OGH 7Ob77/11s

OGH7Ob77/11s7.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Dieter C*****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei DI Harald G*****, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, wegen 46.512,52 EUR sA und Feststellung, über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Februar 2011, GZ 3 R 183/10x-104, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. September 2010, GZ 18 Cg 193/06m-98, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass es einschließlich des bestätigten Teils wie folgt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 5.223,60 EUR samt 4 % Zinsen seit 28. 6. 2006 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei dem Grunde nach für alle Schäden und Schadenersatzansprüche hafte, die daraus resultieren, dass von der beklagten Partei am 1. 7. 2000 ein unrichtiges bodenmechanisches Gutachten bezüglich der Bauplatzeignung hinsichtlich des Grundstücks 19/2 KG G*****, nunmehr 1401/4 KG *****, erstattet wurde, wird abgewiesen.“

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte betreibt ein Büro für Bodenmechanik, Gründung und Statik. Im Jahr 2000 beauftragte ihn DI Anton K*****, sein Grundstück 19/2 GB ***** G***** auf dessen Eignung als Bauland zu begutachten, weil er im Verfahren zur Umwidmung in Bauland ein bodenmechanisches Gutachten benötigte. Ziel der Gutachtenserstellung war es, „den Baugrund anhand von Bodenaufschlüssen zu beschreiben und Angaben über die Gründung von Einfamilienhäusern und über die Versickerungsmöglichkeiten von Oberflächenwässern zu treffen“. DI K***** teilte dem Beklagten mit, dass er diese Liegenschaft parzelliert abverkaufen wolle. Dem Beklagten war bewusst, dass das Grundstück - in Bauparzellen gegliedert - weiterverkauft werden sollte und die Enderwerber dort Einfamilienhäuser errichten wollen.

Der Beklagte erstattete im Juli 2000 das bodenmechanische Gutachten und schrieb im Kapitel 3 („Gründung Einfamilienhäuser“) auszugsweise Folgendes:

„Im südöstlichen Drittel des Grundstückes 19/2, d.s. etwa die beiden untersten Bauparzellen, ist eine Tiefgründung auf etwa 8 - 10 m langen Bohrpfählen erforderlich. Wegen der festgestellten 'Wassersäcke' bzw Schichtwasserhorizonte ist von einer Unterkellerung der Einfamilienhäuser in diesem Bereich abzusehen, da infolge der Wasserführung Baugrubenböschungen nur mit sehr großem Aufwand standsicher hergestellt werden können.

Die oberen zwei Drittel der Baufläche [...] können durch unterkellerte Einfamilienhäuser auf Streifenfundamenten kostengünstig gegründet werden. Die zulässige Kantenpressung im anstehenden Lehm ab einer Tiefe von 1,5 m unter GOK [= Geländeoberkante] wird mit 250 KN/m² angegeben. Die Baugrubenböschung für den Kelleraushub können unterhalb der im Mittel 1,2 m mächtigen Aufschüttung annähernd senkrecht abgeböscht werden.“

In der Zusammenfassung seines Gutachtens heißt es:

„Das Grundstück 19/2, KG G*****, ist als Bauland geeignet. In den nordwestlichen zwei Drittel des zur Widmung heranstehenden Grundstückes können Einfamilienhäuser im anstehenden Lehm flach gegründet werden. Im südwestlichen Teil (ungefähr zwei Bauparzellen) ist wegen der mächtigen, bereits konsolidierten Auffüllung oberhalb der alten Lehmböschung des ehemaligen Ziegelwerkes [...] eine Tiefgründung auf Bohrpfählen erforderlich. Die Standsicherheit im oberen Bereich des Südwesthanges ist für die geplante Bebauung der Einfamilienhäuser gegeben.“

Mit Kaufvertrag vom April 2003 erwarb der Kläger von der R***** reg. GenmbH als zum Kaufzeitpunkt „außerbücherlicher Liegenschaftseigentümerin“ aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** GB G***** das Grundstück 1401/4. Diese Parzelle liegt in den „oberen zwei Drittel“ des früheren Grundstücks Nr 19/2, KG G*****. Im Kaufvertrag erklärte der Kläger, das bodenmechanische Gutachten des Beklagten zu kennen und „zustimmend zur Kenntnis“ zu nehmen. Das Gutachten des Beklagten war für den Kläger kaufentscheidend. Er ging davon aus, dass die darin enthaltenen Angaben richtig sind.

Der Kläger verfügt über keine einschlägigen baugeologischen und bodenmechanischen Kenntnisse.

Entgegen dem Gutachten des Beklagten liegt der tragfähige Untergrund erst in einer Tiefe etwa bis 5,20 m unter der Geländeoberkante. Aus geotechnischer Sicht ist auf dem vom Kläger erworbenen Grundstück eine Flachgründung auf Streifenfundamenten ohne zusätzliche konstruktive Maßnahmen - wie beispielsweise Massivbauweise mit tiefreichenden Gründungselementen - nicht ausreichend. Die Aussage im Gutachten des Beklagten, dass in den „nordwestlichen zwei Drittel“ unterkellerte Einfamilienhäuser auf Streifenfundamenten kostengünstig „gegründet“ werden können, ist unzutreffend.

Würde der Kläger sein Einfamilienhaus auf der Liegenschaft wie geplant ausführen, ist eine Tiefgründung erforderlich, durch die sich die Errichtungskosten des Hauses um 18.000 EUR brutto erhöhen. Für den im Einreichplan vorgesehenen Swimmingpool würden Mehrkosten von 4.056 EUR brutto anfallen.

In Kenntnis der wahren Bodenbeschaffenheit hätte der Kläger das Grundstück nicht gekauft, weil er „dem Boden als solches misstraut“; aus diesem Grund will er das Bauvorhaben derzeit nicht mehr durchführen, sondern die Liegenschaft veräußern. „Durch das Vertrauen“ auf die Richtigkeit des vom Beklagten erstellten Gutachtens tätigte der Kläger Aufwendungen von gesamt 46.512,52 EUR (Eintragungsgebühr Grundbuch; Grunderwerbssteuer; Vertragserrichtungskosten; Maklerkosten; Grundsteuer für Jahre 2003 bis 2006; Kosten Wasserleitungsanschluss und -beitrag; Kosten Errichtung E-Anschluss; Kosten für Gartenhaus und Carport; „Begleichung“ der Rechnungen der Firmen H*****, S***** GmbH, W***** GmbH und des Planungsbüros H*****; Kosten der Tiefensondierung; Aufwand wasserrechtliche Bewilligung; Gutachten DI P*****).

Im Rahmen des Aushubs der Baugrube sank der Bagger auf einer Seite immer wieder ein und konnte sich erst „nach einigen Schaufeln“ wieder stabilisieren. Deshalb empfahl der Polier dem Kläger, einen Sachverständigen beizuziehen. Der Kläger holte ein Gutachten vom Sachverständigen DI P***** ein, das 5.223,60 EUR kostete. Das Sachverständigengutachten diente zur Klärung der Bodenverhältnisse.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 46.512,52 EUR sA und die Feststellung dessen Haftung „dem Grunde nach für alle Schäden und Schadenersatzansprüche“, die aus dem unrichtigen bodenmechanischen Gutachten resultieren. Er behauptete im Wesentlichen, er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens das Grundstück für die Errichtung eines Einfamilienhauses erworben. Nach Beginn der Aushubarbeiten zur Errichtung des Kellers habe sich jedoch die Unrichtigkeit des Gutachtens herausgestellt. Die tatsächlichen Bodenverhältnisse würden eine Tiefgründung des Hauses erforderlich machen. Der Beklagte hafte für die Unrichtigkeit des Gutachtens, weil ihm bekannt hätte sein müssen, dass neben seinem Auftraggeber auch Dritte auf Basis des Gutachtens disponieren würden. Hätte der Kläger von den wahren Bodenverhältnissen gewusst, hätte er das Grundstück nicht gekauft. Der Beklagte hafte für die „frustrierten“ Kosten von 46.512,52 EUR, die der Kläger wie folgt aufschlüsselte:

1. Eintragungsgebühr im Grundbuch laut Zahlungsaufforderung vom 13. 10. 2003

900 EUR

2. Grunderwerbssteuer laut Bescheid des FA G***** vom 16. 4. 2003

3.150 EUR

3. Honorarnote Dr. R*****/Dr. S***** vom 5. 12. 2003

1.393 EUR

4. Maklergebühren laut Rechnung der R**********Immobilien ***** vom 28. 4. 2003

3.240 EUR

5. Grundsteuer laut Grundsteuerbescheid der Stadtgemeinde W***** vom 15. 4. 2003 (für die Jahre 2003 bis 2006 à 68,75 EUR)

275 EUR

6. Wasserleitungsanschluss laut Bescheid der Stadtgemeinde W***** vom 21. 10. 2003

1.394,68 EUR

7. Wasserleitungsbeitrag laut Bescheid der Stadtgemeinde W***** vom 21. 10. 2003

176 EUR

8. Errichtung des E-Anschlusses laut Rechnung der Fa. P***** vom 3. 9. 2003

3.909,02 EUR

9. Gartenhaus und Carport laut Kostenaufstellung inklusive Arbeitsaufwand

16.184 EUR

10. Rechnung Fa. H***** vom 8. 5. 2006

1.951 EUR

11. Rechnung Fa. S***** GmbH vom 22. 8. 2006

4.370,10 EUR

12. Tiefensondierung laut Rechnung Mag. K*****/Mag. J***** vom 10. 8. 2006

2.160 EUR

13. wasserrechtliche Bewilligung laut Bescheid der BH W***** vom 3. 8. 2006

83 EUR

14. Rechnung Fa. W***** GmbH vom 1. 6. 2006

465,12 EUR

15. Honorarnote Bmst. H***** laut Rechnung vom 16. 5. 2006

1.638 EUR

16. Honorarnote DI P***** laut Rechnung vom 19. 6. 2006

5.223,60 EUR

Die erforderlichen Kosten einer Bohrpfahlgründung seien für ihn untragbar, sodass er davon Abstand genommen habe, das geplante Bauvorhaben auszuführen. Da eine „schadenreduzierende“ Veräußerung des Grundstücks infolge der „Unzulänglichkeiten“ des Bauplatzes derzeit nicht möglich sei, sei sein Gesamtschaden noch nicht bezifferbar; daraus leite er das Bestehen seines Feststellungsinteresses ab.

Der Beklagte wandte zur Abwehr seiner Haftung vor allem ein, er sei nicht passiv legitimiert, weil zum Kläger kein Vertragsverhältnis bestehe. Das von ihm erstattete Gutachten enthalte keine Aussagen zu möglichen Bauführungen. Der Kläger hätte sich mit ihm in Verbindung setzen müssen, um eine detaillierte Gründungsbeschreibung zu erhalten, was er unterlassen habe. Auf der Liegenschaft sei keine Tiefgründung eines Bauwerks erforderlich, weil sich bereits aus der bisher sichtbaren Baugrundsohle die Möglichkeit einer Flachgründung in Stahlbetonplattenausführung ergebe. Außerdem habe der Beklagte in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass sich das Anwesen am Rand einer früheren, später wieder aufgeschütteten Lehmgrube befinde. Der Kläger sei sich des Problems des Bodenuntergrundes bewusst gewesen. Ihm seien „höchstens die Mehrkosten“ zu ersetzen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger - im zweiten Rechtsgang - 5.223,60 EUR sA zu, gab dem Feststellungsbegehren statt und wies das Leistungsmehrbegehren ab. Rechtlich begründete es die Haftung des Beklagten mit einem Verstoß gegen objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten zu Gunsten derjenigen Personen, von denen der Beklagte habe rechnen müssen, dass sie auf Grund seines Gutachtens rechtliche Dispositionen vornehmen würden. Der Beklagte habe damit rechnen müssen, dass sein Gutachten potentiellen Käufern vorgelegt werde. Seine im Gutachten enthaltenen Aussagen über die Möglichkeit einer kostengünstigen „Gründung“ von Einfamilienhäusern auf Streifenfundamenten bestätige den Zweck des Gutachtens auch zur Vorlage an Käufer, weil derartige Aussagen allein für die Umwidmung des Grundstücks in Bauland nicht notwendig gewesen wären. Auch nach der Verkehrsübung würden derartige Gutachten potentiellen Käufern vorgelegt werden. Sein Gutachten sei unrichtig, weshalb er nicht nur seinem Auftraggeber, sondern auch dem Kläger als geschütztem Dritten für dessen Vermögensschäden hafte. Dem Kläger gebühre der Ersatz jenes Schadens, dessen Höhe aus der Differenz ermittelt werde, wie das Vermögen ohne das schädigende Ereignis vorhanden gewesen wäre und in welcher Höhe es jetzt tatsächlich bestehe. Da der Kläger sein Grundstück zwar verkaufen wolle, es aber tatsächlich noch nicht verkauft habe und er dort auch das von ihm geplante Einfamilienhaus errichten könnte, sei nicht auszuschließen, dass - nach einem Verkauf durch den Kläger - ein Dritter genau diesen Plan verwirkliche. Dann wären die jetzt eingeklagten Auslagen und Aufwendungen nicht frustriert. Erhielte der Kläger diese Aufwendungen und Auslagen trotz dieser Unsicherheiten schon jetzt vom Beklagten ersetzt, wäre er in diesem Fall ungerechtfertigt bereichert. Einzig die Kosten für das geologische Gutachten von DI P***** seien bereits jetzt als endgültig dem Kläger verbliebener Schaden gewiss. Bei den anderen Aufwendungen sei dagegen noch ungewiss, ob sie jemals nutzlos sein werden. Das Feststellungsbegehren sei dagegen berechtigt, weil derzeit weder die konkrete Schadenshöhe noch die Entwicklung im Vermögen des Klägers gewiss sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine und jener des Klägers Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang des Zuspruchs von 5.223,60 EUR sA und des stattgebenden Feststellungsbegehrens als Teilurteil und hob es im Umfang der Abweisung des weiteren Zahlungsbegehrens von 41.288,92 EUR sA auf. Rechtlich führte es aus, dem Beklagten habe bei Gutachtenserstellung klar sein müssen, dass potentielle Käufer auf die Richtigkeit seines Gutachtens vertrauen würden. Für Erwerber von Parzellen im Bereich der „nordwestlichen zwei Drittel“ der Gesamtfläche - für die vom Kläger erworbene Fläche - sei die Aussage, auf der Parzelle könnten unterkellerte Einfamilienhäuser im anstehenden Lehm flach - damit: kostengünstig - „gegründet“ werden, von vornherein erkennbar relevant. Diese Aussage im Gutachten sei unrichtig. Der Beklagte habe daher mit seiner Vorgangsweise gegen das geschützte Vertrauen des Dritten verstoßen. Sein objektiv unrichtiges Gutachten widerspreche dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB. Für den Beklagten habe nach dem von ihm formulierten Gutachtensauftrag gewiss sein müssen, dass das Grundstück - in sechs Bauparzellen gegliedert - weiterverkauft werden sollte und die Dritt- (oder Viert-)Erwerber dort Einfamilienhäuser errichten wollen. Damit habe der Beklagte zwangsläufig damit rechnen müssen, dass sein Gutachten Grundlage für Dispositionen potentieller Käufer bilde und es ihnen als geeignete Grundlage dienen werde. Der Einwand des Mitverschuldens des Klägers sei unberechtigt, weil der Kläger über keine Kenntnisse auf dem Fachgebiet der Bodenmechanik verfüge. Von ihm könne nicht verlangt werden, er hätte die Gutachtensergebnisse erst hinterfragen oder mit dem Beklagten besprechen müssen.

Beim Zuspruch der Kosten von 5.223,60 EUR für das Gutachten von DI P***** gehe es um keinen Aufwand, der zur Prozessvorbereitung gedient habe. Es handle sich dabei nicht um „vorprozessuale Kosten“.

Zur Berechtigung des Feststellungsbegehrens hielt das Berufungsgericht fest, der Kläger könnte mit den festgestellten Mehrkosten das Anwesen so bebauen, wie er es früher geplant gehabt habe, und - zusätzlich zum eingeklagten frustrierten Aufwand - seinen „Schaden endgültig beziffern“. Er wolle aber „aus lauteren Motiven“ diese Option nicht ergreifen, weil er dem Boden misstraue. Der Kläger müsse diese Absicht nicht aufgeben und könne nicht gezwungen werden, das ihm verdächtig scheinende Grundstück mit entsprechenden, bereits bezifferbaren Mehrkosten zu bebauen „oder er sei auf eine fiktive Schadensberechnung zu verweisen“. Der Eintritt eines Primärschadens sei ebenso gewiss wie (jedenfalls) ein aus dem bevorstehenden, vom Kläger gewollten Wiederverkauf resultierender Schaden wahrscheinlich sei.

Die Aufhebung des Ersturteils hinsichtlich des Zahlungsbegehrens von 41.288,92 EUR sA begründete das Berufungsgericht mit dem Erörterungsbedarf; das Erstgericht habe die Parteien mit der Ansicht überrascht, der diesbezügliche Anspruch des Klägers auf Ersatz frustrierter Kosten sei unberechtigt, weil in diesen Punkten das Eintreten eines Schadens von künftigen Ereignissen abhänge, derzeit daher ungewiss sei. Die Judikatur zum Schadenersatzanspruch wegen einer Kapitalveranlagung könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. So sei „bereits die Annahme zu verneinen, künftige Wertänderungen lägen in der Natur des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz von durch ihn aufgewendeten“ frustrierten Kosten, „weil er die Liegenschaft nicht so nutzen könne, wie er dies einst geplant“ gehabt habe, „und er sie deswegen - zu einem derzeit […] noch ungewissen Preis - weiterverkaufen wolle“. Die in der Rechtsprechung zu Anlageschäden zur Bezifferbarkeit des endgültig entstandenen Schadens „gemachte Einschränkung“ könne nur für Auslagen gelten, von denen tatsächlich ungewiss sei, „ob sie das Vermögen des Klägers negativ beeinflussen“ würden. Nur unter dieser Voraussetzung könne das Erstgericht seine Rechtsmeinung fortschreiben. In dieser Hinsicht sei der Sachverhalt mit den Parteien zu erörtern und in diesem Sinn zu ergänzen.

Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil erklärte das Berufungsgericht für zulässig, „weil zu den Fragen der Drittwirkung eines Privatgutachtens erhebliche Rechtsfragen vorliegen“. Der Rekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Judikatur fehle, „ob und inwieweit die zu Anlageschäden entwickelte Rechtsprechung zum Ersatz von Vertrauensschäden auf Konstellationen übertragen werden können, wie sie hier zu beurteilen“ seien.

Gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss richten sich die ordentliche Revision und der Rekurs des Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen.

Der Kläger beantragt in der Revisions- und Rekursbeantwortung, die beiden Rechtsmittel zurück- oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist teilweise, sein Rekurs ist nicht berechtigt.

I. Zur Revision des Beklagten:

1. Die vom Beklagten behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Der Verweis auf die Ausführungen in den Berufungen ist unzulässig und unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579; RS0043616).

2.1. Zur Haftung des Sachverständigen gegenüber Dritten:

Grundsätzlich wird nach § 1300 erster Satz ABGB nur demjenigen gegenüber gehaftet, dem Rat oder Auskunft erteilt wird. Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur dann in Betracht, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter vorliegt oder - was nunmehr überwiegend vertreten wird - die objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen auf den Dritten zu erstrecken sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Entscheidend ist somit der Zweck des Gutachtens (1 Ob 78/07p; 10 Ob 32/11w jeweils mwN). Aus dem Gutachtensauftrag ergibt sich, welche Interessen Dritter geschützt sind. Mögliche Kreditgeber oder Käufer genügen (RIS-Justiz RS0017178). In Bezug auf die Frage der schadensverursachenden Haftung ist der Gutachtensauftrag jener Maßstab, an dem die Tauglichkeit und Richtigkeit des Gutachtens zu messen ist (RIS-Justiz RS0106433). Nur soweit die Aufgabe des Sachverständigen reicht, kann er Dritten verantwortlich werden. Folgt aus einer Vertragsverletzung ein Schaden, so ist dieser nur zu ersetzen, wenn der Vertrag seinem Schutzzweck nach gerade solche Schäden verhindern sollte. Der Schutzzweck des Vertrags ist durch dessen Auslegung zu ermitteln. Dabei tritt anstelle einer verallgemeinernden Betrachtung im Sinn der Adäquanztheorie eine am konkreten Vertragszweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung, wobei auch die Entgeltlichkeit sowie das Verhältnis des Entgelts zur Risikotragung zu berücksichtigen sind. Auch führt der Schutzzweck dazu, dass der Schädiger nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen hat. Es sind ihm nur Beeinträchtigungen jener Interessen zurechenbar, deren Schutz der Vertrag gerade bezweckte (1 Ob 78/07p mwN).

2.2. Nach diesen Grundsätzen kann hier die Haftung des Beklagten gegenüber dem Kläger als Dritten nicht in Frage gestellt werden. Zweck des Gutachtens des Beklagten war unter anderem, „Angaben über die Gründung von Einfamilienhäusern“ zu treffen. Die Absicht des Bestellers DI K*****, das Gutachten im Geschäftsverkehr anlässlich des Verkaufs zu verwenden, war klar erkennbar. DI K***** teilte dem Beklagten mit, dass er die Liegenschaft parzelliert abverkaufen wolle und der Beklagte wusste, dass das Grundstück - in Bauparzellen gegliedert - weiterverkauft werden sollte und die Enderwerber dort Einfamilienhäuser errichten wollen. Neben der Verwertung im verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Umwidmung des Grundstücks in Bauland bestand der Zweck des bodenmechanischen Gutachtens „über die Gründung von Einfamilienhäusern“ auch in der Schaffung einer Vertrauenslage für Dritte.

Soweit der Beklagte auf gegenteilige Ausführungen des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen zum Zweck des Gutachtens Bezug nimmt, ist darauf zu verweisen, dass es sich bei dieser Frage um eine Rechtsfrage handelt, die anhand der getroffenen Feststellungen zu lösen ist. Wenn er damit argumentieren will, dass die Darlegungen des Sachverständigen seiner Rechtsansicht entsprechen, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

2.3. Der Beklagte haftet daher dem Kläger, für den die gutachterliche Stellungnahme kaufentscheidend war und der davon ausging, dass die Angaben darin richtig sind, für sein unrichtiges Gutachten, wonach auf der Parzelle des Klägers ein unterkellertes Einfamilienhaus auf Streifenfundamenten kostengünstig „gegründet“ werden kann.

3. Seine Behauptung, den Kläger treffe ein Mitverschulden, vermag der Beklagte nicht plausibel zu begründen. Der Kläger verfügt über keine einschlägigen baugeologischen und bodenmechanischen Kenntnisse. Die Ausführungen zum „Wissenmüssen“ des Klägers gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Ein - nicht festgestellter - unterbliebener Nachfrageversuch des Klägers beim Beklagten begründet schon deshalb nicht dessen Mitverschulden, weil der Beklagte gar nicht behauptet, dass er den Kläger bei einer Kontaktaufnahme auf die Unrichtigkeit seiner gutachterlichen Äußerungen hingewiesen hätte.

4. Bei den vom Kläger für den beigezogenen Gutachter DI P***** aufgewendeten Kosten von 5.223,60 EUR handelt es sich entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht um „vorprozessuale Kosten“. Die Kosten eines zur Schadensfeststellung eingeholten Sachverständigengutachtens können dann mit gesonderter Klage - und nicht nur als prozessuale Kosten im Rechtsstreit über den Hauptanspruch - geltend gemacht werden, wenn ein besonderes Interesse des Auftraggebers an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess besteht, sodass also das Gutachten nicht in erster Linie im Hinblick auf eine (spätere) Prozessführung, sondern primär aus anderen Gründen eingeholt wird (vgl RIS-Justiz RS0023583 [T2]; RS0035826 [T12]). Dies trifft hier zu. Das Sachverständigengutachten diente zur Klärung der Bodenverhältnisse, nachdem im Rahmen des Aushubs der Baugrube der Bagger auf einer Seite immer wieder einsank und sich erst „nach einigen Schaufeln“ wieder selbst stabilisieren konnte und der Polier dem Kläger die Beiziehung eines Sachverständigen empfahl.

5. Der Kläger erhob wegen des seiner Ansicht nach noch nicht bezifferbaren Differenzschadens zwischen dem von ihm bezahlten Kaufpreis und dem niedrigeren Wiederverkaufswert ein Feststellungsbegehren. Dieses begründete er damit, dass der Schaden „hinsichtlich des Ankaufspreises“ der Liegenschaft noch nicht abschätzbar sei. In absehbarer Zeit bestehe keine Möglichkeit, die Liegenschaft zu veräußern, weil sein „gesamtes Umfeld“ oder die Anrainer über die Unzulänglichkeiten des Bauplatzes informiert seien und ihn zudem Informationspflichten gegenüber Kaufinteressenten hinsichtlich der Bodenverhältnisse träfen. Die Liegenschaft könne nicht mehr zu dem von ihm bezahlten Kaufpreis von 90.000 EUR verkauft werden; die Angebote lägen bei 35.000 EUR. Eine „schadenreduzierende“ Veräußerung der Liegenschaft „erscheine“ nicht möglich, sodass die konkrete Höhe des daraus resultierenden Schadens derzeit nicht feststellbar sei. Künftige andere Schäden, die durch das Feststellungsbegehren gesichert werden sollen, nennt der Kläger nicht.

Das von § 228 ZPO geforderte Feststellungsinteresse ist nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Lehre von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens - also auch noch im Rechtsmittelverfahren - zu prüfen und sein Mangel wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0039123; Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 ZPO Rz 123, 125, 126 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger 3 § 228 Rz 13 mwN). Das rechtliche Interesse muss spätestens im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorliegen (10 Ob 14/03m mwN). Die Feststellungsklage ist - mangels Feststellungsinteresses - dann unzulässig, wenn durch den möglichen Leistungsausspruch der Feststellungsausspruch voll ausgeschöpft wird (RIS-Justiz RS0038849; Fasching aaO § 228 Rz 108 mwN). Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn das mögliche Leistungsbegehren alles das bieten kann, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird (RIS-Justiz RS0038817 [T1]; Fasching aaO § 228 Rz 108).

Der Kläger meint, ihm stehe die Differenz zwischen dem von ihm bezahlten Kaufpreis und dem von ihm zu lukrierenden Verkaufspreis zu. Die Schadensberechnung richtet sich aber insoweit nach der Relation zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft bei Unterstellung einer möglichen Flachgründung auf Streifenfundamenten und ihrem tatsächlichen, also darauf abstellenden Verkehrswert, dass eine solche Bebauungsart nicht möglich ist. Der Verkehrswert der Liegenschaft könnte durch einen Sachverständigen ermittelt werden. Die Leistungsklage hätte im vorliegenden Fall all das geboten, was der Kläger insoweit als Ersatz seines Schadens anstreben könnte. Unsicherheiten über die Bewertung - wie sie der Kläger vorbringt - vermögen ein Feststellungsbegehren nicht zu rechtfertigen.

Das Feststellungsbegehren ist mangels eines Feststellungsinteresses unberechtigt. Der Revision des Beklagten ist daher insofern Folge zu geben und das Feststellungsbegehren abzuweisen.

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

II. Zum Rekurs des Beklagten:

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang von 41.288,92 EUR sA zur Erörterung der Höhe und zur Präzisierung dieser Ansprüche auf.

Der dem Kläger vom Beklagten zu ersetzende Schaden ist nach der Differenzmethode zu ermitteln. Das zu leistende Interesse besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (6 Ob 104/06x mwN). Vom hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis ist der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (3 Ob 304/02f mwN; RIS-Justiz RS0030153).

Den nach der Differenzmethode berechneten Schaden begehrt der Kläger aber nicht. Vielmehr macht er im Umfang von 41.288,92 EUR sA einzelne Aufwendungen geltend, die er als „frustriert“ bezeichnet. Dies wird mit dem Kläger, nachdem das Erstgericht das Verfahren auf den Grund des Anspruchs einschränkte, zu erörtern sein. Zudem ist zu beachten, dass infolge Abweisung des Feststellungsbegehrens die Wertdifferenz zwischen dem Kaufpreis der Liegenschaft und dem Wiederverkaufswert (beinhaltend allfällige werterhöhende Investitionen des Klägers) unberücksichtigt zu bleiben hat. Mangels eines diesbezüglichen (Leistungs-)Begehrens ist der Berechnung des Vermögensschadens auch nicht der Differenzbetrag zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft bei möglicher Flachgründung, worauf der Kläger vertraute, und dem Verkehrswert der Liegenschaft infolge erforderlicher Tiefgründung zugrunde zu legen.

Nach den Feststellungen hätte der Kläger in Kenntnis der wahren Bodenbeschaffenheit das Grundstück nicht gekauft und will aufgrund seines Misstrauens das Bauvorhaben derzeit nicht mehr durchführen, sondern die Liegenschaft verkaufen. Bei den vom Kläger begehrten Kosten für den Kauf der Liegenschaft (Eintragungsgebühr, Grunderwerbssteuer, Vertragserrichtungs- sowie Maklerkosten) und der Grundsteuer würde es sich um Aufwendungen handeln, die vom beklagten Gutachter adäquat verursacht wurden. Der Kläger kann den Ersatz des Vertrauensschadens begehren, also jener Vermögensminderung, die darin besteht, dass er auf Grund des Vertrauens in die Richtigkeit des bodenmechanischen Gutachtens eine Vermögensdisposition getroffen hat, von der er bei vollständiger Aufklärung über die maßgeblichen Umstände Abstand genommen hätte (vgl 1 Ob 266/02b [zust Harrer in Schwimann 3 § 1300 Rz 106; krit Reischauer in Rummel 3, § 1293 Rz 14]; 4 Ob 118/04p). Ohne das schädigende Ereignis (das unrichtige Gutachten) hätte der Kläger die Liegenschaft nicht gekauft und diese vermögensmindernden Aufwendungen nicht getätigt. Auch der vom Kläger beabsichtigte Weiterverkauf ist hier eine adäquate, vom schädigenden Beklagten zu vertretende Vorgehensweise. Diese Aufwendungen wären dem Kläger - bei entsprechenden Feststellungen - zuzusprechen, weil sie seinen Vermögensstand vermindern, ohne dass sich dadurch der Liegenschaftswert erhöhen würde.

Die weiters begehrten Aufwendungen (Wasserleitungsanschluss und -beitrag, Errichtung E-Anschluss, Gartenhaus und Carport, diverse Rechnungen von Baufirmen, Tiefensondierung, wasserrechtliche Bewilligung) wurden vom Kläger bislang nicht konkretisiert. Es fehlt Vorbringen, wofür welche Kosten aufgelaufen und ob diese wertsteigernd gewesen sind. Dies wird von ihm im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Zudem wären diese Aufwendungen nur dann berechtigt, wenn er sie vor Kenntnis, dass das Gutachten des Beklagten unrichtig ist, getätigt hätte, beabsichtigt er doch sein Bauvorhaben nicht mehr fortzusetzen, sondern die Liegenschaft zu verkaufen. Nach erfolgter Präzisierung sind die genannten Kosten dem Differenzbetrag zwischen dem Wert des Grundstücks mit diesen Investitionen und dem Wert der Liegenschaft ohne diese Investitionen gegenüberzustellen. Sollten die Aufwendungen höher sein als die dadurch bewirkte Wertsteigerung der Liegenschaft, hätte der Beklagte dem Kläger diese Differenz zu ersetzen.

Da somit das Verfahren unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ergänzungsbedürftig ist, hat es bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Rückverweisung an das Erstgericht zu verbleiben.

Dem Rekurs des Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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