OGH 9ObA52/11d

OGH9ObA52/11d28.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Gabriele Jarosch in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** P*****, vertreten durch Teufer-Peyrl & Hennerbichler, Rechtsanwälte in Freistadt, wider die beklagten Parteien 1. G. ***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. S***** Gesellschaft mbH, beide *****, und 3. G***** Versicherung AG, *****, alle vertreten durch Herdey & Gsellmann Rechtsanwälte in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Slana, Rechtsanwalt in Linz, wegen 22.000 EUR sA und Feststellung (10.000 EUR), infolge der Rekurse der Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Februar 2011, GZ 11 Ra 112/10k-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. September 2010, GZ 9 Cga 44/10f - 11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Rekurs der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.185,06 EUR (darin 364,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

2. Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Diesbezüglich sind die Kosten des Rekursverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt als Kraftfahrer bei der Erstbeklagten beschäftigt, deren persönlich haftender Gesellschafter die Zweitbeklagte ist. Am 29. 6. 2009 lieferte er mit einem von der Erstbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten LKW bei der Nebenintervenientin drei Stangen Quadratstahl an, welche mittig mit einem Hebegurt zusammengefasst waren. Beim Versuch des Geschäftsführers der Nebenintervenientin, die Ladung mit einem Gabelstapler, der von ihr beigestellt und betrieben wurde, vom LKW abzuladen, riss der Hebegurt, wodurch die Eisenteile gegen das rechte Bein des Klägers geschleudert wurden und er am rechten Oberschenkel verletzt wurde.

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Zahlung von 22.000 EUR, bestehend aus 16.000 EUR Schmerzengeld, 1.000 EUR Spesen, 600 EUR Haushaltshilfe, 2.400 EUR Pflegekosten und 2.000 EUR Verdienstentgang, sowie die Feststellung ihrer Haftung zur ungeteilten Hand für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall. Die Waren am LKW seien durch Lagerarbeiter der Erstbeklagten geladen worden. Am Ankunftsort habe der Kläger sich in die Werkshalle begeben, um nachzufragen, wo die Ladung abzuladen sei. Der Geschäftsführer der Nebenintervenientin habe angeboten, die Ware mit seinem Gabelstapler abzuladen. Der Kläger habe sich daher auf die Ladefläche des LKWs begeben und die Schlaufe des Hebegurts (Seil) in den Ladezinken des Staplers eingehängt. Zu diesem Zeitpunkt habe er keine offensichtlichen Fehler beim Hebegurt feststellen können. Da dieser jedoch bereits von den Lagerarbeitern um die drei Stangen Quadratstahl gelegt worden sei, habe er jenen Teil, der sich unter dem Quadratstahl befunden habe, nicht auf Einrisse kontrollieren können. Nach dem Einhängen der Schlaufe habe er sich in den hinteren Teil der Ladefläche begeben. Als der Geschäftsführer der Nebenintervenientin die Ware mit dem Stapler hochgehoben habe und zurückfahren wollte, sei in diesem Moment der Hebegurt gerissen. Der Kläger stütze sein Begehren vor allem auf eine Gefährdungshaftung der Beklagten nach dem EKHG, eine Verschuldenshaftung der Erstbeklagten nach ABGB sowie eine verschuldensunabhängige Risikohaftung nach § 1014 ABGB. Das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG gelte nicht, weil der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten sei, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht bestehe (§ 333 Abs 3 ASVG). Der Haftungsausschluss nach § 3 Z 3 EKHG komme nicht zum Tragen, weil der Kläger nicht befördert worden sei und der Haftungsausschluss nach der Rechtsprechung überdies abgelehnt werde, wenn risikoerhöhende Umstände hinzutreten, für die der Halter nach der Wertung des § 9 EKHG jedenfalls einstehen müsse. Dies sei der Fall, weil die Verwendung eines fehlerhaften Hebegurts gegen § 3 AM-VO verstoße. Auch seien die Arbeitnehmer der Beklagten ihren Prüfpflichten hinsichtlich des Hebegurts nicht nachgekommen. Ein Mitverschulden werde bestritten.

Die Beklagten und die Nebenintervenientin bestritten, beantragten Klagsabweisung und wandten ein, es liege weder ein technischer Defekt des Fahrzeugs vor noch resultiere der Unfall aus dessen spezifischer Gefährlichkeit. Der Unfall habe sich weder „beim Betrieb“ iSd § 1 EKHG noch bei der „Verwendung“ des Fahrzeugs iSd § 2 KHVG ereignet. Ungeachtet dessen komme aber auch der Haftungsausschluss nach § 3 Z 3 EKHG zur Anwendung, weil er nach der Rechtsprechung auch bei einer nicht unmittelbar im Zeitpunkt des Unfalls beförderten, beim Betrieb tätigen Person bejaht werde, wenn die eigentliche berufliche Tätigkeit (auch) während der Beförderung ausgeübt werde. Überdies komme die von der Rechtsprechung entwickelte teleologische Reduktion des Haftungsausschlusses aus § 9 EKHG nicht zum Tragen, weil der Unfall auf ein allein schadenstiftendes Verhalten des Klägers zurückzuführen sei, der an einem erkennbar falschen und gefährlichen Abladevorgang mitgewirkt und sich ohne erkennbaren Grund im Bereich der Last aufgehalten habe. Die Erstbeklagte oder ihre Gehilfen treffe auch kein Verschulden, weil der Hebegurt zur Beladung des LKWs durch den Hallenkran verwendet und dabei auf Schäden überprüft worden sei. Dabei sei darauf geachtet worden, dass die drei Stück Formatstahl beim Entladen durch einen Stapler nicht am Gurt, sondern mit den Staplergabeln von unten angehoben werden konnten. Der Kläger sei mit Abladevorgängen vertraut gewesen und habe auch zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Erstbeklagten eine mündliche Weisung dazu erhalten. Er hätte erkennen müssen, dass das Anheben mit der Zinke einer Staplergabel über den Hebegurt zu einem Pendeln und dadurch zu einem möglichen Riss des Hebegurts führen konnte. Ihn treffe ein Mitverschulden. Die Beklagten bestritten auch die Höhe des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren bereits aufgrund des eingangs dargestellten Sachverhalts ohne nähere Feststellungen zum Unfallhergang im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine Haftung der Beklagten mangels vorsätzlicher Verursachung des Arbeitsunfalls ausschließlich nach § 333 Abs 3 ASVG in Betracht komme. Allerdings sei der LKW mit einem Hubstapler der Nebenintervenientin entladen worden. Der im Zuge des Abladevorgangs gerissene Hebegurt sei nicht der Sphäre des LKWs, sondern ausschließlich dem transportierten Gut zuzuordnen. Der Unfall habe sich daher nicht beim Betrieb des LKWs, sondern vielmehr beim Betrieb des Hubstaplers ereignet, weshalb § 333 Abs 3 ASVG nicht zur Anwendung gelange.

Das Berufungsgericht kam unter Erörterung der Rechtsprechung zum Ergebnis, dass das unmittelbare Be- und Entladen der Ware zur „Verwendung“ des versicherten Fahrzeugs iSd § 2 Abs 1 KHVG und zum „Betrieb“ des Fahrzeugs iSd § 1 EKHG zähle. Auch nach deutscher Judikatur gehöre das Be- und Entladen zum (völlig inhaltsgleichen Begriff des) Gebrauchs des Fahrzeugs, wobei der Gebrauch regelmäßig dann ein Ende finde, wenn die Ladung das Fahrzeug verlassen habe und erstmals abgestellt werde. Wann beim Be- bzw Entladen noch ein Gebrauch des Fahrzeugs anzunehmen sei, werde es im Grenzbereich jedenfalls davon abhängen, ob die Handlungen noch dem normalen Transport des Gegenstands zum oder vom Fahrzeug weg zuzurechnen seien oder ob bereits typische Handlungsabläufe vorlägen, die zum Be- und Entladevorgang gehörten. Dabei gehe der Bundesgerichtshof von einer natürlichen Betrachtungsweise aus, die auch darauf Rücksicht nehme, ab bzw bis wann nach dem Zweck der Haftpflichtversicherung der Versicherer vernünftigerweise das Be- und Entladen noch als Gebrauchsrisiko ansehen müsse und der Versicherte sowie die durch die KFZ-Pflichtversicherung jedenfalls geschützte Allgemeinheit mit Versicherungsschutz des KFZ-Haftpflichtversicherers rechnen könne. Nach diesen Grundsätzen habe sich der Unfall beim unmittelbaren Entladen der Ware und damit durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs iSd § 2 Abs 1 KHVG ereignet.

Es komme aber der Haftungsausschluss gemäß § 3 Z 3 EKHG zum Tragen, weil der Kläger nicht nur das Fahrzeug gelenkt habe, sondern auch beim Betrieb, nämlich beim Entladen, tätig geworden sei. Nach der Rechtsprechung (2 Ob 109/04z, 2 Ob 221/07z und 2 Ob 204/08a) sei der Haftungsausschluss nach § 3 Z 3 EKHG abzulehnen, wenn risikoerhöhende Umstände hinzutreten, für die der Halter nach der gesetzlichen Wertung des § 9 EKHG jedenfalls einstehen müsse. Entscheidend sei danach, ob der Unfall beim Entladen durch einen Fehler in der Beschaffenheit oder ein Versagen der Verrichtungen (§ 9 Abs 1 EKHG) hervorgerufen worden sei. Diese Begriffe würden im Wesentlichen die technischen Defekte des Fahrzeugs umfassen (2 Ob 204/08a mwN), nicht aber untaugliche oder fehlerhafte Hebegurte, die zum Entladen verwendet wurden. Die Beklagte treffe daher keine Gefährdungshaftung nach dem EKHG.

Die Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB sei keine „gesetzliche Haftpflichtbestimmung“ iSd § 2 Abs 1 KHVG (8 ObA 117/02t, 9 ObA 36/03i). Sie treffe den Arbeitgeber auch nicht im Rahmen des § 333 Abs 3 ASVG. Allerdings fehlten für die Beurteilung einer Verschuldenshaftung zum Vorbringen des Klägers, die Erstbeklagte bzw ihre Gehilfen haben ihm ungeprüft einen schadhaften Hebegurt zur Verfügung gestellt, die nötigen Feststellungen, weshalb das Ersturteil aufzuheben sei. Der Rekurs sei zulässig, weil der vorliegenden Fallkonstellation für die Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist unzulässig.

Der Rekurs des Klägers, der sich nur gegen die Begründung des Aufhebungsbeschlusses richtet, ist zulässig (RIS-Justiz RS0007094). Er ist auch inhaltlich, nicht aber im Ergebnis berechtigt.

1. Zum Rekurs der Beklagten:

Ob die Voraussetzungen für den von ihnen bestrittenen „Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs iSd § 1 EKHG gegeben sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und hat regelmäßig keine erhebliche Bedeutung (RIS-Justiz RS0022592; RS0111365). Dies gilt in gleicher Weise für den Begriff der „Verwendung“ eines Fahrzeugs iSd § 2 KHVG.

Das Berufungsgericht hat sowohl die Bedeutung des § 333 Abs 3 ASVG für die Dienstgeberhaftung als auch die für den „Betrieb“ und die „Verwendung“ eines Fahrzeugs erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen unter sorgfältiger Darstellung der von der Judikatur entwickelten Grundsätze dargelegt und auf den Fall angewandt.

Von diesen ist hervorzuheben, dass der Begriff des „Betriebs“ eines Kraftfahrzeugs iSd § 1 EKHG entweder einen inneren Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeug eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, einen adäquat ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs erfordert (RIS-Justiz RS0022592). Die Ladung eines Kraftfahrzeugs zählt zu dessen Betriebseinrichtung, das Herunterfallen der Ladung betrifft den Betrieb des Kraftfahrzeugs (2 Ob 71/08t mwN). Das Abstellen eines Fahrzeugs zum Zweck eines Be- oder Entladens setzt dieses noch nicht außer Betrieb; das Be- und Entladen stellt einen Betriebsvorgang dar. Allerdings ist in jedem konkreten Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob auch tatsächlich ein Gefahrenzusammenhang in dem Sinn besteht, dass der Unfall aus einer spezifischen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs resultiert. Der Unfall muss daher mit dem eigentlichen Vorgang des Be- und Entladens zusammenhängen (RIS-Justiz RS0124207). Davon ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.

Wenn die Beklagten meinen, dass das Reißen des Hebegurts nicht aus der Gefährlichkeit des LKWs resultiere, so ist doch zu bedenken, dass gerade der LKW-Transport das Herunterheben des Ladeguts von der Ladefläche erforderlich machte, das unter Verwendung des Hebegurts beim Entladungsvorgang erfolgen sollte. Die Notwendigkeit, das Ladegut von der Ladefläche entsprechend hochzuheben, und der Umstand, dass der Hebegurt dabei riss, sprechen gegen eine Zufälligkeit des Reißens gerade im Zeitpunkt des Beginns des Entladevorgangs.

Es ist auch vertretbar, wenn das Berufungsgericht den vorliegenden Fall von dem der Entscheidung 7 Ob 182/08p zugrundeliegenden Sachverhalt abgrenzte, weil dort die mangelhafte Fixierung des Frachtguts auf Paletten als Vorbereitungshandlung vor Beginn des Beladens in keinem Zusammenhang mit der für das Kraftfahrzeug typischen Gefahr angesehen wurde. Vergleichsweise wurde dagegen zu 2 Ob 251/08p ein „Betrieb“ des LKWs bei der Entladung von Holzpaketen mit einem Gabelstapler, die am Eisengestänge des LKWs streiften, bejaht.

Der Rekurs der Beklagten ist daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

2. Zum Rekurs des Klägers:

Auch der Kläger kann zunächst auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Allerdings bedarf die Anwendung des Haftungsausschlusses nach § 3 Z 3 EKHG einer näheren Erörterung:

Die Bestimmung sieht vor, dass im Falle der Tötung oder Verletzung eines durch das Kraftfahrzeug beförderten Menschen das EKHG hinsichtlich des befördernden Kraftfahrzeugs insofern nicht anzuwenden ist, als der Verletzte zur Zeit des Unfalls (Z 3) beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war.

Der Kläger ist der Meinung, es bestehe kein Haftungsausschluss nach § 3 Z 3 EKHG, weil er seine Tätigkeit nicht während der Beförderung ausgeübt habe.

Von der Rechtsprechung wurde der Rechtssatz geprägt, dass der Haftungsausschluss auch bei einer nicht unmittelbar im Zeitpunkt des Unfalls beförderten, beim Betrieb tätigen Person zu bejahen sei, wenn deren eigentliche berufliche Tätigkeit (auch) während der Beförderung ausgeübt wird (RIS-Justiz RS0124240; RS0108191). Dem lag zunächst die Entscheidung 2 Ob 181/98a zugrunde, in der die Beförderung bei einem Helfer der Müllabfuhr, der vom Müllfahrzeug abgestiegen war und bei einem Reversiermanöver überrollt und getötet wurde, bejaht wurde.

Die Literatur ist dazu geteilter Ansicht: Danzl (EKHG8 § 3 Anm 8 S 93) stimmt dem zu, weil der Haftungsausschluss sonst vom Zufall abhängen könnte. Apathy (Risikohaftung des Arbeitgebers für Personenschäden? JBl 2004, 746, 748) spricht von einem „zumindest sehr engen Zusammenhang mit der Beförderung“. Schauer (in Schwimann, ABGB3 § 3 EKHG Rz 10) verlangt dagegen eine Schädigung „bei der Beförderung“ und nicht alleine bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Schmaranzer (Anm zu 8 ObA 117/02t, ZAS 2004/15, 91, 92) zählt generell Be- und Entladetätigkeiten zur betrieblichen Beförderung.

Besieht man sich die zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen, zeigt sich, dass auch in der Folge zu 2 Ob 181/98a eine Tätigkeit immer dann das Merkmal der Beförderung noch nicht ausschloss, wenn faktisch ein Zusammenhang zwischen der Beförderung und der eigentlichen beruflichen Tätigkeit beim Betrieb des Fahrzeugs gegeben war (2 Ob 56/00z: Lagerarbeiter, dessen berufliche Tätigkeit in Ladearbeiten mit Hilfe der Ladeschaufel lag und der mit der Ladeschaufel des Kraftfahrzeugs befördert werden wollte; 2 Ob 203/02w: Entladen eines auf einem Sattelfahrzeug montieren Transportsilos durch den Fahrer mithilfe eines vom laufenden Wagenmotor angetriebenen Kompressors; 2 Ob 47/08p: analoge Anwendung des Haftungsausschlusses auf einen Piloten, der aus dem Flugzeug ausstieg, um den Propeller mit der Hand „anzureißen“). In der Entscheidung 8 ObA 117/02t (händisches Ziehen eines LKW-Anhängers zur Ankupplung durch den Fahrer) war die Frage nicht revisionsgegenständlich. Dagegen wurde in der Entscheidung 2 Ob 214/08x der Haftungsausschluss verneint, als die Tätigkeit des verletzten Dienstnehmers gewährleisten sollte, dass nicht anlässlich eines Entladevorgangs „Einbauten“ in der Künette verschüttet wurden, seine Tätigkeit sohin bautechnischen Zwecken diente.

Diese Sichtweise trägt auch dem nun der Bestimmung des § 3 Z 3 EKHG beigemessenen Gesetzeszweck Rechnung, dass die beim Betrieb der Eisenbahn oder beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätigen (beförderten) Personen die Folgen ihrer eigenen Tätigkeit, sei diese nun sorglos oder sorgfältig, grundsätzlich selbst zu tragen haben (RIS-Justiz RS0108193), was insbesondere beim Lenker mit der Beherrschung der Betriebsgefahr zu erklären ist (vgl Schauer, aaO, § 3 EKHG Rz 9 mwN).

Von den genannten Fällen, in denen der Haftungsausschluss bejaht wurde, unterscheidet sich der vorliegende Fall dadurch, dass die Mithilfe des Klägers bei der Entladung zwar noch dem Betrieb des LKWs zuzurechnen ist, jedoch weder bei seiner Beförderung als solcher erfolgte noch in einem inneren Zusammenhang mit dieser stand. Seine Hilfestellung stellt sich hier nicht anders als eine von der Beförderung unabhängige Hilfestellung eines Dritten dar. Der vom Kläger vorgebrachte zeitliche Ablauf der Geschehnisse, wonach er nach der Fahrt (Beförderung) den Geschäftsführer der Nebenintervenientin aufsuchte und sich mit diesem zurück zum Fahrzeug begab, um beim Entladevorgang behilflich zu sein, würde die Durchbrechung des Zusammenhangs mit der Beförderung noch unterstreichen.

Dem Kläger ist daher darin zuzustimmen, dass die Anwendung des Haftungsausschlusses nach § 3 Z 3 EKHG mangels seiner „Beförderung“ zu verneinen ist, sodass die Beklagten sehr wohl bereits die Gefährdungshaftung nach dem EKHG trifft. Einer Erörterung des weiteren Rekursvorbringens zur teleologischen Reduktion des § 3 Z 3 EKHG aufgrund risikoerhöhender Umstände nach Maßgabe des § 9 EKHG sowie zur Anwendung des § 1014 ABGB bedarf es daneben nicht mehr. Allerdings steht einer abschließenden Beurteilung das Fehlen von Feststellungen zur Schadenshöhe entgegen.

Da sich der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts damit im Ergebnis als berechtigt erweist, ist dem - wenn auch inhaltlich zutreffenden - Rekurs des Klägers keine Folge zu geben.

3. Die Kostenentscheidung zum Rekurs der Beklagten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, jene zum Rekurs des Klägers auf § 52 ZPO (Bydlinski in Fasching, ZPG2 II/1 § 50 Rz 15).

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