OGH 6Ob108/08p

OGH6Ob108/08p5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna K*****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Christoph Mizelli, Rechtsanwalt in Gmunden, als Verfahrenshelfer, wegen Unterhalts, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 19. September 2007, GZ 21 R 278/07t-46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 23. Mai 2007, GZ 1 C 119/05d-37, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

II. Der Revision der Klägerin wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als sie ein Unterhaltsteilbegehren der Klägerin von monatlich 100 EUR ab 1. 10. 2005 abwiesen. Dem Erstgericht wird insofern eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die 1969 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 4. 3. 2004 aus deren gleichteiligem Verschulden geschieden, die Parteien leben jedoch bereits seit März 2001 getrennt. Der Ehe entstammen drei Kinder, wobei der Mann noch für die 1984 geborene Tochter monatlichen Unterhalt in Höhe von 457 EUR bezahlt; die Tochter ist Studentin und lebt in ihrer Freizeit bei der Mutter.

Die unheilbare Zerrüttung der Ehe war im April 1998 eingetreten. Danach kam es zu Boshaftigkeiten von Seiten der Frau, die der Beklagte als „Psychoterror" empfand: So fing sie an, Staub zu saugen oder Rasen zu mähen, wenn der Mann seine Mittagsruhe halten oder in seinem Musikzimmer ungestört Gitarre spielen wollte. In der Nacht schaltete sie die Waschmaschine, die sich neben dem Schlafzimmer des Mannes befand, ein, wodurch dessen Nachtruhe gestört war. Der Mann empfand es auch als belastend und beleidigend, dass die Frau sich nicht für seine gesundheitlichen Probleme in Form von Herz-Ryhtmus-Störungen interessierte; zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Herz-Rhytmus-Störungen auftraten (Jänner 1999), war die Ehe allerdings bereits unheilbar zerrüttet gewesen. Außerdem beschimpfte die Frau den Mann im Zuge von immer wiederkehrenden Eskalationen und gegenseitigen Beschimpfungen unter anderem als „Arschloch" und „Trottel".

Die Parteien sind Miteigentümer des Hauses, das nach dem Auszug des Mannes im März 2001 von der Frau bewohnt wird und früher die Ehewohnung war. Das Haus verfügt über eine Wohnfläche von rund 160 m2 und ist Gegenstand eines nachehelichen Aufteilungsverfahrens. Auch eine weitere Liegenschaft steht im Miteigentum der Parteien und ist ebenfalls Gegenstand des Aufteilungsverfahrens. In diesem Verfahren wurde die Verhandlung am 12. 2. 2007 geschlossen, weil das Erstgericht beabsichtigte, einen Teilbeschluss betreffend die Zuweisung der früheren Ehewohnung an eine der Parteien zu fassen.

Der Mann verfügte im Jahr 2004 über eine durchschnittliche monatliche Nettopension von 2.129,34 EUR, im Jahr 2005 über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.344,33 EUR und für die Zeit von Jänner 2006 bis einschließlich September 2006 ein solches von 2.179,38 EUR; im Oktober 2006 betrug es 1.784,34 EUR.

Die Frau erzielt seit dem Jahr 2001 kein eigenes sozialversicherungspflichtiges Einkommen mehr, sie ist auch beim Arbeitsmarktservice nicht mehr als arbeitssuchend gemeldet; seit dem Jahr 2006 bemüht sie sich auch nicht mehr um eine Arbeitsstelle, weil ihr von allen Beratern mitgeteilt worden war, dass es für sie keine Chance auf dem Arbeitsmarkt gebe. Tatsächlich ist ihre konkrete Vermittlungswahrscheinlichkeit als außergewöhnlich gering einzuschätzen und beträgt praktisch Null; die Frau ist den Belastungen einer Arbeitstätigkeit nicht gewachsen und wäre nur in einem geförderten Arbeitsprogramm, einem geschützten Arbeitsplatz, einsetzbar. Jedenfalls seit Oktober 2005 ist die Arbeitsfähigkeit der Frau nicht mehr gegeben.

Der Mann leistete der Frau zunächst Natural- und Geldunterhalt, seit 1. 11. 2005 nur mehr Geldunterhalt. Am 24. 10. 2005 erging ein Teilanerkenntnisurteil, wonach der Mann der Frau monatlich 320 EUR seit 1. 10. 2005 zu bezahlen hat.

Die Frau begehrt vom Mann unter Berücksichtigung geleisteten Naturalunterhalts und des Teilanerkenntnisses einen weiteren monatlichen Unterhalt von 145 EUR vom 1. 10. 2005 bis 31. 10. 2006 und von 300 EUR ab 1. 11. 2006. Sie erfülle die Voraussetzungen des § 68a Abs 2 EheG.

Der Mann wandte demgegenüber - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - ein, die Frau habe aufgrund schwerwiegender Eheverfehlungen ihren Unterhaltsanspruch verwirkt; aufgrund seiner Einkommenssituation stehe der Frau jedenfalls ein monatlich 320 EUR übersteigender Unterhalt nicht zu.

Das Erstgericht verpflichtete den Mann zur Zahlung von monatlich 145 EUR vom 1. 10. 2005 bis 31. 10. 2006 und von monatlich 200 EUR ab 1. 11. 2006 und wies ein Mehrbegehren von monatlich 100 EUR ab November 2006 ab. Der Frau stehe grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch nach § 68a Abs 2 EheG zu, den sie auch nicht verwirkt habe. Sie habe einen monatlichen Lebensbedarf in Höhe von 1.081,44 EUR. Der von ihr begehrte Betrag von insgesamt 620 EUR mache im Jahr 2005 26,45 % und im Jahr 2006 28,45 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Mannes aus und läge somit unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Mannes für die Tochter nahe am Unterhaltsanspruch gemäß § 66 EheG im Ausmaß von 29 %. Da dieser jedoch bei einer Unterhaltsbemessung nach § 68a EheG tunlichst nicht erreicht werden solle, seien insgesamt 520 EUR angemessen.

Das Berufungsgericht bestätigte an sich diese Entscheidung, korrigierte jedoch einen Rechenfehler des Erstgerichts und sprach der Frau einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 45 EUR vom 1. 10. 2005 bis 31. 10. 2006 sowie von monatlich 200 EUR ab 1. 11. 2006 zu; das Mehrbegehren von monatlich 100 EUR ab 1. 10. 2005 wies es hingegen ab. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zunächst nicht zu, änderte diesen Ausspruch jedoch in weiterer Folge unter Hinweis auf verschiedene Literaturmeinungen mit der Begründung ab, es sei nicht ausgeschlossen, dass bei ganz niedrigem Einkommen des Unterhaltsberechtigten auch ein Unterhaltszuspruch nach § 68a EheG das Ausmaß eines solchen nach § 66 EheG erreichen könnte. In der Sache selbst verneinte das Berufungsgericht ebenfalls eine Verwirkung des Anspruchs der Frau, seien doch Eheverfehlungen nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe nicht mehr beachtlich und hätten außerdem die von der Frau gesetzten Verhaltensweisen nicht das erforderliche Ausmaß für eine Verwirkung erreicht. Auch zur Höhe des zugesprochenen Unterhalts teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts und verwies auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, nach welcher der angemessene Unterhalt nach § 66 EheG nicht erreicht werden solle; maßgeblich sei vielmehr ein Richtwert von 20 bis 25 % der Unterhaltsbemessungsrundlage.

Die Revision des Mannes ist nicht zulässig; jene der Frau ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Es ist zwischen den Parteien - jedenfalls im Revisionsverfahren - nicht strittig, dass der Frau grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann nach § 68a Abs 2 EheG zusteht. Strittig sind lediglich dessen Höhe und die Frage, ob die Frau nicht allenfalls nach bereits eingetretener Zerrüttung der Ehe der Parteien ihre Unterhaltsansprüche gemäß § 68a Abs 3 EheG verwirkt haben könnte.

2. Der Mann meint in seiner Revision, die Frau habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie ihm gegenüber Boshaftigkeiten gesetzt habe, die er als „Psychoterror" empfunden habe; so habe sie angefangen, Staub zu saugen oder den Rasen zu mähen, wenn der Mann seine Mittagsruhe habe halten oder im Musikzimmer ungestört Gitarre habe spielen wollen; in der Nacht habe sie die Waschmaschine eingeschaltet, die sich neben seinem Schlafzimmer befand, wodurch seine Nachtruhe gestört gewesen sei; er habe es auch als belastend und beleidigend empfunden, dass die Frau sich nicht für seine gesundheitlichen Probleme (Herz-Rhythmus-Störungen) interessiert habe; und schließlich habe die Frau ihn im Zuge von immer wiederkehrenden Eskalationen und gegenseitigen Beschimpfungen unter anderem als „Arschloch" und „Trottel" beschimpft.

2.1. Nach § 68a Abs 3 EheG vermindert sich oder besteht ein Unterhaltsanspruch nach Abs 1 und 2 nicht, soweit die Gewährung des Unterhalts unter anderem deshalb unbillig wäre, weil der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen hat. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht diese Bestimmung insofern im Einklang mit § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, als auch danach der gesetzliche Unterhaltsanspruch in besonders krassen Fällen erlischt, in denen dessen Geltendmachung angesichts des Verhaltens des - sonst - berechtigten Ehegatten grob unbillig erschiene. Nach beiden Gesetzesbestimmungen soll der Zuspruch von Unterhalt verhindert werden, wenn der Unterhaltsberechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt, und dieser Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkender Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist (1 Ob 171/02g = JBl 2004, 45 [Kerschner]; 7 Ob 158/04t = EFSlg 108.310; 7 Ob 211/07s; vgl auch Deixler-Hübner, Das neue Eherecht [1999] 32; dies, Grundfragen des neuen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs nach § 68a EheG, ÖJZ 2000, 707; Ferrari, Verschuldensunabhängiger Scheidungsunterhalt nach den §§ 68a und 69b EheG, in Ferrari/Hopf, Eherechtsreform in Österreich [2000] 53; Berka-Böckle, Der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 68a EheG, JBl 2004, 232; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³ [2004] 172; Hopf/Kathrein, Eherecht² [2005] § 68a EheG Anm 9; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2007] § 68a Rz 20).

2.2. Das Berufungsgericht ist auf die vom Mann noch im Revisionsverfahren geltend gemachten Verwirkungsgründe unter anderem mit der Begründung nicht näher eingegangen, diese Verhaltensweisen habe die Frau erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Parteien begangen; sie seien daher unbeachtlich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs begründet auch ein sonst als besonders schwere Eheverfehlung zu wertendes Verhalten keine Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterhaltsbegehrens mehr, wenn die Ehe aufgrund vorangegangener schwerwiegender Ehewidrigkeiten des anderen, also des Unterhaltspflichtigen, bereits zerrüttet war (1 Ob 306/03m = EFSlg 106.924; 9 Ob 32/04b = EFSlg 106.925; 6 Ob 2/05w = EFSlg 110.076, 110.078; 2 Ob 193/06f = EF-Z 2007/65; 7 Ob 211/07s). Zweitinstanzliche Rechtsprechung hat dies auch auf § 68a Abs 3 EheG angewendet (LGZ Wien EFSlg 111.300, 111.303).

Dieser Rechtsprechung wurde zuletzt in der Literatur (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2007] § 94 ABGB Rz 191 sowie Unterhaltsrecht² [2008] Rz 589a/5) entgegengehalten, sie mache den Unterhaltspflichtigen für die Zeit zwischen Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe und deren Scheidung „schutzlos"; es sei nicht zu begründen, warum etwa ein Mordanschlag des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen zwar nach Zerrüttung nicht zur Unterhaltsverwirkung führe, wohl aber gemäß § 74 EheG nach der Scheidung. Diese „Rechtsschutzlücke" lasse sich dadurch schließen, dass ein Unterhaltsberechtigter seinen Anspruch auch nach Zerrüttung, jedoch vor Scheidung der Ehe verwirkt, wenn sein Verhalten den Verwirkungstatbestand des § 74 EheG erfüllen würde.

Dem ist zu folgen. Die Verwirkungstatbestände des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, des § 68a Abs 3 EheG und des § 74 EheG sollten an sich in ihrem Zusammenspiel ein durchgängiges Rechtsschutzsystem zugunsten von Unterhaltspflichtigen darstellen. Dieses soll dabei verhindern, dass ein (vormaliger) Ehegatte vom anderen die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem (früheren) Eheverhältnis - also Unterhaltsleistungen - begehrt, obwohl er selbst nicht nur einzelne dieser Verpflichtungen hintansetzt, sondern sich schlechthin über alle Bindungen aus der (früheren) ehelichen Partnerschaft zu seinem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist (vgl etwa die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 589/2).

Dass die Frau die erwähnten Verhaltensweisen zu einem Zeitpunkt gesetzt hat, zu dem die Ehe der Parteien bereits unheilbar zerrüttet war, entbindet daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht von der Prüfung der Frage, ob die Frau nicht ihre Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Maßstabs des § 74 EheG verwirkt hat; Voraussetzung für eine derartige Prüfung ist aber jedenfalls die Herbeiführung der Zerrüttung durch den an sich unterhaltspflichtigen Mann.

2.3. Allerdings hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, diese Verhaltensweisen seien an sich nicht bereits derart „krasse Eheverfehlungen" gewesen, dass sie zu einer Unterhaltsverwirkung hätten führen können. Diese Auffassung ist jedenfalls vertretbar; auch der Mann ist in seiner Revision nicht in der Lage, sie - etwa durch Beispiele aus der Rechtsprechung - zu widerlegen. Es ist vielmehr herrschende Auffassung, dass etwa Beleidigungen und Beschimpfungen (vgl die Nachweise bei Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] § 94 ABGB Rz 201), aber auch verhältnismäßig geringfügige Verstöße gegen eheliche Verhaltensweisen und -gebote (Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 589/4 mwN) nicht Grund für den Verlust des Unterhaltsanspruchs sein können.

Da sich im Übrigen die Beurteilung von Verhaltensweisen als verwirkungstauglich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls zu richten hat (aus jüngerer Zeit 7 Ob 211/07s; 8 Ob 79/07m), war die Revision des Mannes mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

3. Die Frau verweist in ihrer Revision zur Höhe des ihr zustehenden monatlichen Unterhalts darauf, dass der von ihr begehrte Betrag von 620 EUR rund 29 % des Einkommens des Mannes ausmache; die von den Vorinstanzen vorgenommene Kürzung dieses Betrags erscheine nicht gerechtfertigt, liege er doch weit unter dem Existenzminimum.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG folgendermaßen zu ermitteln:

3.1. Maßgeblich ist zunächst der konkrete Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten (3 Ob 246/03b; 1 Ob 200/05a = FamZ 2006/19 [Deixler-Hübner]; 7 Ob 84/06p). Dieser beträgt im vorliegenden Fall nach den Ausführungen des Erstgerichts monatlich 1.081,44 EUR und nach den Überlegungen des Berufungsgerichts monatlich zumindest 782,84 EUR; er liegt somit jedenfalls deutlich über dem von der Frau insgesamt begehrten Unterhaltsbetrag von 620 EUR. Dies erscheint auch insoferne sachgerecht, als die Frau - zumindest derzeit noch - über eine Wohnmöglichkeit in dem den Parteien gemeinsam gehörenden Haus verfügt und sich dadurch Kosten spart.

Der Mann meint in diesem Zusammenhang in seiner Revisionsbeantwortung, es könne nicht angehen, der Frau im nachehelichen Aufteilungsverfahren das Alleineigentum am Haus zuzusprechen und ihn dann zu verpflichten, die Erhaltungskosten zu tragen. Damit weicht er aber von den Feststellungen ab, wonach im Aufteilungsverfahren noch keine Entscheidung getroffen worden ist; sollte zwischenzeitig tatsächlich ein derartiger Beschluss ergangen sein, würde das Vorbringen des Mannes gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO verstoßen.

Ob die Frau tatsächlich verpflichtet sein könnte, zur Senkung ihres Bedarfs das Haus aufzugeben und in eine Wohnung zu ziehen, kann dahingestellt bleiben. Der Mann hat sich darauf im Berufungsverfahren nicht gestützt und kann dies nunmehr im Revisionsverfahren nicht nachholen.

3.2. Bezieht der Unterhaltsberechtigte eigenes Einkommen oder Sozialhilfeleistungen, wie etwa Wohn- und Mietzinsbeihilfen oder Heizungspauschalen, muss er sich diese bei Ermittlung seines Lebensbedarfs anrechnen lassen (1 Ob 200/05a), es sei denn, dem Sozialhilfeträger wären vom Gesetzgeber Ersatzansprüche eingeräumt oder es wäre eine Legalzession normiert worden (1 Ob 200/05a; 7 Ob 284/06z).

Der Mann meint nunmehr in seiner Revisionsbeantwortung, die Frau müsse sich Wohn- und Mietzinsbeihilfen anrechnen lassen; erhalte sie diese im Hinblick auf ihr „Alleineigentum" an der Liegenschaft nicht, könne dies für ihn keine nachteiligen Folgen haben. Er übersieht damit aber, dass die Frau nach den Feststellungen der Vorinstanzen zum einen derzeit offensichtlich keine Sozialhilfeleistungen bezieht und zum anderen für im Jahr 2005 bezogene Sozialhilfeleistungen auf der Liegenschaft ein Höchstbetragspfandrecht zugunsten eines Sozialhilfeverbands einverleibt wurde, dem Sozialhilfeträger somit Ersatzansprüche eingeräumt sind. Eine Anrechnung der (fiktiven) Sozialhilfeleistungen kommt hier somit nicht in Betracht.

3.3. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob der ermittelte Lebensbedarf beziehungsweise der vom Unterhaltsberechtigten begehrte niedrigere Betrag in einem Bereich von 15 bis 33 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen liegt (4 Ob 278/02i = JBl 2003, 526; 7 Ob 61/03a; 7 Ob 2/04a ua). Dieser Kontrollrechnung liegen die üblicherweise gemäß § 68 EheG (unterer Wert) und gemäß § 66 EheG (oberer Wert) zugesprochenen Prozentsätze zugrunde, wobei die angeführten Werte für jene Fälle gelten, in denen der Unterhaltspflichtige keine weiteren Sorgepflichten zu bedienen hat. Sowohl die Parteien als auch die Vorinstanzen sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf die weitere Sorgepflicht des Mannes für die Tochter der Parteien bei der Kontrollrechnung von einem oberen Wert von (lediglich) 29 % ausgegangen werden muss, entspräche dieser Prozentsatz doch der (theoretischen) Unterhaltspflicht des Mannes gegenüber der Frau bei Anwendung des § 66 EheG.

3.4. Bei der unter 3.3. dargelegten Kontrollrechnung ist vom valorisierten Einkommen des Unterhaltspflichtigen im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft auszugehen, wenn sich seine Lebensverhältnisse zwischenzeitig verbessert haben (7 Ob 84/06p). Haben sie sich hingegen verschlechtert, muss sich dies der Unterhaltsberechtigte anrechnen lassen, weil immer die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen maßgeblich ist (vgl Zankl in Schwimann, ABGB³ [2005] § 68a EheG Rz 12).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen leben die Parteien seit März 2001 getrennt. Das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu diesem Zeitpunkt wurde von den Vorinstanzen jedoch nicht ermittelt. Diese haben lediglich festgestellt, der Mann habe im Jahr 2004 über ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.129,34 EUR, im Jahr 2005 über ein solches von 2.344,33 EUR und im Jahr 2006 über ein solches von 2.179,38 EUR verfügt. In seiner Revisionsbeantwortung geht der Mann von einem „derzeitigen" Einkommen von (lediglich) 1.784,34 EUR aus.

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht die Einkommensverhältnisse des Mannes sowohl im Jahr 2001 als auch in den Jahren 2007 und 2008 mit den Parteien zu erörtern und sodann seine Feststellungen dazu zu ergänzen haben.

3.5. Stellt man den von der Frau begehrten Betrag von 620 EUR dem von den Vorinstanzen festgestellten Einkommen des Mannes gegenüber, würde sie im Jahr 2005 29,12 % und ab dem Jahr 2006 26,45 % von dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage begehren. Die Kontrollrechnung spräche daher zunächst nicht gegen einen Zuspruch in Höhe von 620 EUR.

Davon sind auch die Vorinstanzen ausgegangen. Sie haben allerdings einen Zuspruch von lediglich 520 EUR mit der Begründung vorgenommen, der angemessene Unterhalt nach § 68a EheG solle nicht jenen nach § 66 EheG erreichen. Sie haben sich dabei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs berufen (siehe nur 4 Ob 278/02i), das Berufungsgericht außerdem auf Berka-Böckle (JBl 2004, 232) und Koch (in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 68a EheG Rz 8), wonach der „Richtwert" etwa zwischen 20 und 25 % liegen soll.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 739b/1) und Lehre (Deixler-Hübner in ÖJZ 2000, 707; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ [2002] § 68a EheG Rz 11; Hopf/Kathrein, Eherecht² [2005] § 68a Anm 10; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] § 68a Rz 14) soll allerdings der angemessene Unterhalt nach § 66 EheG „tunlichst" nicht erreicht werden. Schon allein diese Wortwahl schließt in sich, dass - allerdings nur in Ausnahmefällen - die Grenze des Unterhalts nach § 66 EheG doch erreicht werden kann.

Dies entspricht auch den Überlegungen von Deixler-Hübner (aaO), wonach es sich fallweise nicht vermeiden lassen werde - vor allem bei unteren und mittleren Einkommen -, den Unterhalt im Bereich des § 66 EheG anzusiedeln, ja ganz im Gegenteil der Unterhaltsbedarf die Prozentkomponente bei einem Anspruch nach § 66 EheG von 33 % bei ganz niedrigen Einkommen zuweilen auch übersteigen könne; ein Umstand, dem der Oberste Gerichtshof auch derzeit durch Zuspruch einer höheren prozentuellen Beteiligung Rechnung trage. Auch Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] § 68a Rz 15) führt unter Hinweis auf zweitinstanzliche Rechtsprechung (LGZ Wien EFSlg 100.944) aus, dem Unterhaltsberechtigten müsse ein Mindestbetrag (an Eigeneinkommen und Unterhalt) in Höhe des Existenzminimums bzw des Ausgleichszulagenrichtsatzes zukommen. Dies wären für die Jahre 2005 bis 2008 Beträge in Höhe von 736 bis 830 EUR (s Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 323/5).

3.6. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof im Anwendungsbereich des § 66 EheG bereits mehrfach ausgesprochen, eine erhöhte Prozentkomponente könne zugesprochen werden, wenn die Durchschnittsquote nicht zur Deckung des Existenzminimums bzw des Ausgleichszulagenrichtsatzes reiche (8 Ob 635/90 = EFSlg 66.477; 1 Ob 226/99p = EFSlg 90.365, 91.236); allerdings stelle dieser Betrag keine absolute Untergrenze dar, müsse doch auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt werden (4 Ob 51/06p).

Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung (3.5.) erschiene es nun nicht sachgerecht, dem Unterhaltsberechtigten auch im Anwendungsbereich des § 68a EheG grundsätzlich einen Betrag in Höhe des Existenzminimums beziehungsweise des Ausgleichszulagenrichtsatzes zukommen zu lassen, soll doch der Unterhalt nach § 68a EheG tunlichst unter jenem nach § 66 EheG ausgemessen werden. Allerdings ist es im Sinne eines ausgewogenen Unterhaltssystems, das auch eine gewisse Gleichbehandlung von Unterhaltspflichtigen und Unterhaltsberechtigten in Grundsatzfragen - wie etwa der Deckung des eigenen Grundlebensbedarfs - voraussetzt, angemessen, dem nach § 68a EheG unterhaltsberechtigten vormaligen Ehegatten jedenfalls einen Betrag in jener Höhe zukommen zu lassen, wie sie auf Seiten des Unterhaltspflichtigen als „absolute Belastbarkeitsgrenze" judiziert wird (vgl aus jüngerer Zeit etwa 2 Ob 187/05x; 6 Ob 184/06m; 1 Ob 42/07v). Diese orientiert sich in der jüngeren Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum ohne Steigerungsbeträge und betrug in den Jahren 2005 bis 2008 zwischen 579 und 653 EUR (Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 268/5). Im Sinne der Entscheidung 4 Ob 51/06p stellt allerdings auch dieser Betrag keine absolute Untergrenze dar; vielmehr ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen dadurch zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Kontrollrechnung (3.3.) der nach § 66 EheG angemessene Unterhalt (bei Fehlen weiterer Sorgepflichten 33 %) nicht überschritten werden darf. Sollte sich aus der Entscheidung 1 Ob 200/05a diesbezüglich etwas Anderes ergeben, könnte dem nicht gefolgt werden; im Übrigen wären dort Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten und zuerkannter Unterhalt ohnehin über den damals für die absolute Belastbarkeitsgrenze maßgeblichen Beträgen gelegen.

3.7. Damit waren aber die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit aufzuheben, als sie ein weiteres Unterhaltsbegehren der Frau von monatlich 100 EUR abwiesen. Das Erstgericht wird das Einkommen des Mannes im Frühjahr 2001 zu ermitteln und dieses valorisiert nach dem aktuellen Verbraucherpreisindex seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben; bei dieser Entscheidung wird sich das Erstgericht an den dargelegten Grundsätzen zu orientieren haben.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 und 52 ZPO. Da die Frau in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Mannes nicht hingewiesen hat, war ihr Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung anzusehen.

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