OGH 5Ob60/06v

OGH5Ob60/06v27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Apotheke *****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt KEG in Wien, gegen den Antragsgegner Dipl. Ing. Reinhard A*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 46a Abs 4 MRG, über den „Rekurs" und den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss und Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Oktober 2005, GZ 40 R 171/05a-34, mit welchem der „Zwischensachbeschluss" des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 26. April 2005, GZ 10 Msch 130/02k-29, teils aufgehoben und teils bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs (ON 36) und der „Rekurs" (ON 37) werden mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Die - schon damals anwaltlich vertretene - Antragstellerin hatte im Schlichtungsstellenverfahren mit der Behauptung, der Antragsgegner sei nicht zu Anhebung des Mietzinses gemäß § 46a MRG ab 1. 1. 1996 berechtigt gewesen, (ausschließlich) beantragt, „es möge der Antragsgegner verpflichtet (und schuldig) erkannt werden, der Antragstellerin den Betrag von S 203.590,80 samt stufenweisen Zinsen" zu zahlen.

In ihrem Abziehungsantrag formulierte die Antragstellerin vor dem Erstgericht folgende als „Antrag" bezeichnete Begehren:

„1. Das Gericht möge feststellen, dass die seit 1. 1. 1996 vom Antragsgegner vorgenommene Mietzinserhöhung gemäß § 46a iVm § 12a MRG unzulässig ist:

2. Das Gericht möge den Antragsgegner gemäß § 37 Abs 4 MRG verhalten, den unzulässigerweise vorgeschriebenen und eingehobenen Betrag samt Zinsen binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zurückzubezahlen."

Im Rahmen der Antragsbegründung brachte die Antragstellerin zum Ausdruck, die Rückzahlung der seit 1. 1. 1996 bezahlten, aus der vermeintlich rechtswidrig vorgenommenen § 46a MRG-Erhöhung resultierenden Mietzinsteilbeträge zu begehren (ON 1; insb S. 4 f), welchen Betrag sie vor dem Erstgericht zuletzt mit 6.035,14 Euro s.

A. bezifferte (S. 6 in ON 11). Bei der mündlichen Verhandlung am 7. 12. 2004 stellte die Antragstellerin den „Zwischenantrag auf Feststellung dahingehend, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die 15-tel Anhebung nach § 46a Abs 4 MRG nicht vorliegen". Das Erstgericht erkannte mit seiner als „Zwischensachbeschluss" bezeichneten Entscheidung, dass es

1. den Antrag, der Antragsgegner möge verpflichtet „und schuldig" erkannt werden, der Antragstellerin den Betrag von S 203.590,80 samt stufenweisen Zinsen zu bezahlen, zurückwies und

2. den Zwischenantrag auf Feststellung, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die 15-tel Anhebung nach § 46a Abs 4 MRG nicht vorlägen, abwies.

Rechtlich erwog das Erstgericht, das im Schlichtungsstellenverfahren allein gestellte Leistungsbegehren sei im streitigen Rechtsweg zu beurteilen und daher zurückzuweisen, während das im Abziehungsantrag enthaltene geänderte Begehren mangels vorheriger Anrufung der Schlichtungsstelle nicht zu berücksichtigen sei. Das Begehren auf (Zwischen-)Feststellung des Fehlens der Voraussetzungen für die 15tel-Anhebung nach § 46a Abs 4 MRG sei abzuweisen gewesen, weil diese Voraussetzungen vorlägen.

Das Rekursgericht

hob 1. mit Beschluss aus Anlass des Rekurses Punkt 2. der erstgerichtlichen Entscheidung (Abweisung des [Zwischen-]Feststellungsantrags) auf und wies diesen Antrag (nicht ab, sondern) zurück und

gab 2. mit Sachbeschluss dem Rekurs der Antragstellerin gegen Punkt 1. der erstgerichtlichen Entscheidung (Zurückweisung des Leistungsbegehrens) nicht Folge.

Rechtlich pflichtete das Rekursgericht dem Erstgericht dahin bei, dass das von der Antragstellerin im Schlichtungsstellenverfahren erhobene, allein auf Rückforderung überhöhter Mietzinse gerichtete Begehren nicht im Außerstreitverfahren zu entscheiden sei. Zwar verstehe sich der Leistungsbefehl gemäß § 37 Abs 4 MRG als Annex zum Antrag auf Feststellung der gesetzmäßigen Voraussetzungen der Mietzinsvorschreibung, doch sei umgekehrt dem Leistungsbegehren kein Feststellungsantrag immanent und ein solcher im Schlichtungsstellenverfahren nicht erhoben worden. Für das bloße Leistungsbegehren sei daher der gewählte Rechtsweg nicht zulässig. Da aber kein gemäß § 37 MRG in die Kompetenz des Außerstreitrichters fallender Mietzinsüberprüfungsantrag vorliege, sei auch der Zwischenfeststellungsantrag unzulässig und nicht inhaltlich zu prüfen, sondern zurückzuweisen.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 Euro und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Gegen Punkt 1. der Entscheidung des Rekursgerichts (Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags) richtet sich das als „Rekurs" bezeichnete Rechtsmittel (ON 37) der Antragstellerin mit dem Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund, in eventu auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Zwischenfeststellungsantrags.

Der Antragsgegner erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, den Rekurs der Antragstellerin zurück-, in eventu abzuweisen. Gegen Punkt 2. der Entscheidung des Rekursgerichts (Bestätigung der Zurückweisung des Leistungsbegehrens) richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund, in eventu auf Abänderung im Sinn der Verpflichtung des Antragsgegners zur Bezahlung des sich aus der gesetzwidrig vorgenommenen Mietzinserhöhung seit 1. 1. 1996 ergebenden Betrags.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF unzulässig:

1. Zum „Rekurs" (ON 37) der Antragstellerin gegen Punkt 1. der Entscheidung des Rekursgerichts (Zurückweisung des Zwischenfeststellungsantrags):

1.1. Für die Beurteilung der vom Antragsgegner bezweifelten Zulässigkeit dieses Rechtsmittels ist § 62 AußStrG nF iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG idF des WohnAußStrBeglG maßgeblich:

§ 62 AußStrG nF erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht etwa nur das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung, sondern regelt schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" (vgl 8 Ob 9/06s). Ein solcher Beschluss kann im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG) bei einem - wie hier vom Rekursgericht ausgesprochen - 10.000 Euro übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF angefochten werden. Im AußStrG nF gibt es demnach keine dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Regelung, sodass auch Beschlüsse, die einen Antrag ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückweisen, nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage anfechtbar sind (Fucik/Kloiber, § 62 AußStrG Rz 2; vgl 5 Ob 185/05z; 8 Ob 9/06s). Der „Rekurs" (nach der Diktion des AußStrG nF richtig: Revisionsrekurs) der Antragstellerin ist daher weder jedenfalls zulässig, noch - wie der Antragsgegner zu meinen scheint - jedenfalls unzulässig, sondern (nur) unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF zulässig.

1.2. Die Antragstellerin macht in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, dass an die Bestimmtheit von Anträgen in außerstreitigen Verfahren keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften. Ihr vor der Schlichtungsstelle erhobenes Leistungsbegehren habe seine Grundlage in einer gesetzwidrigen Mietzinsvorschreibung, weshalb diesem auch ein entsprechender Feststellungsantrag immanent sei. Diese Frage hätte zumindest in der mündlichen Verhandlung erörtert werden müssen. Überdies bestehe zwischen Leistungs- und Feststellungsbegehren ein derart enger Zusammenhang, dass auch erst im Verfahren vor Gericht die Ausdehnung um ein Feststellungsbegehren zulässig gewesen sei. Ihr Zwischenfeststellungsantrag hätte daher inhaltlich behandelt werden müssen.

1.3. Die Frage, welches Begehren ein Antrag enthält und wie der Antrag zu verstehen ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und bildet idR keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0044273 [T52]). Die - schon damals anwaltlich vertretene - Antragstellerin hat vor der Schlichtungsstelle behauptet, der Antragsgegner sei nicht zur Anhebung des Mietzinses gemäß § 46a MRG ab 1. 1. 1996 berechtigt gewesen, und sodann ausschließlich beantragt, dieser „möge (....) verpflichtet (und schuldig) erkannt werden, der Antragstellerin den Betrag von S 203.590,80 samt stufenweisen Zinsen" zu zahlen. Ein bestimmtes Vorbringen der Antragstellerin, aus welchem auch nur ansatzweise ein Antrag auf Mietzinsüberprüfung konkret abzuleiten gewesen wäre, zeigte diese nicht auf. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen keine solche Antragstellung zu erkennen vermochte, dann stellt dies jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste.

1.4. Soweit die Antragstellerin Erörterungs- und Anleitungspflichten reklamiert, betreffen diese das Verfahren erster Instanz; angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz können aber (auch) im neuen Außerstreitverfahren jedenfalls nicht erfolgreich mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (5 Ob 203/05x).

1.5. Der von der Antragstellerin erkannte „denknotwendige" Zusammenhang zwischen Feststellungsantrag und Zahlungsbegehren, der eine nachträgliche Antragsausdehnung vor Gericht erlauben soll, besteht im vorliegenden Zusammenhang nicht. Erst ein Antrag auf Mietzinsüberprüfung erlaubt iVm § 37 Abs 4 MRG die Verpflichtung des Bestandgebers zur Zahlung. Die von der Antragstellerin dazu ins Treffen geführte Entscheidung 5 Ob 144/02s betrifft keinen vergleichbaren Sachverhalt; dort ist überdies ein innerer Zusammenhang zwischen den vom Vermieter in einem Verfahren nach § 6 MRG (§ 37 Abs 1 Z 2 MRG) verlangten Erhaltungsarbeiten und einem Entschädigungsanspruch des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG (§ 37 Abs 1 Z 5 MRG), welcher das Erfordernis der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle für ein Entschädigungsbegehren entfallen lasse, gerade verneint worden. Wenn das Rekursgericht den im Abziehungsantrag erstmals erhobenen Mietzinsüberprüfungsantrag wegen fehlender Anrufung der Schlichtungsstelle und folglich auch den Zwischenfeststellungsantrag - mangels Präjudizialität für einen zulässigen Hauptantrag - für unzulässig erachtete, so vermag die Antragstellerin darin keine erhebliche Verkennung der Rechtslage aufzuzeigen. Gleiches gilt überdies für die Zusatzbegründung des Rekursgerichts, wonach bei Zulässigkeit des Mietzinsüberprüfungsantrags dem gleichlautenden Zwischenfeststellungsantrag keine weitergehende Wirkung zukommen könne, und letzterer dann aus diesem Grund unzulässig wäre. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF ist daher der „Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs; ON 37) der Antragstellerin zurückzuweisen.

2. Zum außerordentliche Revisionsrekurs (ON 36) der Antragstellerin gegen Punkt 2. der Entscheidung des Rekursgerichts (Zurückweisung des Leistungsbegehrens):

2.1. Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr Zahlungsbegehren sei ein Anspruch, welchen sie aus § 46a MRG ableite und daher ein solcher gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG, worüber im Außerstreitverfahren zu entscheiden sei.

2.2. Gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG ist über Anträge auf Überprüfung des begehrten Hauptmietzinses (ua) im Fall der Anhebung nach § 46a MRG nach den allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit den in § 37 Abs 3 MRG genannten Besonderheiten zu entscheiden. Die Ansicht des Rekursgerichts, wonach für die selbstständige Rückforderung zuviel gezahlten Mietzinses - unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs 4 MRG - nur der streitige Rechtsweg zur Verfügung stehe, entspricht der stRsp des erkennenden Senats (RIS-Justiz RS0083808 [insb T4]); davon abweichende Judikatur und beachtliche Gegenargumente zeigt die Antragstellerin nicht auf. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nF ist auch der Revisionsrekurs (ON 36) der Antragstellerin unzulässig und zurückzuweisen.

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