Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
1. Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit dem Zahlungsbegehren der Klägerin stattgegeben wurde, als Teilurteil bestätigt. Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Endentscheidung vorbehalten.
2. Im Übrigen, somit in den Aussprüchen über das Räumungsbegehren und in der Kostenentscheidung, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit „Pachtvertrag" vom 1. 8. 1997 nahmen die Beklagten von der Klägerin einen 100 Jahre alten, stillgelegten, aus Steingemäuer errichteten Bauernhof in Bestand. Vor Abschluss des Vertrages hatten die Beklagten das aus dem Wohngebäude, einem Teil des Wirtschaftsgebäudes und ca 2 ha Grünfläche bestehende Bestandobjekt mehrmals besichtigt. Die Böden, Trennwände, Decken und Umfassungswände des Wohngebäudes wiesen einen altersgemäßen, erkennbar abgenützten Zustand auf. Das Haus war für Wohnzwecke geeignet und entsprach dem ortsüblichen Standard eines 100 Jahre alten Bauernhauses „am Ende seiner Lebensdauer". Bei der zum Wohngebäude führenden Außenstiege war wegen eines Frostschadens eine Stufe nur zu einem Drittel oder Viertel begehbar. Links vom Eingang befand sich ein Abstellraum mit grob verputzten Wänden und einer unverputzten Fertigteildecke. Auf dem Dachboden wies eine Luke zum Hof, die früher zum Einbringen von Heu und Stroh verwendet wurde und mittels Matratzen und einer Holzverschalung verschlossen war. Laut Vertrag verpflichteten sich die Beklagten, „während des Pachtverhältnisses das Pachtobjekt ordnungsgemäß zu bewirtschaften und alles in ihren Kräften stehende vorzukehren, dass der Zustand des Pachtobjektes nicht verschlechtert wird". Ab Sommer 1998 wurde das Gebäude von den Beklagten ganzjährig bewohnt. Bis einschließlich Mai 2003 zahlten sie den monatlichen Bestandzins von zuletzt EUR 610,65 vorbehaltlos in voller Höhe. Ab Juni 2003 beriefen sie sich auf das Recht zur Mietzinsminderung und überwiesen monatlich nur noch EUR
290. Der Gebrauch des Hauses ist mit Ausnahme der eingeschränkt begehbaren Stufe nicht beeinträchtigt.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 10. 11. 2003 eingebrachten Klage die Zahlung des seit Juni 2003 aushaftenden Bestandzinses in Höhe von zuletzt EUR 6.733,65 sA und die Räumung des Bestandobjektes. Die Beklagten wandten ein, es liege ein dem Vollanwendungsbereich des MRG unterstehendes Mietverhältnis vor. Die Klägerin treffe daher die Erhaltungspflicht für das Bestandobjekt. Außerdem habe sie sich gegenüber den Beklagten durch Vereinbarung verpflichtet, bis 21. 9. 1998 in den Raum links neben dem Eingang ein Badezimmer einzubauen, den Stiegenaufgang zum Wohngebäude zu sanieren und in die Öffnung am Dachboden ein Fenster einzubauen. Die Beklagten hätten den Mietzins bis Mai 2003 nur deshalb bezahlt, weil die Klägerin stets versichert habe, das Bestandobjekt in einen brauchbaren Zustand zu versetzen. Es bestehe der Anspruch auf Mietzinsminderung, wobei dem Zahlungsbegehren der Klägerin die im Zeitraum vom 1. 10. 1998 bis 31. Mai 2003 zuviel bezahlten Beträge von EUR 16.317,26 aufrechnungsweise entgegengehalten werden würden. An einem allfälligen Mietzinsrückstand treffe die Beklagten kein grobes Verschulden, da ihr Prozessstandpunkt weder mutwillig noch aussichtslos sei. Am Ende der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 10. 2. 2005 verkündete die Erstrichterin, dass das Verfahren „hinsichtlich der Fassung eines Teilurteiles über den Mietzinsrückstand gemäß § 33 Abs 2 MRG" spruchreif sei, ferner den Schluss der Verhandlung und dass das Teilurteil schriftlich ergehe.
Entgegen dieser Ankündigung gab das Erstgericht dem Klagebegehren einschließlich des Räumungsbegehrens mit Endurteil statt. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und traf noch folgende für die Entscheidung bedeutsame Feststellungen:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin zugesagt hat, den Raum links des Einganges (Abstellraum) in einen bewohnbaren Zustand zu bringen, insbesondere ein Bad einzubauen oder die erforderlichen Anschlüsse herzustellen."
„Eine Vereinbarung, wonach die Klägerin verpflichtet war, in diese Luke (am Dachboden) ein Glasfenster einzubauen, kann nicht festgestellt werden."
Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass das einheitliche Bestandverhältnis als Mietvertrag zu beurteilen sei und wegen des überwiegenden Wohnzwecks dem Kündigungsschutz des MRG unterliege. Da der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF verwirklicht sei, kämen die Bestimmungen des MRG über die Erhaltungspflicht des Vermieters nicht zur Anwendung. Ein Mietzinsminderungsanspruch stehe den Beklagten nicht zu, weil der ihnen bei Vertragsabschluss bekannte und von ihnen akzeptierte Zustand des Gebäudes dem vertraglich gebührenden Standard entspreche, dem auch bei der Bemessung des Mietzinses Rechnung getragen worden sei. Ab Juni 2003 habe sich der Zustand des Hauses nicht verschlechtert, die Gebrauchsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Für den davor gelegenen Zeitraum hätten die Beklagten auf allfällige Mietzinsminderungsansprüche durch die vorbehaltlose Bezahlung des Mietzinses überdies verzichtet, weshalb die Gegenforderung nicht berechtigt sei. Eines Teilurteiles gemäß § 33 Abs 2 und 3 MRG bedürfe es nicht, weil das Beharren der Beklagten auf ihrem Standpunkt ohne bedeutsame Gebrauchseinschränkung grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Mietzinses begründe. Sie hätten den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, bestätigte im Übrigen das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe eines dreigliedrigen Spruches und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nach Beweisergänzung traf es eine weitere Negativfeststellung zur von den Beklagten behaupteten Vereinbarung über die Sanierung des Stiegenaufganges und verneinte das Vorliegen der (unter anderem) in der Unterlassung der Fällung eines Teilurteiles erblickten Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz. In rechtlicher Hinsicht teilte es in allen relevanten Punkten die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision aus, dass es von „einer ständigen Judikatur und Literatur" nicht abgewichen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum groben Verschulden eines im Zahlungsrückstand befindlichen Mieters abgewichen ist; sie ist auch teilweise berechtigt.
Die Beklagten machen geltend, es läge kein grobes Verschulden vor, wenn die Feststellung der von ihnen behaupteten Vereinbarung mit der Vermieterin nur an der richterlichen Beweiswürdigung gescheitert sei. Es hätte daher zwingend mit Teilurteil über das Zahlungsbegehren entschieden werden müssen. Außerdem unterliege das Bestandverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG, sodass die Vermieterin schon von Gesetzes wegen zu den Sanierungsmaßnahmen verpflichtet gewesen wäre. Schließlich sei das Räumungsbegehren unschlüssig geblieben.
Hiezu wurde erwogen:
Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das zwischen den Streitteilen bestehende Bestandverhältnis ungeachtet der Bezeichnung als „Pachtvertrag" Miete und zwar - im Hinblick auf die selbständige Bedeutung der gemieteten Räumlichkeiten (RIS-Justiz RS0069482; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 1 MRG Rz 32 mwN) - Raummiete ist. Unstrittig ist ferner, dass auf das Mietverhältnis (jedenfalls) die kündigungsrechtlichen Bestimmungen des MRG anzuwenden sind.
Darüber hinaus ist den Beklagten zuzugestehen, dass eine Vermutung für die Vollanwendung des MRG besteht, die nur durch den Nachweis eines Ausnahmetatbestandes widerlegt werden kann (RIS-Justiz RS0069235). Die volle Behauptungs- und Beweislast trifft dabei denjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft, hier also die Klägerin. Dies gilt auch für den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG idF vor MRN 2001 (2 Ob 104/99d = wobl 2000/115 [Prader]; RIS-Justiz RS0069251 [T2]). Dieser Ausnahmetatbestand setzt voraus, dass - von nachträglichen Dachbodenausbauten abgesehen - neben höchstens zwei selbständigen Wohnungen keine weiteren einer selbständigen Vermietung zugänglichen Räume vorhanden sind (RIS-Justiz RS0069367, RS0069389, RS0112564). Es sollten diejenigen Gebäude vom Geltungsbereich bestimmter Teile des MRG ausgenommen werden, die zur Befriedigung der persönlichen Wohnbedürfnisse einer oder höchstens zweier Familien errichtet worden sind (5 Ob 141/95; 2 Ob 104/99d ua). In diesem Zusammenhang hat sich der Oberste Gerichtshof auch schon mehrfach mit der Ausnahmequalität aus Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bestehender, (ehemals) landwirtschaftlich genutzter Objekte befasst (vgl 5 Ob 593/90 = wobl 1991/12; 5 Ob 74/91 = wobl 1992/104; 5 Ob 134/92 = wobl 1993/80; 5 Ob 141/95).
Die Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF erwiesen sind oder ob das Mietverhältnis der vollen Anwendung des MRG unterliegt, kann aber letztlich auf sich beruhen. Selbst wenn, wie die Beklagten meinen, letzteres zu bejahen wäre und sich die Erhaltungspflicht der Klägerin nach § 3 MRG bestimmen würde, käme ihnen kein Recht zur Minderung des Mietzinses zu. Für das Eintreten der Zinsminderung kommt es darauf an, ob der bedungene Gebrauch des Bestandobjektes gänzlich oder teilweise beeinträchtigt ist (Würth in Rummel, ABGB³ § 1096 Rz 10; Binder in Schwimann, ABGB³ V § 1096 Rz 97; Iro in KBB § 1096 Rz 9). Eine Zinsbefreiung oder Zinsminderung ist ausgeschlossen, wenn der Mieter trotz Kenntnis der seinen Gebrauch hindernden Umstände vorbehaltlos den Bestandvertrag abgeschlossen oder das Bestandobjekt übernommen hat (RIS-Justiz RS0020799, RS0021408; Iro in KBB § 1096 Rz 11). Dies trifft nach den Feststellungen auf sämtliche der von den Beklagten noch als gebrauchshindernd relevierten Umstände zu. Die behauptete Sanierungsvereinbarung vermochten sie aber nicht unter Beweis zu stellen. Das der Höhe nach im Übrigen unstrittige Zahlungsbegehren der Klägerin erweist sich somit ungeachtet der vollen oder nur teilweisen Anwendbarkeit des MRG auf das Bestandverhältnis als berechtigt.
Zu Recht wenden sich die Beklagten jedoch gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach ihnen in Ansehung des Zahlungsrückstandes grobes Verschulden anzulasten sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist in einem wegen Räumung und Zahlung des Mietzinsrückstandes geführten Rechtsstreit über den behaupteten Zahlungsrückstand gemäß § 33 Abs 2 und 3 MRG zwingend mit Teilurteil zu entscheiden (RIS-Justiz RS0111942, zuletzt 7 Ob 306/05h mwN) und zwar auch dann, wenn zwar die Höhe des Mietzinsrückstandes nicht strittig ist, der Mieter aber behauptet, er sei nach § 1096 ABGB von der Mietzinszahlung ganz oder teilweise befreit (7 Ob 306/05h mwN; RIS-Justiz RS0070404). Eines Teilurteiles bedarf es nur dann nicht, wenn grobes Verschulden vorliegt oder wenn der mit dem Beweis für das Fehlen groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand belastete Mieter (RIS-Justiz RS0069316) nicht einmal entsprechende Behauptungen aufgestellt hat (vgl 1 Ob 11/04f mwN; RIS-Justiz RS0070349 [T4]).
Zweifel über die wahre Rechtslage können in der Regel nur leichte Fahrlässigkeit begründen (6 Ob 214/05x; RIS-Justiz RS0070327). In der bereits zitierten Entscheidung 7 Ob 306/05h ging der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur überdies davon aus, dass auch die Fehleinschätzung der Beweislage grundsätzlich kein grobes Verschulden begründe. Der beklagte Mieter, der sich im damaligen Anlassfall mit der Behauptung ortsunüblicher und unzumutbarer Lärmbelästigung durch einen anderen Mieter auf das Recht zur Mietzinsminderung berufen hatte, habe nicht absehen können, welche Feststellungen das Erstgericht treffen werde. Von einer schikanösen Rechtsausübung könne angesichts der getroffenen Negativfeststellung keine Rede sein.
Im Lichte dieser Entscheidung ist der in der Revision vertretenen Rechtsansicht der Beklagten zuzustimmen. Es liegt kein grobes Verschulden vor, wenn die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich vertraglich verpflichtet, das Bestandobjekt durch bestimmte Sanierungsarbeiten in einen entsprechenden Gebrauchszustand zu versetzen, nach Durchführung eines langwierigen Beweisverfahrens letztlich nicht als erwiesen erachtet und darüber eine Negativfeststellung getroffen wird. Es liegen daher die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fällung eines Teilurteiles über das Begehren auf Zahlung des aushaftenden Mietzinses vor, während über das Räumungsbegehren vorerst noch nicht entschieden werden kann. Wenngleich das Berufungsgericht den in einem Verstoß gegen § 33 Abs 2 und 3 MRG erblickten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens - unter Hinweis auf seine rechtliche Beurteilung (der Verschuldensfrage) - verneinte und dieser Verfahrensmangel in der Revision im Allgemeinen nicht mehr geltend gemacht werden kann (8 Ob 2298/96s; 9 Ob 315/00i; 9 Ob 14/04f), so gilt dieser Grundsatz nicht, wenn die Verneinung des Verfahrensmangels auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht (vgl RIS-Justiz RS0043051). Der Oberste Gerichtshof ist dann nicht gehindert, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen selbst mit Teilurteil über das Zahlungsbegehren zu entscheiden. Geht es doch bei der Prüfung des Verschuldensgrades stets um die Lösung einer grundsätzlich revisiblen Rechtsfrage, mit der im Falle des § 33 Abs 2 und 3 MRG die Fällung eines Teilurteiles als verfahrensrechtliche Konsequenz untrennbar verbunden ist. Das in der Revisionsbeantwortung erstattete Sachvorbringen, die Beklagten hätten in der Zwischenzeit das Mietverhältnis aufgekündigt, verstößt gegen das gemäß § 504 Abs 2 ZPO im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot und ist daher auch insoweit unbeachtlich, als damit das vermeintliche Fehlen „jeglicher Beschwer" der Beklagten dargetan werden soll.
In teilweiser Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Zahlungsbegehren als Teilurteil zu bestätigen, die Aussprüche über das Räumungsbegehren jedoch aufzuheben und insoweit dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen. Dieses wird hiebei erforderlichenfalls auch zu beurteilen haben, ob dem Spruch - etwa hinsichtlich des vom Bestandverhältnis ausgenommenen „Ausnahmehauses" - eine deutlichere Fassung zu geben ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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