Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerinnen haben die Kosten ihres Rechtsmittels, die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 3. 2. 2004 wurde in gegenständlicher Enteignungssache die Entschädigung der fünf Grundstückseigentümerinnen (der nunmehrigen Antragstellerinnen) a) für die Enteignung durch Einräumung des lastenfreien Eigentums mit 52.046,46 EUR (10.409,30 EUR je Miteigentümerin), b) für die Begründung einer Servitut mit 2.093,22 EUR (418,65 EUR je Miteigentümerin) und c) für die Wertminderung eines Restgrundstücks mit 1.387,77 EUR (277,55 EUR je Miteigentümerin) bestimmt. Die Antragsgegnerin hat diese Beträge gemäß § 1425 ABGB gerichtlich hinterlegt.
Am 26. 4. 2004 stellten die Antragstellerinnen, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erich Proksch, beim Erstgericht den Antrag auf Feststellung des zu leistenden Entschädigungsbetrags mit insgesamt 232.324,81 EUR. Die Antragsgegnerin widersprach diesem Begehren und beantragte, die Enteignungsentschädigung mit höchstens 55.527,45 EUR festzusetzen. In der Tagsatzung vom 12. 7. 2006 behielt das Erstgericht die Sachentscheidung der schriftlichen Ausfertigung vor.
Mit Beschluss vom 16. 10. 2006 setzte das Erstgericht den Entschädigungsbetrag mit insgesamt 72.200,24 EUR fest. Unter Anrechnung der gerichtlich hinterlegten Beträge verpflichtete es die Antragsgegnerin zur Leistung von 16.672,29 EUR binnen 14 Tagen an die Antragstellerinnen und wies das Mehrbegehren von 160.124,57 EUR ab. Es verfügte die Zustellung dieses Beschlusses an die Parteienvertreter; die Beschlussausfertigungen wurden am 20. 10. 2006 von der Gerichtskanzlei abgefertigt.
Die für Dr. Erich Proksch vorgesehene Beschlussausfertigung wurde am 24. 10. 2006 zugestellt. Auf dem Rückschein wurde die aktenkundige Kanzleiadresse (Auhofstraße 1, 1130 Wien) handschriftlich durch die Adresse „Nibelungengasse 11/4, 1010 Wien" ersetzt. Die Übernahmebestätigung erfolgte mittels Stampiglie der „Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG" durch einen „Arbeitnehmer des Empfängers", der eine unleserliche Paraphe beifügte.
Am 7. 11. 2006 fasste das Erstgericht einen Berichtigungsbeschluss, mit dem es den Beschluss vom 16. 10. 2006 um die dort versehentlich unterbliebene Kostenentscheidung ergänzte. Dieser Beschluss wurde an „Dr. Erich Proksch, Nibelungengasse 11/4, 1010 Wien" adressiert und am 10. 11. 2006 auf die oben beschriebene Weise zugestellt.
Am 21. 11. 2006 gaben die Antragstellerinnen, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfram Proksch, der sich hiebei auf die ihm erteilte Vollmacht berief, den Rekurs gegen den abweisenden Teil des Beschlusses vom 16. 10. 2006 zur Post. Eingangs des Rechtsmittelschriftsatzes verwiesen sie auf die Zustellung am 24. 10. 2006 und die ihrer Ansicht nach „offene Frist". Die Antragsgegnerin erstattete eine Rekursbeantwortung.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht sowohl den Rekurs der Antragstellerinnen als auch die Rekursbeantwortung der Antragsgegnerin als verspätet zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Außerdem entschied es über einen Kostenrekurs der Antragsgegnerin. In der Begründung verwies es auf die Übergangsbestimmung des § 48 Abs 3 EisbEG nF, wonach Verfahren, bei denen der Antrag auf Enteignung vor dem 1. 1. 2005 bei der Behörde eingelangt sind, nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind. Es gelte demnach noch die 14‑tägige Rekursfrist des § 30 Abs 3 EisbEG aF. § 46 Abs 3 AußStrG sei nicht anwendbar. Durch die Berichtigung des angefochtenen Beschlusses im Kostenpunkt sei keine neue Rechtsmittelfrist in der Hauptsache in Gang gesetzt worden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts erheben die Antragstellerinnen außerordentlichen Revisionsrekurs, den sie mit einem (gleichrangigen) Antrag auf Zustellung der Beschlüsse vom 16. 10. und 7. 11. 2006 an ihre nunmehrige rechtsfreundliche Vertreterin und einem (hilfsweisen) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist verbinden. Sie beantragen in ihrem Rechtsmittel, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht die Fortsetzung des Rekursverfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das außerordentliche Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Den Zustellantrag der Antragstellerinnen hat das Erstgericht am 6. 7. 2007 abgewiesen. Der dagegen erhobene Rekurs wurde dem Rekursgericht bisher noch nicht zur Entscheidung vorgelegt.
Der außerordentliche Revisionsrekurs gründet sich im Wesentlichen auf die Behauptung, Dr. Erich Proksch sei am 30. 9. 2006 emeritiert, habe den Betrieb seiner Rechtsanwaltskanzlei eingestellt, den Kanzleisitz Auhofstraße 1 aufgegeben und das Mietobjekt noch Ende September 2006 zurückgestellt. Zum mittlerweiligen Stellvertreter sei Dr. Wolfram Proksch bestellt worden. Die Emeritierung sei in der Wiener Zeitung kundgemacht worden. Mit dem Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft sei auch das Vollmachtsverhältnis zwischen den Antragstellerinnen und Dr. Erich Proksch erloschen. Die Weiterleitung des erstinstanzlichen Beschlusses an die Kanzlei der Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG sei aufgrund eines Nachsendeauftrags erfolgt. Die Zustellung am 24. 10. 2006 sei aber unwirksam gewesen und habe die Rechtsmittelfrist nicht ausgelöst, weil zu diesem Zeitpunkt weder der mittlerweilige Stellvertreter noch die Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG bevollmächtigte Vertreter der Antragstellerinnen gewesen seien. Dies hätte schon das Erstgericht von Amts wegen wahrnehmen müssen. Eine Heilung des fehlerhaften Zustellvorgangs sei nicht eingetreten. § 62 Abs 1 AußStrG sei zwar nicht anzuwenden; es begründe aber jedenfalls eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift, dass sich das Rekursgericht mit der Zustellproblematik nicht beschäftigt habe.
Des weiteren wird im Rechtsmittel geltend gemacht, dass a) das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 AußStrG zu unterbrechen, b) bei verfassungskonformer Auslegung des § 48 Abs 3 EisbEG nF von einer vierwöchigen Rekursfrist auszugehen, c) § 46 Abs 3 AußStrG anzuwenden und d) die Rekursfrist erst ab Zustellung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. 11. 2006 zu berechnen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:
Nach ständiger Rechtsprechung zu der, wie noch näher darzulegen sein wird, hier maßgeblichen Fassung der §§ 24 Abs 1 und 30 Abs 3 bis 5 EisbEG vor dem Inkrafttreten des Außerstreit‑Begleitgesetzes (AußStr‑BegleitG), BGBl I 2003/112, gelten für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die Bestimmungen des AußStrG (2 Ob 282/05t = JBl 2007, 315 mwN; RIS‑Justiz RS0084804). Da das Datum der erstinstanzlichen Entscheidung nach dem 31. 12. 2004 liegt, ist § 62 AußStrG idF BGBl I 2003/111 maßgeblich (vgl § 203 Abs 7 AußStrG). Diese Bestimmung erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht nur Rechtsmittel gegen Sachentscheidungen des Rekursgerichts, sondern sie regelt schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" (6 Ob 286/06m mwN), also auch, wenn dieser auf Zurückweisung eines Rekurses lautet.
Im vorliegenden Fall ist der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts rein vermögensrechtlicher Natur und übersteigt (bei jeder Antragstellerin) 20.000 EUR (§ 62 Abs 3 AußStrG). Die Antragstellerinnen waren daher zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses befugt (§ 62 Abs 5 AußStrG), dessen Zulässigkeit - wie schon nach der früheren Rechtslage - vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG abhängig ist (vgl RIS‑Justiz RS0007130 [T1 und T2], RS0007169, RS0120565 [T3], RS0120974). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil zu den Auswirkungen des - hier zur Darlegung der Rechtzeitigkeit des wegen Verspätung zurückgewiesenen Rekurses als zulässige Neuerung (vgl RIS‑Justiz RS0041923; Klicka in Rechberger, AußStrG § 49 Rz 2) - geltend gemachten Verzichts eines Parteienvertreters auf die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft (§ 34 Abs 1 Z 3 RAO) in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiert.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zulässig.
Zur Zweiseitigkeit des Revisionsrekurses:
Da das Rechtsmittel der Antragstellerinnen zulässige Neuerungen enthält, war der Antragsgegnerin zum Zwecke der Wahrung ihres rechtlichen Gehörs jedenfalls eine Äußerungsmöglichkeit einzuräumen (Klicka aaO § 68 Rz 4). Die Frage, ob sich die Zweiseitigkeit nicht auch im Falle der Zurückweisung eines gegen die Sachentscheidung gerichteten Rekurses ohnehin unmittelbar aus § 30 Abs 4 und 5 EisbEG aF (ablehnend: 5 Ob 136/73) bzw § 68 Abs 1 AußStrG (zu dessen Auslegung vgl RIS‑Justiz RS0120860, insb 5 Ob 43/07w) ergibt, kann daher auf sich beruhen.
Im Übrigen wurde erwogen:
Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.
1.) Zur Rekursfrist:
Mit dem AußStr‑BegleitG, BGBl I 2003/112, wurde das EisBEG 1954, nunmehr „Eisenbahn‑Enteignungsentschädigungsgesetz - EisbEG" umfangreich novelliert (vgl Art XIII AußStr‑BegleitG). Von den Änderungen sind auch verfahrensrechtliche Regelungen erfasst, darunter § 30 Abs 3 EisbEG, wonach die Frist für Rechtsmittel gegen den Beschluss über die Entschädigung nunmehr vier Wochen statt bisher 14 Tage beträgt. Nach der Übergangsvorschrift des § 48 Abs 3 letzter Satz EisbEG nF, mit der sich der erkennende Senat bereits in den Entscheidungen 2 Ob 282/05t und 2 Ob 140/07p auseinandergesetzt hat, sind jedoch Verfahren, bei denen der Antrag auf Enteignung vor dem 1. 1. 2005 bei der Behörde eingelangt ist, nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. In solchen Fällen gilt daher weiterhin die 14‑tägige Rekursfrist des § 30 Abs 3 EisbEG aF (2 Ob 140/07p).
In der soeben zitierten Entscheidung wurde überdies klargestellt, dass die zu § 11 Abs 2 AußStrG aF ergangene Rechtsprechung, wonach im Enteignungsentschädigungsverfahren auf verspätete Rechtsmittel nicht Bedacht genommen werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0007181), mangels Änderung der Rechtslage auch im Anwendungsbereich des neuen § 46 Abs 3 AußStrG weiterhin Geltung hat.
Das Rekursgericht hat § 48 Abs 3 EisbEG nF im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats angewendet. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Auslegung der Übergangsnorm geben auch die Rechtsmittelausführungen der Antragstellerinnen keinen Anlass.
Schließlich entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Berichtigung einer erstinstanzlichen Entscheidung im Kostenpunkt keine neue Rechtsmittelfrist in der Hauptsache auszulösen vermag, weil gegen den berichtigten Teil ohnehin der Kostenrekurs offen steht (6 Ob 201/02f mwN). Diese Erwägungen treffen ebenso bei Nachholung einer versehentlich unterbliebenen Kostenentscheidung durch Ergänzungsbeschluss zu, wie sich bereits aus §§ 430, 424 ZPO (hier iVm § 41 AußStrG und § 24 Abs 1 EisbEG) ergibt (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO3 §§ 423 bis 424 Rz 7). Warum im Hinblick auf die besonderen Kostenersatzbestimmungen im EisbEG anderes gelten soll, wie die Antragstellerinnen vermeinen, ist nicht ersichtlich und wird im Rechtsmittel auch nicht begründet.
Maßgeblich für den Beginn der Rekursfrist war daher die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Sachentscheidung erster Instanz (§ 46 Abs 1 Satz 2 AußStrG iVm § 24 Abs 1 EisbEG).
2.) Zu den verfahrensrechtlichen Folgen der Emeritierung des Rechtsanwalts Dr. Erich Proksch:
Den weiteren Ausführungen ist voranzustellen, dass die Antragsgegnerin den im Revisionsrekurs der Antragstellerinnen aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht entgegentritt. Es ist daher als unstrittig davon auszugehen, dass Dr. Erich Proksch zum 30. 9. 2006 auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat.
a) Keine Unterbrechung des Verfahrens:
Gemäß § 25 Abs 1 Z 3 AußStrG (iVm § 24 Abs 1 EisbEG) wird das außerstreitige Verfahren unterbrochen, wenn der Rechtsanwalt oder Notar stirbt oder die Fähigkeit verliert, die Vertretung der Partei fortzuführen, soweit eine solche Vertretung gesetzlich geboten ist. Die Fähigkeit, die Vertretung der Partei fortzuführen, kann nach herrschender Ansicht auch dann verloren gehen, wenn die Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Sinne des § 34 Abs 1 RAO erlischt (SZ 44/43; 1 Ob 211/03s; 4 Ob 109/07v; RIS‑Justiz RS0036533; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 25 Rz 5; Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 160 Rz 3). Die Unterbrechung des Verfahrens tritt mit dem Erlöschen der Befugnis ex lege ein (Rechberger aaO § 25 Rz 1) und ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt allerdings nur in jenen Fällen, in denen die gesetzliche Pflicht zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Notar besteht. Verfahren mit relativer Vertretungspflicht und solche ohne Vertretungspflicht werden hingegen nicht unterbrochen (Rechberger aaO § 25 Rz 5; Gitschthaler aaO § 160 Rz 5; Fink in Fasching/Konecny2 II/2 § 160 Rz 2).
Im vorliegenden Fall wurde der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft wirksam, noch ehe das Erstgericht über den Antrag auf gerichtliche Feststellung der Enteignungsentschädigung entschieden hatte, somit in erster Instanz. In diesem Verfahrensstadium bestand für die Antragstellerinnen keine Vertretungspflicht (§ 4 Abs 1 AußStrG iVm § 24 Abs 1 EisbEG). Das Verfahren wurde daher nicht unterbrochen.
b) Kein „automatischer" Verlust der Vertretungsbefugnis des Dr. Erich Proksch:
Im Außerstreitverfahren erster Instanz kann sich die Partei durch jede eigenberechtigte Person vertreten lassen (§ 4 Abs 1 AußStrG iVm § 24 Abs 1 EisbEG). Das Erlöschen der Rechtsanwaltschaft beendet das mit einem Rechtsanwalt begründete Vollmachtsverhältnis daher nicht „automatisch", weil in diesem Verfahrensstadium zur wirksamen Vertretung die Berufsberechtigung des Vertreters als Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. Die Vertretungsbefugnis eines emeritierten Rechtsanwalts bleibt vielmehr bis zur Aufhebung der Vollmacht nach allgemeinen Grundsätzen, insbesondere durch Widerruf oder Kündigung (§§ 1020 f ABGB), weiterhin bestehen (in diesem Sinne auch Zib in Fasching/Konecny2 II/1 § 36 ZPO Rz 10; vgl auch die strafgerichtlichen Entscheidungen EvBl 1971/279 und RZ 1994/50 = RIS‑Justiz RS0038098, wo es jeweils um die Auswirkungen einer Suspendierung des Rechtsanwalts auf das Vollmachtsverhältnis ging). Die Aufhebung der Vollmacht durch Widerruf oder Kündigung wird gemäß § 36 Abs 1 ZPO (iVm § 6 Abs 4 AußStrG und § 24 Abs 1 EisbEG) gegenüber Gericht und Gegenpartei aber erst mit der Mitteilung an sie wirksam. Das Gericht hat, selbst wenn ihm auf andere Weise der Widerruf oder die Kündigung der Vollmacht zur Kenntnis gelangt ist, bis zum Einlangen des Schriftsatzes (im bezirksgerichtlichen Verfahren reicht auch die Mitteilung zu Protokoll) den früheren Bevollmächtigten als voll befugten Parteienvertreter zu behandeln (1 Ob 4/99s = SZ 72/31; RIS‑Justiz RS0109541; Zib aaO § 36 ZPO Rz 17).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies als weiteres Zwischenergebnis, dass die Emeritierung des Rechtsanwalts Dr. Erich Proksch auf seine Stellung als Parteienvertreter keinen Einfluss hatte. Dem Erstgericht wurde weder ein Widerruf noch eine Kündigung der Vollmacht angezeigt. Eine (allfällige) Kundmachung der Emeritierung im Amtsblatt der Wiener Zeitung stellte keinen Ersatz für die nach § 36 Abs 1 ZPO gebotene Mitteilung dar. Die Zustellverfügung des Erstgerichts erweist sich demnach als korrekt und die Sendung wurde richtigerweise an Dr. Erich Proksch adressiert.
3.) Zur Wirksamkeit der Zustellung:
Die Antragstellerinnen behaupten in ihrem Rechtsmittel, Dr. Erich Proksch habe seinen Kanzleisitz aufgegeben, das Mietobjekt zurückgestellt und einen Nachsendeauftrag an die Kanzleiadresse der Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG erteilt. Es ist daher zu prüfen, ob ihm an dieser Adresse wirksam zugestellt werden konnte. Dabei haben die Sonderbestimmungen des § 13 Abs 4 ZustG für die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen außer Betracht zu bleiben, weil der Empfänger im Zeitpunkt der fraglichen Zustellung diesem Personenkreis nicht mehr angehört hat.
Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung ist eine durch Organe der Post zuzustellende Sendung an eine andere inländische Abgabestelle nachzusenden, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (sodass eine Hinterlegung an dieser nicht zulässig ist) und die Nachsendung nach den für die Beförderung von Postsendungen geltenden Vorschriften (§§ 204 ff PostO) vorgesehen ist.
Im Schrifttum ist umstritten, ob diese Bestimmung auch dann Anwendung findet, wenn der Empfänger die bisherige Abgabestelle endgültig aufgegeben hat (so Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 Anh § 87 ZPO [§ 18 ZustG] Rz 7 f; Gitschthaler in Rechberger ZPO3 § 87 [§ 18 ZustG] Rz 2; nunmehr auch Feil, Zustellwesen5 § 18 ZustG Rz 1), oder ob sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Fälle vorübergehender Abwesenheit von der Abgabestelle beschränkt (vgl die Zitate bei Stumvoll aaO und Gitschthaler aaO; jüngst auch Wessely in Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, § 18 ZustG Rz 3). Der erkennende Senat pflichtet der ersteren, praxisnahen Auslegung bei, besteht doch gerade nach Aufgabe der bisherigen Abgabestelle (etwa wegen einer Übersiedelung) das Bedürfnis, die Post an die neue Abgabestelle nachgesendet zu erhalten (Gitschthaler aaO § 18 ZustG Rz 2). Den Vertretern der gegenteiligen Ansicht ist mit Stumvoll (aaO) entgegenzuhalten, dass eine am engen Wortlaut der Regelung haftende Interpretation mit dem vom Gesetzgeber erkennbar beabsichtigten Zweck der Bestimmung, die Zustellung durch Nachsendung zu beschleunigen, nicht vereinbar wäre. Primäre Voraussetzung für die Anwendung des § 18 Abs 1 ZustG ist somit lediglich, dass an der bisherigen Abgabestelle eine Zustellung nicht (mehr) möglich ist.
Nach einhelliger Auffassung der Lehre setzt ein wirksamer Zustellvorgang an der Nachsendeadresse ferner voraus, dass diese alle Voraussetzungen einer Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG erfüllt (Stumvoll aaO § 18 ZustG Rz 9 mwN; Gitschthaler aaO § 18 ZustG Rz 2; Feil aaO § 18 ZustG Rz 1; Wessely aaO § 18 ZustG Rz 2; Danzl, Geo. § 125 Anm 25 lit c; vgl auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. 8. 2006, Zl 2005/17/0281). Demnach darf an der Nachsendeadresse nur zugestellt werden, wenn der Empfänger dort seine Wohnung oder sonstige Unterkunft, eine Betriebsstätte, den Sitz, einen Geschäftsraum, die Kanzlei oder seinen Arbeitsplatz hat.
Dem ist grundsätzlich zuzustimmen; eine differenzierte Beurteilung ist nach Ansicht des erkennenden Senats aber dann geboten, wenn der Empfänger die Nachsendeadresse in einem Nachsendeauftrag selbst bestimmt. Besteht an der von ihm angegebenen Anschrift tatsächlich keine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 5 ZustG, widerspräche es Treu und Glauben, würde ihm nach einer seinem Auftrag gemäß durchgeführten Zustellung der Einwand offen stehen, an der Nachsendeadresse habe niemals eine Abgabestelle existiert. In solchen Fällen erscheint es sachgerecht, den Empfänger an die von ihm selbst geschaffene Fiktion einer Abgabestelle soweit zu binden, dass er sich eine seinem Wunsch gemäß an der Nachsendeadresse bewirkte Zustellung auch zurechnen lassen muss. Sorgt er dafür, dass die Zustellung an der Nachsendeadresse durch die Anwesenheit dort wohnender oder arbeitender, zur Übernahme bereiter, erwachsener Personen gewährleistet ist, so sind diese ungeachtet der weiteren Voraussetzungen des § 16 Abs 2 ZustG als taugliche Ersatzempfänger anzusehen.
Wurde somit die Zustellung der richtigerweise (siehe Punkt 2b) an Dr. Erich Proksch adressierten Ausfertigung der erstinstanzlichen Sachentscheidung aufgrund eines Nachsendeauftrags an der Kanzleiadresse der Proksch & Fritzsche Rechtsanwälte OEG bewirkt, so musste sie der Empfänger gegen sich gelten lassen. Wie die Antragstellerinnen in ihrem zweitinstanzlichen Rechtsmittel ohnehin richtig bemerkten, setzte der Lauf der Rekursfrist daher am 24. 10. 2006 ein.
Da das Rekursgericht den Rekurs der Antragstellerinnen demnach zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen hat, ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 44 EisbEG.
Den Antragstellerinnen gebührt für ihr erfolgloses Rechtsmittel kein Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0058155). Infolge der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht nach § 44 EisbEG hat auch die Antragsgegnerin die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen. Selbst im Falle ungerechtfertigten Einschreitens der Antragstellerinnen stünde der Antragsgegnerin kein Kostenersatz zu (2 Ob 282/05t; RIS‑Justiz RS0058151).
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