Spruch:
Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der jetzt 60jährigen klagenden Hausfrau und des jetzt 64jährigen beklagten Baudirektors wurde aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten an der Zerrüttung der rund 32 Jahre dauernden Ehe geschieden. Die letztinstanzliche Entscheidung im Scheidungsverfahren wurde den Parteien am 10. Mai 2002 zugestellt.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Leistung eines unbefristeten monatlichen Lebensbedarfs-Unterhalts von 2.500 EUR ab Juli 2002 gemäß § 68a ABGB. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, ausgehend von einem, auch unter Anwendung des § 273 ZPO ermittelten monatlichen Lebensbedarf der Klägerin von rund 2.950 EUR und unter Abzug eigenen Einkommens (Invaliditätspension und Mieteinnahmen) zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 2.320 EUR und wies das Mehrbegehren unangefochten ab.
Das Berufungsgericht sprach in teilweiser Stattgebung der Berufung des Beklagten aus, die Klageforderung bestehe ab Juli 2002 mit monatlichen Unterhaltsbeträgen von 1.246 EUR zu Recht, wies seine Aufrechnungseinrede ab und verpflichtete den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 1.246 EUR ab 1. Juli 2002. Es ermittelte den individuellen Unterhaltsbedarf der Klägerin mit 2.000 EUR. Durch diesen Betrag werde sie in die Lage versetzt, ihre vom Erstgericht mit insgesamt 2.950 EUR ermittelten Lebens- und Wohnkosten sowie die zusätzlichen Kosten zur Behandlung und Linderung ihrer gesundheitlichen Probleme in ausreichendem Maß zu bestreiten; damit werde dem Grundsatz der eheunabhängigen, mit einem entsprechend verringerten Lebensstandard verbundenen Lebensstellung der Klägerin iSd § 68a EheG ausreichend Rechnung getragen. Abzüglich des Eigeneinkommens der Klägerin von 754 EUR (Pension 540 EUR, Mieteinnahmen 244 EUR) ergebe sich ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 1.246 EUR, der bei einem monatlichen Einkommen der Beklagten von 7.500 EUR den Unterhalt gemäß § 68 EheG übersteige und rund die Hälfte des nach § 66 EheG gebührenden Unterhalts (33 % abzüglich 4 % für die Unterhaltspflicht gegenüber einem Sohn) erreiche. Dem Beklagten verblieben weit überdurchschnittliche finanzielle Mittel, seine eigenen Bedürfnisse angemessen zu befriedigen und der Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn nachzukommen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien sind mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
a) Zum Rechtsmittel der Klägerin: Diese macht insoweit Fehler bei der Unterhaltsbemessung nach § 68a EheG geltend, weil nicht auf den konkreten Unterhaltsbedarf während aufrechter Ehe, den das Erstgericht mit 2.950 EUR festgestellt habe, abgestellt, sondern der Unterhaltsbedarf nach freiem Ermessen mit 2.000 EUR festgelegt worden sei. Derartige Fehler, die eine Befassung des Obersten Gerichtshofs mit der Unterhaltsbemessung in diesem Fall erforderlich machen würden, liegen indes nicht vor.
Mit dem EheRÄG 1999 BGBl I 1999/125 wurde mit § 68a EheG für Fälle der Verschuldensscheidung ein vom Verschulden an der Scheidung grundsätzlich unabhängiger Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten neu eingeführt. Diese "nur für bestimmte Härtefälle als Ausnahmeregelung gedachte" (RV, 1653 BlgNR 20.GP, 25 ff) Bestimmung ist hier unbestritten anzuwenden. Dass dem Grunde der Klägerin ein solcher Unterhaltsanspruch - und nicht bloß ein Billigkeits-Unterhalt nach § 68 EheG - zusteht, hat die zweite Instanz zutreffend erkannt (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zu dessen Höhe: Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der E 4 Ob 278/02i (= JBl 2003, 526 = EvBl 2003/88) grundlegend mit eingehender Begründung auch unter Wiedergabe der unterschiedlichen Lehrmeinungen ausgesprochen hat, ist der Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG nach dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten in einem Zwischenbereich der nach der bisherigen Rsp geltenden Prozentsätze nach § 68 EheG (Billigkeitsunterhalt) und § 66 EheG (Unterhalt bei zumindest überwiegendem Verschulden des unterhaltspflichtigen Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe) von 15 % bis 33 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen auszumitteln, wobei der angemessene Unterhalt nach § 66 EheG tunlichst nicht erreicht werden soll; von dem so ermittelten Grundbetrag sind allenfalls im Hinblick auf die in der Billigkeitsklausel des § 68a Abs 3 EheG genannten Kriterien Abschläge nach der Lage des Einzelfalls zu machen. Diesen Grundsätzen ist die E 7 Ob 61/03a (= EvBl 2003/184; RIS-Justiz RS0117322) gefolgt. Auch der erkennende Senat billigt diese Auffassung. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin kann bei der Unterhaltsbemessung nach § 68a EheG damit nicht davon ausgegangen werden, dass der bei aufrechter Ehe bestandene - hohe - Lebensstandard unverändert aufrecht erhalten werden muss, weil sich dieser Unterhalt, anders als nach § 94 ABGB und § 66 EheG, eben nicht auch an den Lebensverhältnissen der (vormaligen) Ehegatten und den danach angemessenen Unterhalt orientieren soll, sondern - deutschem Recht (angemessener Lebensbedarf nach § 1578 BGB) folgend - bloß am Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten vormaligen Ehegatten.
Bei der Ausmessung ist vielmehr in einem ersten Schritt zu fragen, welchen monatlichen Betrag die Klägerin zur Deckung ihres Lebensbedarfs benötigt. Danach ist eine Kontrollrechnung anzustellen, ob dieser Betrag zwischen dem Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG und dem nach § 66 EheG, somit in der Größenordnung zwischen 15 % und 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen liegt und welche finanziellen Mittel dem Unterhaltsverpflichteten zur angemessenen Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse verbleiben. Bei Vorliegen von schwerwiegenden Gründen iSd § 68a Abs 3 EheG ist der auf diese Art ermittelte Unterhalt entsprechend zu mindern. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze bei der Bemessung des Unterhalts nach § 68a EheG im Einzelfall angewendet und das Vorliegen schwerwiegender Gründe für eine Minderung des Unterhalts nach § 68a Abs 3 EheG verneint.
Die Ermittlung des Unterhalts im Einzelfall stellt aber grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar. Eine grobe Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die ungeachtet einer bloßen Einzelfallentscheidung einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, liegt aber hier nicht vor.
b) Zum Rechtsmittel des Beklagten: Dass die zweite Instanz zu Recht die Klägerin nicht auf den Billigkeits-Unterhalt des § 68 EheG verwiesen hat, wurde bereits oben ausgeführt.
Die behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin iSd § 68a Abs 3 EheG durch das (nicht völlig grundlose) Verlassen der Ehewohung, die Einbringung der vorliegenden Unterhaltsklage und die exekutive Geltendmachung des Provisorialsunterhalts ist angesichts der von der zweiten Instanz gebilligten erstinstanzlichen Feststellungen zu verneinen. Auch sonst werden keine Rechtsfragen vom Gewicht des § 502 Abs 1 ZPO ins Treffen geführt.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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