OGH 8Ob601/92

OGH8Ob601/9218.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien L***** und T***** Ü*****, vertreten durch Dr.Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch Dr.Christian Slana und Dr.Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 20.Mai 1992, GZ R 336/92-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eferding vom 6.März 1992, GZ 2 C 927/91x-6, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.189,12 (einschließlich S 531,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Bauernhaus und ein separat errichtetes Auszugshaus befinden; die beiden Gebäude liegen 35 m voneinander entfernt und sind zur Gänze gesondert mit Heizung, Strom, Wasser und Entsorgungsleitungen versorgt. Das Auszugshaus besteht im Erdgschoß aus einem Vorhaus, Wohnzimmer, Küche, Bad und WC, im Obergeschoß aus einem Schlafzimmer, Bad und WC und zwei weitere Räumlichkeiten. Wenn es nicht von den Auszugsbauersleuten bewohnt war, wurden die dort befindlichen Räumlichkeiten in zwei Wohneinheiten zusammengefaßt. Das Untergeschoß sowie das über den Gang im Obergeschoß zugängliche Schlafzimmer wurde als eine Wohneinheit an die Beklagte vermietet. Die beiden anderen Räume im Obergeschoß sowie das dort befindliche Bad und WC wurden als weitere Wohneinheit getrennt vermietet. Vor vielen Jahren wurde lediglich das Schlafzimmer auf wenige Monate getrennt an eine dritte Person vermietet.

Da die Kläger bereits die Übergabe des Hofes beabsichtigten, vereinbarten sie mit der Beklagten in einem am 9.10.1987 abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrag die Vermietung der im Erdgeschoß gelegenen Räumlichkeiten und des Schlafzimmers im Obergeschoß unter Hinweis auf die beabsichtigte Hofübergabe in zwei Jahren dahingehend, daß das Mietverhältnis ohne eine erforderliche Aufkündigung am 30.9.1989 enden sollte. Diesen schriftlichen Mietvertrag unterfertigten beide Kläger und die Beklagte.

Als nach Ablauf dieses Vertrages die Beklagte die Kläger ersuchte, die Wohnung noch nicht räumen zu müssen, unterschrieben der Erstkläger und die Beklagte in Anwesenheit und im Einverständnis mit der Zweitklägerin eine Vereinbarung, wonach der Mietvertrag um ein Jahr bis zum 30.9.1990 verlängert wurde. Ein Jahr später unterfertigten der Erstkläger und die Beklagte eine weitere Vereinbarung, in der festgehalten wird, daß die Mieterin um Verlängerung auf ein letztes Jahr bis 30.9.1991 ersucht. Die Beklagte erklärte ausdrücklich, daß sie nach Ablauf der weiteren Befristungen ausziehe.

Die Kläger beantragten mit der am 11.11.1991 eingelangten Klage die Räumung der Wohnung und behaupteten, die Beklagte sei dem von ihnen am 2.10.1991 gestellten Räumungsbegehren nicht nachgekommen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Verlängerungen des ursprünglichen Mietvertrages keine Vereinbarungen enthielten, daß der Mietvertrag durch Zeitablauf ohne Kündigung erlösche. Auf der Liegenschaft der Kläger befänden sich mehrere Bauwerke und in diesen insgesamt mehr als zwei Wohnungen; insbesondere befänden sich auch im Ausgedingshaus selbst mehr als zwei Wohnungen.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt, weil der Mietvertrag gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG durch Zeitablauf erloschen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, ließ aber die Revision zu, weil nach seiner Meinung zu den Begriffen des Wohnhauses und der selbständigen Wohnung teilweise unterschiedliche höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten erhobene Revision ist als unzulässig zurückzuweisen, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf durchaus bereits gesicherter oberstgerichtlicher Rechtsprechung aufbauen konnte und daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zur Entscheidung ansteht:

1. Unter Abkehr von der vorher vorübergehend vertretenen (und von Call kritisierten) Auffassung in WoBl 1989/11 hat sich der Oberste Gerichtshof in WoBl 1991/12 (ähnlich bereits MietSlg 7978 und 7980) in einem vergleichbaren Fall der Vermietung einer Wohnung in einem tatsächlich und wirtschaftlich selbständigen Ausgedingshaus dazu bekannt, daß bei der Beurteilung des Begriffes "Wohnhaus" nicht auf den einheitlichen Grundbuchskörper, sondern auf die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen sei und daher dieses Ausgedingshaus für sich allein als "Wohnhaus" im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG zu beurteilen sei.

2. Das Berufungsgericht konnte bei der Beurteilung, ob sich im Ausgedingshaus mehr als zwei selbständige Wohneinheiten befinden, auf einer durchaus ausreichenden ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung aufbauen. Es ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, der Verkehrsauffassung und den baulichen Gegebenheiten zu beurteilen, ob mehr als zwei abgeschlossene Wohneinheiten vorliegen, die der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen dienen (vgl JBl 1987, 321; MietSlg 37.235 ua). Der Umstand, daß einer der Räume im Obergeschoß nicht zu der dort befindlichen Wohneinheit gehört, sondern an die Mieter der Erdgeschoßwohnung mitvermietet ist, führt nicht dazu, mehr als zwei selbständige Wohneinheiten anzunehmen. Folgte man der Argumentation der Beklagten (gemeinsamer Gang im Obergeschoß, vgl hiezu JBl 1985, 238), führte deren Auslegung dazu, daß nicht einmal zwei selbständige Wohneinheiten vorhanden wären.

3. Der schriftliche Mietvertrag und seine beiden Verlängerungen sind eindeutig mit einem bestimmten Datum befristet; eines ausdrücklichen Hinweises darauf, daß der Mietvertrag ohne Kündigung erlischt, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung in einem solchen Fall nicht (MietSlg 31.478, 37.397 ua). Im Mietvertrag und seinen Verlängerungen findet sich - wie es die Beklagte fordert - "schwarz auf weiß", daß der Mietvertrag mit diesem Termin endet.

4. Der erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand der Beklagten, der Zweitklägerin hätte die Verlängerungsvereinbarungen nicht unterschrieben, sodaß die Befristung unwirksam sei, ist schon wegen des Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich.

Gleiches gilt von dem Einwand, die Kläger hätten die Frist des § 569 ZPO nicht eingehalten.

Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren den Klägern zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte