OGH 6Ob281/06a

OGH6Ob281/06a21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Unterbringungssache der Patientin Cornelia S*****, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Patientin, vertreten durch Dr. Hubert Stanglechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. August 2006, GZ 54 R 116/05p-40, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Patientin wurde am 5. 9. 2005 aufgrund einer amtsärztlichen Einweisung auf der geschlossenen Abteilung der Universitätsklinik für Psychiatrie I***** untergebracht; ein Unterbringungsverfahren wurde eingeleitet. Am 22. 9. 2005 wurde die Patientin auf die offene Station verlegt. Mit Beschluss vom 27. 4. 2006, 6 Ob 48/06m stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass die am 5. 9. 2005 begonnene Unterbringung der Patientin nicht dem Gesetz entsprochen hatte, in der Zeit vom 8. 9. 2005, 13 25 Uhr, bis 22. 9. 2005 jedoch zulässig war.

Im Unterbringungsverfahren fand am 28. 10. 2005 eine Rekursverhandlung statt. Der Rekurssenat fertigte dabei ein Schallträgerprotokoll an, womit sich die Parteien des Verfahrens auch einverstanden erklärten. Die Zustellung einer Abschrift der Übertragung dieses Schallträgerprotokolls wurde nicht beantragt; eine solche erfolgte zunächst dem Akteninhalt nach auch nicht. Anlässlich einer Akteneinsicht beantragten am 11. 7. 2006 die damaligen Vertreterinnen der Patientin die Zustellung einer Abschrift; dies geschah auch tatsächlich am 14. 8. 2006. Am 17. 8. 2006 langte sowohl beim Erst- als auch beim Rekursgericht ein „Widerspruch [der Patientin] gegen das Tonbandprotokoll vom 28. 10. 2005" ein. Es wird darin erkennbar die Unterlassung der Protokollierung von Ausführungen der damaligen Vertreterinnen zur Frage von Behandlungsalternativen gerügt.

Das Rekursgericht wies diesen Widerspruch als verspätet zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat die Auffassung, es hätten lediglich Übertragungsfehler geltend gemacht werden können, nicht jedoch Unrichtigkeiten der Protokollierung selbst. Nach Beendigung der Tagsatzung hätte ein Widerspruch gemäß § 12 Abs 2 UbG, § 22 AußStrG, § 212 Abs 5 ZPO nur noch gegen Fehler der Übertragung des Protokolls erhoben werden könne; Unvollständigkeiten und Abweichungen vom tatsächlichen Geschehen hätten jedoch nicht mehr geltend gemacht werden können. Der als Rekurs zu behandelnde „außerordentliche Revisionsrekurs" der Patientin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Widerspruch der Patientin richtet sich gegen ein Protokoll des Rekursverfahrens. Diesen Widerspruch hat das Rekursgericht somit in erster Instanz zurückgewiesen. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel ist ein Rekurs.

2. Gemäß § 12 Abs 2 UbG entscheidet das Unterbringungsgericht im Verfahren außer Streitsachen. § 22 AußStrG wiederum ordnet an, dass in einem solchen Verfahren unter anderem die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die Protokolle anzuwenden sind, also die §§ 207 bis 217 ZPO (Rechberger in Rechberger, AußStrG [2006] § 22 Rz 2). Nach § 45 Satz 1 AußStrG können Beschlüsse des Gerichts erster Instanz mit Rekurs angefochten werden. § 214 ZPO verweigert zwar gegen die die Protokollierung betreffenden Beschlüsse und Verfügungen ein abgesondertes Rechtsmittel. Da allerdings eine weitere anfechtbare Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht mehr ergehen kann, ist diese Rechtsmittelbeschränkung hier nicht anzuwenden (vgl Gitschthaler in Rechberger, ZPO² [2000] § 214 Rz 1 mwN).

3. Der angefochtene Beschluss wurde der Patientin und ihren damaligen Vertreterinnen am 14. 9. 2006 zugestellt; am 28. 9. 2006 beantragten sie die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Dem nunmehrigen Verfahrenshelfer wurden daraufhin zwar der Bewilligungsbeschluss und der Bestellungsbescheid am 9. 11. 2006, eine Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses jedoch erst am 13. 11. 2006 zugestellt. Damit ist der am 24. 11. 2006 zur Post gegebene Rekurs aber rechtzeitig (vgl 1 Ob 595/93).

4.1. § 212a Abs 2 ZPO erklärt unter anderem die Regelungen des § 212 Abs 5 ZPO für auf Schallträgerprotokolle anwendbar. Danach ist von dem mittels Schallträger aufgenommenen Teil des Protokolls eine Übertragung in Vollschrift anzufertigen, vom Richter zu unterschreiben und binnen drei Tagen nach Schluss der Tagsatzung dem Protokoll als Beilage anzufügen. Die Parteien können binnen weiterer drei Tage in die Übertragung Einsicht nehmen und gegen Fehler der Übertragung Widerspruch erheben. Den Parteien ist aber, wenn sie dies bei der Tagsatzung beantragt haben, eine Abschrift der Übertragung binnen drei Tagen nach Schluss der Tagsatzung zuzustellen; in diesem Fall beginnt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen Fehler der Übertragung mit dem Tag nach Zustellung.

4.2. Die Patientin und ihre damaligen Vertreterinnen haben anlässlich der Rekursverhandlung keinen Antrag auf Zustellung einer Protokollsabschrift gestellt. Dem Akteninhalt ist zwar nicht zu entnehmen, dass sie davon verständigt worden wären, es bestehe nunmehr die Möglichkeit der Einsicht in das übertragene Vollschriftprotokoll. Allerdings haben sie am 11. 7. 2006 ohnehin Akteneinsicht genommen. Zu diesem Zeitpunkt begann dann aber jedenfalls die dreitägige Widerspruchsfrist zu laufen. Dem Protokoll der Rekursverhandlung ist nicht zu entnehmen, dass die Patientin oder ihre damaligen Vertreterinnen über die Möglichkeit belehrt worden wären, einen Antrag auf Zustellung von Protokollsabschriften zu stellen. Dies stellt allerdings lediglich einen Mangel dar, der im Rekurs nicht gerügt wird.

Damit war aber am 17. 8. 2006 die Frist zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die Übertragung des Schallträgerprotokolls bereits lange abgelaufen gewesen.

4.3. Sollte sich - wie das Rekursgericht meint - der Widerspruch tatsächlich gegen die Protokollierung selbst wenden, ist er erst recht verspätet. Dann wäre er nämlich noch während der Rekursverhandlung oder spätestens an deren Ende zu stellen gewesen (Gitschthaler, aaO Rz 8; Schragel in Fasching/Konecny, ZPO2 [2003] § 212 Rz 7).

Damit war aber dem Rekurs der Erfolg zu versagen, ohne dass es einer Behandlung der darin aufgeworfenen Rechtsfragen zur Wirkung eines Widerspruchs bedürfte.

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