OGH 6Ob59/98i

OGH6Ob59/98i10.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ä*****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und Dr. Eckard Söllner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Erich S*****, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Dr. Harald Vill und Dr. Helfried Penz, Rechtsanwälte in Innsbruck, Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Partei Pax M***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1997, GZ 4 R 387/97h-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 28. März 1997, GZ 11 C 494/96f-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 15.939 S (darin 2.656,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1053 KG ***** Grundstück Nr 829. Mit Mietvertrag vom 1. 4. 1993 vermietete sie dieses unbebaute Grundstück im Ausmaß von 1.977 m2 auf unbestimmte Zeit um einen Mietzins von 10 S/m2 Grundfläche an den Beklagten, wobei sie bis zum 31. 3. 2033 auf eine Aufkündigung verzichtete. Auf die Einbringung einer Räumungsklage wurde nicht verzichtet. Zweck des Bestandvertrages war es, dem Mieter die Errichtung einer Verkaufs- und Werkstätte für Jalousien, Rolläden und Markisen zu ermöglichen und die dazu notwendigen Betriebsgebäude und Baulichkeiten nach eigenen Plänen und Bedürfnissen, nach Maßgabe der bau- und gewerbebehördlichen Auflagen auf eigene Kosten zu errichten, wobei der Mieter Eigentümer an den zu errichtenden Bauwerken werden sollte, die in der Absicht errichtet werden, sie nicht ständig auf dem Grundstück zu belassen (Punkt VI. des Vertrages). Die Aufschließung des Grundstückes sowie die Errichtung von Zufahrten, Wasserleitung, Kanalisation, Strom und Telefonleitungen obliegt dem Mieter auf eigene Kosten. Die durch die Bebauung ausgelösten öffentlichen Abgaben trägt der Mieter (Punkt VII. des Vertrages). Die Instandhaltung der Baulichkeiten und deren Anpassung an jeweilige behördliche Auflagen ist Sache des Mieters (Punkt XIV.).

Zum Zeitpunkt der Einbringung der Räumungsklage am 14. 6. 1996 hafteten für das Jahr 1994 Betriebskosten von 23.232 S und für 1995 von 22.884 S unberichtigt aus. Da diese trotz zahlreicher Mahnungen unbeglichen blieben, wurden die Betriebskosten für das Jahr 1994 zu 11 C 727/95 und die Nachforderung für das Jahr 1995 zu 11 C 507/96 jeweils beim Bezirksgericht Innsbruck eingeklagt. Die Zahlungsbefehle sind in Rechtskraft erwachsen. Die Klägerin führte zur Hereinbringung ihrer Forderung auch Exekution. Während des erstgerichtlichen Verfahrens leistete der Beklagte vier Zahlungen, durch die die Hauptsachebeträge der beiden Zahlungsbefehle sowie ein Teil der Nebengebühren abgedeckt wurden.

Aufgrund der vom Beklagten zur Errichtung des Superädifikates durchgeführten Bauarbeiten auf der Liegenschaft wurden mit Bescheid des Magistrates der Stadt Innsbruck vom 8. 11. 1995 an Erschließungsbeitrag, Gehsteigabgabe und Kanalgebühr insgesamt 193.439 S vorgeschrieben. Aufgrund weiterer Bautätigkeit des Beklagten schrieb der Magistrat der Stadt Innsbruck mit Bescheid vom 19. 2. 1996 an Erschließungsbeitrag, Gehsteigabgabe und Kanalgebühr weitere 33.300,90 S vor. Die Gehsteigabgabe wurde aufgrund einer Berufung reduziert, so daß insgesamt 26.806,90 S zu zahlen waren. Die Vorschreibungen erfolgten an die Klägerin als Grundstückseigentümerin, die die Bescheide an den Beklagten als den nach Punkt VII. des Mietvertrages Zahlungspflichtigen weiterleitete. Der Beklagte suchte beim Stadtmagistrat um Zahlungsaufschub an, der bis 31. 3. 1996 bewilligt wurde. Ein weiteres Stundungsgesuch wurde aufgrund der ablehnenden Haltung der Klägerin nicht mehr gewährt. Diese hat die vorgeschriebenen Beitäge und Abgaben an den Stadtmagistrat gezahlt, der Beklagte leistete trotz mehrerer Aufforderungen keinen Ersatz.

Es kann nicht festgestellt werden, warum die Betriebskostennachforderungen für die Jahre 1994 und 1995 nicht fristgerecht abgedeckt wurden und warum Zahlung durch den Beklagten erst im Zuge des Verfahrens nach Rechtskraft der Zahlungsbefehle und Exekutionsführung erfolgte, sowie warum die vom Beklagten verursachten Erschließungskosten, Gehsteigabgaben und Kanalanschlußgebühren entgegen der Verpflichtung im Mietvertrag nicht ersetzt wurden.

Die Klägerin begehrt die Räumung der in Bestand gegebenen Liegenschaft. Der Beklagte sei mit Mietzins- und Betriebskostenzahlungen trotz qualifizierter Mahnungen in Verzug geraten. Die Klägerin erklärte daher die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB. Da die Klägerin auch die vom Stadtmagistrat vorgeschriebenen Abgaben und Gebühren als Liegenschaftseigentümerin habe tragen müssen, stützte sie das Räumungsbegehren auch auf diesen Umstand. Es sei von einem groben Verschulden des Beklagten auszugehen, da dieser die Zahlungen erst nach Exekutionsführung geleistet habe.

Der Beklagte wandte ein, ihn treffe kein grobes Verschulden, weil er infolge schlechter Auftragslage in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sei. Die geltend gemachten Abgaben und Gebühren zählten nicht zu einem Rückstand im Sinne des § 33 MRG und seien durch den Liegenschaftseigentümer nicht auf den Mieter überwälzbar. Die Klägerin habe die Erschließungskosten an die Stadt Innnsbruck gezahlt, obwohl der Beklagte weitere Stundungsgespräche geführt habe. Das Räumungsbegehren sei nicht berechtigt.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Räumung. Dieser sei seiner Beweispflicht, daß ihn am Auflaufen des Rückstandes kein grobes Verschulden getroffen habe, nicht nachgekommen. Überdies seien die Erschließungskosten, Gehsteigabgaben und Kanalanschlußgebühren nach dem Inhalt des Bestandvertrages auch vom Beklagten zu tragen. Auch darauf könne das Räumungsbegehren gestützt werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge.

§ 33 Abs 2 und 3 MRG kämen nur zur Anwendung, wenn das Bestandverhältnis in den grundsätzlichen Geltungsbereich des MRG falle. Für unbebaute Flächen, die zur Errichtung von Superädifikaten vermietet wurden, seien zumindest die Kündigungsbestimmungen des MRG analog anzuwenden.

Die Frage nach dem groben Verschulden im Sinne des § 33 Abs 2 MRG stelle sich jedoch erst dann, wenn der Mieter vor Schluß der Verhandlung den ausstehenden Betrag gezahlt habe. Die ausständigen Erschließungskostenbeiträge, Gehsteigabgaben und Kanalanschlußgebühren, die nach dem Mietvertrag vom Beklagten zu tragen seien, seien von der Grundstückseigentümerin gezahlt worden. Diese Kosten stellten einen "geschuldeten Betrag" im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG dar, denn dieser umfasse regelmäßig den Mietzins samt allen Bestandteilen, zweifellos auch Betriebskosten, auch auf den Mieter überwälzte Steuern, solange eine gesetzliche Mithaftung und ungünstige, den Rückersatz gefährdende Vermögensverhältnisse des Bestandnehmers vorhanden seien. Nichts anderes könne für sonstige öffentliche Abgaben gelten, die (zulässigerweise) auf den Mieter überwälzt seien und für die eine Haftung des Vermieters bestehe. Nachdem die Klägerin die von der Stadtgemeinde Innsbruck vorgeschriebenen Beträge geleistet und den Beklagten erfolglos zum Ersatz aufgefordert habe, könne der bei Schluß der Verhandlung noch immer rückständige Betrag die Rechtsfolgen nach § 1118 ABGB auslösen. Da der Beklagte sogar mit den rechtskräftig festgestellten Betriebskosten säumig gewesen sei, müsse es der Klägerin als haftender Grundeigentümerin anheimgestellt bleiben, wann sie die ihr vorgeschriebenen Abgaben entrichte.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, inwieweit öffentliche Abgaben einen zur Aufhebung des Vertrages berechtigenden Rückstand im Sinne des § 1118 ABGB darstellen könnten und inwieweit es zu einer vertraglichen Nebenpflicht des Vermieters gehöre, Stundungsansuchen des Mieters gegenüber Dritten zu unterstützen, um dadurch das Entstehen eines Rückstandes hintanzuhalten, in der Judikatur des Höchstgerichtes noch nicht behandelt worden sei.

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich ist die Geltung des MRG auf Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten als Bestandgegenstand eingeschränkt, so daß nur die Miete von Räumen, nicht aber auch von unbebauten Flächen in den Anwendungsbereich des MRG fallen. Von der Judikatur wurde nur ein Fall der Flächenmiete auf dem Wege der Analogie der Raummiete gleichgestellt, nämlich, wenn - wie hier - Grundflächen zur Errichtung von Superädifikaten vermietet werden (MietSlg 42.168;

43.132) und die geplanten Gebäude auch innerhalb vereinbarter oder angemessener Zeit errichtet werden. In diesen Entscheidungen ging der Oberste Gerichtshof nur von der Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen aus, während in den Entscheidungen MietSlg 47.172/14, 47.163 auch andere Regelungen des MRG aus dem Gedanken der gleichartigen Schutzwürdigkeit von Raummieter und Besitzer des Superädifikates, die der Gesetzgeber für unerläßlich hielt, analog herangezogen wurden. Es wurde aber auch ausdrücklich betont, daß die Rechtsfolgen des MRG nur dann eintreten können, wenn kein Ausnahmefall der Abs 2 bis 4 des § 1 MRG vorliegt. Auch Würth/Zingher (Miet- und Wohnrecht Rz 33 zu § 1) betonen, daß neben der Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen andere Regelungen nur soweit herangezogen werden dürfen, als dadurch nicht die stets zu hinterfragenden Grundsätze der Analogie verletzt werden und die Ausnahmeregelungen des § 1 Abs 2 bis 4 MRG sinngemäß heranzuziehen sind.

Eine solche Ausnahmeregelung ist aber auf das vom Beklagten errichtete Superädifikat anwendbar, weil nach § 1 Abs 4 selbst für Mietgegenstände, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, nur die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des ersten und zweiten Hauptstückes gelten. Schon in diesen Fällen ist es zulässig, Erhaltungskosten, die nach der taxativen Aufzählung des § 3 MRG dem Vermieter obliegen, vertraglich auf den Mieter zu überwälzen. Abgesehen davon, daß der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, daß es sich bei der "Gehsteigabgabe" nach § 2 Abs 2 des Gesetzes vom 25. 11. 1968 über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige in der Landeshauptstadt Innsbruck um eine von der Liegenschaft zu entrichtende öffentliche Abgabe im Sinne des § 15 Abs 1 Z 2 MRG handelt, die gemäß § 21 Abs 2 MRG anteilsmäßig auf die Mieter überwälzt werden darf (ImmZ 1985, 241), und als Betriebskosten auch Steuern auf den Mieter überwälzt werden können, solange eine gesetzliche Mithaftung und ungünstige, den Ersatz gefährdende Vermögensverhältnisse des Bestandnehmers bestehen (WoBl 1990, 166), werden durch die vertragliche Überwälzung der hier vorgeschriebenen Abgaben und Gebühren auch keinerlei den Mietern eines Wohn- oder Geschäftsraumes gleichwertige schutzwürdige Interessen des Beklagten als Eigentümer des Superädifikates verletzt. Denn diese öffentlich-rechtlichen Kosten, für die die Klägerin als Liegenschaftseigentümerin im Außenverhältnis zu haften hat, sind ausschließlich durch die Errichtung des Superädifikates des Beklagten entstanden, der einen Mietzins nur auf der Basis der unbebauten Fläche zu entrichten hat und Eigentümer des Superädifikates ist. Die Nichtzahlung der vertraglich übernommenen Gebühren und Abgaben begründet daher den Aufhebungstatbestand des § 1118 ABGB. Den Ausführungen der Vorinstanzen, daß die Klägerin nicht gehalten war, weitere Stundungsansuchen des Beklagten zu unterstützen, der im Zuge des Verfahrens - gegenüber seinem gegenteiligen früheren Vorgehen - den Standpunkt vertritt, die strittigen Abgaben und Gebühren habe er überhaupt nicht zu leisten, ist zuzustimmen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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