Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss insoweit aufgehoben, als der Rekurs der Minderjährigen zurückgewiesen wurde.
Text
Begründung
Die beiden Minderjährigen, die sich in Pflege und Erziehung der Mutter befinden, entstammen der geschiedenen Ehe Dris. Christoph Michael G***** mit Karin Gaelle D*****. Der Vater ist geldunterhaltspflichtig. Im vorliegenden Verfahren geht es um die konkrete Festsetzung dieser Unterhaltspflicht.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss (unter anderem) einen Rekurs der beiden Minderjährigen gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Erstgerichts vom 20. 2. 2006 zurück und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach der Aktenlage sei der erstinstanzliche Beschluss der Rechtsvertreterin der Minderjährigen am 22. 2. 2006 zu Handen einer Kanzleiangestellten zugestellt worden. Der erst am 9. 3. 2006 zur Post gegebene Rekurs sei daher verspätet gewesen. Über Zulassungsvorstellung der Minderjährigen gemäß § 63 AußStrG erklärte das Rekursgericht jedoch in weiterer Folge den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Erhebungen aufgrund des Revisionsrekurses der Minderjährigen hätten ergeben, dass der erstinstanzliche Beschluss deren Rechtsvertreterin tatsächlich erst am 23. 2. 2006 zugestellt worden war; der Zusteller habe vermutlich aus Versehen eine unrichtige Datumsangabe auf dem Rückscheinformular vorgenommen. Es liege daher eine wesentliche verfahrensrechtliche Frage vor, der zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.
Der Vater hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt. Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. § 62 Abs 1 AußStrG erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht nur das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung. Die Bestimmung regelt vielmehr schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" (5 Ob 60/06v; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 62 Rz 2) und gilt daher etwa auch für Berichtigungs- (7 Ob 262/06i) und Unterbrechungsbeschlüsse (Fucik/Kloiber, aaO) des Rekursgerichts, aber auch für dessen Beschlüsse, mit denen ein Antrag oder ein Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückgewiesen wird (Fucik/Kloiber, aaO). Weist daher das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens" den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung wegen Verspätung zurück, ist auch dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach der Zivilprozessordnung vgl E. Kodek in Rechberger³ [2006] § 528 Rz 2). Soweit der erkennende Senat zu 6 Ob 281/06a in einem Unterbringungsverfahren ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen die Zurückweisung eines Widerspruchs gegen das Protokoll der mündlichen Rekursverhandlung durch das Rekursgericht als Rekurs nach § 45 AußStrG behandelt hat, steht dies mit der dargestellten Rechtslage im Einklang. Dort war nämlich das Rekursverfahren längst abgeschlossen, als der Widerspruch gegen das Protokoll erhoben wurde. Das Gericht zweiter Instanz entschied daher nicht „im Rahmen des Rekursverfahrens" (vgl dazu auch Fucik/Kloiber, aaO Rz 3).
2. Der Beschluss des Erstgerichts wurde laut Rückschein (AS 518) der Rechtsvertreterin der Minderjährigen am 22. 2. 2006 zu Handen einer Kanzleiangestellten zugestellt. Dies wurde gemäß § 22 Abs 1 ZustG vom Zusteller auch durch seine Parafe auf dem Rückschein beurkundet. Dieser Zustellnachweis ist damit eine öffentliche Urkunde, die an sich den Beweis erbringt, dass die Zustellung an diesem Tag vorschriftsmäßig erfolgte (vgl 1 Ob 137/05m). Allerdings steht auch bei unbedenklichem Zustellnachweis der Partei der Gegenbeweis nach § 292 ZPO offen; werden dabei Zustellmängel behauptet, die nicht offenkundig sind, müssen sie erwiesen (bescheinigt) werden (Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ [2006] § 87 [§ 22 ZustG] Rz 4 mwN). Werden Bescheinigungsmittel angeboten und aufgenommen, sind sie einer Beurteilung zu unterziehen; dabei kann auch der Oberste Gerichtshof „Tatsacheninstanz" sein (4 Ob 14/78; 6 Ob 711/78; Gitschthaler, aaO). Bleiben Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Zustellung, dann geht dies zu Lasten der Behörde; in einem solchen Fall wäre also etwa der von der Partei behauptete Zustelltag maßgeblich (Gitschthaler, aaO Rz 5 mwN).
Im vorliegenden Verfahren fällt auf, dass der bereits erwähnte Rückschein zwar das Übernahmsdatum „22. 2. 2006" trägt, aufgrund des angebrachten Rundstempels jedoch erst am 23. 2. 2006 beim Zustellpostamt 1030 Wien einlangte. Daraus hat auch der damalige Zusteller anlässlich seiner vom Erstgericht durchgeführten Einvernahme den Schluss gezogen, er werde sich vermutlich bei der Datumsangabe (auf dem Rückschein) geirrt haben. Die Rückscheine würden nämlich von ihm noch am Tag der Zustellung zum Postamt zurückgebracht; dort werde das jeweilige aktuelle Tagesdatum in Form des Rundstempels angebracht.
Damit kann aber nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der erstinstanzliche Beschluss der Rechtsvertreterin der Minderjährigen tatsächlich bereits am 22. 2. 2006 zugestellt worden war. Bei einer Zustellung am 23. 2. 2006 war jedoch der am 9. 3. 2006 zur Post gegebene Rekurs gemäß § 46 Abs 1 AußStrG rechtzeitig. Der angefochtene Beschluss war daher im Umfang der Zurückweisung des Rekurses der Minderjährigen aufzuheben. Das Rekursgericht wird diesen nunmehr meritorisch zu erledigen haben.
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