OGH 5Ob141/95

OGH5Ob141/9528.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Erich Z*****, vertreten durch Dr.Götz Schattenberg und Dr.Ernst Moser, Rechtsanwälte in 4020 Linz, wider die Antragsgegner Karl und Theresia H*****, vertreten durch Dr.Ernst Mayrhofer, Sekretär des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes, Spittelwiese 13/1, 4020 Linz, wegen Wiederherstellung des Mietgegenstandes gemäß § 7 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 3.August 1995, GZ 14 R 141/95-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 24.Mai 1995, GZ 17 Msch 5/95k-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsgegner sind (ua) Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Bauernhaus *****. Dieses teilweise unterkellerte Haus ist bzw war ein Vierkanthof mit zwei Wohnungen sowie einem aus Stall und Scheune bestehenden Wirtschaftstrakt.

Der Antragsteller hat in den 70er-Jahren die im ersten Stock des Hauses gelegene, ca 140 m2 große Wohnung gemietet (die Wohnung im Erdgeschoß steht offenbar seit 1993 leer). Als Nebenräume standen ihm ein Holzlager sowie eine Werkstätte im Scheunentrakt und ein Kellerraum zur Verfügung.

Am 8.5.1994 wurde der Vierkanthof durch einen Brand fast völlig zerstört. Aus der Auflistung der Branschäden ergibt sich, daß in der Scheune (Tenne) ein (offenbar für landwirtschaftliche Zwecke genutzter) Anhänger eingestellt war und ca 100 Rundballen Stroh gelagert waren. Daneben dürften sich in der Scheune ca 500 kg Heu befunden haben.

In ca 3 km Entfernung befindet sich auf einer anderen Liegenschaft ein weiteres Gebäude der Antragsgegner, in dem sie eine Putenfarm betreiben. Inwieweit der abgebrannte Vierkanthof den Betriebszwecken der Putenfarm gedient hatte, steht (noch) nicht fest; eine "aktive" Bewirtschaftung des zum Vierkanthof gehörigen landwirtschaftlichen Anwesens fand jedenfalls seit einiger Zeit (möglicherweise seit 1982) nicht mehr statt, sieht man von der vorhin erwähnten Nutzung der Scheune des Vierkanthofes für Lagerzwecke ab.

Mit der Behauptung, die Kosten des Wiederaufbaus seien durch die Brandschadenversicherung der Antragsgegner gedeckt (wobei allenfalls auch nur die Wiederherstellung des Wohntraktes vernünftig erschiene), hat der Antragsteller im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 4 MRG beantragt, den Antragsgegnern die Wiederherstellung seines Bestandobjektes im bisherigen Ausmaß und in der bisherigen Beschaffenheit innerhalb eines Jahres aufzutragen. Die Antragsgegner sind dazu nicht bereit und haben die Zurück- bzw Abweisung des Sachantrages begehrt.

Die Einwendungen der Antragsgegner wurden bisher nur insoweit erörtert, als sie sich auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG beriefen. Der Antragsteller hält dem im wesentlichen entgegen, daß sich im abgebrannten Bauernhof geschäftlich genutzte Räume befanden, die einer selbständigen Vermietung zugänglich gewesen seien. Überhaupt hätten der abgebrannte Bauernhof und die Putenfarm der Antragsgegner eine wirtschaftliche Einheit gebildet. Gleiches gelte für ein in unmittelbarer Nähe des Vierkanthofes stehendes Gebäude, das der Unterbringung mehrerer türkischer Gastarbeiterfamilien gedient habe.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges zurück. Es stützte sich dabei im wesentlichen auf den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, den es ohne mündliche Verhandlung aus der den Brandschaden betreffenden Strafanzeige des GPK Ansfelden und dem Parteivorbringen entnommen hatte. Manches davon ist unüberprüfbar und wurde daher nicht wiedergegeben, etwa der Hinweis, daß das (offenbar zur Unterbringung von Gastarbeitern verwendete) Nebengebäude nicht auf der zum Vierkanthof gehörigen Liegenschaft gestanden und mittlerweile abgerissen worden sei. In rechtlicher Hinsicht qualifizierte jedenfalls das Erstgericht den verfahrensgegenständlichen Vierkanthof als Wohnhaus mit lediglich zwei Wohnungen und dazugehörigen ehemaligen landwirtschaftlichen Nebenräumen, die nicht als "Geschäftsräume" angesehen werden könnten. Damit liege ein die Anwendung des § 7 MRG ausschließende Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG vor.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß der Sachantrag des Antragstellers - was schon das Erstgericht konsequenterweise hätte tun müssen - ab- statt zurückgewiesen wurde. Es verwarf die wegen der Unterlassung jeglicher Beweisaufnahmen erhobene Mängelrüge des Antragstellers, weil das unstrittige Parteivorbringen ausreichende Entscheidungsgrundlagen liefere, und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG komme eine Wiederherstellungspflicht des Vermieters nach § 7 Abs 1 MRG nur dann in Betracht, wenn sich das Bestandobjekt in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen befindet, wobei Wohnräume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen. Als Wohnung sei dabei nach der Verkehrsauffassung ein selbständiger und baulich in sich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen, der geeignet sei, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen. Räume, die als Wohneinheit zusammengefaßt vermietet wurden, gälten als eine Wohnung. Maßgebender Zeitpunkt für Mietverhältnisse, die - wie hier - bei Inkrafttreten des MRG schon bestanden hatten, sei der 1.1.1982 (WoBl 1993/79; MietSlg 38.263). Unter einem Wohnhaus könne grundsätzlich nur ein Gebäude verstanden werden, das zur Gänze Wohnzwecken gewidmet ist oder dessen Verwendung zu geschäftlichen Zwecken in den Hintergrund tritt (EvBl 1985/150; MietSlg 38.267). Das Vorhandensein von Geschäftsräumen in einem Wohnhaus sei auch dann unschädlich, wenn jene keiner selbständigen Vermietung zugänglich seien, also einen Bestandteil einer Wohnung bildeten. Von einer Wohnung oder einem Wohnhaus könne nur gesprochen werden, wenn der Wohnzweck eindeutig im Vordergrund stehe (WoBl 1992/104).

Entscheidende Frage im vorliegenden Fall sei daher, wie Bauernhöfe im Sinne dieser Ausführungen zu behandeln sind. Habe der OGH noch in seiner in MietSlg 24.413 veröffentlichten Entscheidung vom 12.4.1972, 7 Ob 93/72, ausgesprochen, daß der Landwirtschaft gewidmete Häuser nicht Wohnhäuser im Sinn des § 1 Abs 4 Z 2 MRG (richtig wohl: § 23 Abs 1 MG) seien, so gehe er in jüngeren Entscheidungen davon aus, daß ein Bauernhaus den geradezu typischen Fall eines Hauses mit einer Wohnung bilde, weil in diesem Fall das ganze Haus die einheitliche Wohnung für alle Familienangehörigen samt allfälligem Dienstpersonal darstelle (WoBl 1993/80; vgl. auch 6 Ob 643/94). Werde eine als Einheit konzipierte Wohnung geschaffen, schade es auch nicht, wenn einzelne Räume auch für sich vermietbar wären.

Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß das ursprünglich der Landwirtschaft gewidmete Bestandobjekt, das naturgemäß als Bauernhaus einen Wirtschaftstrakt bzw landwirtschaftliche Nebengebäude beinhalte, im Sinne der jüngeren Judikatur des OGH als Ein- bzw Zweifamilienhaus anzusehen sei. Da bei einem (aktiv bewirtschafteten) Bauernhof Gebäudeteile jedenfalls für die Landwirtschaft verwendet werden müßten, schade es auch nicht, wenn diese Teile nunmehr etwa zur Lagerung von Heu, Stroh u.ä. bzw zum Abstellen landwirtschaftlicher Geräte verwendet werden, auch wenn diese Landwirtschaft - wie im übrigen auch in dem in WoBl 1993/80 veröffentlichten Fall - nicht mehr bewirtschaftet werde, weil ein Bauernhof als Einheit konzipiert sei. Selbst wenn man somit von den Behauptungen des Antragstellers ausgehe, ändere dies nichts daran, daß es sich bei einem Vierkantbauernhof, dessen Wirtschaftstrakt allenfalls auch nachhaltig zu landwirtschaftlichen Zwecken, wenn auch im Zusammenhang mit einer anderen Landwirtschaft, genutzt wird, grundsätzlich um einen Mietgegenstand im Sinn des § 1 Abs 4 Z 2 MRG handle.

Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes seien unter "Haus" grundsätzlich alle vermieteten Teile eines Grundbuchskörpers zu verstehen. Eine Ausnahme von dieser Regel sei allerdings in den Fällen zu machen, in den mehrere Gebäude vorhanden sind, die zueinander nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache stehen und von denen jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Sache bildet, sodaß die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Gleichstellung aller auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke unbillig erscheinen ließen (SZ 59/122; WoBl 1991/12; 8 Ob 601/92).

Selbst wenn die weiteren den Antragsgegnern gehörigen Gebäude demselben Grundbuchskörper angehören würden - die gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes seien nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar -, stellten sich diese schon nach dem wechselseitigen Vorbringen, insbesondere auch den Behauptungen des Antragstellers, als selbständig im Sinne der obigen Ausführungen dar. Unzweifelhaft sei dies bei einem eigenen, 3 km entfernten, in einem weiteren Vierkanthof geführten landwirtschaftlichen Betrieb (Putenmast). Aber auch ein weiteres, auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliches und somit räumlich getrenntes kleineres Objekt, in dem sechs Familien untergebracht gewesen seien - maßgeblicher Zeitpunkt sei wiederum der 1.1.1982, sodaß dem Umstand, daß dieses Objekt mittlerweile allenfalls abgerissen wurde, keine Bedeutung zukomme -, könne schon nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache zum Vierkanthof stehen. Bei Vermietung eines ausschließlich Wohnzwecken dienenden Gebäudes auf einer Liegenschaft, die ansonsten einer Landwirtschaft dient und auf der außerdem noch ein Wohngebäude und ein Wirtschaftsgebäude vorhanden sind, sei es unbillig, alle auf der Liegenschaft vorhandenen Gebäude als Einheit zu betrachten. Wenn der Oberste Gerichtshof einem Ausgedingshaus die Selbständigkeit im Sinn der obigen Ausführungen zuerkenne (vgl WoBl 1991/12; 8 Ob 601/92), stehe auch ein (nicht an den Vierkanthof anschließendes, weil zumindest auf der anderen Straßenseite befindliches) Objekt, in dem sechs Familien untergebracht wurden, in keinem den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG ausschließenden Zusammenhang zum niedergebrannten Gebäude. Es müsse daher auch nicht überprüft werden, ob diese Gebäude überhaupt auf demselben Grundbuchskörper wie das niedergebrannte Bauernhaus stehen bzw gestanden sind.

Mitgemietete Lager-, Werkstätten- und Kellerräumlichkeiten änderten grundsätzlich nichts am Charakter eines Wohnhauses. Daß der Antragsteller diese Räume derart geschäftlich genutzt habe, daß dieser Geschäftszweck den Wohnzweck überwogen hätte, sei nicht behauptet worden.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß in der Frage, ob ein Bauernhof unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG fällt, ebensowenig von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen worden sei (vgl WoBl 1993/80; 6 Ob 643/94) wie in der Frage, inwieweit weitere, allenfalls auf demselben Grundbuchskörper situierte Gebäude als Einheit mit dem Bestandobjekt zu betrachten sind (vgl WoBl 1991/12; 8 Ob 601/92).

Im jetzt vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, daß allein schon der aus Stall und Scheune bestehende Wirtschaftstrakt des abgebrannten Vierkanthofes, der zur Einstellung landwirtschaftlicher Geräte (laut Strafakt Anhänger, Wendepflug, Häcksler sowie verschiedene kleinlandwirtschaftliche Maschinen und Geräte) sowie zur Lagerung von Stroh und Heu diente, als Geschäftsraum ausnahmeschädlich sei, wozu noch komme, daß ihn die Antragsteller nachhaltig für Betriebszwecke ihrer Putenfarm genutzt hätten. Überhaupt könnten für Zwecke der Landwirtschaft genützte Häuser gar keine Wohnhäuser iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG sein. Die Entscheidung des Rekursgerichtes widerspreche der in MietSlg 24.413 veröffentlichten Entscheigung des OGH und sei - wegen des anders gelagerten Sachverhaltes - auch durch die zitierte neuere Judikatur nicht gedeckt. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen; hilfsweise wurde auch noch ein auf die Stattgebung des Sachantrages abzielender Abänderungsantrag gestellt.

Den Antragsgegnern wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie haben von dieser Möglichkeit fristgerecht Gebrauch gemacht und die Bestätigung des angefochtenen Sachbeschlusses begehrt.

Der Revisionsrekurs erweist sich wegen der noch nicht ausreichend gesicherten Judikatur zur Frage, ob bzw unter welchen Umständen Bauernhäuser den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG erfüllen, als zulässig; er ist im Sinne seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG wurde für typische Ein- und Zweifamilienhäuser geschaffen. Es sollten diejenigen Gebäude vom Geltungsbereich bestimmter Teile des MRG (darunter von der Wiederherstellungspflicht des Vermieters nach § 7 MRG) ausgenommen werden, die zur Befriedigung der persönlichen Wohnbedürfnisse einer oder höchstens zweier Familien errichtet worden sind (MietSlg 37/33; WoBl 1992, 147/104 mwN). Dementsprechend ist der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt, wenn ein Objekt zu geschäftlichen Zwecken vermietet ist (Würth in Rummel2, Rz 16a zu § 1 MRG); es schadet aber auch, wenn sich in dem Gebäude neben den zwei selbständigen Wohnungen - von privilegierten Dachbodenausbauten abgesehen - weitere Räume befinden, die einer selbständigen Vermietung zugänglich sind (Würth aaO, Rz 16b zu § 1 MRG mwN; WoBl 1991, 71/58 ua). Wegen der im MRG üblichen Gleichsetzung von Haus und Liegenschaft sind dabei grundsätzlich alle vermieteten Teile eines Grundbuchskörpers in die Beurteilung einzubeziehen, doch läßt die Judikatur dann eine Ausnahme gelten, wenn es unbillig wäre, mehrere selbständige Gebäude als Einheit zu betrachten. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn auf einer sonst der Landwirtschaft dienenden Liegenschaft neben dem Wohngebäude des Betriebsinhabers und Wirtschaftsgebäuden ein davon abgesondertes Wohnhaus vorhanden ist (WoBl 1991, 16/12 mit Anm von Würth).

Die Ausnahmeschädlichkeit eines zum Gebäude gehörigen vermietbaren Geschäftsraums wurde schon zu § 23 Abs 1 MG judiziert (Zingher, Mietengesetz18, Anm 1 zu § 23). Auch der Landwirtschaft gewidmete Häuser wurden deshalb nicht dem (mit § 1 Abs 4 Z 2 MRG vergleichbaren) Ausnahmetatbestand des § 23 Abs 1 MG unterstellt (MietSlg 24.413). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend darlegte, hat sich jedoch die jüngere Judikatur von diesem begriffsjuristischen Verständnis des Ein- bzw Zweifamilienhauses gelöst. So wurde etwa in der bereits erwähnten Entscheidung WoBl 1991, 16/12 die Ausnahmequalität eines aus Wohn- und Wirtschaftsgebäude bestehenden Bauernhofes implicite bejaht, in WoBl 1992, 147/104 wurde bei einem ebenfalls gemischt genutzten Objekt die nach der ratio des § 1 Abs 4 Z 2 MRG und der jeweiligen Widmung zu beurteilende selbständige Vermietbarkeit als entscheidungswesentliches Abgrenzungskriterium erkannt und in WoBl 1993, 115/80 das Bauernhaus als geradezu typischer Fall eines Hauses mit (nicht mehr als) einer Wohnung bezeichnet, weil das ganze Haus die einheitliche Wohnung für Familienangehörige (sowie allfälliges Dienstpersonal) bildet. Auch die Berufsausübung in der Wohnung steht der Erfüllung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht entgegen, solange dadurch der Charakter als Wohnung nicht verlorengeht (Würth aaO, Rz 16a zu § 1 MRG).

Ansatzpunkt dieser hermeneutischen Überlegungen ist, daß der Gesetzgeber den Begriff des Ein- bzw Zweifamilienhauses als bekannt voraussetzte und damit (neben Sprachgebrauch und baulichen Gegebenheiten) letztlich die Verkehrsauffassung entscheidet, ob ein "Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen" vorliegt (vgl MietSlg 38.263; MietSlg 45.194 ua). Es ist gerade in diesem Bereich nach der Verschiedenartigkeit der Problemlagen zu differenzieren (vgl Call in WoBl 1989, 45 in der Anm zu 5 Ob 63/88). Sogar selbständig zu Wohn- oder Geschäftszwecken vermietbare Räume nehmen einem Gebäude mit zwei selbständigen Wohnungen nicht den Charakter eines Zweifamilienhauses iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG, wenn diese Räume - wie etwa bei Garagen oder Abstellräumen üblich - nach der Verkehrsauffassung zu einer Wohnung gehören (vgl WoBl 1993, 115/80). Die Ausnahmeschädlichkeit eines selbständig vermietbaren Geschäftsraums (aber auch eines selbständig vermietbaren zusätzlichen Wohnraums) ist daher immer unter dem Aspekt zu beurteilen, ob er nach der Verkehrsauffassung Teil eines einheitlichen Objektes ist, bei dem der Wohnzweck im Vordergrund steht oder Geschäfts- und Wohnzweck so eng verbunden sind, daß sich der eine vom anderen nicht trennen läßt.

Eine derartige Akzessorietät zwischen Wohn- und Geschäftszweck wird in der Regel bei einem Bauernhaus anzunehmen sein, in dem eine Bauernfamilie wohnt und wirtschaftet. Auch wenn große Teile des Gebäudes für Zwecke des landwirtschaftlichen Betriebes in Anspruch genommen werden, bleibt doch der Wohncharakter oder zumindest die traditionelle Einheit von Wohnen und Wirtschaften prägend für das ganze Haus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob Wohn- und Wirtschaftsräume - nach der jeweils vorherrschenden bäuerlichen Siedlungsform - in einem Gebäude untergebracht sind (wie etwa hier beim typischen Vierkanthof) oder sich auf mehrere Gebäude verteilen. Mit der Auflösung der Wohn- und Wirtschaftseinheit kann jedoch der Charakter des Ein- oder Zweifamilienhauses iSd § 1 Abs 4 Z 2 MRG verlorengehen. Werden Teile des Gebäudes, weil sie für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr benötigt werden, für Geschäftszwecke vermietet (etwa als Lager, Garage, Werkstätte udgl), versteht sich das von selbst, weil die selbständige Vermietung eines Objektes für geschäftliche Zwecke immer ausnahmeschädlich ist (Würth aaO, Rz 16a zu § 1 MRG). Das Vermieterprivileg der Unanwendbarkeit von Teilen des MRG nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG kann jedoch auch dann nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn der landwirtschaftliche Betrieb, in dessen Zentrum das Bauernhaus stand, aufgegeben wurde oder das Haus nicht mehr für Wohnzwecke der Bauernfamilie dient. In beiden Fällen hätte das Bauernhaus aufgehört, die einander bedingenden Wohn- und Wirtschaftsbedürfnisse einer Bauernfamilie zu befriedigen, sodaß es sich nach der Verkehrsauffassung und der ratio des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht mehr von anderen Häusern unterscheidet.

Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß zwar einiges für die Annahme spricht, der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG käme den Antragsgegnern nicht zugute, doch bedarf es zur abschließenden Beurteilung noch klarer Feststellungen, die sich nach der Aktenlage eben nicht aus dem beiderseitigen Parteivorbringen gewinnen lassen. Es ist unter dem Aspekt der Rechtssicherheit untragbar, auf Vermutungen angewiesen zu sein, ob eine bestimmte für die Entscheidung relevante Tatsache festgestellt ist; es kann aber auch nicht angehen, mangels Erörterung des beiderseitigen (in entscheidenden Punkten keineswegs übereinstimmenden) Parteivorbringens und dazu noch ohne Beweisaufnahmen und Beweiswürdigung rätseln zu müssen, warum ein bestimmter Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, den dann der Rechtsmittelwerber - wiederum unüberprüfbar - anders schildert. Das Erstgericht wird demnach erst ein diese Streitpunkte klärendes Verfahren durchzuführen haben. Eine genaue Vorgabe der letztlich zu treffenden Entscheidung ist wegen der noch ausstehenden Stoffsammlung nicht möglich, doch seien noch folgende Punkte erwähnt:

Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich die Antragsgegner zu Recht auf den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG berufen haben, wurde zutreffend das Inkrafttreten des MRG am 1.1.1982 erkannt, weil der verfahrensgegenständliche Mietvertrag schon vorher abgeschlossen wurde (Würth aaO, Rz 16 zu § 1 MRG mwN). Es wird daher auf die damalige Sachlage abzustellen sein; nachträgliche Veränderungen sind unbeachtlich (vgl WoBl 1993, 115/80).

Was die weiteren im Eigentum der Antragsgegner stehenden Gebäude betrifft, könnten sie für die Verfehlung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nur dann eine Rolle spielen, wenn sie sich auf derselben Liegenschaft (auf demselben Grundbuchskörper) befinden (bzw befanden) wie der verfahrensgegenständliche Vierkanthof. Über Liegenschaftsgrenzen hinaus läßt sich nämlich der für die Einheit "Haus" ("Zweifamilienhaus", "Liegenschaft") erforderliche Zusammenhang mehrerer Gebäude nicht herstellen (vgl WoBl 1993, 183/123 ua). Das schließt es aus, den Vierkanthof als Akzessorium der auf einer anderen Liegenschaft situierten (noch dazu ca 3 km entfernten) Putenfarm der Antragsgegner zu behandeln. Bei dem weiteren (zumindest früher der Unterbringung von Gastarbeitern dienenden) Gebäude wird es, sollte es auf derselben Liegenschaft stehen wie der Vierkanthof, auf die bereits dargelegten Kriterien (siehe WoBl 1991, 16/12 mwN und MietSlg 45.194) ankommen, ob wirtschaftlich selbständige oder zusammengehörige Objekte vorliegen.

Die Ergänzungsbedürftigkeit der Entscheidungsgrundlagen nach Maßgabe der Tatbestands- voraussetzungen des § 7 MRG, sollte der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht erfüllt sein, ist ohnehin kein Streitpunkt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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