OGH 17Ob25/08p

OGH17Ob25/08p14.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Andreas German, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Mai 2008, GZ 2 R 27/08t-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 4. Jänner 2008, GZ 18 Cg 176/07g-4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die Beklagte hat diese Kosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke CTM 52803 „RED BULL". Sie vertreibt darunter ein als „Energy Drink" bezeichnetes, in Dosen abgefülltes Getränk. Die Beklagte bietet in ihrer Diskothek „Energy Drinks" und damit hergestellte Mixgetränke an. Bestellen Besucher das Getränk „Red Bull", so bekommen sie eine Originaldose der Klägerin. Bestellen sie hingegen das Mischgetränk „Red Bull/Wodka", so verwendet die Beklagte zu dessen Herstellung Containerware eines anderen Anbieters („Bad Dog").

Im November 2006 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin, es „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Getränke unter der Markenbezeichnung 'Red Bull' anzukündigen, feilzuhalten oder abzugeben, wenn es sich beim tatsächlich verabreichten Getränk nicht um das Markenerzeugnis Red Bull, sondern um ein anderes Getränk, etwa um Containerware, handelt, insbesondere auch auf Bestellungen von Red Bull, sei es pur oder als Bestandteil eines Mischgetränkes, ein anderes Getränk zu verabreichen, ohne den Besteller darüber aufzuklären."

In der Getränkekarte der Beklagten findet sich seither unter der Rubrik „Longdrinks" ein „Wodka Energy-Drink*" zum Preis von 2,90 EUR; das Fußnotenzeichen verweist auf den am Seitenende stehenden Vermerk „*Kein Red Bull". In den ausgehängten Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich - optisch von den übrigen Klauseln getrennt - in auffälliger Schrift folgende „Mitteilung an unsere Gäste": „Wir führen ausschließlich nur die in unserer Getränkekarte angeführten Getränke. Wenn unsere Gäste andere als die in der Getränkekarte ersichtlichen Drinks bestellen, dann ist unser Personal angewiesen, ein gleichartiges oder ähnliches Getränk zu servieren." Kleiner und in Normalschrift folgt: „Unsere Gäste nehmen diese Vorgehensweise ausdrücklich zur Kenntnis. Danke."

Dieser Aushang findet sich im Eingangsbereich und bei der Schank, er ist bei entsprechender Aufmerksamkeit wahrnehmbar. Weiters erwarb die Beklagte 50.000 kleine Fähnchen mit der Abbildung eines Hundes und dem Aufdruck „BAD DOG" und „ENERGY DRINK". Bestellen Kunden Mischgetränke, die Energy Drinks aus der Schankanlage - also nicht das Produkt der Klägerin - enthalten, so haben die Kellner den Auftrag, ein solches Fähnchen in das Glas zu stecken. Es ist nicht bescheinigt, dass sie auch den Auftrag hätten, die Kunden verbal auf das tatsächlich verwendete Produkt hinzuweisen.

In der Nacht vom 10. auf den 11. August 2007 besuchten zwei Testkäufer der Klägerin die Diskothek der Beklagten und bestellten das Mischgetränk „Red Bull/Wodka". Der Barkeeper servierte ein mit der Containerware hergestelltes Getränk, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen. Es ist nicht bescheinigt, dass er dem Getränk ein Fähnchen mit der Aufschrift „BAD DOG" beigegeben hätte. Es ist auch nicht bescheinigt, dass die angesprochenen Kreise „Red Bull" als Gattungsbezeichnung für Energy Drinks verstünden.

Zur Sicherung ihres mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten aufzutragen,

„es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Getränke unter der Markenbezeichnung 'Red Bull' anzukündigen, feilzuhalten oder abzugeben, wenn es sich beim tatsächlich verabreichten Getränk nicht um das Markenerzeugnis Red Bull, sondern um ein anderes Getränk, etwa um Containerware, handelt, insbesondere auch auf Bestellungen von Red Bull, sei es pur oder als Bestandteil eines Mischgetränkes, ein anderes Getränk zu verabreichen, ohne den Besteller darüber aufzuklären".

Die Klägerin stützt sich zum einen auf die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung, zum anderen auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG sowie gegen § 10 Abs 1 und 2 MSchG (gemeint offenkundig: Art 9 Abs 1 lit a und c GMV). Das stillschweigende Ausfolgen einer anderen als der bestellten Markenware erfülle den Tatbestand des sittenwidrigen Unterschiebens iSv § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 und beeinträchtige wegen der dadurch entstehenden Verwechslungsgefahr die Funktion der Marke als Herkunftshinweis.

Die Beklagte wendet ein, dass sie in der Getränkekarte und im Aushang ausdrücklich auf die Zusammensetzung des strittigen Mischgetränks hingewiesen habe. Ihre Kellner benutzten zudem ausnahmslos die Getränkefähnchen mit dem Aufdruck „BAD DOG". Sie habe daher nicht gegen ihre Verpflichtung aus der Unterlassungserklärung verstoßen. Aus demselben Grund liege auch kein sittenwidriges Unterschieben iSv § 1 UWG und kein Eingriff in die Markenrechte der Klägerin vor. Zudem verstünden ihre Kunden „Red Bull/Wodka" nur als Bezeichnung eines Energy Drinks mit Wodka, ohne damit das konkrete Produkt der Klägerin zu meinen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe sowohl gegen die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung als auch gegen § 1 UWG und § 10 Abs 1 und 2 MSchG verstoßen. Eine Aufklärung durch in die Gläser gesteckte Fähnchen sei nicht bescheinigt, zudem wäre sie zu spät gekommen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Auf die seinerzeit abgegebene Unterlassungserklärung könne sich die Klägerin im Sicherungsverfahren nicht stützen, weil sie kein Vorbringen zu den Voraussetzungen des § 381 EO erstattet habe; § 24 UWG sei auf vertraglich begründete Ansprüche nicht anzuwenden. Ein markenrechtlicher Anspruch bestehe aufgrund eines Gegenschlusses zu 17 Ob 11/07b (= ÖBl 2007, 275 [Gamerith] - Almdudler II) nicht, da die Beklagte nicht aktiv - etwa in der Getränkekarte - ein als „Red Bull/Wodka" bezeichnetes Getränk angeboten habe. Das kommentarlose Verabreichen eines anderen als des bestellten Getränks (also ein „bloß passives Verhalten") greife nicht in die Markenrechte der Klägerin ein. Es liege auch kein sittenwidriges Unterschieben iSv § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 vor. Die Beklagte habe das von ihr ausgeschenkte Getränk ohnehin nicht zum höheren Preis der Originalware abgegeben und daher keinen „unmittelbaren Vorteil" lukriert. Weiters zeigten der Hinweis in der Getränkekarte, der Aushang und die Fähnchen, dass die Beklagte kein bewusst auf Kundenfang gerichtetes Verhalten gesetzt habe. Vielmehr habe sie bloß am Ausschenken der preisgünstigeren Containerware festhalten wollen. Dabei sei die Beklagte zwar durch die „überragende Bekanntheit" der Marke der Klägerin und die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten in einer Diskothek in „die Nähe UWG-widrigen Verhaltens" gekommen. Sie habe aber „versucht", diese „faktischen Gegebenheiten [...] entsprechend zu überwinden."

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Unterschieben einer anderen als der bestellten Ware unvereinbar ist. Er ist aus diesem Grund auch berechtigt.

1. Die Klägerin stützt den zu sichernden Anspruch auf eine vertragliche und zwei außervertragliche Grundlagen: Die Beklagte habe gegen die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, in die Markenrechte der Klägerin eingegriffen und durch das Unterschieben einer anderen als der bestellten Ware unlauter gehandelt.

1.1. Eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines vertraglichen Anspruchs kann nur unter den Voraussetzungen des § 381 EO bewilligt werden (4 Ob 2244/96w = ÖBl 1997, 61 - Stiftparkplatz). Die Klägerin hat in erster Instanz kein Vorbringen zur Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung der Anspruchsverfolgung (§ 381 Abs 1 EO) oder zu einem drohenden unwiederbringlichen Schaden (§ 381 Abs 2 EO) erstattet. Das Rekursgericht hat es daher zutreffend abgelehnt, die beantragte einstweilige Verfügung auf die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung zu stützen.

Die dagegen im Revisionsrekurs erhobenen Einwände können nicht überzeugen. Soweit die Vereinbarung nur bestehende marken- oder lauterkeitsrechtliche Ansprüche wiedergibt, kann eine einstweilige Verfügung ohnehin unmittelbar auf marken- oder lauterkeitsrechtlicher Grundlage erlassen werden; eine Gefahrenbescheinigung ist dann nach § 24 UWG bzw § 56 MSchG nicht erforderlich. Wurden mit der Vereinbarung hingegen neue Ansprüche begründet, so gibt es keinen Grund, deren Sicherung anders zu behandeln als die Sicherung sonstiger vertraglicher Ansprüche.

1.2. Daher bleibt zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch (auch) unmittelbar auf das Marken- oder Lauterkeitsrecht stützen kann.

(a) Markenrechtlich stellt sich die Frage, ob ein Unternehmer eine Marke iSd §§ 10, 10a MSchG (Art 5 Abs 1 und 3 MarkenRL) oder Art 9 Abs 1 und 2 GMV „benutzt", wenn er die Bestellung von Markenware kommentarlos hinnimmt und sodann eine andere Ware liefert. Der Oberste Gerichtshof hat dies in 4 Ob 124/92 (= ÖBl 1993, 23 - Mexikaner) - noch zu § 9 Abs 1 UWG - mit kurzer Begründung verneint. Hingegen hat er den kennzeichenrechtlichen Anspruch mehrfach bejaht, wenn der Beklagte das Zeichen genannt hatte; so etwa wenn der Beklagte ausdrücklich Markenware angeboten hatte, die er dann nicht lieferte (17 Ob 11/07b = ÖBl 2007, 275 [Gamerith] - Almdudler II; 17 Ob 8/07m = ÖBl-LS 2007/142 - Kräuterlimonade) oder zum Zeitpunkt des Anbietens noch nicht liefern konnte (4 Ob 321/77 = SZ 50/47 - Austria-Ski-Pool), oder wenn er anlässlich des Angebots behauptet hatte, bei der genannten Marke handle es sich in Wahrheit um eine Gattungsbezeichnung (4 Ob 494/29 = JBl 1930, 105). In einem weiteren Fall hat der Oberste Gerichtshof zur Anspruchsgrundlage nicht Stellung genommen, sondern den Sicherungsantrag wegen Fehlens der Wiederholungsgefahr abgewiesen (4 Ob 126/03p).

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung unterschied daher bisher tatsächlich zwischen dem „aktiven" Nennen eines Zeichens im Zusammenhang mit dem Anbieten einer Ware und dem (zunächst) „passiven" Hinnehmen einer solchen Nennung im Zuge einer Bestellung. Nur ersteres wurde als Benutzung der Marke und damit als mögliche Zeichenverletzung gewertet; letzteres wurde - wie noch zu zeigen ist - unter dem Titel des „sittenwidrigen Unterschiebens" ausschließlich lauterkeitsrechtlich beurteilt.

(b) Bei Fehlen eines besonderen Tatbestandsmerkmals des kennzeichenrechtlichen Schutzes kann auf die lauterkeitsrechtliche Generalklausel zurückgegriffen werden, wenn die Zeichenverletzung (auch) als sittenwidrige (nun unlautere) Wettbewerbshandlung anzusehen ist (4 Ob 126/01k = ÖBl 2002, 20 - Das blaue Rohr mwN; zuletzt etwa 4 Ob 185/06v = MR 2007, 103 [Thiele] - tirolcom.at und 4 Ob 38/08d = jusIT 2008, 92 [Thiele] - salzburg24.at). Zwar dürfen dadurch die Grenzen des kennzeichenrechtlichen Schutzes nicht ohne weiteres unterlaufen werden (RIS-Justiz RS0114532); daher ist Zurückhaltung geboten, wenn die Verkehrsgeltung als Voraussetzung des kennzeichenrechtlichen Schutzes fehlt (RIS-Justiz RS0114532; zuletzt etwa 4 Ob38/06a = ÖBl 2007, 27 [Gamerith] - Shopping City und 4 Ob 185/06v) oder keine Verwechslungsgefahr besteht (17 Ob 16/07p = ÖBl 2008, 40 [Rungg/Albiez] - KitKat). Der Rückgriff auf § 1 UWG ist aber unbedenklich, wenn das beanstandete Verhalten unabhängig von einem allfälligen Eingriff in Kennzeichenrechte auch gegen spezifische Regelungszwecke des Lauterkeitsrechts verstößt.

(c) Im vorliegenden Verfahren hat sich die Klägerin - anders als der Kläger in 4 Ob 124/92 (- Mexikaner) - nicht nur auf ihre Marke, sondern auch auf einen Verstoß gegen § 1 UWG gestützt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist zunächst diese Anspruchsgrundlage zu prüfen. Ist der Anspruch danach begründet, so erübrigt sich eine vertiefte Prüfung der markenrechtlichen Problematik. Insbesondere kann in diesem Fall offen bleiben, ob auch nach Europäischem Markenrecht das „aktive" Nennen einer Marke durch einen Unternehmer anders zu behandeln ist als das (zunächst) „passive" Hinnehmen einer solchen Nennung durch einen Kunden, dem jedoch eine davon abweichende Lieferung durch den Unternehmer folgt.

2. Da das beanstandete Verhalten vor dem Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 gesetzt wurde, ist für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Lauterkeitsrecht sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend. Ein Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstieß bzw verstößt (4 Ob 177/07v = MR 2008, 111 - Das beste Wachstum; 4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 - Stadtrundfahrten; 17 Ob 20/08b; RIS-Justiz RS0123158).

2.1. Nach altem Recht verstieß das systematische „Unterschieben" einer anderen als der verlangten Ware, Marke oder Leistung nach ständiger Rechtsprechung gegen § 1 UWG (4 Ob 113/28 = SZ 10/133; 4 Ob 301/70 = ÖBl 1970, 97 - Tapisom Fußbodenbelag, 4 Ob 2/88 = ÖBl 1989, 99 - Sani-Zelle; vgl auch 4 Ob 107/89 = ecolex 1990, 362 - Wildlederhosen). Ein solches „Unterschieben" lag vor, wenn der Kaufentschluss des Kunden auf eine bestimmte Ware oder Leistung gerichtet war und der Verkäufer scheinbar diesem Wunsch entsprach, in Wirklichkeit aber etwas ganz anderes in der Hoffnung lieferte, der Kunde werde den Unterschied nicht merken oder sich mit der ihm aufgedrängten Ware abfinden. Ein solches Verhalten widersprach nach den genannten Entscheidungen dem Wahrheitsgrundsatz, unterfiel aber, da es keine „Angabe" iSd § 2 UWG war, der Generalklausel des § 1 UWG.

2.2. An dieser Rechtslage hat sich durch die UWG-Novelle 2007 im Kern nichts geändert.

Weist der Unternehmer bei Lieferung der Ware oder Erbringen der Dienstleistung nicht darauf hin, dass seine Leistung von der Bestellung abweicht, so täuscht er über die wesentlichen Merkmale des Produkts (§ 2 Abs 1 Z 2 UWG). Denn der Verbraucher wird - außer bei einem offenkundigen Abweichen - annehmen, er erhalte die von ihm bestellte Ware oder Dienstleistung. Trifft das nicht zu, ist der Unternehmer nach § 2 Abs 4 UWG zur Aufklärung verpflichtet. Ohne solche Aufklärung wird der Verbraucher die Leistung in der Regel als Erfüllung annehmen. Das Unterbleiben der Aufklärung ist daher geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Das Unterschieben einer nicht bestellten Leistung begründet daher eine irreführende Geschäftspraktik iSv § 1 Abs 3 iVm § 2 UWG.

Auf ein „systematisches" oder „bewusstes" Unterschieben kommt es nach neuem Recht im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern nicht mehr an. Entscheidend ist vielmehr die Eignung der beanstandeten Geschäftspraktik, das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Das kann auch bei einer vereinzelt gebliebenen Handlung zutreffen. Lag in diesem Fall bloß ein einmaliges, auf einem Irrtum beruhendes Fehlverhalten vor (vgl 4 Ob 107/89 - Wildlederhosen), so kann eine Überdehnung des Lauterkeitsrechts ohnehin - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - durch Verneinung der Wiederholungsgefahr vermieden werden (so zu 4 Ob 107/89 Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 [1997] 679, FN 14).

3. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ein sittenwidriges (unlauteres) Unterschieben von nicht bestellter Ware zu verantworten.

3.1. Die Beklagte schenkte auch jenen Kunden, die mit „Red Bull/Wodka" ein bestimmtes Markengetränk bestellt hatten, eine deutlich billigere Containerware aus. Ein nachträglicher Hinweis auf die Zusammensetzung des Getränks durch ein „Fähnchen" ist nicht bescheinigt.

3.2. Die Beklagte hat zwar versucht, ihre Kunden schon vor der Bestellung durch die Getränkekarte und den Aushang über die Art des tatsächlich ausgeschenkten Getränks zu informieren. Diese Hinweise könnten aber nur ausreichen, wenn die Kunden sie überhaupt wahrgenommen und auch tatsächlich auf das konkret bestellte Produkt bezogen hätten. Kriterium für die Beurteilung dieser Frage ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 - Lego-Klemmbausteine; RIS-Justiz RS0114366; zum neuen Recht 4 Ob 42/08t - W. Klaviere mwN; zuletzt etwa 4 Ob 69/08p und 17 Ob 20/08b).

3.3. Ein solcher Verbraucher wird in einer Diskothek kaum die Getränkekarte konsultieren, bevor er ein in solchen Lokalen üblicherweise angebotenes Getränk bestellt. Den Aushang wird er aufgrund des in Diskotheken häufigen Gedränges und der lokaltypischen Lichtverhältnisse nicht selten übersehen. Zudem ist der Aushang abstrakt formuliert; eine Verbindung zum bestellten Mischgetränk wird ein Verbraucher nur herstellen, wenn er den Aushang zum Anlass nimmt, auch die Getränkekarte zu studieren. Das ist aber durchaus unwahrscheinlich. Denn Lärm, Gedränge und Lichtverhältnisse werden die Konzentrations- und Kombinationsfähigkeit der Anwesenden oft nicht unerheblich herabsetzen. Selbst wenn sie daher den Aushang optisch wahrnehmen, ist nicht sichergestellt, dass sie den darin enthaltenen Hinweis - nach Studium der Getränkekarte - tatsächlich auf das von ihnen bestellte Getränk „Red Bull/Wodka" beziehen.

3.4. Die in Diskotheken unüblichen Aushänge und der Vermerk in der Getränkekarte zeigen, dass es sich beim Ausschenken eines anderen als des bestellten Getränks um keinen Irrtum im Einzelfall handelte, sondern um ein systematisches Vorgehen iSd Rechtsprechung zu § 1 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007. Dass die Beklagte eine wirksame (wenngleich nur nachträgliche) Aufklärung durch die „Getränkefähnchen" sichergestellt hätte, die nur in einem Einzelfall unterblieben wäre, ist dem bescheinigten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Ganz im Gegenteil ist es höchst zweifelhaft, dass solche Maßnahmen in einem Massenbetrieb überhaupt durchgehalten werden könnten. Auch wenn eine diesbezügliche Anweisung an die Kellner vorlag, muss der Beklagten daher nach der Lebenserfahrung unterstellt werden, dass sie eine gelegentliche Missachtung in Kauf nahm.

Dass die Beklagte durch das Unterschieben der nicht bestellten Ware keinen Vorteil lukriert hätte, ist weder bescheinigt noch erheblich. Denn das Vorliegen eines sittenwidrigen Verhaltens im Wettbewerb nach § 1 UWG idF vor der UVG-Novelle 2007 oder einer irreführenden oder aggressiven Geschäftspraktik nach geltendem Recht hängt nicht davon ab, ob der Unternehmer im Einzelfall einen Gewinn daraus zieht; maßgebend ist vielmehr nach altem Recht die Eignung zu einer spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs (RIS-Justiz RS0117605) und nach neuem Recht - im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern - die Eignung zu einer wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens eines Durchschnittsverbrauchers (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Beides trifft hier zu. Auf die tatsächlich eingetretenen Auswirkungen kommt es nicht an (4 Ob 113/08h). In der Sache ist es zudem eher unwahrscheinlich, dass die Vorgangsweise der Beklagten mit keinen wirtschaftlichen Vorteilen in Form einer höheren Gewinnspanne verbunden war.

3.5. Die Beklagte hat daher gegen § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 verstoßen; ein solches Verhalten ist auch unlauter iSd §§ 1 Abs 3, 2 UWG idgF. Schon auf dieser Grundlage ist die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Allgemein gilt: Erbringt ein Unternehmer eine andere als die vom Verbraucher bestellte Leistung, so liegt darin jedenfalls dann eine unlautere, weil irreführende Geschäftspraktik iSd §§ 1 Abs 3, 2 UWG, wenn der Unternehmer den Verbraucher weder bei der Annahme noch beim Ausführen der Bestellung auf die Abweichung von der Bestellung hinweist und diese auch nicht offenkundig ist.

4. Da der geltend gemachte Anspruch schon wegen des Vorliegens einer irreführenden Geschäftspraktik begründet ist, kann die hypothetische Frage offen bleiben, ob bei einer nachträglichen Aufklärung durch „Getränkefähnchen" nicht ebenfalls eine unlautere Geschäftspraktik vorgelegen wäre (vgl zu einem ähnlichen Sachverhalt 4 Ob 107/89 - Wildlederhosen). Zu erwägen wäre in diesem Fall die Annahme einer aggressiven Geschäftspraktik iSv § 1a Abs 1 UWG: Der Verbraucher erfährt zwar, dass er eine andere als die bestellte Ware enthält, und er könnte deren Annahme daher verweigern. Möglicherweise wird er darauf aber verzichten, um unangenehme Auseinandersetzungen mit dem Unternehmer zu vermeiden. Aus einem Gegenschluss zu Punkt 29 der Anlage zum UWG könnte allerdings abgeleitet werden, dass nur ein ausdrückliches Bestehen des Unternehmers auf Zahlung eine aggressive Geschäftspraktik bildete. Ob das zutrifft, könnte wohl nur durch eine Vorabentscheidung geklärt werden. Gleiches gilt für die - im Anlassfall ebenfalls unerhebliche - markenrechtliche Frage, ob das kommentarlose Entgegennehmen der Bestellung einer Markenware, das den Eindruck entstehen lässt, der Unternehmer werde diese Ware liefern, bereits als Benutzung dieser Marke zu werten ist.

5. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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