Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. Wolfgang D***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen §§ 6 Abs 1, 8a Abs 6 MedienG wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. Dezember 2009, GZ 5 Hv 73/09s-20, ausgesprochen, dass durch die in einem - in der periodischen Druckschrift K***** vom 3. April 2009 erschienenen - Artikel mit der Überschrift „Die Kripo ermittelt gegen Leitung des E*****“ aufgestellte Behauptung: „Nun erfolgte ein Paukenschlag: Es steht der Vorwurf im Raum, dass sich Wolfgang D*****, ehemaliger Prokurist des E***** und gleichzeitig Stadtamtsdirektor von Leoben sowie Geschäftsführer Alfred S***** über längere Zeit hinweg monatliche Beträge zwischen 8.000 und 13.000 Euro zugeschanzt haben sollen. Insgesamt ist von 600.000 Euro die Rede. Jetzt leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, aufgrund eines anonymen Briefes, der auch der K***** zugespielt wurde“ mit Beziehung auf den Antragsteller der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB hergestellt wurde. Der Antragsgegnerin wurde gemäß § 6 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Entschädigung von 5.000 Euro an den Antragsteller sowie gemäß § 8a Abs 1 MedienG iVm § 389 Abs 1 StPO der Ersatz der Verfahrenskosten auferlegt und sie wurde gemäß § 8a Abs 6 MedienG zur Urteilsveröffentlichung verpflichtet.
Der dagegen erhobenen Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 31. Mai 2010, AZ 10 Bs 136/10s (ON 25 des Hv-Akts), nicht Folge.
Dagegen richtet sich der - auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK sowie „jener innerstaatlichen Normen (namentlich §§ 6, 7a MedienG), die die nationale Umsetzung des genannten Grundrechts zum Inhalt haben“ - gestützte Antrag der K***** GmbH & Co KG auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG.
Rechtliche Beurteilung
Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.
Für einen nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737).
Demnach hat - da die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter, EMRK4 § 13 Rz 13) - auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und, soweit er - auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe - nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag, die Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl RIS-Justiz RS0125393; RS0110146 zu § 10 GRBG; 15 Os 28/10x).
Diesen Anforderungen wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht:
Die Behauptung, es sei bloß über eine korrekt und neutral wiedergegebene, aufgrund der anonymen Anzeige tatsächlich bestehende Verdachtslage gegen den Antragsteller berichtet worden, orientiert sich nicht an den gänzlich konträren - mängelfrei begründeten (US 19 f, 23 des Ersturteils) - Urteilsfeststellungen zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Vorwurfs. Denn demnach wurde - durch die sowohl in formaler als auch semantischer Hinsicht vom nachfolgenden Bericht über aktuell eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungen abgesonderte und akzentuiert negativ wertende („Nun erfolgte ein Paukenschlag“) Darstellung - dem konkret angesprochenen Leserkreis vermittelt, es habe bereits vor - und unabhängig von - den aufgrund eines anonymen Briefs eingeleiteten Ermittlungen eine eigenständige, konkret substantiierte Verdachtslage gegen den Antragsteller bestanden, wodurch diesem (nach § 111 Abs 1 StGB deliktsverwirklichend, vgl 15 Os 130/10x mwN) ohne Sachverhaltssubstrat der - tatsächlich nicht bestehende - Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung in aufgrund tendenziöser Wortwahl damit identifizierender Weise vorgeworfen werde (US 19 ff, 23, 26 f des Ersturteils).
Überdies beschränken sich die Erwägungen der Erneuerungswerberin zu den geltend gemachten Ausschlussgründen (§ 6 Abs 2 Z 2 lit a, Z 2 lit b und Z 4 MedienG) auf die bloße Wiederholung des Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung ohne (substantielle) Auseinandersetzung mit (zuletzt) den Begründungserwägungen des Oberlandesgerichts (zu § 6 Abs 2 Z 2 lit a MedienG: US 15 f, zu § 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG: US 16 f, zu § 6 Abs 2 Z 4 MedienG: US 15). Auch dieses Vorbringen genügt daher den zuvor aufgezeigten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht (neuerlich RIS-Justiz RS0124359; vgl auch zum GRBG RIS-Justiz RS0110146 [T22], RS0106464).
Im Übrigen gewährt das in Art 10 MRK garantierte Grundrecht Äußerungen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse einen hohen Grad an Schutz, sodass Art 10 Abs 2 MRK einem Staat nur wenig Spielraum für Einschränkungen von Debatten zu Fragen von öffentlichem Interesse überlässt. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gilt dies aber nur unter der Voraussetzung, dass keine unwahren, diffamierenden Tatsachenbehauptungen oder auf unwahren bzw nicht hinreichenden Tatsachenbehauptungen beruhenden, negativen Werturteile oder Wertungsexzesse vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0125220, RS0107915, RS0075601, RS0032201; Kienapfel/Schroll BT I5 Vorbem §§ 111 ff RN 8, 14, 26).
Der Ausschlussgrund nach § 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG konnte ausgehend vom festgestellten Bedeutungsinhalt schon von vornherein nicht verwirklicht sein, weil keine Gründe vorliegen konnten, die Behauptung jenes (abseits sodann berichteter Ermittlungen über eine anonyme Anzeige zuvor) ohne jegliche Informationsgrundlagen geäußerten - gänzlich haltlosen - Verdachtsvorwurfs für wahr zu halten. Zur Aufhebung der allgemeinen Verpflichtung von Medien, den Ruf und das Ansehen von Privatpersonen beeinträchtigende Tatsachenbehauptungen durch sorgfältige Recherche zu überprüfen, erforderliche besondere Gründe (RIS-Justiz RS0125053 [T3]) scheiden bei der hier vorliegenden Sachlage eines von vornherein haltlosen Verdachtsvorwurfs jedenfalls aus.
Die zu § 6 Abs 2 Z 4 MedienG vorgebrachte Kritik der Erneuerungswerberin an der Begründung der Urteilsannahme einer identifizierenden Berichterstattung (US 27 des Ersturteils) orientiert sich nicht an den (dies nämlich mit der bereits erwähnten akzentuiert wertenden Einstufung des behaupteten Verdachtsvorwurfs als „Paukenschlag“ begründenden) Erwägungen des Erstgerichts (US 17, 23) und lässt überdies außer Acht, dass nach den Tatsachenannahmen des Erstgerichts (US 27) in dieser Hinsicht kein (für § 6 Abs 2 Z 4 MedienG essentielles) Zitat einer fremden Äußerung vorlag.
Eine Verurteilung nach § 7a Abs 1 Z 2 MedienG liegt hier nicht vor, sodass die eine solche Tatbestandsverwirklichung betreffenden Erörterungen, die im Übrigen die grundsätzlich unterschiedliche Struktur und Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 6 Abs 1 und 7a Abs 1 MedienG verkennen, keiner inhaltlichen Antwort bedürfen.
Erhebliche Bedenken gegen die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Artikels - vermeintlich in Richtung eines Tat- und nicht bloß Verdachtsvorwurfs - vermag die Erneuerungswerberin mit isolierter Betrachtung einer einzigen kurzen Feststellungspassage nicht zu wecken. Denn sie übergeht die Urteilsannahmen des Erstgerichts in ihrer Gesamtheit (US 14 f sowie US 20 f, insbesondere 21), aus welchen sich die Konstatierung einer Berichterstattung über eine Verdachtslage klar ergibt.
Die Kritik an der Erwähnung überholter Auslegungsgrundsätze für Äußerungen - im Zweifel Zurechnung der ungünstigsten Variante (dagegen nunmehr RIS-Justiz RS0123503) - scheitert daran, dass die Prämissen für jene (sogenannte) Unklarheitenregel (wonach vom erkennenden Gericht bei seiner Beweiswürdigung mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können [neuerlich RIS-Justiz RS0123503]), nach den Begründungserwägungen des Erstgerichts hier nicht vorlagen.
In ihrer Äußerung gemäß § 24 StPO vernachlässigt die Erneuerungswerberin erneut, dass ihr die Behauptung eines bereits vor und unabhängig von der anonymen Anzeige bestehenden Verdachts der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung zur Last liegt.
Das Vorbringen der Erneuerungswerberin ist damit insgesamt nicht geeignet, aufzuzeigen, dass die Tatbestandsverwirklichung (Verwirklichung eines Eingriffstatbestands; Art 10 Abs 2 MRK) zu Unrecht angenommen wurde. Die Einschränkung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung zum Schutz des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art 10 Abs 2 MRK war daher gesetzlich, nämlich in § 6 Abs 1 MedienG, vorgesehen und im konkreten Fall auch erforderlich.
Der offenbar unbegründete Erneuerungsantrag der Antragsgegnerin war daher zurückzuweisen.
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