OGH 2Ob75/97m

OGH2Ob75/97m20.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian S*****, vertreten durch Dr.Robert Schuler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Jürgen K*****, 2. Gerhard K*****, beide vertreten durch Dr.Hermann Tschiderer und Dr.Reinhard Wolf, Rechtsanwälte in Reutte, 3. B***** Gesellschaft mbH & Co KG, D*****,

4. B***** Versicherungsbank AG, D*****, und 5.

*****Versicherungsunternehmungen *****, die dritt- bis fünftbeklagte Partei vertreten durch Dr.Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,846.065,54 sA und Feststellung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26.September 1996, GZ 2 R 158/96v-77, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.April 1996, GZ 8 Cg 1111/92v-69, zum Teil aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 26.8.1989 ereignete sich in Österreich ein Verkehrsunfall an dem ein vom Erstbeklagten gelenkter, von der drittbeklagten Partei gehaltener und bei der viertbeklagten Partei haftpflichtversicherter PKW der Marke VW Passat Kombi und ein von Uwe B***** gelenkter PKW der Marke BMW 325 i (beide mit deutschem Kennzeichen) beteiligt waren. Uwe B***** wurde bei dem Unfall getötet. Das Alleinverschulden an dem Unfall trifft den Erstbeklagten, der das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne Lenkerberechtigung lenkte.

Der Kläger war Beifahrer in dem vom Erstbeklagten gelenkten PKW. Er war zum Unfallszeit nicht angegurtet, er wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und lebensgefährlich verletzt; auch er war zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert. Aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen ist der Kläger querschnittgelähmt.

Der vom Erstbeklagten gelenkte PKW war von der drittbeklagten Partei dem Zweitbeklagten ausschließlich für Dienstfahrten überlassen worden. Der Erstbeklagte hatte im Haus seiner Eltern den am Küchentisch liegenden Schlüssel zu diesem PKW an sich genommen und das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Zweitbeklagten (seines Vaters) benützt.

Die fünftbeklagte Partei haftete zum Unfallszeitpunkt für den PKW der drittbeklagten Partei nach dem Londoner Abkommen.

Dem Kläger entstanden unfallskausale Unkosten in der Höhe von S 467.270,04.

Der Kläger begehrt von den Beklagten den Ersatz dieser Unkosten, weiters ein Schmerzengeld von S 1,200.000, eine Verunstaltungsentschädigung von S 250.000 und einen Verdienstentgang von S 298.795,50 brutto. Auf die Zwischensumme von S 2,226.065,54 (richtig: S 2,216.065,54) ließ sich der Kläger Zahlungen der viertbeklagten Partei in der Höhe von S 380.000 anrechnen. Insgesamt begehrt er daher die Bezahlung von S 1,846.065,54 sA und außerdem die Feststellung der Schadenersatzpflicht der Beklagten.

Die Haftung des Zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei gründete der Kläger darauf, daß der Zweitbeklagte die Schwarzfahrt des Erstbeklagten schuldhaft ermöglicht habe. Ein Mitverschulden wegen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes, wegen der Teilnahme an einer führerscheinlosen Schwarzfahrt oder wegen einer allfälligen Erkennbarkeit der Alkoholisierung des Erstbeklagten könne ihm nicht angelastet werden, weil er selbst aufgrund seines großen Alkoholkonsums und seiner Müdigkeit nicht mehr dispositionsfähig gewesen sei. Er habe nicht mit der Mitfahrt im PKW des Erstbeklagten rechnen müssen, sondern habe in einem PKW eines Freundes vor der von ihm besuchten Diskothek übernachten wollen.

Die Beklagten wendeten ein, daß sich der Kläger ein Mitverschulden im Ausmaß von mindestens 50 % anrechnen lassen müsse, weil er zum Unfallszeitpunkt nicht angegurtet gewesen und in das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug eingestiegen sei, obwohl ihm bewußt gewesen sei, daß dieser eine Schwarzfahrt unternehme, daß er alkoholisiert sei und keine Lenkerberechtigung habe. Der Zweitbeklagte und die drittbeklagte Partei wendeten überdies ein, der Kläger sei nicht schutzwürdig, weil er in die Beförderung durch den Erstbeklagten in Kenntnis des Umstandes, daß es sich um eine Schwarzfahrt handle, eingewilligt habe.

Das Erstgericht verurteilte mit Teilurteil die beklagten Parteien zur Zahlung von S 1,045.452,53 samt Zinsen und stellte deren Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 26.8.1989 zu 75 % fest. Die Haftung der viertbeklagten Partei wurde nach der Hinlänglichkeit des zwischen der viertbeklagten und der drittbeklagten Partei abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages und die Haftung der fünftbeklagten Partei nach den zum Unfallszeitpunkt für das Fahrzeug der drittbeklagten Partei in Österreich vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen beschränkt. Die Entscheidung über den geltend gemachten Verdienstentgang (S 298.795,50) wurde der Endentscheidung vorbehalten. Im übrigen, also hinsichtlich des Begehrens auf Zahlung von S 501.817,04 sA und des Feststellungsmehrbegehrens von 25 %, wurde das Klagebegehren abgewiesen.

Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der am 27.7.1970 geborene Kläger und der Erstbeklagte waren bis zum Unfallszeitpunkt befreundet. Sie hatten vor dem Unfall eine Diskothek besucht, wo sie Alkohol konsumierten. Beide waren von Freunden in deren PKW zu dieser Diskothek gebracht worden.

Dem Zweitbeklagten war von der drittbeklagten Partei ein PKW überlassen worden, der ihm ausschließlich für Fahrten von seinem Heimatort zum Arbeitsort und zurück zur Verfügung stand. Es war ihm bekannt, daß sein Sohn mit Freunden in der Nacht viel in Gasthäusern verkehrte. Er stellte das Fahrzeug der drittbeklagten Partei im Freien ab und pflegte den Schlüssel am Küchentisch im ersten Obergeschoß seines Hauses in ein offenes Gefäß zu legen. Der Erstbeklagte benützte seit seinem 16.Lebensjahr ein Moped und war in diesem Zusammenhang mehrfach von der Gendarmerie zur Anzeige gebracht worden. Dem Zweitbeklagten war bewußt, daß der Erstbeklagte bemüht war, den PKW-Führerschein zu machen, daß er aber trotz mehrerer Fahrstunden einen Führerscheinkurs nicht positiv abgeschlossen hatte. Mit Bescheid vom 26.7.1989 war der Antrag des Erstbeklagten auf Erteilung einer Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit und mangels geistiger Eignung abgewiesen worden. Die Ablehnung wurde ua damit begründet, daß der Erstbeklagte wegen unbefugter Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in Verbindung mit dem Lenken eines nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges 1986 angezeigt worden war. Der Erstbeklagte hatte damals auf einem Privatgrundstück einen PKW in Betrieb genommen, was dem Zweitbeklagten zur Kenntnis gelangt war. Noch vor dem Unfall hatte der Erstbeklagte mindestens zwei PKW-Fahrten unternommen.

Hätte der Erstbeklagte den Zweitbeklagten am 26.8.1989 um die Erlaubnis zur Benützung des Fahrzeuges der drittbeklagten Partei gefragt, wäre ihm diese Bitte abgeschlagen worden.

Im Kreis der Freunde des Erstbeklagten wußte man, daß diesem jedenfalls für 1989 von der Führerscheinbehörde die Erteilung einer Lenkerberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit versagt worden war. Dies wußte auch der Kläger. Der Kläger wußte, daß der Erstbeklagte schon mindestens einmal mit dem PKW der drittbeklagten Partei ohne Wissen und Wollen des Zweitbeklagten gefahren war.

Am 25.8.1989 besuchte der Kläger gegen 22.00 Uhr eine Diskothek. Er war in einem von einem Freund gelenkten PKW mitgefahren. Bereits am Vortag hatte der Kläger diese Diskothek besucht und im PKW dieses Freundes genächtigt. Der Freund bedeutete dem Kläger, er könne wiederum in seinem PKW übernachten. Der Kläger war bereits alkoholisiert, als er die Diskothek betrat. Zu diesem Zeitpunkt saß der Erstbeklagte bereits seit etwa 21.00 Uhr an der Bar.

Der Kläger hatte nach Dienstschluß in einem anderen Gasthaus einige Weizenbier konsumiert. Daß er schon während der Arbeit Alkohol getrunken hatte, konnte nicht festgestellt werden. In der Diskothek trank der Kläger mindestens 2 1/2 l Bier. Daß er auch 10 bis 15 Mischgetränke aus Bier, Cola und Schnaps getrunken hat, ist nicht erwiesen. Der Kläger war stark alkoholisiert und schlief nach Mitternacht an der Bar ein. Ab 1.00 früh nächtigte er zunächst im ersten Obergeschoß der Diskothek neben einem Billardtisch. Spätestens gegen 3.00 Uhr verließ er die Diskothek, um im Auto seines Freundes zu nächtigen.

Der Erstbeklagte trank in der Diskothek 3 l Märzenbier. Welchen Alkoholkonsum der Kläger hievon beobachtet hatte, konnte nicht festgestellt werden. Es steht nicht fest, daß der Kläger unmittelbar neben dem Erstbeklagten an der Bar war. Zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten war auch nicht abgesprochen, daß der Erstbeklagte den Kläger mit einem PKW nach Hause bringe. Als der Kläger die Diskothek verließ, war der Erstbeklagte bereits als Mitfahrer in einem anderen PKW abgefahren. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisiert, sein Blutalkoholgehalt überstieg 1,5 % Grad, konnte aber nicht näher festgestellt werden.

Zu Hause angekommen nahm der Erstbeklagte den am Küchentisch liegenden Schlüssel zum Dienstfahrzeug des Zweitbeklagten und setzte diesen PKW in Betrieb. Er fuhr zur etwa 10 km entfernten Diskothek zurück und weckte gegen 3.30 Uhr den Kläger, der im PKW seines Freundes geschlafen hatte. Der Erstbeklagte bedeutete ihm, er sei eigens mit dem PKW gekommen, um ihn nach Hause zu bringen. Trotz seiner Alkoholisierung erkannte der Kläger das ansonsten vom Zweitbeklagten benützte Dienstfahrzeug. Daß der Kläger darüber nachdachte, ob der Erstbeklagte diesen PKW eigenmächtig in Betrieb genommen hatte, ist nicht erwiesen. Wegen der Alkoholisierung und auch wegen der Schlaftrunkenheit war die Kritikfähigkeit des Klägers stark reduziert. Der Kläger erkannte die Risken, die mit dem Umsteigen in den vom Erstbeklagten gelenkten PKW verbunden waren, in ihrer Tragweite nicht. Er überlegte auch nicht, daß der Erstbeklagte keinen Führerschein hatte, er dachte auch über dessen Alkoholisierung nicht nach. Objektiv war aus dem Verhalten des Erstbeklagten eine Fahruntüchtigkeit nicht zu erkennen. Daß der Erstbeklagte fahrtechnisch fahruntüchtig war, ist nicht erwiesen, sein Alkoholgenuß führte aber zu einer aggressiven Fahrweise.

Der Kläger hatte nicht beobachtet, was der Erstbeklagte in der Diskothek getrunken hatte. Er fragte den Erstbeklagten auch nicht nach der konsumierten Alkoholmenge. Der Erstbeklagte wies im Gegensatz zum Kläger schon aufgrund seines Körperbaues (ca 1,89 m groß und ca 100 kg schwer) eine hohe Alkoholverträglichkeit auf. Der in seiner Sinnesleistung stark getrübte Kläger setzte dem Ansinnen des Erstbeklagten, ihn nach Hause zu fahren, keinen ernstlichen Widerstand entgegen. Die Fahrt selbst war unentgeltlich.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die primär alkoholbedingte akute geistige Störung des Klägers so tiefgreifend war, daß es ihm unmöglich war, die Tragweite des Umsteigens in den vom Erstbeklagten gelenkten PKW zu erkennen. Jedenfalls war der Kläger nicht in der Lage, dem dominierenden Erstbeklagten jenen Widerstand entgegenzusetzen, den ein gesunder Durchschnittsmensch entfaltet hätte.

Nachdem der Kläger auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, wollte er sofort weiterschlafen. Er legte deshalb die Rückenlehne des Beifahrersitzes nach hinten um und benützte den Sicherheitsgurt nicht. Der Erstbeklagte warnte den Kläger diesbezüglich nicht und fuhr weg. Der Kläger schlief gleich ein. Der Erstbeklagte hielt im gemeinsamen Heimatort nicht an, um den Kläger aussteigen zu lassen, sondern fuhr sofort weiter, was der Kläger nicht wahrnahm. Der Kläger wachte erst kurz vor dem Unfall auf. Von seiner Absicht, noch "eine Runde zu fahren", hatte der Erstbeklagte dem Kläger nichts gesagt. In der Folge verlor der Erstbeklagte die Herrschaft über das Fahrzeug, das sich überschlug. Der Kläger wurde durch das Heckfenster auf die Straße geschleudert. Wäre er angegurtet gewesen, wäre er wahrscheinlich nicht aus dem Fahrzeug geschleudert worden und wären geringere Verletzungen zu erwarten gewesen.

Im Strafverfahren wurde dem Kläger ein Schmerzengeld von S 1.000 zuerkannt.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der Erstbeklagte aufgrund seines Verschuldens hafte. Halter des PKWs sei die drittbeklagte Partei, die aber nach § 3 Z 2 erster Fall EKHG nicht haftungsfrei sei, weil dem Kläger die Teilnahme an der Schwarzfahrt nicht vorwerfbar sei. Die Vorwerfbarkeit sei nicht gegeben, obwohl der Kläger trotz seiner schweren Alkoholisierung erkannt habe, daß ihm der führerscheinlose Erstbeklagte eine Gefälligkeitsbeförderung mit dem der drittbeklagten Partei gehörigen PKW anbiete. Der Alkoholkonsum in der Diskothek sei dem Kläger nämlich nicht vorzuwerfen, weil er davon ausgegangen sei, im PKW eines Freundes die Nacht zu verbringen. Das Angebot des Erstbeklagten sei für ihn überraschend gewesen, seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit sei so weit gestört gewesen, daß der Gedanke der Gefahrenübernahme, welcher den Haftungsausschluß des "beförderten Menschen" nach § 3 EKHG trage, nicht mehr zutreffe.

Der Haftungsausschluß des § 6 Abs 1 EKHG komme der drittbeklagten Partei nicht zugute, weil der Zweitbeklagte gewußt habe, daß der Kläger 1986 einen LKW in Betrieb genommen hatte.

Der Zweitbeklagte hafte nach §§ 1293 ff ABGB, weil er eine besonders gefährliche Benützung ermöglicht habe.

Dem Kläger sei ein Mitverschulden von 1/4 anzulasten, weil ihm die führerscheinlose Schwarzfahrt zumindest am Rande bewußt gewesen sei. Daß der Kläger den Alkoholkonsum des Erstbeklagten wahrgenommen oder aus dessen Verhalten auf eine Fahruntüchtigkeit schließen habe müssen, stehe nicht fest. Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes sei dem Kläger nur eingeschränkt vorwerfbar.

Das Erstgericht hielt ein Schmerzengeld von S 1,200.000 und eine Verunstaltungsentschädigung von S 250.000 für angemessen.

Der klagsstattgebende Teil des Urteiles des Erstgerichtes erwuchs gegenüber dem Erst- und Zweitbeklagten in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil (teilweise) in seinem abweisenden Teil und hob es im übrigen, also bezüglich der dritt- bis fünftbeklagten Partei, infolge der Berufung dieser Parteien und des Klägers auf. Es wies in diesem Umfang die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach hiezu aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte - soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung - aus, den Beifahrer eines wegen Alkoholkonsums fahruntüchtigen Lenker könne ein Mitverschulden nur dann angelastet werden, wenn er Kenntnis von der Alkoholisierung des Lenkers hatte oder haben mußte (ZVR 1968/37; ZVR 1970/33; ZVR 1987/89). Da nicht feststehe, welchen Alkoholkonsum der Kläger beim Erstbeklagten beobachtete und auch nicht feststehe, daß der Kläger aus dem Gehabe des Erstbeklagten eine Fahruntüchtigkeit erkennen konnte, könne ihm aus dem Umstand, daß er mit dem infolge Alkoholkonsums fahruntüchtigen Erstbeklagten mitfuhr, kein Mitverschulden angelastet werden.

Der Kläger habe sich aber objektiv einer gefährlichen Situation ausgesetzt, indem er mit dem Erstbeklagten, der keine Lenkerberechtigung hatte, mitfuhr. Ob ihm dies als Mitverschulden anzulasten sei, hänge davon ab, ob er sich aus eigenem Verschulden durch (volle) Berauschung in einem Zustand der Sinnesverwirrung (§ 1307 ABGB) befand. § 1307 ABGB sei nämlich auch auf den Geschädigten selbst anzuwenden, wenn er sich in einen Zustand der Sinnesverwirrung versetzt habe (E 2 zu § 1307 ABGB in MGA34). Nach früherer Rechtsprechung (SZ 43/231; ZVR 1974/17) gelte § 1307 ABGB auch dann, wenn der Geschädigte absichtlich und schuldhaft den Zustand der Sinnesverwirrung durch übermäßigen Alkoholgenuß herbeiführte und in betrunkenem Zustand den ihm zugefügten Schaden mitverursachte. Dieses Mitverschulden müsse sich der Geschädigte nur dann nicht anrechnen lassen, wenn ihn an der Herbeiführung der Trunkenheit kein Verschulden treffe, was zB der Fall wäre, wenn er die berauschende Eigenschaft des Getränkes nicht gekannt hatte oder ihm der Alkohol von anderen eingeflößt worden wäre. Diese Judikatur erscheine insofern überholt, als von der neueren Rechtsprechung ein Verschulden des Beifahrers verneint werde, wenn er in dem Zeitraum, in dem er sich dem seine Urteilsfähigkeit aufhebenden Alkoholkonsum hingab, noch nicht in Betracht ziehen mußte, in der Folge in dem von einem alkoholbeeinträchtigten Fahrer gelenkten Auto mitgenommen zu werden (ZVR 1981/191; ZVR 1984/233). Ebenso wäre es auch zu beurteilen, wenn der Kläger in den vom Erstbeklagten gelenkten PKW in einem durch Berauschung hervorgerufenen Zustand der Sinnesverwirrung eingestiegen und nicht in der Lage gewesen wäre zu erkennen, daß der Erstbeklagte keinen Führerschein besaß. In Anbetracht aller Umstände hätte nämlich der Kläger, während er sich betrank, nicht damit rechnen müssen, vom Erstbeklagten, der keinen Führerschein besaß, in dessen PKW mitgenommen zu werden. Die Abholung des Klägers sei ohne vorherige Abmachung erfolgt, er habe sich bereits im Fahrzeug seines Freundes zum Schlafen gelegt.

Sollte aber die Urteilsfähigkeit des Klägers nicht gänzlich ausgeschlossen und der Kläger nicht deliktsunfähig, jedoch in seiner Einsicht in die von ihm zu vertretende Sorgfaltspflichtverletzung infolge der Alkoholisierung eingeschränkt gewesen sein, so wäre ihm ein Mitverschulden anzulasten (ZVR 1988/103). Ob dem Kläger ein Mitverschulden deshalb angelastet werden könne, weil er in dem vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeug mitfuhr und den Sicherheitsgurt nicht anlegte, hänge daher entscheidungswesentlich davon ab, ob er sich aufgrund seiner Berauschung in einem Zustand der Sinnesverwirrung befand und seine Deliktsfähigkeit ausgeschlossen war oder ob seine Urteilsfähigkeit, seine Einsicht und seine Fähigkeit, sich seiner Einsicht gemäß zu verhalten, durch die Berauschung nur stark getrübt waren. Im ersten Fall könne ihm kein Mitverschulden angelastet werden. In diesem Falle wäre auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die dritt- bis fünftbeklagten Parteien keine unzulässige Rechtsausübung. Wohl habe nach ständiger Rechtsprechung (ZVR 1962/22; ZVR 1979/24; SZ 53/151; ZVR 1983/201; ZVR 1992/69) ein bei einer Schwarzfahrt verletzter Fahrzeuginsasse, dem die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker bekannt war, keinen Schadenersatzanspruch gegen den Fahrzeughalter bzw dessen Haftpflichtversicherung, weil sein Schadenersatzbegehren rechtsmißbräuchlich sei. Habe sich der Kläger in einem Zustand der Sinnesverwirrung im Sinne des § 1307 ABGB befunden, so sei ihm auch nicht bewußt geworden, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen, und habe er sich auch nicht einsichtsgemäß verhalten können. Das mangelnde Bewußtsein, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen, sei in diesem Fall einer fehlenden Bekanntheit der Schwarzfahrt gleichzuhalten und sei die Rechtsverfolgung gegenüber dem Halter, seinem Betriebsgehilfen und der Haftpflichtversicherung nicht rechtsmißbräuchlich.

Sei hingegen die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Klägers zwar beeinträchtigt, aber nicht gänzlich ausgeschaltet gewesen, so könne dies nichts daran ändern, daß ihm bewußt und bekannt gewesen wäre, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen. Er hätte auch nicht damit rechnen können, daß der Zweitbeklagte dem Erstbeklagten die Benützung seines Dienstfahrzeuges gestattet hätte. Die Rechtsverfolgung des Klägers wäre in diesem Fall gegenüber der dritt- bis fünftbeklagten Partei rechtsmißbräuchlich, weil ihm das Bewußtsein, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen, nicht gefehlt hätte. Gegenüber dem Erstbeklagten und jedenfalls auch gegenüber dem Zweitbeklagten müßte sich der Kläger ein Mitverschulden anrechnen lassen, das vom Erstgericht richtig mit einem Viertel bemessen worden wäre.

Aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen lasse sich noch nicht abschließend beurteilen, ob sich der Kläger in einem Zustand der Sinnesverwirrung befand, oder ob seine Urteils- und Entscheidungskraft nur beeinträchtigt war. Das Erstgericht habe nämlich festgestellt, daß der Kläger trotz seiner Alkoholisierung "das ansonsten vom Zweitbeklagten genutzte Dienstfahrzeug" erkannte, was darauf schließen lasse, daß dem Kläger die Teilnahme an einer Schwarzfahrt bewußt gewesen sei. Anderseits habe das Erstgericht aber auch festgestellt, es sei nicht erwiesen, daß der Kläger darüber nachgedacht habe, ob der Erstbeklagte den PKW eigenmächtig in Betrieb genommen hatte; wegen seiner Alkoholisierung und Schlaftrunkenheit sei seine Kritikfähigkeit stark reduziert gewesen, er habe die Tragweite der Risken, die mit dem Umsteigen in den vom Erstbeklagten gelenkten PKW verbunden gewesen seien, nicht erkannt, insbesondere habe er nicht überlegt, daß der Erstbeklagte keinen Führerschein habe. Es fehle jedoch die Feststellung, ob der Kläger dazu überhaupt in der Lage war. Die Feststellungen des Erstgerichtes ließen nicht hinreichend erkennen, ob der Kläger zu vernünftiger Einsicht fähig und in der Lage war, seiner Einsicht gemäß zu handeln. Im Widerspruch zu seinen Feststellungen gehe das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung davon aus, daß der Kläger trotz seiner schweren Alkoholisierung erkannt habe, daß ihm der führerscheinlose Erstbeklagte die Gefälligkeitsbeförderung mit dem der drittbeklagten Partei gehörigen PKW angeboten habe. Das Erstgericht habe aber auch ausgeführt, daß dem Kläger die führerscheinlose Schwarzfahrt zumindest am Rande bewußt gewesen sei und daß er noch vor dem Unfall erkannt habe, nicht angegurtet zu sein. Auch diese Ausführungen legten den Schluß nahe, daß dem Kläger der Umstand, an einer Schwarzfahrt teilzunehmen, bekannt war. Dies stehe aber im Widerspruch dazu, daß andererseits der Kläger nach den Feststellungen nicht in der Lage war, die Tragweite der Risken, die mit der Schwarzfahrt verbunden waren, abzuschätzen. Anderseits habe das Erstgericht aber auch festgestellt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die primär alkoholbedingte akute geistige Störung des Klägers so tiefgreifend war, daß es ihm unmöglich gewesen sei, die Tragweite des Umsteigens in den vom Erstbeklagten gelenkten PKW zu erkennen.

Die Feststellungen des Erstgerichtes seien daher in sich widersprüchlich und bestünden auch Widersprüche zwischen den Feststellungen und jenem Sachverhalt, von dem das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung ausgehe. Das Erstgericht werde bei seiner neuerlichen Entscheidung Feststellungen zu treffen haben, die eine rechtliche Beurteilung nach den oben dargestellten Kriterien ermöglichten. Vorbehaltlich solcher Festststellungen sei auf den Inhalt der Beweisrügen, soweit sie die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Klägers betreffen, nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht erachtete den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil einerseits in der früheren Rechtsprechung ausgeführt worden sei, die Berauschung begründe einen Schuldvorwurf, anderseits aber nach der neueren Judikatur die Berauschung nur dann ein Verschulden begründe, wenn zum Zeitpunkt des Alkoholgenusses mit der Möglichkeit einer bestimmten Gefahr zu rechnen war. Weiters bestehe keine Rechtsprechung dazu, inwieweit die Rechtsverfolgung eines Beifahrers, der zwar berauscht, aber nicht unzurechnungsfähig an einer Schwarzfahrt teilgenommen habe, rechtsmißbräuchlich sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wird; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung, an dieses zurückzuverweisen; hilfsweise wird weiters beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die dritt- bis fünftbeklagten Parteien haben Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, daß er mit hoher Wahrscheinlichkeit unzurechnungsfähig und nicht dispositionsfähig war. Es sei daher davon auszugehen, daß er nicht fähig war zu erkennen, daß der Erstbeklagte keinen Führerschein besaß oder er sich anzugurten hätte. Eine genaue allgemeine Abgrenzung, ob nun Unzurechnungsfähigkeit durch Alkoholkonsum vorliege oder gerade noch nicht, sei nicht möglich. Wenn ein Mitfahrer mit zumindest starker Berauschung mitten aus dem Schlaf gerissen werde, sei er nicht zu der Einsicht fähig, ob der Fahrer eine Schwarzfahrt unternehme oder nicht. Da er stark alkoholisiert gewesen und darüber hinaus aus dem Tiefschlaf gerissen worden sei, sei jedenfalls von einer derart gravierenden Sinnesverwirrung auszugehen, daß er nicht erkennen habe können, ob der Erstbeklagte einen Führerschein besaß oder nicht.

Zunächst kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die grundsätzlich zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Begründung seines Aufhebungsbeschlusses verwiesen werden.

Die Vorinstanzen sind auch zu Recht von der Anwendbarkeit österreichischen Rechtes ausgegangen, obwohl die am Unfall beteiligten Fahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen waren. Da der Kläger (geschädigter Fahrgast) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Unfallsstaat (Österreich) hat, kommt die Ausnahmebestimmung des Art 4 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens nicht zum Tragen (s Art 4 lit b iVm lit a zweiter Fall dieses Übereinkommens) und es ist daher Art 3 des Übereinkommens maßgebend.

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 43/231 (= ZVR 1971/203 = RZ 1971, 53 = JBl 1971, 312 = EvBl 1971/179) ausführte, den Geschädigten, der sich vor dem Antritt der Fahrt sinnlos betrunken und damit selbst außer Stande gesetzt hat nachzuprüfen, ob er sich dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges anvertrauen darf, treffe ein Mitverschulden an den ihm zugestoßenen Unfall, der durch die Trunkenheit des Fahrers herbeigeführt wurde. Dieses Mitverschulden müsse sich der Geschädigte nur dann nicht anrechnen lassen, wenn ihn an der Herbeiführung seiner Trunkenheit kein Verschulden träfe, was zB der Fall wäre, wenn er die berauschende Eigenschaft des Getränkes nicht gekannt oder es über ärztliche Verschreibung zu sich genommen hätte, oder ihm der Alkohol von anderen eingeflößt worden wäre. In der Entscheidung ZVR 1973/198 wurde allerdings bereits ausgeführt, daß sich der Geschädigte dann kein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, wenn ihm nach der Sachlage kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, daß er sich durch Alkohol in einen Zustand versetzte, in dem er im Zeitpunkt, als er sich dem Lenker zur Fahrt anvertraute, dessen Fahrtüchtigkeit nicht mehr beurteilen konnte. Dies sei etwa dann der Fall, wenn er in dem Zeitraum, in dem er sich den seine Urteilsfähigkeit aufhebenden Alkoholkonsum hingegeben habe, noch nicht in Betracht ziehen habe müssen, in der Folge in einem von einem ungeeigneten Lenker gelenkten Auto mitgenommen zu werden. Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof in der weitaus überwiegenden Anzahl von Entscheidungen (ausgenommen nur ZVR 1974/17 und 2 Ob 140/82) aufrecht erhalten (ZVR 1975/46; ZVR 1976/10; ZVR 1981/191; 2 Ob 94/81; ZVR 1984/233; 2 Ob 164/83; ZVR 1985/30; ZVR 1989/24; 2 Ob 146/89). Sie wird auch vom erkennenden Senat geteilt und entspricht auch der neueren Lehre (Apathy, KommzEKHG Rz 16 zu § 7; Reischauer in Rummel**2 Rz 18 zu § 1304). Dabei wurde in der Entscheidung 2 Ob 94/81 ausdrücklich auch ausgesprochen, daß die oben angeführten Grundsätze nicht nur für den Fall der Alkoholisierung des Lenkers gelten, sondern folgerichtig auch bei mangelnder Fahrberechtigung.

Was die Frage des Rechtsmißbrauches betrifft, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt ZVR 1995/41), daß das gegen den Halter gerichtete Begehren eines bei einer Schwarzfahrt verletzten Fahrzeuginsassen rechtsmißbräuchlich ist, wenn dem Verletzten die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker bekannt war. In der Entscheidung 2 Ob 44/95 hat der erkennende Senat allerdings dargelegt, daß es sich dabei nicht um unzulässige Rechtsausübung handelt, weil das Ersatzbegehren in der Regel etwas anderes bezweckt, als den anderen zu schädigen. Vielmehr liegt echtes Handeln auf eigene Gefahr vor (vgl auch Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr 53 f). Dies führt dazu, daß der Halter des Kraftfahrzeuges demgegenüber, der an der Schwarzfahrt in Kenntnis der Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker teilgenommen hat, nicht haftet; die Pflicht zur Verhinderung von Schwarzfahrten besteht nämlich nicht gegenüber Personen, die sich wissentlich an einer Schwarzfahrt beteiligen (Hans Stoll aaO 54). Die Teilnahme des Klägers an der Schwarzfahrt des Erstbeklagten könnte daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur dann zu einer Abweisung des gegen die dritt- bis fünftbeklagte Partei gerichteten Klagebegehrens führen, wenn der Kläger an der Schwarzfahrt in Kenntnis der Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker teilgenommen hat, es bedarf daher auch insoweit seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit.

Was nun die im Rekurs des Klägers vertretene Ansicht, aus dem Gutachten des Sachverständigen und aus dem gesamten Akteninhalt ergebe sich, daß der Kläger sich im Zustand der vollen Berauschung befand, betrifft, kann auf die vom Berufungsgericht aufgezeigten Widersprüche verwiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.

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