OGH 3Ob94/01x

OGH3Ob94/01x30.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard M*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei O***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen 120.00 S sA (= 8.720,74 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2001, GZ 34 R 576/00h-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 3. Oktober 2000, GZ 7 C 508/00s-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 589,52 EUR (darin enthalten 98,25 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Aktiengesellschaft verlegte auf der Grundstücks-Teilfläche Nr 281/2 einer der Klägerin gehörigen Liegenschaft Rohrleitungen für eine Erdgasleitung.

Die Berghauptmannschaft Wien verpflichtete die Klägerin mit Bescheid vom 21. 7. 1995 (im Folgenden kurz Enteignungsbescheid), bestätigt mit Bescheid des BM für wirtschaftliche Angelegenheiten als Berufungsbehörde vom 4. 2. 1997, gemäß § 172 BergG 1975 idgF zur zwangsweisen Grundüberlassung dieser Teilfläche an die beklagte Partei zur Herstellung und zum Betrieb dieses Abschnitts der Gasleitung auf Betriebsdauer - wobei der beklagten Partei im Einzelnen angeführte Rechte eingeräumt wurden - gegen Leistung einer vorläufigen Entschädigung von 12.150,07 S und erteilte der beklagten Partei mit weiterem Bescheid vom 1. 9. 1995 gemäß § 146 BergG 1975 die Bewilligung zur Herstellung (Errichtung) der Erdgasleitung auf diesem Grundstück. Beide Bescheide erwuchsen in Rechtskraft; Verfassungsgerichtshofsbeschwerden - die in anderen Fällen mangels Kompetenz der Bergbehörde erfolgreich waren - wurden in Ansehung der beiden genannten Bescheide nicht erhoben.

Die beklagte Partei wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 22. 3. 1999 verpflichtet, die von ihr errichtete Rohrleitung zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen. Die im Spruch dieses Urteils angeführte Grundstücksnummer 281/1 wurde mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. 12. 2000 auf 281/2 berichtigt.

In der auf Zahlung von 120.000 S sA gerichteten Klage brachte die Klägerin vor, die beklagte Partei habe aufgrund rechtskräftiger Bescheide der Berghauptmannschaft Wien auf diesem Grundstück Rohrleitungen verlegt. Diese Bescheide seien mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 9. 10. 1997 aufgehoben worden; ein neuer Bescheid sei bisher nicht ergangen; die Enteignung sei versagt worden. Die beklagte Partei benütze daher die Rohrleitungen titellos und widerrechtlich, weshalb Benützungsentgelt (laut Vorbringen in der Tagsatzung am 15. 9. 2000 für 9. 10. 1997 bis Klagseinbringung am 10. 2. 2000) begehrt werde.

Die beklagte Partei wendete ein, die Rohrleitung sei nicht titellos errichtet worden und werde auch nicht titellos benützt. Der Enteignungsbescheid gehöre nach wie vor dem Rechtsbestand an. Rechtsgrundlage für die Errichtung der Rohrleitung sei ursprünglich der Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 1. 9. 1995 gewesen. Der Landeshauptmann von Niederösterreich habe der beklagten Partei mit Bescheid vom 18. 4. 2000 neuerlich die Genehmigung hiezu erteilt. Da die strittige Grundstücksteilfläche rechtskräftig enteignet sei, sei die Höhe der Entschädigung von der Enteignungsbehörde zu bestimmen; es liege daher Unzulässigkeit des Rechtswegs und örtliche Unzuständigkeit vor. Die vom Landeshauptmann von Niederösterreich festgesetzte Entschädigungssumme von 15.899,40 S sei der Klägerin am 4. 5. 1999 überwiesen worden.

Die Klägerin replizierte, beim Enteignungsbescheid handle es sich um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt. Auch die beklagte Partei gehe offensichtlich davon aus, weil sie eine neuerliche Bewilligung nach dem RohrleitungsG beantragt habe. Die Klägerin habe ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil auf Beseitigung der Rohrleitungen erwirkt.

Das Erstgericht wies mit rechtskräftigem Beschluss die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs ab; auch das Klagebegehren wies es ab. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, bei dem Enteignungsbescheid handle es sich keineswegs um einen absolut nichtigen Verwaltungsakt, weil die als "schwersten" materiellen Mängel gedachten Fehler, die § 68 Abs 4 lit b und c AVG anführe, lediglich zur Vernichtbarkeit des Bescheids führten. Die "Verlegung und Benutzung der Rohrleitung" sei daher nicht titellos und widerrechtlich erfolgt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage eines Anspruchs auf Benutzungsentgelt nach Aufhebung des eine Rohrleitung genehmigenden Bescheids höchstgerichtliche Rsp fehle. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die beklagte Partei habe aufgrund materiell und formell rechtskräftiger Bescheide auf dem Grundstück der Klägerin Rohrleitungen verlegt. Dass die beklagte Partei danach mit rechtskräftigem Urteil zur Beseitigung der Rohrleitung verpflichtet worden sei, sei irrelevant. Solange nämlich die Enteignung, die in Form der bescheidmäßigen Einräumung einer Legalservitut durch die Bergbaubehörde durch Grundüberlassung stattgefunden habe, nicht durch einen contrarius actus in Form eines weiteren verwaltungsbehördlichen Bescheids aufgehoben worden sei, benütze die beklagte Partei das Grundstück der Klägerin nicht titellos. Daran ändere der Umstand nichts, dass die beklagte Partei allenfalls zur Beseitigung der von ihr auf dem Grundstück der Klägerin eingebrachten Baulichkeiten (Rohrleitung) wegen Aufhebung der bescheidmäßigen Errichtungs- und Betreibungsbewilligung verpflichtet sei. Die Aufhebung dieser Bewilligung führe noch nicht "automatisch" auch zur Beseitigung des Überlassungsbescheids als Titel für den Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage eines Anspruchs auf Benutzungsentgelt nach Aufhebung des eine Rohrleitung genehmigenden Bescheids stellt sich hier nicht. Da die Klägerin gegen die bescheidmäßig erfolgte zwangsweise Grundüberlassung und gegen die bergrechtliche Bewilligung keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben hat, gehören diese Bescheide - anders als in anderen Fällen, in denen Beschwerden gegen derartige Bescheide erfolgreich waren - nach wie vor dem Rechtsbestand an. Wenn das Berufungsgericht das Vorliegen eines absolut nichtigen Verwaltungsakts bei einem durch eine unzuständige Behörde erlassenen Bescheid vgl das Erkenntnis des VfGH vom 9. 10. 1977 Beilage A und eine deshalb titellose Benützung des Grundstücks durch die beklagte Partei mit eingehender Begründung verneinte, stellt dies keineswegs eine auffallende Fehlbeurteilung dar. Auf die von der beklagten Partei hervorgehobene neue Rechtslage (EnergieliberalisierungsG, GaswirtschaftsG) ist nicht mehr einzugehen.

Das nach Zurückweisung der mit Beschluss des Berufungsgerichtes vom 17. 2. 2000 gemäß § 508 Abs 1 ZPO zugelassenen Revision mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. 4. 2000, 2 Ob 106/00b, in Rechtskraft erwachsene Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf, auf das sich die Klägerin beruft, steht schon deshalb nicht im Gegensatz zu den Bescheiden der Bergbehörde, weil hierin nach dem allein maßgeblichen Spruch nur über die Verpflichtung der beklagten Partei zur Entfernung der Rohrleitungen abgesprochen wurde. Die Revision ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen.

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