EKHG zu beweisen hat, um die Gefährdungshaftung abzuwenden (2 Ob 86/98f; 2 Ob 156/99a; 2 Ob 142/03a; RIS-Justiz RS0109833).

Die in der Revision relevierte Beweislastfrage stellt sich aber ohnedies nicht:

Eine allfällige Handlungsunfähigkeit des Klägers infolge plötzlicher Bewusstlosigkeit (so die - nicht festgestellte - Vermutung des Klägers) konnte zwar zu einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr des Fahrzeugs führen. Diese wäre aber im Sinne der erörterten Rechtsprechung den beklagten Parteien nicht als risikoerhöhender Umstand zuzurechnen, weil sie nicht durch einen betriebsfremden Dritten oder ein Tier, sondern durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers ausgelöst worden wäre und daher aus dessen eigenen Risikosphäre stammen würde. Die in der Revision ins Treffen geführte „Unklarheit der Bewusstlosigkeit“ betrifft demnach keinen Umstand, für den die beklagten Parteien nach § 9 EKHG jedenfalls einzustehen hätten.

Somit stimmt aber auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass diese Unklarheit bei der Prüfung des Ausschließungstatbestands des § 3 Z 3 EKHG nicht zu Lasten der beklagten Parteien ausschlage, mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs überein. Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt auch insoweit nicht vor.

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