OGH 1Ob280/98b

OGH1Ob280/98b15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich B*****, vertreten durch Dr. Christian Slana, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei E***** Gesellschaft m.b.H. & Co. KG, *****, vertreten durch Dr. Günther Dobretsberger & Dr. Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 6. Mai 1998, GZ 11 R 133/98z-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Linz-Land vom 14. Jänner 1998, GZ 11 C 598/97y-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Text

Begründung

Am 19. März 1977 schloß der Kläger als Vermieter mit dem Rechtsvorgänger und nunmehrigen Geschäftsführer der beklagten Partei als Mieter einen schriftlichen Bestandvertrag über ein Geschäftslokal und über eine Wohnung im selben Haus. Punkt III. dieses Vertrags lautet:

„Dieser Mietvertrag wird auf unbestimmte Dauer, beginnend mit 1. 4. 1977 abgeschlossen. Der Vermieter verzichtet gegenüber dem Mieter für einen Zeitraum von 20 Jahren, das Mietverhältnis aufzukündigen, mit Ausnahme der nachgenannten Kündigungsgründe: … (Mietzinszahlungsverzug) ... (Änderung des Geschäftsgegenstands ohne Zustimmung des Vermieters) ... (Verletzung des Verbots der Untervermietung) ... .

Andererseits ist der Mieter berechtigt, den Mietvertrag ohne besondere Begründung während der Vertragsdauer mit einer 12-monatigen Kündigungsfrist jeweils zur Jahresmitte oder zum Jahresende (10. Juni bzw 31. Dezember) zu kündigen.“

Das Haus, in dem die Bestandobjekte liegen, wurde ab 1971 ohne Zuhilfenahme öffentlicher „Wohnbauförderungsmittel“ erbaut und 1977 bezogen. Während „der gesamten Laufzeit des Mieterverhältnisses“ gab es „niemals ein Vorhaben“ den „Mietvertrag auf einen solchen auf bestimmte Zeit“ abzuändern, insbesondere bot der Kläger der beklagten Partei nicht den Abschluß eines Mietvertrags auf bestimmte Zeit an.

Der Kläger brachte in seiner Kündigung vor, das Bestandverhältnis unterliege nicht den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes, weil sich die Mietobjekte in einem nach dem 31. Dezember 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel erbauten Haus befänden und nunmehr der Zeitraum des vertraglichen Kündigungsverzichts des Vermieters abgelaufen sei. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe ihn außerdem „bedroht“ und sich „herabwürdigend geäußert“. Überdies nehme die beklagte Partei immer wieder nicht vermietete „Plätze und Flächen“ für sich in Anspruch. Die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses sei auch aus diesen Gründen „unzumutbar“.

Die beklagte Partei wendete ein, auf das Bestandverhältnis von unbestimmter Dauer seien gemäß § 49 Abs 2 MRG die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden, weil ihr der Kläger den Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags nicht angeboten habe. Überdies fehle es an der Verwirklichung eines Kündigungsgrunds gemäß § 30 MRG.

Das Erstgericht hielt seine Aufkündigung vom 30. April 1997 aufrecht und traf - abgesehen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - unter anderem noch folgende Feststellungen:

Der Kläger habe den Geschäftsführer der beklagten Partei - bislang erfolglos - zur Entfernung von unterhalb der Kellerstiege gelagerten Schachteln aufgefordert. Die Streitteile hätten nicht vereinbart, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei berechtigt sei, sein Motorrad „im Bereich von Waschbetonplatten“ abzustellen. Dennoch habe er sein Motorrad dort abgestellt. Mehreren Aufforderungen des Klägers, das Motorrad zu entfernen, sei nicht entsprochen worden. Anfang 1996 sei der Kläger an den Geschäftsführer der beklagten Partei mit dem Ansinnen einer Mietzinserhöhung herangetreten und habe dabei auch seinen Willen, das Bestandverhältnis zu beenden, erwähnt. Das sei Anlaß einer „lautstarken Diskussion“ gewesen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe dem Kläger erklärt: „Du wirst die Erdäpfel von unten anschauen, (dagegen) werde ich noch immer in diesem Geschäft sein!“ Seither habe sich das Verhältnis des Klägers zum Geschäftsführer der beklagten Partei verschlechtert, weshalb ersterer „mit einer Benützung der Fläche vor dem Geschäftslokal“ (asphaltierter Parkplatz) durch letzteren „nicht (mehr) einverstanden“ gewesen sei und weiters verlangt habe, das „Abstellen des Motorrads auf der Gartenfläche und die Benützung des Raums unter der Kellerstiege zu unterlassen“. Nicht feststellbar sei, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger die Zufügung einer körperlichen Mißhandlung angedroht habe.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichts ist die Vertragsgestaltung - auf dem Boden der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 2073/96a - einem befristeten und „über den 1. 1. 1982 hinaus wirksamen“ Mietvertrag „gleichzusetzen“. Der Vermieter sei wegen seines Kündigungsverzichts außerstande gewesen, der Mieterin einen bis zum 31. Dezember 1984 befristeten Mietvertrag anzubieten. Eine Befristung hätte sich vielmehr jedenfalls auf einen Zeitraum bis zum 1. April 1997 erstrecken müssen. Demnach seien die Kündigungsbeschränkungen gemäß § 30 MRG unanwendbar, sodaß der Auflösung des Bestandverhältnisses zum 30. Juni 1998 nichts entgegenstehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 1 Ob 2073/96a ausgesprochen, eine bestimmte „Bestandsdauer“ im Sinne des § 49 Abs 2 MRG werde nicht nur durch ein befristetes, sondern auch durch ein unbefristetes Mietverhältnis in Verbindung mit einem Kündigungsverzicht beider Vertragsteile für einen bestimmten Zeitraum gewährleistet. Indem der Oberste Gerichtshof „das negativ formulierte Tatbestandsmerkmal der bestimmten Bestandsdauer durch den Kündigungsverzicht beider Vertragsteile als gegeben“ angesehen habe, wäre „ein weiteres Eingehen auf die Frage der Ausnahmeregelung durch Anbot eines befristeten Vertrags“ nicht mehr erforderlich gewesen. Hier fehle es sowohl an einem befristeten Mietverhältnis als auch an einem Kündigungsverzicht beider Vertragsteile, sodaß die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG gemäß § 49 Abs 2 MRG „grundsätzlich“ anwendbar seien. Allerdings sei das vom Obersten Gerichtshof (obiter) ins Treffen geführte Argument, der Gesetzgeber könne „keinen Vertragsformalismus um seiner selbst Willen“ angestrebt haben, aufzugreifen. Insofern sei aber bereits durch den einseitigen Kündigungsverzicht des Vermieters ein über den 1. Jänner 1982 andauerndes und jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1984 auflösbares Bestandverhältnis gewährleistet gewesen. Damit sei der Zweck des § 49 Abs 2 MRG gleichfalls verwirklicht worden. Ein Anbot des Vermieters auf Abschluß eines befristeten Bestandvertrags hätte ferner zwangsläufig zu einer Schlechterstellung des Mieters geführt, sei doch diesem „bisher eine 12-monatige Kündigungsfrist zur Verfügung“ gestanden. Mangels Relevanz der Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG bedürfe es daher keiner Erledigung der Beweisrüge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie den nachstehenden Gründen zu entnehmen sein wird, zulässig; sie ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 1 Ob 2073/96a (= WoBl 1998, 78 [zustimmend Dirnbacher]) darlegte, war Regelungsgegenstand des § 49 Abs 2 MRG - unabhängig von dem von den Parteien des Hauptmietvertrags gewählten, für die Verwirklichung des Willens des Gesetzgebers nicht wesentlichen vertragstechnischen Mittels - nur eine über den 1. Jänner 1982 hinaus wirksame „Bestandsdauer“. Deshalb sei durch einen Mietvertrag „auf unbestimmte Dauer“ gekoppelt mit einem auf bestimmte Zeit wirksamen Kündigungsverzicht beider Vertragsparteien dasselbe Ergebnis erzielbar, als wäre bis zum Ablauf des für den Kündigungsverzicht vereinbarten Zeitraums ein befristetes Bestandverhältnis begründet worden. Somit werde eine bestimmte „Bestandsdauer“ im Sinne des Gesetzes sowohl durch ein befristetes als auch durch ein an sich unbefristetes, aber mit einem Kündigungsverzicht beider Vertragsteile auf bestimmte Zeit verbundenes Mietverhältnis gewährleistet, wenn der sich aus solchen Kündigungsverzichten ergebende Überlappungszeitraum erst nach dem 1. Jänner 1982 geendet habe und der Vermieter durch seinen Kündigungsverzicht mindestens bis zum 31. Dezember 1984 an den Hauptmietvertrag gebunden gewesen sei. Nur auf eine derartige Sachlage bezieht sich die weitere Begründung, es bedeutete einen Vertragsformalismus um seiner selbst willen, wollte man ferner noch ein Anbot des Bestandgebers auf Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags verlangen, weil ein solcher für die Verwirklichung des Zwecks des § 49 Abs 2 MRG gar keine Bedeutung mehr hätte.

Der erkennende Senat bekräftigte diese Rechtsansicht in der Entscheidung 1 Ob 62/98v. An ihr ist weiterhin festzuhalten. Diese Rechtslage wurde vom Berufungsgericht im grundsätzlichen zutreffend erkannt. Nicht zu folgen ist dagegen dessen Ansicht, das gesetzliche Erfordernis eines Anbots auf Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags im Sinne des § 49 Abs 2 MRG sei auch schon dann ein Vertragsformulismus um seiner selbst willen, wenn durch einen einseitigen Kündigungsverzicht des Vermieters ein über den 1. Jänner 1982 andauerndes und bis zum 31. Dezember 1984 nicht auflösbares Bestandverhältnis gewährleistet sei.

Selbst durch einen beidseitigen Kündigungsverzicht wird ein Mietvertrag nicht zu einem solchen auf bestimmte Zeit, wenngleich der Kündigungsverzicht Wirkungen wie ein Vertrag auf bestimmte Zeit entfaltet (1 Ob 62/98v; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 7 zu § 33 MRG; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 1116). Wird ein Mietvertrag „auf unbestimmte Dauer“ geschlossen und mit einem auf bestimmte Zeit wirksamen Kündigungsverzicht beider Vertragsparteien gekoppelt, dann erzielen die Vertragsparteien zwar dasselbe Ergebnis, als wäre bis zum Ablauf des für den beidseitigen Kündigungsverzicht vereinbarten Zeitraums ein befristetes Bestandverhältnis begründet worden, sodaß durch eine solche Vertragsgestaltung eine bestimmte Dauer des Bestandvertrags im Sinne des § 49 Abs 2 MRG gewährleistet wird. Das ändert allerdings nichts daran, daß dieser bestimmten (Mindest-)Bestanddauer ein zeitlich unbestimmter Vertragszeitraum folgt (1 Ob 62/98v; 1 Ob 2073/96a). Ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag verliert also durch einen generell zulässigen und wirksamen Verzicht beider Vertragsteile auf das Kündigungsrecht (1 Ob 62/98v; MietSlg 45.368 ua) nicht den Charakter der zeitlichen Unbeschränktheit (1 Ob 62/98v). Solche Kündigungsverzichte substituieren vielmehr nur im Sonderfall des § 49 Abs 2 MRG - entsprechend den einleitenden Darlegungen - das Anbot eines befristeten Hauptmietvertrags. Dasselbe kann dagegen nicht auch dann gelten, wenn bloß der Vermieter auf die Ausübung des Kündigungsrechts für einen bestimmten Zeitraum verzichtete, weil allein dadurch noch nicht die Wirkungen eines (beidseitig verbindlichen) Vertrags auf bestimmte Zeit erreicht werden. Nur solange die Wirkungen anderer vertragstechnischer Mittel jenen eines befristeteten Hauptmietvertrags vollständig gleichen, wäre das zusätzliche Verlangen, einen solchen Bestandvertrag anzubieten, ein Vertragsformalismus um seiner selbst willen. Mangelt es dagegen an der Erfüllung dieser Voraussetzung, liegt die Substituierung des Anbots eines befristeteten Hauptmietvertrags durch Teilsurrogate außerhalb des Willens des Gesetzgebers. Sollte dieser in rechtspolitischer Betrachtungsweise als unbefriedigend empfunden werden, liegt es allein am Gesetzgeber, diesem Zustand abzuhelfen.

Um die Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes auf das Bestandverhältnis der Streitteile auszuschließen, hätte der Kläger der beklagten Partei daher den Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags zumindest bis zum Ende seines einseitigen Kündigungsverzichts anbieten müssen, weil mit § 49 Abs 2 MRG nur ein Befristungsanbot im Einklang steht, durch das die Rechtsstellung des Mieters aufgrund des Kündigungsverzichts des Vermieters nicht verschlechtert werden soll (1 Ob 2073/96a), verdeutlichte doch der Gesetzgeber in § 49 Abs 2 MRG, daß sich das Anbot des Vermieters auf Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG auf einen Zeitraum beziehen muß, der zumindest bis 31. Dezember 1984 wirksam ist. Länger wirkende Vertragsbefristungen wurden dagegen nicht ausgeschlossen. Hätte die beklagte Partei ein solches Befristungsanbot des Klägers angenommen, wäre auch deren bereits durch den ursprünglichen Mietvertrag begründetes Recht, das (nunmehr befristete) Mietverhältnis dennoch zu bestimmten Terminen unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten kündigen zu können, unberührt geblieben.

Daß dem Mietrechtsgesetz ein besonderes Kündigungsrecht des Mieters noch vor Ablauf der an sich bedungenen Vertragslaufzeit nicht fremd ist, folgt aus dessen § 29 Abs 1 Z 3 lit b und c (siehe Näheres zum Anwendungsfall der lit c in 1 Ob 62/98v). Ein befristeter Mietvertrag, auf den Befristungsregelungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden sind, geht dieser Rechtsnatur demnach auch dann nicht verlustig, wenn der Mieter von einem vertraglich zugebilligten besonderen Kündigungsrecht vor Ablauf der an sich bedungenden Vertragslaufzeit Gebrauch machen kann. Das mag - gerade in Hinsicht auf die Auslegung des § 49 Abs 2 MRG - juristischer Stringenz entbehren, was jedoch deshalb nicht verwundert, weil der Gesetzgeber besonders im Mietrecht offenkundig außerstande ist, die heterogenen Interessen der beteiligten Gesellschaftskreise in einem logisch geschlossenen und weitgehend widerspruchsfreien rechtlichen System auszugleichen (siehe dazu Würth in Rummel aaO Rz 2 vor § 1 MRG).

Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß das Bestandverhältnis der Streitteile nunmehr den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG unterliegt, weil der Kläger der beklagten Partei den Abschluß eines befristeten Hauptmietvertrags im Sinne des § 49 Abs 2 MRG nicht anbot. Deshalb ließe sich die gerichtliche Aufkündigung nur dann aufrechterhalten, wenn die beklagte Partei einen vom Kläger geltend gemachten Kündigungsgrund verwirklicht hätte.

Nach § 33 Abs 1 MRG hat der Vermieter in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen. Andere Kündigungsgründe kann er in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen. Die herangezogenen Kündigungsgründe müssen schon in der Kündigung individualisiert werden (SZ 69/177; MietSlg 30.461; Würth in Rummel aaO Rz 3 zu § 33 MRG). Allerdings genügt eine schlagwortartige Angabe, wobei das Gericht in der Wertung des Vorbringens nicht kleinlich vorgehen darf (1 Ob 413/97k; SZ 69/177 mwN).

Der Bestandnehmer macht vom Bestandgegenstand nach ständiger Rechtsprechung dann einen „erheblich nachteiligen Gebrauch“ im Sinne des § 1118 erster Fall ABGB und des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG, wenn entweder durch eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietobjekts erfolgte bzw auch nur droht (SZ 69/177; MietSlg 34.412; SZ 48/132 = MietSlg 27.337; Würth in Rummel aaO Rz 10 zu § 1118 und Rz 16 zu § 30 MRG) oder dieses Verhalten geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters zu schädigen oder zu gefährden (SZ 69/177 mwN). Es ist also nicht erforderlich, daß der Nachteil - die Substanzbeeinträchtigung oder die Schädigung wichtiger wirtschaftlicher Interessen - schon eingetreten ist, es genügt vielmehr eine drohende Gefahr (SZ 69/177; MietSlg 47.338 uva). Nur eine gänzlich ungewisse künftige Möglichkeit ist nicht als wichtiger Kündigungsgrund zu werten (SZ 69/177; MietSlg 23.363; MietSlg 6458). Eine solche Kündigung ist auch nicht deshalb unberechtigt, weil der Kläger eine Unterlassungsklage hätte einbringen müssen. Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung, daß ein Verstoß des Mieters gegen Vertragspflichten nur dann einen Kündigungsgrund verwirklicht, wenn hiedurch wichtige Interessen des Vermieters in einer seine wirtschaftliche Existenz gefährdenden Weise verletzt werden (MietSlg 47.338; MietSlg 40.428; MietSlg 33.324), das gilt jedoch nur für eine Kündigung aufgrund der Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG (SZ 69/177; Würth in Rummel aaO Rz 11 zu § 30 MRG), nicht aber auch für den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG, für den nur die vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts in der erörterten Weise Tatbestandsmerkmal ist.

Unter Zugrundelegung dieser Prämissen wurde der Kündigungsgrund eines erheblich nachteiligen Gebrauchs der Bestandobjekte in der Kündigung nicht einmal rudimentär individualisiert, weil es an jedweder Behauptung mangelt, daß durch eine wiederholte und längerdauernde vertragswidrige Benützung der Bestandobjekte eine erhebliche Verletzung deren Substanz bzw eine Schädigung wichtiger wirtschaftlicher Interessen des Vermieters zumindest droht.

Allerdings sind damit die Implikationen der Prozeßbehauptungen des Klägers noch nicht erschöpft. Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens gemäß § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die längere Zeit fortgesetzt wird bzw sich in häufigen Wiederholungen äußert, ihrer Art nach das nach den besonderen Verhältnissen zu duldende Ausmaß übersteigt (SZ 67/236) und objektiv geeignet erscheint, das Zusammenleben auch nur einem Mitbewohner zu verleiden (4 Ob 2054/96d). Das Verhalten des Mieters darf nicht in Teilfakten zerlegt werden, sondern es ist dessen Gesamtverhalten wertend zu beurteilen (4 Ob 2054/96d; SZ 67/236; MietSlg 37.406). Maßgeblich ist vor allem, ob ein gedeihliches Zusammenleben der Mitbewohner weiterhin gewährleistet ist (WoBl 1997, 265 = immolex 1997, 326; 4 Ob 2054/96d; SZ 67/236; MietSlg 42.309/13), wobei unter „Mitbewohner“ im Sinne des Gesetzes auch der nicht im Haus wohnende Hauseigentümer zu verstehen ist (9 Ob 56/98w; WoBl 1996, 150 [Degelsegger]). Der Erfolg einer Aufkündigung hängt davon ab, ob der Tatbestand zur Zeit der Zustellung der Aufkündigung erfüllt war (SZ 67/236; MietSlg 40.435 mwN). Das Mieterverhalten nach deren Zustellung hat solange keinen Einfluß auf das Schicksal der Kündigung, als es nicht den zuverlässigen Schluß erlaubt, daß die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist (SZ 67/236; MietSlg 38.444/4 ua).

Nach diesen Gesichtspunkten kann auch in unablässigen Versuchen des Mieters, seine Gebrauchsrechte auf nicht vermietete Räume bzw Flächen auszudehnen, ein unleidliches Verhalten im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG liegen (siehe dazu MietSlg 37.406). Gleiches gilt für ein fortgesetztes, sich also nicht in einer einmaligen Entgleisung erschöpfendes unziemliches Verhalten des Mieters gegenüber dem Vermieter.

Die zur Geltendmachung dieses Kündigungsgrunds erforderlichen Behauptungen sind schlagwortartig bereits der Kündigung zu entnehmen. Demnach kann (auch) jenen Feststellungen des Erstgerichts entscheidungswesentliche Bedeutung zukommen, auf die sich die Beweisrüge der beklagten Partei im Berufungsverfahren bezog, deren Erledigung das Gericht zweiter Instanz aber wegen einer unzutreffenden Auslegung des § 49 Abs 2 MRG für nicht erforderlich hielt. Ob der erörterte Kündigungsgrund tatsächlich verwirklicht wurde, wird sich - im Rahmen der dargestellten Grundsätze - erst nach Erledigung der Beweisrüge unter Zugrundelegung aller dann bekannten Umstände des Einzelfalls abschließend beurteilen lassen.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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