OGH 5Ob134/92

OGH5Ob134/9229.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Luise F*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider den Antragsgegner Herbert G*****, vertreten durch Dr.Julius Brändle und Dr.Karl Schelling, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen die Entscheidung des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 22.Jänner 1992, GZ 1 b R 12/92-10, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 5.Dezember 1991, GZ 2 Nc 874/91-6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt wird.

Der Antrag des Antragsgegners auf Zuspruch von Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer des Hauses ***** in D*****. Es handelt sich um ein Bauernhaus, das im Jahre 1927 errichtet wurde. Im Jahre 1946 baute der frühere Eigentümer in die Tenne eine Garage ein, im Jahre 1960 eine Wohnung. Der Antragsgegner vermietete im Oktober 1985 das ganze Haus an die Antragstellerin zu einem Mietzins von monatlich S 12.000,- inklusive Umsatzsteuer.

Die Antragstellerin brachte vor, das Bestandobjekt bestehe aus vier Wohnungen und falle daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG. Mietzinsvereinbarungen seien daher nur bis zur Höhe des sogenannten Kategoriemietzinses (§ 16 Abs 2 MRG) zulässig.

Die Antragstellerin begehrte daher

1.) den Ausspruch, daß auf Grund der Beschaffenheit des Bestandobjektes Vereinbarungen, welche über den Kategoriemietzins hinausgehen, unzulässig seien, und

2.) die Ermittlung des Kategoriemietzinses für das von ihr in Bestand genommene Objekt.

Der Antragsgegner wendete ein, das Bestandobjekt habe im Zeitpunkt der Vermietung bloß aus zwei selbständigen Wohnungen bestanden.

Das Erstgericht wies die Anträge der Antragstellerin ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Bei dem von der Antragstellerin im Jahre 1985 gemieteten Haus handelt es sich um ein im Jahre 1927 errichtetes Bauernhaus, das damals aus dem Wohnteil und einer Tenne bestand. Es war offensichtlich für die Eigentümerfamilie gedacht.

Im Jahre 1946 ließ der damalige Eigentümer in die Tenne eine Garage einbauen.

Im Jahre 1960 wurde in den Stadl eine Wohnung eingebaut. Seit diesem Zeitpunkt umfaßt das Haus folgende Räumlichkeiten:

a) Erdgeschoß:

Vorraum, Stiegenhaus, Ablageraum, geschlossene Veranda, Büro- oder Wohnraum, ein Wohnzimmer sowie Garage und Abstellraum (beide offensichtlich in der ehemaligen Tenne);

b) erstes Obergeschoß:

ein Vorraum, Stiegenhaus, zwei Wohnzimmer, eine Küche, eine Veranda, ein Badezimmer mit WC, wobei es sich um einen Raum mit Durchgang handelt (nicht geschlossene Wohneinheit, da man vom Stiegenaufgang getrennt in die drei Wohnräume gelangte);

ferner eine geschlossene Wohneinheit bestehend aus Vorraum, Küche, einen großen Zimmer und einen Badezimmer mit WC;

c) Dachgeschoß:

Neben dem Vorraum zwei leere Räume, welche zwei getrennte Türen vom Gang aus hatten.

Das vom Antragsgegner im Jahre 1984 oder 1985 gekaufte Haus war damals ein sehr gut renoviertes altes Bauernhaus, welches mit zwei Wohnungen ausgebaut war.

Nach Vermietung des so gestalteten Hauses im Oktober 1985 an die Antragstellerin ließ diese im Jahre 1987 verschiedene Um- und Einbauten mit Zustimmung des Antragsgegners und teilweise auch auf dessen Kosten (Material) durchführen. Durch diese Zu- und Umbauten besteht heute das Haus aus vier Wohnungen, und zwar einer nicht geschlossenen Wohneinheit im Erdgeschoß, einer nicht geschlossenen Wohneinheit im Obergeschoß, einer geschlossenen Wohneinheit im Obergeschoß sowie einer Dachbodenwohnung.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß zum Zeitpunkt der Vermietung des Hauses an die Antragstellerin lediglich zwei selbständige Wohnungen vorhanden gewesen seien, sodaß auf Grund der Bestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG die Vereinbarung eines den Kategoriemietzins nach § 16 Abs 2 MRG übersteigenden Hauptmietzinses zulässig sei.

Das Rekursgericht änderte Punkt 1.) des erstgerichtlichen Sachbeschlusses (Abweisung des Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit von Mietzinsvereinbarungen über die in § 16 Abs 2 MRG normierten Grenzen hinaus) in antragstattgebendem Sinn ab und hob Punkt 2.) des erstgerichtlichen Sachbeschlusses (betreffend Abweisung des Antrages auf Feststellung des zulässigen Kategoriemietzinses) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gegen Punkt 1.) nicht zulässig sei.

Zum Zeitpunkt der Vermietung hätten sich neben den zwei selbständigen Wohnungen noch weitere der Vermietung zugängliche Räume in dem Haus befunden, nämlich ein Büro- oder Wohnraum und ein Wohnzimmer im Erdgeschoß sowie zwei leere Räume im Dachgeschoß. Dies hätte zur Folge, daß das Haus nicht nur aus zwei selbständigen Wohnungen bestehe, sondern darüber hinaus noch andere vermietbare Räume umfasse. Dies schließe die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG aus. Demgemäß sei dem Feststellungsbegehren der Antragstellerin stattzugeben gewesen. Die Ermittlung des zulässigen Kategoriemietzinses werde vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu erfolgen haben.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses lägen bezüglich der abändernden Entscheidung nicht vor. Für einen Rechtskraftvorbehalt zum Aufhebungsbeschluß seien gleichfalls die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, diese Entscheidung dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt werde; hilfsweise stellte der Antragsgegner einen Aufhebungsantrag.

Die Antragstellerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes handelt es sich bei dem an die Antragstellerin vermieteten Haus um ein solches mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG, wie sich aus den Rechtsausführungen bei der sachlichen Erledigung des Rechtsmittels ergeben wird. Die Verkennung der Rechtslage durch das Rekursgericht hat die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zur Folge.

Nicht Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wäre an sich der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes betreffend die Ermittlung des zulässigen Kategoriemietzinses. Da aber bezüglich des Feststellungsantrages der Antragstellerin der abweisende Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird, ist damit dem mit dem Feststellungsantrag in untrennbarem Zusammenhang stehenden und nur im Falle der Stattgebung des Feststellungsantrages als dessen Folge sinnvollen Begehren auf Ermittlung der Höhe des Kategoriezinses die Grundlage entzogen. Es war daher sogleich auch diesbezüglich der abweisende erstgerichtliche Sachbeschluß wiederherzustellen.

b) Zur Sachentscheidung:

Es ist davon auszugehen, daß es sich zunächst um ein Bauernhaus, also den geradezu typischen Fall eines Hauses mit einer Wohnung handelte, bildet doch in einem solchen Fall das ganze Haus die einheitliche Wohnung für alle Familienangehörigen (samt allfälligem Dienstpersonal).

Später wurde aus der Tenne eine Garage und ein Abstellraum; es sind dies Räume, wie sie typischerweise zu einem Einfamilienhaus gehören können, ohne ihm deswegen den Charakter eines solchen zu nehmen. Daran ändert der Umstand nichts, daß Garagen an sich selbständig vermietbar sind. Schließlich kann von jedem selbständig zugänglichen Raum einer Wohnung die selbständige Vermietbarkeit nicht ausgeschlossen werden. Dennoch nimmt diese Tatsache allein dem Raum noch nicht die Eigenschaft, zu einer Wohnung zu gehören. Dies gilt im besonderen für selbständig zugängliche Abstellräume, wie es vor allem bei Häusern im ländlichen Bereich der Fall ist: Man denke nur an die Lagerung von Brennmaterial in großem Ausmaß, wozu leichte Zugänglichkeit von außen erforderlich ist. Eine Garage ist aber nichts anderes als ein Abstellraum mit besonderer Zweckwidmung, für den eben deswegen besondere Vorschriften bestehen. Daraus folgt, daß dieser Umbau nichts am Charakter des Einfamilienhauses änderte, also am Weiterbestehen eines Hauses mit nur einer Wohnung.

Später wurde unter Benützung des Stadels eine gegenüber den vorhandenen Räumen selbständige Wohnung in das Haus eingebaut. Ab diesem Zeitpunkt bestanden in dem Haus zwei selbständige Wohnungen, die neu eingebaute und die aus den seinerzeit vorhandenen Räumen gebildete und weiterbestehende. Es schadet nicht, daß sich diese Wohnung über mehrere Etagen erstreckt - wie es gerade bei Ein- und Zweifamilienhäusern oft der Fall ist - und daß einzelne Räume dieser Wohnung vom Stiegenhaus her selbständig zugänglich sind und daher (wie bereits oben gesagt wurde) auch selbständig vermietet werden könnten. Die Tatsache, daß einzelne Räume einer als Einheit konzipierten Wohnung auch für sich allein vermietbar wären, macht diese noch nicht zu weiteren einer Vermietung zugänglichen Räumen.

An diesem Zustand hatte sich bis zu dem für die Beurteilung, ob der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG verwirklicht ist, maßgebenden Zeitpunkt der Vermietung an die Antragstellerin (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 1 MRG Rz 52) nichts geändert. Nachträgliche, noch dazu über Wunsch der Antragstellerin vorgenommene Umbauten vermögen daran nichts zu ändern (s Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 1 MRG Rz 52 unter Hinweis auf MietSlg 37.234/33 und mit zutreffender Ablehnung der von Call-Tschütscher in Mietrechtsgesetz, 100 Fälle mit Lösungen, vertretenen Ansicht, Veränderungen zu Gunsten des Mieters würden jederzeit wirksam).

Das hat die Abweisung des Feststellungsantrages der Antragstellerin und damit die Wiederherstellung des (gesamten) erstgerichtlichen Sachbeschlusses zur Folge.

Die ausschließlich verzeichneten Anwaltskosten konnten dem obsiegenden Antragsgegner gemäß § 37 Abs 3 Z 19 erster Satz MRG nicht zugesprochen werden.

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