OGH 5Ob220/08a

OGH5Ob220/08a10.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Elfriede J*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte - Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Hartfried C*****, 2. Dr. Jürgen B*****, 3. Tatjana S*****, 4. Erich W*****, 5. Monika C*****, 6. Barbara B*****, 7. Janja M*****, 8. Anka K*****, 9. Mag. Bernhard D*****, 10. Sinan K*****, 11. DI Azra K*****, beide *****, 12. Dr. Sabine F*****, 1., 5. und 12. Antragsgegner vertreten durch den 2. Antragsgegner, wegen §§ 6 Abs 2, 37 Abs 1 Z 2 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. April 2008, GZ 39 R 21/08i-13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 11. Juli 2007, GZ 22 Msch 20/07g-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle MA 16 Schli-ZS 1/98/9258 hatte diese den Miteigentümern des Hauses *****, H*****gasse 4, eine Reihe notwendig gewordener Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten aufgetragen und mit der Entscheidung Schli-ZS 655/2000 zur Durchsetzung dieser Erhaltungsarbeiten einen Zwangsverwalter bestellt, dessen Bestellung dann im Grundbuch eingetragen worden war. Mit ihrer Entscheidung vom 20. 4. 2005 zu ZS 04409/2004 hat die Schlichtungsstelle die Durchführung weiterer Erhaltungsarbeiten aufgetragen. Die Bestellung eines Verwalters durch das Gericht im außerstreitigen Verfahren ist bislang nicht erfolgt; ebenso wenig erfolgte die Bestellung eines Zwangsverwalters nach den §§ 97 ff EO.

Die Antragstellerin begehrte (unmittelbar beim Erstgericht) mit der Behauptung, die (von der Schlichtungsstelle) aufgetragenen Erhaltungsarbeiten seien immer noch nicht durchgeführt, „dem (gemeint: von der Schlichtungsstelle bereits bestellten) Zwangsverwalter aufzutragen, die bereits gem § 6 (1) MRG von der Wr. Schlichtungsstelle in ihrem oa rk Entscheidungen angeführten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten innerhalb von 6 Monaten durchzuführen". Hilfsweise, nämlich für den Fall, dass „das Gericht die im GB eingetragene Zwangsverwalterbestellung nicht anerkennen (sollte), oder der eingetragene Zwangsverwalter diese seine Aufgaben nicht ausführen will", begehrte die Antragstellerin, „den bereits von der Wr. Schlichtungsstelle benannten KR F***** mit der Zwangsverwaltung der Liegenschaft und der Durchführung aller oa Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu beauftragen".

Das Erstgericht wies den (primären) Antrag, dem (bereits von der Schlichtungsstelle bestellten) Zwangsverwalter aufzutragen, die von der Schlichtungsstelle angeordneten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten innerhalb von 6 Monaten durchzuführen, zurück. Über den Eventualantrag entschied das Erstgericht nicht. Es war rechtlich der Ansicht, auch wenn sich das Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG als Fortsetzung des Titelverfahrens darstelle, sei der Antrag auf Bestellung eines Zwangsverwalters immer bei Gericht einzubringen, das darüber im Außerstreitverfahren zu entscheiden habe. Die Schlichtungsstelle sei auch dann, wenn der Titel von ihr stamme, für die Bestellung eines Zwangsverwalters nicht zuständig. Verwaltungsakte seien dann absolut nichtig, wenn die Verwaltungsbehörde für ihre Entscheidung offenkundig unzuständig gewesen sei und ihren Wirkungsbereich überschritten oder einen offenkundig und zweifellos unzulässigen Verwaltungsakt gesetzt habe. Da die Schlichtungsstelle nicht zur Bestellung eines Zwangsverwalters berufen sei, liege ein solcher absolut nichtiger Verwaltungsakt vor, an den sich das Erstgericht nicht gebunden fühle. Ein Auftrag an den von der Schlichtungsstelle unzuständigerweise bestellten Zwangsverwalter komme daher nicht in Betracht. Da ein Zwangsverwalter nach der Exekutionsordnung ebenfalls nicht bestellt sei, bestehe auch nicht die Möglichkeit, diesem die Durchführung der Erhaltungsarbeiten aufzutragen. Vielmehr werde das Erstgericht aufgrund des von der Antragstellerin ebenfalls (hilfsweise) gestellten Antrags eigenständig die Voraussetzungen der Bestellung eines Zwangsverwalters zu prüfen haben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Bis zu den Entscheidungen MietSlg 38.281 und 41.206 habe das Rekursgericht die Ansicht vertreten, weil die Bestellung des Zwangsverwalters im Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG als Fortsetzung des Titelverfahrens anzusehen sei, sei die Gemeindeschlichtungsstelle jedenfalls (nur) dann dem Gericht vorgeschaltet, wenn der Titel von jener stamme. Seit der Entscheidung 41 R 295, 296/93 (= MietSlg 45.235) habe das Rekursgericht die wiedergegebene Auffassung nicht mehr aufrecht erhalten und vertrete nunmehr den Standpunkt, dass für ein Vollstreckungsverfahren nach § 6 Abs 2 MRG das Gericht unabhängig davon zuständig sei, ob der Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG vom Gericht oder im Sinn des § 39 MRG von der Gemeinde stamme, die bei vorgeschalteter Schlichtungsstelle im Verfahren nach § 6 Abs 1 MRG ohnedies stets vorher befasst sein müsse. Eine Ausnahme bestehe nur im Fall der Zuständigkeit des Exekutionsgerichts bei Anhängigkeit eines Zwangsverwaltungsverfahrens nach den §§ 97 ff EO. § 6 Abs 2 MRG bestimme seinem Wortlaut nach zur Vollstreckung nämlich nur das „Bezirksgericht im Außerstreitverfahren". Hingegen fehle die an anderen Stellen (zB §§ 6 Abs 1, 12a Abs 8, 15 Abs 4, 16 Abs 8, 18 Abs 2 MRG) in Klammer verwendete Wortfolge „die Gemeinde, § 39". Auch die in der Praxis gebotene rasche Erledigung des Verfahrens stehe mit der vorherigen Befassung der Schlichtungsstelle unabhängig davon nicht in Einklang, ob der Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG von der Schlichtungsstelle stamme. Mit der Formulierung in § 6 Abs 2 MRG habe dem Außerstreitrichter eine umfassende Entscheidungskompetenz für sämtliche im Zusammenhang mit der Zwangsverwaltung auftretenden Fragen zugeteilt werden sollen. An dieser Rechtsansicht habe das Rekursgericht in der Folge festgehalten (MietSlg 48.223; 54.237).

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - die Frage der Zuständigkeit der Schlichtungsstelle im Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG vom Obersten Gerichtshof bisher nicht eindeutig geklärt worden sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem erschließbaren Antrag auf Abänderung im Sinn der Antragsstattgebung. Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel - zusammengefasst - geltend, es wären jene Argumente, die für einen immer bei Gericht zu stellenden Antrag nach § 6 Abs 2 MRG sprechen könnten, nicht überzeugend:

Stamme ein Titel von der Schlichtungsstelle, sei nicht wirklich einzusehen, warum dort nicht auch ein Antrag nach § 6 Abs 2 MRG gestellt werden könne, verfüge doch die Schlichtungsstelle einerseits über die Vorkenntnisse aus dem Verfahren (zB Gutachten, welche Arbeiten tatsächlich notwendig und durchzuführen seien) und könne deshalb rasch auf Basis des ihr vorliegenden Aktes eine Entscheidung auf Bestellung eines Zwangsverwalters treffen. Eine Verfahrensverzögerung sei nicht zu befürchten, auch wenn natürlich eine Entscheidung der Schlichtungsstelle durch Anrufung des Gerichts außer Kraft gesetzt werden könne. Es unterlägen aber auch die erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts einem weiteren Rechtszug, der geraume Zeit in Anspruch nehmen könne. Es sei unzweifelhaft, dass Schlichtungsstellen oft schneller entscheiden würden als Gerichte, sodass das Argument der Verfahrensbeschleunigung nicht für eine zwingende Gerichtszuständigkeit für das gesamte Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG spreche.

Wenn das Rekursgericht mit dem Gesetzestext argumentiere, wonach in § 6 Abs 2 MRG nur vom Gericht die Rede sei und nicht auch von der Gemeindeschlichtungsstelle, so sei auf § 39 Abs 1 MRG in Verbindung mit § 37 Abs 1 Z 2 MRG verwiesen. In § 37 Abs 1 Z 2 MRG werde die Kompetenz des Außerstreitrichters für Verfahren zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten fixiert. In § 39 Abs 1 MRG werde die Zuständigkeit der Gemeinde für Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bestimmt. Damit sei klar, dass für ein Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG die Gemeindeschlichtungsstelle zwingend vorgelagert sei.

Auszugehen sei überdies davon, dass tatsächlich bereits eine Zwangsverwalterbestellung durch die Schlichtungsstelle erfolgt sei. Diese Zwangsverwalterbestellung sei nicht bekämpft und nicht an das Gericht abgezogen worden. Das Gericht sei an den rechtskräftigen Bescheid der Verwaltungsbehörde gebunden, egal ob er nun inhaltlich falsch oder richtig sei. Selbst wenn das Rekursgericht in neuerer Judikatur der Schlichtungsstelle die Kompetenz für ein Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG abspreche, bedeutet dies nur, dass eine dennoch erfolgte Entscheidung der Schlichtungsstelle hätte bekämpft werden können. Ein absolut nichtiger Verwaltungsakt wäre nur gegeben, wenn in einem Aufgabenbereich, der nach der Bundesverfassung der Justiz zugewiesen werde, eine Verwaltungsbehörde entschieden hätte. Gerade ein solcher Fall einer missbräuchlichen bzw gänzlich kompetenzlosen Aktivität einer Behörde läge hier aber nicht vor. Die Verwalterbestellung sei sogar - weil rechtskräftig - im Grundbuch angemerkt worden. Beseitige man nach Jahren die Rechtswirksamkeit der Entscheidung der Schlichtungsstelle, so trete eine enorme Rechtsunsicherheit ein. Man frage sich, auf welcher Basis die bisherigen Aktivitäten beurteilt werden müssten. Die Entscheidungen der Vorinstanzen seien daher unrichtig.

Die Antragsgegner beteiligten sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber - im Ergebnis - nicht berechtigt.

1. Zum Antrag nach § 6 Abs 2 MRG

1.1. Unterlässt der Vermieter durchzuführende Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten, so hat ihm das Gericht (die Gemeinde, § 39) gemäß § 6 Abs 1 erster Satz MRG auf Antrag die Vornahme der Arbeiten binnen angemessener, ein Jahr nicht übersteigender Frist aufzutragen. Über Anträge auf Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§ 3, 4 und 6 MRG) hat nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist, zu entscheiden. Nach Maßgabe des § 39 Abs 1 MRG darf ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bei Gericht nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde (Schlichtungsstelle) anhängig gemacht worden ist.

1.2. Der in Rechtskraft erwachsene Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG ist ein Exekutionstitel, der gemäß § 6 Abs 2 MRG nach fruchtlosem Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses und die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen. Zum Verwalter können, wenn sie sich dazu bereit erklären, bestellt werden: Die Gemeinde, ein von der Gemeinde vorgeschlagener oder ein hiezu sonst geeigneter Dritter. Über den Exekutionsantrag entscheidet das im § 37 Abs 1 MRG bestimmte Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen, es sei denn, dass für das Haus bereits eine Zwangsverwaltung nach §§ 97 ff EO anhängig ist. Ist Letzteres der Fall, so hat das Exekutionsgericht dem bestellten Zwangsverwalter aufzutragen, die aufgetragenen Arbeiten vordringlich durchzuführen.

1.3. Das Rekursgericht hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Frage nach der Zuständigkeit zur Bestellung des Verwalters und folglich zur Durchführung des besonderen, in das mietrechtliche Außerstreitverfahren eingelagerte Exekutionsverfahren nach § 6 Abs 2 MRG bislang nicht einheitlich beantwortet wurde:

Zunächst haben etwa Senate des Rekursgerichts die Ansicht vertreten, weil das Verfahren nach § 6 Abs 2 MRG nur der Durchsetzung des Titels diene, könne der darauf abzielende Antrag nicht als eigener vom Titelverfahren völlig losgelöster, ein selbständiges Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG einleitender Antrag angesehen werden, für den zwingend gemäß § 39 Abs 1 MRG zunächst eine bestehende Schlichtungsstelle zuständig wäre. Analog den Bestimmungen der EO über die Bewilligung der Exekution sei für die Durchführung der bereits titelmäßig bewilligten Arbeiten gemäß § 6 Abs 1 MRG, sofern nicht eine Zwangsverwaltung anhängig sei, das Gericht oder die Gemeinde, die den Titel erlassen habe, zuständig. Habe das Gericht die Arbeiten bewilligt, sei es auch für die Behandlung des Antrags nach § 6 Abs 2 MRG zuständig (LGZ Wien 41 R 635/84 = MietSlg 36.260; ebenfalls in diesem Sinn LGZ Wien 41 R 814/85 = MietSlg 38.280). Dieser Judikaturlinie folgend sprach ein Senat des Rekursgerichts weiters aus, dass über den Antrag auf Durchsetzung eines Auftrags der Schlichtungsstelle eben diese zuständig und eine selbständige Zuständigkeit des Gerichts für eine Antragstellung nach § 6 Abs 2 MRG nur für den Fall der Auftragerlassung durch das Gericht gegeben sei (LGZ Wien 41 R 607/86 = MietSlg 38.281; ebenso LGZ Wien 41 R 876/88 = MietSlg 41.206; LGZ Graz 3 R 274/87 = MietSlg 40.262 und 3 R 187/92 = MietSlg 44.293).

In der schon vom Rekursgericht bezeichneten Entscheidung 41 R 295, 296/93 (= MietSlg 45.235) wird dann die zuvor dargestellte Rechtsprechung - ausdrücklich - nicht mehr aufrecht erhalten und - im Wesentlichen mit der auch hier vom Rekursgericht herangezogenen Begründung - ausgeführt, dass alle Exekutionsmaßnahmen im Rahmen des § 6 Abs 2 MRG dem Außerstreitrichter oblägen, wenn für das Haus ein Zwangsverwaltungsverfahren nach §§ 97 ff EO nicht anhängig sei. Diese Rechtsprechungslinie wird folgend von LGZ Wien 41 R 756/96x und 41 R 768/96m = MietSlg 48.223 und LGZ Wien 39 R 45/02k = MietSlg 54.237 fortgeführt.

Schließlich wird in zweitinstanzlichen Entscheidungen auch die Ansicht vertreten, der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht könne bei vorgeschalteter Schlichtungsstelle, bis zur Durchführung der Arbeiten, gemäß § 40 Abs 2 MRG jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten ab ursprünglicher Antragstellung gestellt werden. Behaupte der die Zwangsverwaltung beantragende Antragsteller, die Arbeiten seien nicht durchgeführt worden, sei darin eine Abziehung des Verfahrens zu Gericht gemäß § 40 Abs 2 MRG zu sehen (LGZ Wien 39 R 708/97 = MietSlg 50.274; LG Linz 19 R 24/89 = MietSlg 41.202; vgl auch LGZ Wien 39 R 578/98h = MietSlg 50.643).

1.4. Auch in der Lehre wird die Frage nach der Zuständigkeit für die Verwalterbestellung nach § 6 Abs 2 MRG nicht einheitlich beantwortet:

Würth (in Rummel³, § 6 MRG Rz 6) bezeichnet es als strittig, „ob der Antrag auch dann unmittelbar bei Gericht eingebracht werden muß/kann, wenn der Titel von der Schlichtungsstelle stammt (so entgegen der älteren Rspr [EvBl 1986/2 = RZ 1985/73 = Miet 37.256 u LGZ Wien Miet 38.281] zB LGZ Wien Miet 48.223; vermittelnd in Miet 50.274; undeutl OGH in Miet 50.272 u 53.268)".

Haybäck/Heindl führen (in Schwimann², § 6 MRG Rz 11) aus:

„Hinsichtlich der Zuständigkeit zur Bestellung des Zwangsverwalters besteht - entgegen einer unter MietSlg 45.235 abgedruckten Entscheidung des LGZ Wien - nunmehr Klarheit, dass, solange das Verfahren bei der Schlichtungsstelle anhängig ist, diese auch über den Exekutionsantrag zu entscheiden hat. Das Verfahren nach § 6 MRG ist - ebenso wie das Verfahren nach § 18 MRG - als ein einheitliches Verfahren von der ersten Antragstellung bis zur Einstellung der Zwangsverwaltung zu sehen. Das bedeutet aber, dass ab dem Zeitpunkt der Anrufung des Bezirksgerichtes dieses endgültig (für das weitere Verfahren) zuständig ist."

T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 6 MRG Rz 23) führt - nach ausführlicher Wiedergabe der bereits dargestellten Judikatur zweitinstanzlicher Gerichte - aus:

„Nach einigen spärlichen früheren, nicht unbedingt in allen Details aussagekräftigen höchstgerichtlichen Entscheidungen (wobl 1992, 148/105 [Würth] = MietSlg 43.301 [Außerstreitverfahren bei beantragtem Behindertenaufzug]; MietSlg 38.278 [Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend]) wurde in jüngerer Vergangenheit eine klare und eindeutige Linie vom OGH vorgegeben (typisch MietSlg 48.223; wobl 1997, 189/62 [zust Würth] = MietSlg 48.222 = immolex 1997, 198/101; MietSlg 50.272), welcher ohne jeden Vorbehalt beizupflichten ist und wonach zusammenfassend

- das Verfahren (gemeint: nach § 6 Abs 2 MRG) als eine Fortsetzung des Titelverfahrens zu betrachten ist,

- der Antrag immer bei Gericht einzubringen ist ...".

1.5.1. Entgegen dem aus den zuvor zitierten Ausführungen von T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 6 MRG Rz 23) möglicherweise zu gewinnenden Eindruck hat sich der erkennende Senat mit der Frage nach der Zuständigkeit zur Bestellung des Verwalters nach § 6 Abs 2 MRG noch nicht umfassend auseinander gesetzt:

In 5 Ob 91/84 (= RZ 1985/73 = EvBl 1986/2 = MietSlg 37.256) wird für den dort vorgelegenen Fall, in welchem ein gerichtlicher Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG vorlag, ausgesprochen, dass über den darauf gestützten Antrag nach § 6 Abs 2 MRG sogleich das Gericht zu entscheiden habe, ohne dass eine vorherige Befassung der Schlichtungsstelle mit diesem Antrag im Sinn des § 39 Abs 1 MRG erforderlich wäre.

5 Ob 2241/96m (= immolex 1997/101, 198 = RZ 1997/60, 197 = wobl 1997/62, 189 [Würth] = MietSlg 48.222) betraf eine Konstellation, in der aufgrund eines vor dem Erstgericht abgeschlossenen Vergleichs der Antrag nach § 6 Abs 2 MRG beim Erstgericht gestellt worden war.

5 Ob 286/97p (= wobl 1998/125, 187 [Oberhammer] = immolex 1998, 107 = ZIK 1998, 124; [nicht klar entnehmbar aus MietSlg 48.223]) nahm zur hier angesprochenen Frage - ausdrücklich - nicht Stellung (ebenso 5 Ob 287/97k).

In 5 Ob 120/98b (= immolex 1998/202, 327 = NZ 1999, 73 = MietSlg 50.272 = MietSlg 49/46) lag ein Fall zugrunde, in dem die Schlichtungsstelle einen Verwalter bestellt hatte, gegen welche Entscheidung das Gericht angerufen worden war. Der erkennende Senat hatte sich dann im Zusammenhang mit der Dauer der Rechtsmittelfrist mit der Qualität des Verwalterbestellungsbeschlusses (Beschluss oder Sachbeschluss) zu befassen. Zur Begründung, der Bestellungsbeschluss sei ein Sachbeschluss, wird - ohne konkreten Zusammenhang mit der hier interessierenden Zuständigkeitsfrage - auf die Verpflichtung „des Gerichts bzw der Schlichtungsstelle" hingewiesen, „sich sachlich mit der Notwendigkeit der Verwalterbestellung (etwa im Hinblick auf bereits begonnene Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten) auseinanderzusetzen".

Die Entscheidung 5 Ob 175/01y (= MietSlg 53.268) referiert die Judikatur zweitinstanzlicher Gerichte, nimmt aber selbst zur Zuständigkeitsfrage nicht Stellung.

Eine solche abschließende Beurteilung der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag nach § 6 Abs 2 MRG namentlich für den Fall, dass der Titel nach § 6 Abs 1 MRG von der Schlichtungsstelle stammt, ist aber auch in der vorliegenden Konstellation aus noch darzustellenden Gründen nicht erforderlich.

2. Zur erfolgten Verwalterbestellung durch die Schlichtungsstelle

Die Vorinstanzen gehen von der ausschließlichen gerichtlichen Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Verwalterbestellung nach § 6 Abs 2 MRG aus und sehen deshalb in der Entscheidung der Schlichtungsstelle einen absolut nichtigen Verwaltungsakt. Jedenfalls der letztgenannten Schlussfolgerung ist aber nicht zu folgen:

2.1. Gerichte sind an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden grundsätzlich gebunden, und zwar selbst dann, wenn diese Verfügungen unvollständig oder fehlerhaft sein sollten (RIS-Justiz RS0036981). Dabei schließt die Bindung der Gerichte an rechtskräftige Verwaltungsbescheide auch die Prüfung aus, ob diese durch das Gesetz gedeckt sind (RIS-Justiz RS0036864). Es zählt nämlich zum Kernbereich des rechtsstaatlichen Prinzips, dass in der Regel alle staatlichen Organe an individuelle Rechtsakte, stammen sie von diesem selbst oder aber von anderen Staatsorganen, gebunden sind. Eine andere Auffassung würde dazu führen, dass jedes Organ bei jeder sich bietenden Gelegenheit eigenständig und unabhängig von den von den Parteien im Rechtsweg, allenfalls sogar bei Höchstgerichten erstrittenen Rechtspositionen neu entscheiden könnte; dies ist mit dem Trennungsgrundsatz des Art 94 B-VG im Verhältnis von Justiz und Verwaltung nicht vereinbar (8 Ob 632/92; vgl auch 1 Ob 767/80 = MietSlg 32.659). Eine Ausnahme besteht nur für sogenannte „absolut nichtige" Verwaltungsakte.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof sieht als wesentliche Fehler, die zur absoluten Nichtigkeit eines (erlassenen) „Bescheides" führen, die mangelnde Behördenqualität der „bescheiderlassenden" Stelle, die mangelnde Ermächtigung der den Akt genehmigenden Person, das Fehlen des Spruchs und das Fehlen der ordnungsgemäßen Unterfertigung (VwGH 93/12/0221; vgl auch VwGH 2007/12/0168).

2.3. Auch der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit dem fraglichen Vorliegen absolut nichtiger Verwaltungsakte befasst (vgl RIS-Justiz RS0037078); dabei wurde (überwiegend) der allgemeine Grundsatz geprägt, absolut nichtig sei ein Verwaltungsakt dann, wenn die Verwaltungsbehörde offenkundig unzuständig gewesen sei, ihren Wirkungskreis überschritten oder einen offenkundig und zweifellos unzulässigen Verwaltungsakt gesetzt habe (3 Ob 532/83 mzN = SZ 57/23 = MietSlg 36/3). In praxi wird dann allerdings sehr selten eine solche „absolute Nichtigkeit" angenommen und bei der dahin gehenden Prüfung recht restriktiv vorgegangen. Nach 1 Ob 320/71 (= SZ 45/17) soll etwa ein absolut nichtiger, die Gerichte nicht bindender Verwaltungsakt nur dann vorliegen, wenn er „jeglicher Gesetzesgrundlage" entbehrt oder - nach 2 Ob 475/55 - ein Tatbestand einem hiefür „nie und nimmer" anwendbarem Gesetz unterstellt worden sei, also nur eine Scheinberufung auf eine gesetzliche Grundlage vorliege. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, es stelle keine auffallende Fehlbeurteilung dar, wenn das Gericht zweiter Instanz das Vorliegen eines absolut nichtigen Verwaltungsakts bei einem durch eine unzuständige Behörde erlassenen Bescheid verneint habe (3 Ob 94/01x). Auch in 5 Ob 117/01v wurde die Unzuständigkeit (dort im Sinn einer möglichen Kompetenzüberschreitung der Grundverkehrsbehörde) nicht für das Fehlerkalkül „absolute Nichtigkeit" als ausreichend erachtet.

2.4. In casu liegt mit § 39 Abs 1 MRG in Verbindung mit § 37 Abs 1 MRG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der Schlichtungsstelle in mietrechtlichen Verfahren vor.

Selbst wenn man die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit der Schlichtungsstelle zur Entscheidung über einen spezifischen mietrechtlichen Sachantrag (hier: die Verwalterbestellung nach § 6 Abs 2 MRG) mit den Vorinstanzen für unrichtig halten wollte, dann kann daraus einerseits angesichts der bestehenden generellen Kompetenzgrundlage und andererseits bei der in (zweitinstanzlicher) Judikatur und Lehre über Jahre hinweg höchst unterschiedlich beurteilten Zuständigkeitsfrage keine zur „absoluten Nichtigkeit" der Schlichtungsstellenentscheidung führende „offenkundige Unzuständigkeit" abgeleitet werden. Die rechtskräftige Verwalterbestellung durch die Schlichtungsstelle ist demnach aufrechter und von den Gerichten zu beachtender Bestandteil des bisherigen Verfahrens. Die Antragstellerin kann demnach nicht darauf verwiesen werden, es müsse zunächst eine (neuerliche) Verwalterbestellung durch das Außerstreitgericht erfolgen.

3. Abziehung zu Gericht

Als bisheriges Zwischenergebnis folgt, dass die Schlichtungsstelle ihre Zuständigkeit zur Bestellung des Verwalters und folglich zur Durchführung des besonderen Exekutionsverfahrens nach § 6 Abs 2 MRG allenfalls unrichtig, aber rechtskräftig und (zunächst) auch für die Gerichte bindend in Anspruch genommen hat. Dieser Umstand ändert aber grundsätzlich nichts daran, dass auch für dieses Verfahren die allgemeinen Regeln greifen, die nach Maßgabe des § 40 MRG die Abziehung des Verfahrens zu Gericht ermöglichen. Die dort genannten Voraussetzungen liegen allerdings selbst nach dem Antragsvorbringen derzeit nicht vor:

Die Verwalterbestellung durch die Schlichtungsstelle ist vor Jahren erfolgt und in Rechtskraft erwachsen, weshalb eine Abziehung zu Gericht nach § 40 Abs 1 MRG nicht in Frage kommen kann. Die Anwendung des § 40 Abs 2 MRG setzt - trotz der etwas weiten Formulierung - voraus, dass das Verfahren deshalb nicht „zum Abschluss gelangt ist", weil die Schlichtungsstelle über den ihr vorgelegenen Sachantrag nicht entschieden hat, was auch im Zusammenhalt mit § 40 Abs 3 MRG zu erschließen ist. Diese Konstellation ist hier aber ebenfalls nicht gegeben, weil der hier beurteilte Sachantrag der Schlichtungsstelle gar nicht zur Entscheidung vorlag. Da es somit schon nach den Antragsangaben an den Voraussetzungen für die Abziehung zu Gericht fehlt, ist das Verfahren vorerst weiter bei der Schlichtungsstelle zu führen, was die Entscheidung der Vorinstanzen - jedenfalls im Ergebnis und unabhängig von der relevierten Zuständigkeitsfrage - als zutreffend erweist.

Der Revisionsrekurs muss demnach erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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