OGH 2Ob65/06g

OGH2Ob65/06g10.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Samira G*****, vertreten durch Dr. Peter Imre, Mag. Peter Imre, Mag. Helfried Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft in Ludersdorf - Wilfersdorf, gegen die beklagten Parteien 1.) Andreas H*****, und 2.) G***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (restlich) EUR 16.110,45 sA, Rente und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2006, GZ 2 R 197/05s-84, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft den Fahrgast, der sich einem infolge Alkoholgenusses fahruntüchtigen Lenker anvertraut und bei einem von diesem verschuldeten oder mitverschuldeten Unfall Schaden erleidet, ein Mitverschulden, wenn er von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis hatte oder nach den Umständen haben musste. Die Erkennbarkeit einer derartigen Alkoholisierung kann sich für den Fahrgast entweder aus dem wahrnehmbaren Verhalten des Lenkers oder daraus ergeben, dass ihm die vom Lenker genossenen Alkoholmengen bekannt waren. Es ist daher nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob der Fahrgast bei Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens damit rechnen musste, dass sich der Lenker durch den Alkoholgenuss in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befand. Zweifel darüber, ob diese Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, gehen zu Lasten desjenigen, den die Beweislast für das Mitverschulden des Fahrgastes trifft (2 Ob 96/89; 2 Ob 146/89; 2 Ob 65/93 uva). Der Frage, ob solche konkreten Umstände vorliegen, kommt infolge ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu (vgl 2 Ob 213/00p). Maßgeblich ist die objektive, dh die für eine nicht alkoholisierte, durchschnittlich aufmerksame Person zweifelsfrei vorliegende Erkennbarkeit der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit (vgl ZVR 1989/24). Es ist eine Rechtsfrage, ob die Alkoholisierung des Fahrers durch den Fahrgast bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkannt werden müssen (2 Ob 154/89; 2 Ob 65/93 uva).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes konsumierte der Erstbeklagte in Gegenwart des Ehemannes der Klägerin während eines Zeitraumes von 4 Stunden vor Antritt der Fahrt „einiges an Alkohol", nämlich Bier, Sekt und Mischgetränke aus Wodka und Red Bull, was dazu führte, dass er „sehr stark alkoholisiert" und dies - einem Nüchternen - „eindeutig erkennbar" war, zumal er „viel Blödsinn redete" und seinen Oberkörper im Lokal entblößte. Dem Berufungsgericht ist keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es diese Tatsachengrundlage als ausreichend erachtete, um daraus den rechtlichen Schluss auf die (objektive) Erkennbarkeit einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten ziehen zu können. Damit haben aber die beklagten Parteien den ihnen obliegenden Beweis der objektiven Sorgfaltsverletzung (hier: in eigenen Angelegenheiten) des Ehemannes der Klägerin erbracht (vgl 2 Ob 185/98i).

Nach der schon in der im ersten Rechtsgang ergangenen Vorentscheidung 2 Ob 178/04x wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft auch den Geschädigten, der sich vor dem Antritt der Fahrt sinnlos betrunken und damit selbst außerstande gesetzt hat, nachzuprüfen, ob er sich dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges anvertrauen darf, ein Mitverschulden an dem ihm zugestoßenen Unfall, der durch die Trunkenheit des Fahrers herbeigeführt wurde (RIS-Justiz RS0026843). Dieses Mitverschulden muss sich der Geschädigte nur dann nicht anrechnen lassen, wenn ihm nach der Sachlage kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er sich durch Alkohol in einen Zustand versetzte, in welchem er im Zeitpunkt, als er sich dem Lenker zur Fahrt anvertraute, dessen Fahrtüchtigkeit nicht mehr beurteilen konnte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn er in dem Zeitraum, in dem er sich dem seine Urteilsfähigkeit aufhebenden Alkoholkonsum hingegeben hat, noch nicht in Betracht ziehen musste, in der Folge in einem von einem ungeeigneten Lenker gelenkten Auto mitgenommen zu werden (2 Ob 75/97m = ZVR 1998/90 mwN).

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin dieser dem Geschädigten obliegende Entlastungsbeweis (vgl 2 Ob 185/98i mwN) schon deshalb nicht gelungen, weil eine seine Urteilsfähigkeit aufhebende Alkoholisierung ihres Ehemannes vor Antritt der Fahrt nicht festgestellt werden konnte. Das Berufungsgericht hat die Frage der Beweislastverteilung im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung gelöst und ist auch von den Grundsätzen der Entscheidung 2 Ob 178/04x nicht abgewichen. Seine Auffassung, wonach der Klägerin ein Mitverschulden ihres bei dem Unfall getöteten Ehemannes anzurechnen sei, lässt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen. Aus der Entscheidung 8 Ob 9/74 (= ZVR 1975/46), auf die sich die Klägerin in ihrem Rechtsmittel beruft, sind keine Anhaltspunkte für ein gegenteiliges Ergebnis zu gewinnen, wurde dort doch von einem Zustand der Sinnesverwirrung der Geschädigten ausgegangen und überdies festgestellt, dass die Fahruntüchtigkeit des Lenkers auch für eine nüchterne Person nicht erkennbar war.

Der in der Revision weiters relevierten Frage nach der anzurechnenden Verschuldensquote kommt ebenfalls keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (2 Ob 213/00p). Auch in diesem Punkt hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl ZVR 1989/24).

Die das Vorliegen angeblicher Feststellungsmängel betreffenden Revisionsausführungen der Klägerin richten sich inhaltlich gegen die Feststellung einer „sehr starken Alkoholisierung" des Erstbeklagten und damit gegen die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, war die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen.

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