Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Begründung
Die klagende Partei, eine GmbH mit Sitz in Österreich, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 21. 4. 2004 gegründet. Geschäftsführerin ist Maria E*****, Gesellschafter sind die italienischen Staatsbürger Fausto M***** und Ferrante P*****, wobei ersterer einen Geschäftsanteil von 90 % hält. Die beklagte „Limited“, wurde am 20. 6. 2004 in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet und ist dort als „Offshore Firma“ registriert. Geschäftsführende Direktoren sind der britische Staatsbürger Peter John B***** und der deutsche Staatsbürger Friedrich K*****. Die Familie Friedrich K*****s ist Begünstigte des auf der britischen Kanalinsel Guernsey ansässigen alleinigen Gesellschafters, eines Trusts. Die Streitteile handeln weltweit mit gebrauchten Anlagen und Maschinen für die Holzplattenindustrie.
Die Gründung der beiden Gesellschaften resultierte aus einer seit Beginn des Jahres 2002 währenden geschäftlichen Zusammenarbeit zwischen Fausto M***** und Friedrich K*****, die auch in der Folge fortgesetzt wurde. Dabei wurden die beiden Gesellschaften als einheitliches Unternehmen betrachtet, die Erlöse aus dem Verkauf von Maschinen kamen in einen „gemeinsamen Topf“. Gegen Ende des Jahres 2005 bekundete Fausto M***** sein Interesse an der Übernahme der beklagten Partei. Da es zwischen den Streitteilen zu „Unstimmigkeiten im Abrechnungswesen“ gekommen war, einigten sich Fausto M***** und Friedrich K***** darauf, „einen Schlussstrich zu ziehen“. Sie kamen überein, dass weder der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei noch dieser gegenüber der klagenden Partei Forderungen zustehen sollten.
Am 12. 3. 2006 unterfertigten Fausto M***** als Käufer, Vertreter des Treuhänders des erwähnten Trusts sowie Friedrich K***** einen „Sales Contract“, nach dessen Inhalt Fausto M***** die Aktien der beklagten Partei gegen Zahlung eines Kaufpreises von 20.000 EUR an den Trust übertragen erhielt. Außerdem verpflichtete sich Fausto M***** zur Zahlung der im Vertrag bezifferten „Firmenschulden“ an den Trust und an Friedrich K*****. Entsprechend einer weiteren vertraglichen Vereinbarung trat Fausto M***** in der Folge als alleiniger Geschäftsführer der beklagten Partei auf.
Mit der am 7. 3. 2008 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei 201.964 EUR sA als Entgelt für Reparatur- und Wartungsarbeiten, die sie im Zeitraum 1. 1. bis 31. 12. 2005 an den in Österreich gelagerten Maschinen der beklagten Partei durchgeführt habe. Der von Fausto M***** vereinbarte „Forderungsvergleich“ sei mangels Vertretungsbefugnis dieses Gesellschafters für die klagende Partei nicht bindend. Diese hafte auch nicht für die behaupteten Vertragsverletzungen des Fausto M***** aus dem „Sales Contract“.
Die beklagte Partei wandte Gegenforderungen ein und brachte vor, Fausto M***** und Friedrich K***** hätten anlässlich des „Sales Contracts“ eine Abrechnung der wechselseitigen Forderungen mit Stichtag 31. 12. 2005 vorgenommen. Hiebei sei Fausto M***** nicht nur als Privatperson, sondern auch als Geschäftsführer der klagenden Partei aufgetreten. Eine allfällige Forderung der klagenden Partei sei daher erloschen. Fausto M***** sei der „faktische Geschäftsführer“ der klagenden Partei und trete nach außen als Alleinverantwortlicher und Alleinvertretungsbefugter der Gesellschaft auf. Die bestellte Geschäftsführerin übe diese Funktion nur zum Schein aus. Sie sei lediglich „Strohfrau“ und an die Weisungen des Fausto M***** gebunden. Ohne dessen Zustimmung geschehe bei der klagenden Partei nichts. Er führe für die klagende Partei die Korrespondenz mit den Geschäftspartnern, führe die Vertragsverhandlungen und unterzeichne Geschäftspapiere als „Managing Director“. Die bestellte Geschäftsführerin könne schon aufgrund fehlender Vorkenntnisse im weltweiten Handel mit Industrieanlagen keine selbständigen Entscheidungen treffen, sie werde über wesentliche Geschäftsvorgänge nicht einmal informiert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im Wesentlichen vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und traf noch folgende weitere, für das Rekursverfahren bedeutsame Feststellungen:
Die eingetragene Geschäftsführerin konnte in allen wesentlichen geschäftlichen Belangen keine eigenständigen Entscheidungen treffen. Fausto M***** hatte ihr die Weisung erteilt, die Geschäftsführungsagenden nur nach Genehmigung durch ihn auszuüben. Er gab ihr zum Teil die Texte für wichtige Geschäftsbriefe vor, die sie wortwörtlich zu übernehmen hatte; teilweise musste sie M***** den Text für Geschäftsbriefe zur Genehmigung vorlegen. Die Geschäftsführerin war zum Teil auch nicht in den Zahlungsverkehr eingebunden. Die Zahlungen erfolgten ohne ihr Einverständnis und sie wurde erst im Nachhinein darüber informiert oder musste sich die Informationen selbst besorgen. Wenn sie selbst Überweisungen von den Bankkonten der klagenden Partei durchführen wollte, musste sie zuvor eine Genehmigung von Fausto M***** einholen. M***** trat nach außen gegenüber Geschäftspartnern als Geschäftsführer der klagenden Partei auf. Er unterzeichnete die von ihm für die klagende Partei verhandelten Verträge mit dem Zusatz „Managing Director“ bzw „General Manager“. Im Zuge der Vertragsverhandlungen mit der beklagten Partei (Ende 2005) bezeichnete sich Fausto M***** selbst als Geschäftsführer der klagenden Partei. Die eigentliche Geschäftsführerin war in die Vertragsverhandlungen nicht eingebunden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass Fausto M***** „faktischer Geschäftsführer“ der klagenden Partei sei. Da er somit über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfüge, sei die klagende Partei an die von ihm abgegebene Verzichtserklärung gebunden. Von diesem Verzicht seien auch die klagsgegenständlichen Reparatur- und Wartungskosten umfasst.
Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Es ließ die Mängel- und Tatsachenrüge der klagenden Partei aus rechtlichen Erwägungen unerledigt und erörterte - gestützt auf eine deutsche Lehrmeinung - rechtlich, dass die Handlungen eines „faktischen Geschäftsführers“, der neben oder anstelle des bestellten Geschäftsführers Geschäftsführungskompetenzen ausübe, für die Gesellschaft grundsätzlich unwirksam seien. Die Gesellschaft müsse sich hinsichtlich dieser Vertretungshandlungen aber allenfalls nach den Regeln der Anscheinsvollmacht behandeln lassen.
Die für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht beweispflichtige beklagte Partei habe jedoch kein Vorbringen dazu erstattet, welchen konkreten Rechtsschein die Geschäftsführerin der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei gesetzt habe, dem nach seinem objektiven Erklärungswert eine entsprechende Vollmachtskundgabe innewohne. Sie habe auch zum Vorliegen einer allfälligen nicht vorwerfbaren Unkenntnis des Vollmachtsmangels des Fausto M***** keine Behauptungen aufgestellt. Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts habe Friedrich K***** gewusst, dass Fausto M***** nicht Geschäftsführer der klagenden Partei gewesen sei. Da die bestellte Geschäftsführerin in die Vertragsverhandlungen nicht eingebunden gewesen sei, wäre Friedrich K***** verpflichtet gewesen, über den Umfang der Vertretungsmacht des Fausto M***** bei der Geschäftsführerin nachzufragen. Fausto M***** sei als falsus procurator zu qualifizieren. Eine Sanierung des Vollmachtsmangels durch nachträgliche Genehmigung des Geschäfts habe die beklagte Partei nicht behauptet. Ein Verzicht der klagenden Partei auf die geltend gemachten Forderungen sei daher nicht anzunehmen, weshalb ergänzende Feststellungen zum Grund und zur Höhe dieser Forderungen, wie auch zu den eingewendeten Gegenforderungen, erforderlich seien.
Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss mit der Begründung für zulässig, dass es zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein „faktischer Geschäftsführer“ die GmbH wirksam vertreten könne, an höchstgerichtlicher Rechtsprechung fehle.
Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Er ist im Sinn des Eventualantrags auch berechtigt.
Die beklagte Partei macht geltend, dass die Rechtshandlungen des „faktischen Geschäftsführers“ der von ihm vertretenen GmbH ohne weiteres zurechenbar seien. Falls dies nicht zutreffen sollte, sei von einer Bevollmächtigung durch die bestellte Geschäftsführerin, zumindest aber vom Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht auszugehen. Die bestellte Geschäftsführerin habe das Auftreten des „faktischen Geschäftsführers“ für die GmbH stets geduldet, sodass die beklagte Partei auf dessen Vertretungsbefugnis habe vertrauen dürfen.
Hiezu wurde erwogen:
I. Zur organschaftlichen Vertretung der GmbH:
1. Vorauszuschicken ist, dass der Rechtssache ein „Sachverhalt mit Auslandsberührung“ (§ 1 Abs 1 IPRG) zugrunde liegt, der zunächst einer kollisionsrechtlichen Prüfung bedarf: Die Beurteilung aller Fragen, die das Leben einer juristischen Person begleiten, namentlich die Bereiche der inneren und äußeren Organisation, unterliegt dem gemäß §§ 10 und 12 IPRG maßgeblichen „Sitzrecht“; umfasst ist auch die Regelung der Organe und ihrer Rechtsstellung im Innenverhältnis und Außenverhältnis, ihrer Aufgaben und Haftung einschließlich der Geschäftsführung und der Vertretungsmacht (vgl 2 Ob 170/06y; 2 Ob 238/07z; RIS‑Justiz RS0077060, RS0077038). Da sich der Sitz der klagenden Partei in Österreich befindet, hat das Berufungsgericht die von der beklagten Partei behauptete organschaftliche Vertretungsbefugnis des „faktischen Geschäftsführers“ zutreffend nach österreichischem Recht geprüft.
2. Die gesetzliche Regelung für die Vertretung einer GmbH findet sich in § 18 Abs 1 GmbHG, wonach die Gesellschaft „durch die Geschäftsführer“ gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird. Die Geschäftsführer erlangen ihre körperschaftsrechtliche Funktion als vertretungsbefugte Organe durch ihre Bestellung, die entweder durch Beschluss der Gesellschafter oder - wenn Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt werden - im Gesellschaftsvertrag erfolgen kann (§ 15 Abs 1 GmbHG; vgl RIS-Justiz RS0027940, RS0059816). Ihre Eintragung im Firmenbuch hat nur deklarative Bedeutung (8 Ob 84/03s; RIS-Justiz RS0059880; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 15 Rz 7). Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist ausschließlich; der einzelne Gesellschafter ist bloß aufgrund dieser Eigenschaft, also ohne zum Geschäftsführer bestellt oder bevollmächtigt zu sein, zur Vertretung der Gesellschaft - von Sonderkompetenzen abgesehen - nicht befugt (vgl SZ 50/51; 6 Ob 170/07d; RIS-Justiz RS0108225, RS0049150; Koppensteiner/Rüffler aaO § 18 Rz 5; U. Torggler in Straube, GmbHG [2008] § 18 Rz 6 und 9; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht I2 [1997] Rz 2/191).
3. Im Schrifttum wird der „faktische Geschäftsführer“ zumeist als Person definiert, die das Unternehmen leitet, ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein (vgl Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH [1990] 190; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 II/2 [2004] § 69 Rz 183; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 2801; Straube/Ratka/Völkl in Straube, GmbHG [2008] § 15 Rz 8). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der „faktische Geschäftsführer“ gleichzeitig auch Gesellschafter ist (vgl 8 Ob 124/07d, 8 Ob 108/08b). Als Beispiel für einen „faktischen Geschäftsführer“ wird häufig der Fall genannt, dass die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und stattdessen ein anderer (meist ein Mehrheitsgesellschafter) die Gesellschaft tatsächlich leitet, wobei zumeist auch ein nach außen erkennbares Gerieren wie ein Geschäftsführer als erforderlich erachtet wird (Straube/Ratka/Völkl aaO § 15 Rz 8; Koppensteiner/Rüffler aaO § 25 Rz 6; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth aaO Rz 2801; vgl auch Gellis/Feil, GmbHG7 [2008] § 25 Rz 3).
Nach den - von der klagenden Partei bekämpften - Feststellungen der Vorinstanzen wäre davon auszugehen, dass die bestellte Geschäftsführerin in allen wesentlichen geschäftlichen Belangen keine eigenständigen Entscheidungen treffen konnte, sondern sich nach den Weisungen des Mehrheitsgesellschafters zu richten hatte. Wichtige Geschäftsbriefe wurden nach seinen Vorgaben verfasst; die Durchführung von Überweisungen bedurfte seiner Genehmigung. Zahlungen erfolgten teilweise auch ohne Wissen und Einverständnis der bestellten Geschäftsführerin. Der Mehrheitsgesellschafter trat gegenüber Geschäftspartnern als Geschäftsführer der klagenden Partei auf. Er unterzeichnete die von ihm für die klagende Partei verhandelten Verträge mit einem auf seine Geschäftsführungsbefugnis hinweisenden Zusatz.
Bei einer derartigen Sachlage würde der Mehrheitsgesellschafter der klagenden Partei im Wesentlichen die Kriterien eines „faktischen Geschäftsführers“ im Sinne der herrschenden Ansicht erfüllen.
4. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, aber auch in der Lehre, hat die Rechtsfigur des „faktischen Geschäftsführers“ vor allem im Zusammenhang mit der Frage der deliktischen Haftung für seine Handlungen und Unterlassungen Bedeutung erlangt (8 Ob 124/07d; 8 Ob 108/08b; RIS-Justiz RS0123113 [Haftung für Konkursverschleppung]; 6 Ob 704/89 = ecolex 1990, 419; 8 ObA 98/00w [Haftung gemäß § 25 GmbHG]; vgl auch RIS‑Justiz RS0084661, RS0095015, RS0096108 [Strafrechtliche Verantwortlichkeit]; Thöni, Zur Verantwortlichkeit des GmbH-Gesellschafters [II], GesRZ 1987, 126; Harrer aaO 192; Schumacher aaO § 69 KO Rz 184 f; Reich-Rohrwig aaO Rz 2/397; Koppensteiner/Rüffler aaO § 25 Rz 6; Straube/Ratka/Völkl aaO § 15 Rz 8; Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth aaO Rz 2802; Ruhm/Toms, Zur Haftung von faktischen Geschäftsführern und Nichtgesellschaftern, ecolex 2009, 682 [Entscheidungsbesprechung zu 8 Ob 108/08b]).
Davon zu unterscheiden ist jedoch die hier relevante Frage, ob die im rechtsgeschäftlichen Verkehr gesetzten Rechtshandlungen des „faktischen Geschäftsführers“ der GmbH wie diejenigen eines organschaftlichen Vertreters zuzurechnen sind. Hiezu existieren weder Rechtsprechung noch eindeutige Aussagen in der (österreichischen) Lehre. Die diese Frage verneinende Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat die klare gesetzliche Regelung der Vertretung einer GmbH durch „die Geschäftsführer“ für sich. Auch nach Auffassung des erkennenden Senats verbleibt bei dieser Rechtslage für eine organschaftliche oder „quasi-organschaftliche“ Vertretung durch den „faktischen Geschäftsführer“ kein Raum. Die Annahme einer solchen Vertretungsbefugnis würde in jedem Einzelfall zu Abgrenzungsproblemen (ab welcher Intensität liegt „faktische Geschäftsführung“ vor?) und damit zu erheblicher Rechtsunsicherheit im Geschäftsverkehr führen. Den Bedürfnissen der Praxis wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Zurechenbarkeit rechtsgeschäftlichen Handelns eines „faktischen Geschäftsführers“ nach den Grundsätzen des Vollmachtsrechts gelöst werden kann (idS auch Lenz in Michalski, dGmbHG² [2010] § 35 Rn 24; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, dGmbHG19 [2010] § 35 Rn 9; aA Paefgen in Ulmer, dGmbHG [2006] § 35 Rn 37 und § 37 Rn 30).
Die in der Revision zitierte deutsche Rechtsprechung ist zur Stütze der gegenteiligen Ansicht schon deshalb nicht geeignet, weil auch diese Entscheidungen nur die Beurteilung der deliktischen Haftung des „faktischen Geschäftsführers“ für nicht rechtzeitig gestellte Konkursanträge (NJW 1983, 240; NJW 1988, 1789; ZIP 2005, [richtig] 1550) bzw die angebliche Veruntreuung treuhändig verwalteter Gelder (ZIP 2005, 1414) zum Gegenstand hatte.
5. Zusammenfassend ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass dem „faktischen Geschäftsführer“, mag er (wie hier) Gesellschafter oder Nichtgesellschafter sein, keine Befugnis zukommt, die GmbH im rechtsgeschäftlichen Verkehr organschaftlich zu vertreten. Die Beurteilung seiner Vertretungsbefugnis hat ausschließlich nach vollmachtsrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen.
II. Zur Vollmacht des „faktischen Geschäftsführers“:
1. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts ermöglichen und erfordern die von der beklagten Partei zum Thema der „faktischen Geschäftsführung“ aufgestellten Tatsachenbehauptungen auch die Prüfung, ob die behauptete Vertretungsmacht des „faktischen Geschäftsführers“ durch rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung oder im Wege der Rechtsscheinvollmacht begründet worden ist. Die beklagte Partei hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihr Repräsentant auf die Vertretungsbefugnis des „faktischen Geschäftsführers“ vertraute und dass dieses Vertrauen (auch) auf die ihm bekannte „Rollenverteilung“ bei der klagenden Partei, somit auf das Dulden der („zum Schein“) bestellten Geschäftsführerin („Strohfrau“) gegründet gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der in diesem Rechtsmittelverfahren zu beurteilenden (vergleichsweisen) Bereinigung wechselseitiger Ansprüche Ende 2005 bereits eine längere Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen vorangegangen ist, welche die klagende Partei für und gegen sich gelten lässt, leitet sie doch immerhin die klagsgegenständliche Forderung daraus ab.
Das Erstgericht traf Feststellungen im Sinne des Prozessvorbringens der beklagten Partei. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts käme diesen Feststellungen bei der - von ihm unterstellten - Anwendbarkeit österreichischen Rechts prozesserhebliche Bedeutung zu, weshalb es einer Erledigung der sie bekämpfenden Beweis- und Mängelrüge der klagenden Partei ebenso bedurft hätte, wie der Prüfung, ob die damit geschaffene Sachverhaltsgrundlage für die Beurteilung der zu lösenden Rechtsfragen ausreichend ist. Begnügte sich etwa die bestellte Geschäftsführerin von vornherein mit der Rolle einer „Strohfrau“, welche die Vertretung der Gesellschaft im geschäftlichen Verkehr - für den jeweiligen Dritten erkennbar - allein dem „faktischen Geschäftsführer“ überließ, läge es nahe, eine schlüssige Vollmachtskundgabe (die Wissenserklärung, es sei - ausdrücklich oder schlüssig - Vollmacht erteilt worden) in Erwägung zu ziehen (vgl SZ 56/7; 1 Ob 49/01i, RIS-Justiz RS0014354; P. Bydlinski in KBB2 § 1029 Rz 7; Gaggl in Straube, GmbHG [2008] § 28 Rz 14).
2. Zu prüfen wäre aber auch der Vollmachtsumfang, insbesondere ob die erteilte oder vom Rechtsschein gedeckte Vollmacht auch eine Bereinigung strittiger wechselseitiger Ansprüche im Sinne der getroffenen Vereinbarung umfasst. Dazu genügt vorerst der Hinweis, dass nach der Auffassung des erkennenden Senats eine Vereinbarung dieses Inhalts im Rahmen einer längeren, dem Unternehmensgegenstand zugehörigen Geschäftsbeziehung, in welcher die Abrechnungsmodalitäten strittig geworden sind, zu den nach § 28 Abs 1 letzter Halbsatz GmbHG (vgl auch § 54 Abs 1 HGB/UGB) im Zweifel maßgeblichen „Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt“, zu zählen ist. Auf die in der Rechtsprechung und Teilen der Lehre unterschiedlich beurteilte Frage, ob eine von einem Geschäftsführer einem Nichtgeschäftsführer erteilte Generalvollmacht (RIS-Justiz RS0059852; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 4/205 FN 217; vgl auch Reich‑Rohrwig aaO Rz 2/192) oder lediglich eine Generalhandlungsvollmacht iSd § 54 HGB/UGB (Koppensteiner/Rüffler aaO § 28 Rz 5; Gaggl in Straube aaO § 28 Rz 16; Gellis/Feil aaO § 28 Rz 8) als zulässig und wirksam anzusehen ist, käme es daher nicht an.
3. Der Rekurs der beklagten Partei erweist sich somit in seinem Aufhebungsantrag als berechtigt. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht (Auslegung des Prozessvorbringens der beklagten Partei) die in der Berufung der klagenden Partei enthaltene Tatsachen- und Mängelrüge nicht abschließend erledigt. Dies erfordert eine neuerliche Entscheidung des Berufungsgerichts. Bei dieser wird es auch zu berücksichtigen haben, dass der der Prüfung der Vollmachtsfrage letztlich zugrunde zu legende Sachverhalt zunächst einer kollisionsrechtlichen Beurteilung (§ 49 IPRG) bedarf.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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