OGH 1Ob266/02b

OGH1Ob266/02b26.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Bernd Schmidhammer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ing. Gerhard B*****, vertreten durch Ullmann Gailer & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 108.203,65 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Mai 2002, GZ 1 R 84/02s-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. Februar 2002, GZ 8 Cg 151/01d-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

In ihrer außerordentlichen Revision macht die klagende Partei als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend, dass zum Sorgfaltsmaßstab eines (zertifizierten) Sachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren sowie zum notwendigen Inhalt eines Bewertungsgutachtens, insbesondere zu § 9 Abs 1 Z 2 LBG, Judikatur des obersten Gerichtshofs nicht vorliege.

Da es im vorliegenden Fall auf die Lösung dieser Fragen nicht ankommt, erweist sich das außerordentliche Rechtsmittel als unzulässig.

Die von der klagenden Partei in der Folge im Zwangsversteigerungsverfahren um rund 5,6 Mio S erworbenen Liegenschaftsanteile waren vom Beklagten in seinem im Zuge des Exekutionsverfahrens erstatteten Gutachten mit fast 9 Mio S geschätzt worden, wobei der Schätzwert vom Gericht auch in dieser Höhe festgesetzt worden war.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von S 1,488.914,68 und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Sachverständige habe nur im Hinblick auf die Objekte top 5 und top 7 auf die fehlende Baugenehmigung hingewiesen, nicht aber darauf, dass das Gebäude auch in verschiedenen anderen Punkten nicht bewilligt sei bzw dass eine Baugenehmigung auch nicht nachträglich erlangt werden könne. Die klagende Partei habe auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen des Beklagten im Gutachten vertraut. Sie habe in der Folge Aufwendungen in Höhe des Klagebetrags (Zinsenaufwand, Geschäftsführerentgelt, Büroaufwand, Planungskosten, Mehraufwand für Parkplätze, Erschließungskosten, Rechtsanwaltskosten, Ablöse an Nachbarn und zusätzliche Baukosten) in Höhe des Klagebetrags bestreiten müssen. Im Berufungsverfahren ergänzte die klagende Partei ihr Vorbringen zum Kausalzusammenhang dahin, sie hätte die Liegenschaftsanteile nicht ersteigert, wenn sie gewusst hätte, dass das "Bestandsobjekt" (offenbar gemeint: das in der Natur bestehende Bauwerk) baurechtlich zu wesentlichen Teilen nicht genehmigbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, in seinem Gutachten das genaue Flächenausmaß der seiner Ansicht nach nicht genehmigten Bauteile gesondert anzuführen. Es habe auch keines konkreten Hinweises darauf, dass die Werkstätte nicht den erforderlichen Mindestabstand zum Nachbargrundstück aufwies, bedurft. Mit seinem Hinweis darauf, dass einzelne nicht genehmigte Bauteile vorhanden seien und die Nutzwertfestsetzung aus dem Jahr 1980 weder mit den behördlich genehmigten Plänen noch mit den Naturmaßen übereinstimme und dass teilweise Räumlichkeiten in der Nutzwertfestsetzung angeführt seien, die nicht "baugenehmigt" sind bzw die in der Natur nicht bestehen, habe er die damit verbundene rechtliche Problematik und eine allenfalls notwendige nachträgliche Genehmigung bzw damit verbundene Schwierigkeiten angesprochen. Er habe auch deshalb bei Ermittlung des Verkehrswerts einen Abschlag von 10 % vorgenommen. Die klagende Partei übersehe auch, dass wegen eines fehlerhaften Gutachtens nur der Vertrauensschaden zu ersetzen sei, also jener Vermögensschaden, der dem Ersteher zufolge seines Vertrauens auf die Vollständigkeit und Richtigkeit von Befund und Gutachten entstanden sei. Die von der klagenden Partei im Zusammenhang mit der "rechtlichen Sanierung" der Baulichkeiten entstandenen Mehrkosten seien auf eine Fehleinschätzung ihrerseits, nicht aber auf eine falsche oder objektiv unrichtige Befundung durch den Sachverständigen zurückzuführen. Die klagende Partei behaupte auch gar nicht, dass der Beklagte den Verkehrswert unrichtig ermittelt habe.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Kausalzusammenhang zwischen der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden sind zutreffend. Die klagende Partei kann jedenfalls nur jenen Vermögensaufwand als Schaden ersetzt verlangen, der ohne dessen behauptetes Fehlverhalten nicht aufgelaufen wäre. Im vorliegenden Fall macht die klagende Partei - wenn auch erst in der Berufung in Ergänzung ihres insoweit bisher unvollständigen Vorbringens - geltend, sie hätte vom Erwerb der Liegenschaftsanteile in der Zwangsversteigerung Abstand genommen, wenn der Beklagte auf alle maßgeblichen Umstände hingewiesen hätte. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, kann sie daher nur den Ersatz eines Vertrauensschadens begehren, also jener Vermögensminderung, die darin besteht, dass die klagende Partei auf Grund des Vertrauens in die Vollständigkeit und Richtigkeit des Schätzungsgutachtens eine Vermögensdisposition getroffen hat, von der sie bei vollständiger Aufklärung über die maßgeblichen Umstände Abstand genommen hätte (vgl dazu nur Koziol/Welser12 II, 289 f). Keinesfalls kann sie aber die (wertmäßige) Herstellung jenes Zustands verlangen, von dem sie auf Grund des Inhaltes des Schätzungsgutachtens ausgegangen ist, also das Erfüllungsinteresse; den Beklagten als Sachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren traf keinesfalls die Pflicht, allfällige Mängel des Versteigerungsobjekts zu beseitigen, sondern allein jene, das Versteigerungsobjekt zu bewerten und dabei die Sache nach ihren Wertbestimmungsmerkmalen und ihren sonstigen, für die Bewertung bedeutsamen Eigenschaften tatsächlicher oder rechtlicher Art zu beschreiben (§ 9 Abs 1 Z 2 LBG).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erwarb die klagende Partei die Liegenschaftsanteile um ein Meistbot von rund 5,6 Mio S. Die Revisionswerberin tritt auch dem Hinweis des Berufungsgerichts, sie habe gar nicht moniert, dass der Beklagte den Verkehrswert unrichtig ermittelt hätte, nicht entgegen, sodass weiters von einem Verkehrswert der Liegenschaft in Höhe von rund 9 Mio S auszugehen ist. Selbst wenn man das Klagevorbringen dahin verstehen wollte, dass die von der Klägerin als Schadenersatz geltend gemachten (zusätzlichen) Kosten in Höhe von rund 1,5 Mio S erforderlich gewesen wären, um das Objekt in einen Zustand zu versetzen, der jenem entspricht, der vom Beklagten seiner Wertermittlung zu Grunde gelegt wurde, ergäbe sich ein Verkehrswert von rund 7,5 Mio S. Wenn sie als Gegenleistung dafür ein Meistbot von etwas mehr als 5,6 Mio S aufwenden musste, kann keine Rede davon sein, dass sie vermögensmäßig schlechter stünde, als wenn sie vom Erwerb Abstand genommen hätte.

Da das dem Beklagten vorgeworfene Fehlverhalten somit zu keinem Vermögensschaden der klagenden Partei geführt hat, kann dahingestellt bleiben, ob das Schätzungsgutachten den Vorgaben des § 9 LBG entsprochen hat.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte