Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.202,69 (darin enthalten EUR 200,45 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu bezahlen.
Text
Begründung
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten, dem diese Entscheidung am 24. 10. 2001 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 12. 11. 2001 erhob der Beklagte dagegen „Einspruch"; dieser Schriftsatz wurde ihm mit dem Auftrag zurückgestellt, ihn binnen drei Wochen, entweder mittels Unterfertigung durch einen frei gewählten Rechtsanwalt oder durch einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang unter Anschluss eines vollständig und richtig ausgefüllten Vermögensbekenntnisses zu verbessern. Nach der Aktenlage erfolgte die Zustellung dieses Verbesserungsauftrags am 19. 11. 2001 durch Hinterlegung.
Außerhalb der ihm gesetzten dreiwöchigen Verbesserungsfrist, nämlich am 11. 12. 2001, beantragte der Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang, also auch die Beigebung eines Verfahrenshelfers (ON 31). Das Erstgericht gab diesem Antrag statt (ON 32) und der nunmehrige Beklagtenvertreter wurde zum Verfahrenshelfer bestellt (ON 33). Zugleich mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses wurde dem Verfahrenshelfer am 3. 1. 2002 eine Ausfertigung des Ersturteils übermittelt. Am 23. 1. 2002 erhob der Beklagte, vertreten durch den Verfahrenshelfer, Berufung gegen das Ersturteil (ON 36).
Das Berufungsgericht wies diese Berufung zurück und sprach aus, dass der „ordentliche Revisionsrekurs" nicht zulässig sei. Die Berufung sei verspätet. Sie sei nicht innerhalb der Berufungsfrist erhoben worden; auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei weder innerhalb der Berufungs- noch der Verbesserungsfrist gestellt worden. Damit sei das angefochtene Ersturteil bereits vor Einbringung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in Rechtskraft erwachsen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten verbunden mit einem subsidiär zu behandelnden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Vorgebracht wird, die Zustellung des Verbesserungsauftrags an den Beklagten sei in ungesetzlicher Weise erfolgt, da er seinen Aufenthalt nicht an der Zustellanschrift, sondern in der Wohnung einer Bekannten gehabt habe; erst am 10. 12. 2001 habe er zufällig vom Verbesserungsauftrag Kenntnis erlangt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist - ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (1 Ob 332/99a mwN). Er ist jedoch nicht berechtigt:
Wer ein Rechtsmittel erhoben hat, kann sich dagegen zur Wehr setzen, dass es als verspätet zurückgewiesen wurde, wenn die Annahme der Verspätung auf einer unrichtigen Auslegung der Verfahrensgesetze beruht (1 Ob 190/99v mwN). Mit seinem Vorbringen behauptet der Beklagte das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes, nämlich dass ihm durch einen ungesetzlichen Zustellvorgang die Möglichkeit entzogen worden sei, seinen als Berufung zu wertenden „Einspruch" fristgerecht zu verbessern und sohin „vor Gericht zu verhandeln" (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO).
Das Erstgericht stellte über Anregung des Berufungsgerichts Erhebungen über die ordnungsgemäße Zustellung des Verbesserungsauftrags zwecks Feststellung der behaupteten Nichtigkeit an und zog diesen Erhebungen bzw Beweisaufnahmen nunmehr die Parteien bei (§ 509 Abs 3 ZPO). Die Ergebnisse dieser Erhebungen bzw Beweisaufnahmen sind zur Feststellung der prozessual relevanten Tatsachen vom Obersten Gerichtshof zu verwerten (Zechner in Fasching IV/I² § 509 Rz 8). Es resultieren daraus folgende Tatsachen:
Der Zusteller nahm nach einem erfolglosen Zustellversuch die Zustellung des Verbesserungsauftrags am 19. 11. 2001 durch Hinterlegung vor. Dabei hatte er Grund zur Annahme, dass sich der Beklagte regelmäßig an der Abgabestelle aufhielt. Der Zusteller hinterließ eine schriftliche Verständigung im Hausbrieffach des Beklagten, die u.a. einen Hinweis auf den Beginn der Abholfrist mit 19. 11. 2001 enthielt. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beklagte während der Hinterlegungsfrist regelmäßig nicht an der Abgabestelle aufhielt, sondern bei einer Bekannten gewohnt hätte.
Diese Tatsachen ergeben sich aus den Angaben des Postzustellers sowie der (ehemaligen) Bekannten des Beklagten, die sich daran erinnerte, der Kläger habe sich im November 2001 zumindest „zeitweise" in seiner Wohnung (also an der Abgabestelle) aufgehalten. Nur dann, wenn dies nicht der Fall gewesen sei, wäre er bei ihr gewesen. Dadurch sind die gegenteiligen Angaben des Beklagten, er habe seit Sommer 2001 seine Wohnung nicht bewohnt, eindeutig widerlegt. Die weiteren Angaben des Beklagten sind zudem vage und auch in sich mehrfach widersprüchlich: So zum Beispiel, wenn er sich erinnern will, er habe den Brief „später" von der Post abgeholt, nachdem er zufällig von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangt habe, möglicherweise hätten ihm auch seine Mutter oder seine Freundin die Post gebracht (ON 57). Dies steht wieder nicht im Einklang damit, dass er die Unwirksamkeit der Zustellung auch damit zu begründen versucht, „um den 20. 11. 2001 tätlich angegriffen und derart misshandelt worden zu sein, dass er pflegebedürftig gewesen und erstmals am 11. 12. 2001 gesundheitlich in der Lage gewesen sei, die hinterlegte Sendung zu beheben, gleichzeitig an anderer Stelle aber angibt, „bis Mitte November" verletzt gewesen zu sein. Diese Widersprüchlichkeiten müssen zu Ungunsten des Beklagten ausschlagen. Ungeachtet dessen, dass Nichtigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen sind, trifft denjenigen, der die Nichtigkeit behauptet, eine gewisse Mitwirkungsobliegenheit, wenn er behauptet, dass eine Zustellung infolge Ortsabwesenheit nicht gesetzmäßig erfolgt sei. Auch wurde bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Rechtssatz, ein Rechtsmittel habe bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, dann nicht gilt, wenn ein Rückschein vorliegt, der als öffentliche Urkunde vollen Beweis macht, wobei dem Rechtsmittelwerber aber der Gegenbeweis von Unrichtigkeiten in der Beurkundung der Zustellung offen steht (5 Ob 541/89). Im vorliegenden Fall gelang es dem Beklagten nicht, glaubhaft zu machen, er hätte nicht die Möglichkeit gehabt, der Hinterlegungsanzeige Folge zu leisten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich an der Abgabestelle iSd § 17 Abs 1 ZustG regelmäßig aufhielt, indem er - von kurzfristigen Abwesenheiten in der Wohnung seiner Bekannten abgesehen - immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrte (SZ 57/141; SZ 60/74). Sein am 11. 12. 2001 bei Gericht überreichter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses ist daher - wie bereits das Rekursgericht aussprach - verspätet und gilt nicht als rechtzeitig eingelangte Verbesserung der Eingabe vom 12. 11. 2001.
Dem Rekurs des Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.
Über den subsidiär gestellten Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist wird das Erstgericht zu entscheiden haben (Gitschthaler in Rechberger, ZPO², § 149 Rz 9 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Für jene Tagsatzungen vor dem ersuchten Richter, bei denen die Durchführung der Beweisaufnahme wegen Nichterscheinens der zu vernehmenden Person unterblieben ist, war statt der verzeichneten Gebühr nach TP 3A nur TP 2 zuzusprechen (TP 2 II 1 lit e RATG).
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