OGH 7Ob174/08a

OGH7Ob174/08a22.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Franz S*****, vertreten durch Spohn/Richter & Partner Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, und die Nebenintervenientin W***** KG, *****, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2008, GZ 41 R 29/08f‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0070OB00174.08A.1022.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Bestandvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein mit Zustimmung des Grundeigentümers errichtetes Superädifikat befindet, das nach dem Willen der vertragschließenden Parteien der dauernden Wohnraumversorgung oder der geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen solle, den Bestimmungen des MRG unterliegt (RIS‑Justiz RS0069261; RS0069454). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung greift der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG, wenn sich das Mietobjekt in einem Superädifikat befindet, das vom Mieter des Grundstücks aufgrund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet wurde (6 Ob 59/98i, 5 Ob 142/99i, 5 Ob 4/02b, 5 Ob 115/03b; [= RIS‑Justiz RS0069264 „gegenteilig"; RIS‑Justiz RS0118190). Weil aber nicht eine unmittelbare Anwendung des § 1 Abs 4 Z 1 MRG für die Flächenmiete zur Errichtung eines Superädifikats durch den Mieter in Betracht kommt, sondern diese Bestimmung nur im Wege der Analogie Anwendung findet, bedarf es jeweils einer Prüfung, ob der gesamte Regelungsinhalt der Teilausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 1 MRG analogiefähig ist (5 Ob 4/02b).

Der Revisionswerber übergeht, dass sich der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 6 Ob 88/05t mit der Kritik des jüngeren Schrifttums an der analogen Anwendung des MRG auseinandergesetzt hat und sich nicht veranlasst sah, seine Rechtsprechung zu ändern. Die Revisionsausführungen, die keine neuen Aspekte aufzeigen, können den Obersten Gerichtshof nicht veranlassen, von seiner Judikatur abzugehen.

Wie bereits dargelegt, unterliegt ein Superädifikat der analogen Anwendung des § 1 MRG, weshalb § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG schon seinem Wortlaut nach nicht zu Anwendung kommen kann. Die Analogie soll ja gerade bewirken, dass das MRG anzuwenden ist. Das Gegenargument des Revisionswerbers, es sei eben keine direkte Anwendung des § 1 MRG möglich, versucht, den Sinn der Analogie zu unterlaufen.

Die Anwendbarkeit des § 49 Abs 2 MRG auf den vorliegenden Fall scheitert schon daran, dass eine Bestanddauer vereinbart wurde, die über den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes hinaus wirksam ist. Die Parteien haben nämlich einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, der jedoch erstmals zum 31. 12. 2006 gekündigt werden konnte. Nach der Judikatur ist zwar die Vereinbarung einer Bestanddauer auf unbestimmte Zeit mit Kündigungsverzicht beider Parteien für eine bestimmte Dauer auch § 49 Abs 2 MRG zu unterstellen (vgl 1 Ob 2073/96a, 1 Ob 280/98b), doch könnte dies hier höchstens eine Befristung bis zum 31. 12. 2006 bedeuten (abgesehen davon dass nur ein einseitiger Kündigungsverzicht des Vermieters vereinbart wurde), sodass die Anwendung der Bestimmung schon deshalb ausscheidet, weil der Vertrag über den Stichtag hinauswirkt. Dies hat das Berufungsgericht dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es festhielt, der Vermieter habe kein fristgerechtes Anbot gestellt.

Im Übrigen wurde auch nach den Bestimmungen des MG ausgesprochen, dass das Inbestandgeben einer Grundfläche zur Benützung für geschäftliche Zwecke dem § 1 Abs 1 MG unterliege, wobei es gleich sei, ob der Mieter das Grundstück unmittelbar im Rahmen seines Betriebs etwa als Lagerplatz benütze oder ob er darauf eine Baulichkeit errichte, um sich in dieser geschäftlich zu betätigen (RIS‑Justiz RS0066855, RS0066882). Die Superädifikate unterlagen also auch nach dem MG dem Kündigungsschutz.

Das vorliegende Bestandverhältnis unterliegt den Kündigungsbeschränkungen des MRG.

Die Frage, ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0068103, RS0021018). Es genügt zur Auflösung des Bestandvertrags, wenn feststeht, dass der „erheblich nachteilige Gebrauch" wichtige wirtschaftliche Interessen des Vermieters verletzt (RIS‑Justiz RS0021031). Der Kündigungsgrund ist auch gegeben, wenn das Verhalten geeignet ist, den Ruf oder sonstige Interessen des Vermieters zu schädigen oder zu gefährden (RIS‑Justiz RS0070348, RS0020940). Ein Verschulden des Vertragspartners ist nicht notwendig; es genügt, dass sich der Mieter der Nachteiligkeit seines Gebrauchs bewusst ist. Unter dem erheblichen nachteiligen Gebrauch ist eine länger anhaltende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts zu verstehen (RIS‑Justiz RS0020981). Darunter fällt auch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen (RIS‑Justiz RS0021053). Der Mieter muss sich so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RIS‑Justiz RS0020867). Bauordnungswidrige oder feuerpolizeiwidrige Einrichtungen oder Unterlassungen können eine erhebliche Verletzung der Interessen des Bestandgebers darstellen (7 Ob 321/99b).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Fall noch kein erheblich nachteiliger Gebrauch vorlag, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden; seine Würdigung hält sich im Rahmen der dargelegten Judikatur. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte für die Räumung und Sicherung der Liegenschaft letztlich doch Sorge getragen, sodass ein nachhaltiger nachteiliger Gebrauch in diesem Einzelfall nicht auf der Hand liegt.

Im Übrigen hat es der Revisionswerber im erstinstanzlichen Verfahren unterlassen, ein konkreteres Vorbringen zum nachteiligen Gebrauch infolge Verletzung seiner wirtschaftlichen Interessen wie durch Wertminderung seiner Liegenschaft udgl zu erstatten.

Es wird keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht. Diese Entscheidung bedarf keiner weiteren Begründung.

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