Spruch:
Guter Glaube des Fahrzeuglenkers an eine schlüssige Erlaubnis des Fahrzeughalters zur Weitergabe der Lenkung macht den unberechtigten Lenker nicht zum berechtigten, kann aber den Schadenersatzanspruch des vom Halter Berechtigten und des Haftpflichtversicherers als Legalzessionar schmälern
OGH 13. November 1980, 7 Ob 19/80 (OLG Graz 7 R 158/79; LG Klagenfurt 17 Cg 103/78)
Text
Der klagende Haftpflichtversicherer begehrt aus einem Verkehrsunfall, den die Beklagte in der Nacht vom 22. zum 23. Mai 1973 verschuldete, im Regreßweg Zahlung seiner Leistungen an geschädigte Dritte mit der Behauptung, die Beklagte sei beim Lenken des Fahrzeuges nicht mit Willen des Halters tätig und daher nicht nach Art. 1 Abs. 2 AKHB mitversichert gewesen.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte der Versicherungsnehmer und Halter des versicherten PKW, Alois R dieses Fahrzeug am 21. Mai 1973 seiner Freundin Claudia H wegen seines alkoholisierten Zustandes mit dem Ersuchen überlassen, ihn in die Kaserne nach K zu fahren, und mit der Auflage, daß seine Freundin ihn am 23. Mai 1973 nach Erhalt des Dokuments über die von ihr am 17. Mai 1973 abgelegte Führerscheinprüfung wieder von der Kaserne abholen solle. Die Durchführung sonstiger Fahrten in der Zwischenzeit hatte Alois R seiner Freundin nicht verboten. Von diesem Zeitpunkt bis zum Unfall lenkten Claudia H und die Beklagte den PKW wiederholt abwechselnd zu Fahrten innerhalb K von der Wohnung zur Schule, zu Übungsfahrten im Bereich ihrer Wohnung und zu einer Fahrt von K nach B, wobei auf der Rückfahrt die Beklagte fuhr. Sie lenkte das Fahrzeug in dieser Zeit drei- bis viermal, nachdem ihr Claudia H den Autoschlüssel vorgezeigt und ihr erklärt hatte, daß "sie", nämlich H und die Beklagte, das Fahrzeug nun zu Übungszwecken benützen dürfen. Etwa einen Monat vor dem Unfall hatte Alois R anläßlich einer Fahrt mit beiden Mädchen auch die Beklagte etwa 15 bis 20 Minuten lang mit seinem PKW fahren lassen.
Am Abend des 22. Mai 1973 feierten die Mädchen den bevorstehenden Geburtstag von Claudia H in einem Gasthaus, wo sie auch Freunde trafen. Dabei wurde dem Alkohol reichlich zugesprochen. Da die Beklagte von allen Teilnehmern der Runde am wenigsten Alkohol genossen hatte, übernahm sie auf Ersuchen ihrer Freundin Claudia H die Lenkung des Fahrzeuges zu einer Fahrt, die zunächst zur Unterkunft der Mädchen führte und von dort zur Unfallstelle auf der Autobahn, wo die Beklagte mit einer für ihre Fahrkenntnisse zu hohen Geschwindigkeit von etwa 120 km/h die Herrschaft über das Fahrzeug verlor. Claudia H wurde bei dem Unfall durch eine Gehirnerschütterung und Gehirnquetschung (Schädelhirnverletzung) ebenso wie der Mitfahrer Walter Z schwer und zwei weitere Mitfahrer leicht verletzt. Die Beklagte wurde rechtskräftig nach § 335 StG verurteilt. Die Klägerin hat an die Unfallgeschädigten Zahlungen in der Höhe des Klagsbetrages geleistet; an die Sozialversicherungsträger ist allerdings infolge des Teilungsabkommens nicht der gesamte ausgewiesene Betrag zur Auszahlung gelangt. Eine Zahlung von 150 000 S erfolgte an Claudia H zur Abdeckung aller ihrer Ansprüche im Vergleichsweg.
Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei die Beklagte als berechtigte Lenkerin im Sinne des Art. 1 Abs. 2 AKHB 1967 anzusehen, weil ihr die Lenkung des Fahrzeuges von ihrer Freundin übertragen wurde, der wieder vom Halter die Durchführung sonstiger Fahrten nicht verboten worden sei. Die Benützung sei deshalb nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Halters erfolgt und die Beklagte habe auf die ausdrückliche Erklärung ihrer Freundin, daß beiden das Fahrzeug jetzt zu Übungszwecken zur Verfügung stehe, vertrauen dürfen. Obwohl die Überlassung des Fahrzeuges nur an Claudia H erfolgt und vom Halter an die Beschränkung der Benützung auf die beiden Fahrten von und zu der Kaserne gedacht gewesen sei, könne mangels eines Verbotes eine konkludente Einwilligung des Fahrzeughalters auch zur Weitergabe der Lenkung an die Beklagte angenommen werden. Damit sei ein Rückgriff gegen die mitversicherte berechtigte Lenkerin ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägerin Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Klage ab. Es übernahm zwar die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens, vertrat aber die Rechtsansicht, daß die Überlassung des Fahrzeugs durch Claudia H an die Beklagte nicht durch eine Erlaubnis des Fahrzeughalters gedeckt gewesen sei, weil Claudia H auch nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles nicht annehmen durfte, den PKW einem Dritten überlassen zu dürfen. Überdies könne die Unglücksfahrt nicht als Übungsfahrt angesehen werden. Die Beklagte sei daher nicht mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig und in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht mitversichert gewesen. Andererseits habe die Klägerin den Unfallsgeschädigten nach dem EKHG gehaftet, weil Claudia H als Vertrauensperson des Halters die Benützung des PKW durch die Beklagte schuldhaft ermöglicht habe. Der Regreßanspruch der Klägerin bestehe daher dem Gründe nach gemäß § 67 VersVG zu Recht. Die vergleichsweise Abfindung der Ansprüche der schwerverletzten Claudia H sei gerechtfertigt gewesen, weil in der bloßen Verschaffung einer Gelegenheit zur Schwarzfahrt keine Sorglosigkeit des Verletzten in eigenen Angelegenheiten zu erblicken sei, die seinen Anspruch mindere, und der Vergleichsbetrag allein aus dem Titel des Schmerzengeldes gebührt hätte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge, bestätigte das Berufungsurteil als Teilurteil im Zuspruch von 55 167.10 S und verwies die Rechtssache im Ausspruch über die weitere Klagsforderung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin läßt die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes unbekämpft, daß der Regreß gemäß § 67 VersVG zulässig ist, wenn die Klägerin infolge Deckungspflicht gegenüber dem Halter des Fahrzeuges Geschädigten nach § 6 Abs. 1 EKHG ersatzpflichtig, die Beklagte aber nicht nach Art. 1 Abs. 2 AKHB mitversichert und daher im Sinne des § 67 VersVG "Dritter" war (VersR 1979, 460 u. a.). Sie behauptet auch nicht einmal, Mithalterin des Fahrzeuges (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht II, 440 ff.; SZ 41/77; SZ 43/109 u. a.) gewesen zu sein. Die Beweislast hiefür ebenso wie für das Vorliegen der Voraussetzungen einer sonstigen Mitversicherung in der Kfz-Haftpflichtversicherung gemäß Art. 1 Abs. 2 AKHB trifft aber sie. Es kommt nicht auf die Zufälligkeit an, ob der Versicherer im Deckungsprozeß die Rolle des Beklagten oder im Regreßprozeß die Rolle des Klägers einnimmt. Grundsätzlich hat vielmehr jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen und die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu beweisen, die rechtsbegrundenden und rechtsgestaltenden Tatsachen daher derjenige, der ein Recht in Anspruch nimmt (Fasching III, 234; SZ 48/92; EvBl. 1978/145 u. v. a.). Anspruchsbegrundend in diesem Sinn ist hier die von der Beklagten behauptete Mitversicherung nach Art. 1 Abs. 2 AKHB, weil die Beklagte nur unter dieser Voraussetzung Anspruch auf Deckung der Schäden dritter Personen gehabt hätte, ohne daß die Deckungspflicht des Versicherers gegenüber dem Halter des Fahrzeuges ihr gegenüber die Rechtswirkungen der Norm hervorrufen konnte. Diese Konstruktion ist anders als jene in der Bundesrepublik Deutschland, wo der unberechtigte Lenker mitversichert ist (§ 10 Z. 2 lit. c AKB) und nur ein Tatbestand der (vom Versicherer zu beweisenden) Leistungsfreiheit vorliegt, wenn ein unberechtigter Fahrer das Fahrzeug gebraucht (§ 2 Z. 2 lit. b AKB); aus dieser unterschiedlichen Rechtslage erklärt sich dort auch eine andere Ansicht über die Beweislastverteilung (Pienitz - Flöter, AKB[4], 80 § 2, 18; Prölss - Martin[21], 848).
Bei dieser Rechtslage gehen Zweifel darüber, ob die Beklagte, deren Haltereigenschaft nicht behauptet worden ist, gemäß Art. 1 Abs. 2 AKHB "mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig" war, zu ihren Lasten. Daß es an einem Verbot des Halters fehlte, genügt schon nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht; die Lenkung muß vielmehr dem Willen des Halters entsprechen. Hier lag eine ausdrückliche Ermächtigung des Fahrzeughalters an seine Freundin Claudia H, den PKW der Beklagten oder sonst einer dritten Person zu überlassen, nicht vor. Die Revisionswerberin bekämpft aber auch die Ansicht des Berufungsgerichtes im Ergebnis nicht mit Recht, daß es ebenso an einer schlüssigen Ermächtigung zur Weitergabe der Lenkung des Fahrzeuges fehlte. Wohl kann der Wille des Fahrzeughalters im Sinne des § 863 ABGB auch schlüssig aus seinem Verhalten abgeleitet werden (ZVR 1962/121). Grundsätzlich ist aber ohne eine ausdrückliche Erlaubnis des Halters nicht zu vermuten, daß ein bloßer Entlehner des Fahrzeuges berechtigt sein soll, die ihm anvertraute Fahrzeuglenkung an einen Dritten weiterzugeben, wenn nicht besondere Umstände dafür sprechen (vgl. Stiefel - Hofmann, AKB[11], 141; ZVR 1961/318 und BGH VersR 1962, 725). Solche liegen aber hier entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht vor. Insbesondere kommt der Tatsache keine entscheidende Bedeutung zu, daß der Fahrzeughalter einmal vor dem Unfall die Lenkung des PKW sowohl seiner Freundin Claudia H als auch der Beklagten kurzzeitig überließ, obwohl damals beide Frauen noch keine Lenkerberechtigung besaßen; denn bei jener Gelegenheit überwachte er selbst die Fahrt. Es ist auch keineswegs naheliegend, daß ein junger Mann, der sein Fahrzeug seiner (nun bereits die Lenkerberechtigung, wenn auch noch nicht die Urkunde hierüber besitzenden) Freundin kurzzeitig überläßt, damit zugleich der Freundin seiner Freundin ein gleiches Entgegenkommen erweisen will. Dagegen spricht vielmehr gerade der Umstand, daß die Beklagte, wenn auch gleich ihrer Freundin, eben erst die Lenkerberechtigung erworben hatte und notwendigerweise eine geringe Fahrpraxis besaß. Die Behauptung der Revisionswerberin, der Versicherungsnehmer habe wegen der ihm bekannten engen Freundschaft zwischen ihr und Claudia H von vornherein mit der Möglichkeit der Weitergabe der Fahrzeuglenkung rechnen müssen, ist mangels entsprechender Feststellungen der Vorinstanzen eine unbewiesene und keineswegs auf der Hand liegende Annahme. Die Fahrten ab dem 21. Mai 1973 erlauben für sich überhaupt keinen Rückschluß auf den Willen des Halters. Entgegen der Meinung der Beklagten bedurfte es bei dieser zweifelhaften Sachlage keines ausdrücklichen Verbotes der Weitergabe, sondern umgekehrt der Erteilung einer Erlaubnis, um die Beklagte mittelbar zur berechtigten Lenkerin zu machen. Allerdings befand sich die Revisionswerberin offenbar im guten Glauben darüber, daß Claudia H auch ihr die Lenkung des Fahrzeuges überlassen dürfe. Aber die Ausdehnung des Versicherungsschutzes gemäß Art. 1 Abs. 2 AKHB u. a. auf jene Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig sind, setzt schon in objektiver Beziehung eine tatsächlich erteilte Erlaubnis der dargestellten Art voraus. Der gute Glaube an die Verfügungsmacht einer Person, die der Fahrer bloß für berechtigt hielt, ihm die Benützung des Fahrzeuges zu gestatten, ist nicht geschützt; durch einen Irrtum hierüber wird der unberechtigte Fahrer nicht zum berechtigten (Stiefel - Hofmann a. a. O., 188; Prölss - Martin a. a. O., 856; ebenso BGH VersR 1963, 771). Dazu kommt noch der schon vom Berufungsgericht zutreffend erwähnte Umstand, daß eine mitten in der Nacht von der bereits erreichten Wohnung aus angetretene Spazierfahrt mit einer alkoholisierten Gruppe offensichtlich nicht mehr dem Begriffe einer Übungsfahrt entsprach, wie sie der Fahrzeughalter vorgeblich auch der Beklagten erlaubt hatte. Nur wenn Claudia H in der Benützung des Wagens völlig frei gewesen wäre, könnte der Wille des Fahrzeughalters bedeutungslos geworden sein (vgl. Stiefel - Hofmann a. a. O., 142; ZVR 1961/290; vgl. auch BGH VersR 1963, 771). Aber auch davon kann bei einer so kurzzeitigen Überlassung des Fahrzeuges wie hier mit der zugestandenen Einschränkung auf Übungsfahrten keine Rede sein.
Aus der Haftung des Haftpflichtversicherers nach dem EKHG für die strittigen Schäden ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Sie geht zum Schutz der Verkehrsopfer über den Umfang der Mitversicherung hinaus. Der Einwand der Revisionswerberin, daß mangels einer widerrechtlichen Aneignung des Fahrzeuges oder des Schlüssels eine rechtsgültige Überlassung erfolgt sei, war demnach zwar für die Hafterhaltung nach dem EKHG relevant, geht aber in der Frage einer Mitversicherung nach den AKHB ins Leere.
Soweit die Klägerin Ansprüche anderer Geschädigter als der Verletzten Claudia H entschädigt hat, wurde ein Mitverschulden nicht eingewendet. Insoweit haftete die Klägerin demnach für den Fahrzeughalter; sie macht in diesem Umfang den Regreß nach § 67 VersVG mit Recht geltend, sodaß das Berufungsurteil als Teilurteil zu bestätigen war.
Hingegen kommt der Meinung der Revisionswerberin Berechtigung zu, daß ein Mitverschulden der verletzten Claudia H dadurch, daß diese ihr die Lenkung des Fahrzeuges ohne Erlaubnis des Halters überließ, den Regreßanspruch der Klägerin schmälert. Ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen und der oben dargestellten Rechtslage war das Verhalten der Entlehnerin Claudia H eigenmächtig und schuldhaft; es hat mit zu dem Unfall geführt, bei dem sie selbst schwer verletzt wurde. Allerdings stellt nach der soweit zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes die bloße Verschaffung einer Gelegenheit zur Schwarzfahrt eines an sich tauglichen Lenkers im allgemeinen keine Sorglosigkeit gegenüber dem Rechtsgut der eigenen körperlichen Integrität im Sinne des § 1304 ABGB dar (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht II, 454, und Veit, EKHG[3], 93). Das Berufungsgericht hat aber übersehen, daß eine Beschränkung der Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber ihrer Freundin Claudia H als Betriebsgehilfin des Fahrzeughalters (§ 6 Abs. 1 EKHG) hinsichtlich des erlittenen eigenen Schadens im vorliegenden besonders gelagerten Fall auch unter dem im Vorbringen der Revisionswerberin gedeckten Gesichtspunkt in Betracht kommt, daß sie auf die Richtigkeit der Auskunft ihrer Freundin über die angebliche Erlaubnis des Fahrzeughalters zur Weitergabe der Lenkung und damit auf das Bestehen ihres eigenen Versicherungsschutzes vertrauen durfte. Da im Zweifel niemandem ein bewußt rechtswidriges Verhalten unterstellt werden kann, waren so nicht nur die Unfallsfolgen, sondern auch die fehlende Versicherungsdeckung von Claudia H mitverschuldet (vgl. BGH VersR 1963, 711). In einem solchen Fall kommt der Rechtssatz zur Anwendung, daß dem Halter - von dem die Klägerin gemäß § 67 VersVG ihre Regreßansprüche ableitet - gegenüber dem Verletzten die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung zusteht, wenn diesem die Tatsache der unbefugten Inbetriebnahme des Kraftwagens durch den Lenker und damit das Fehlen des Versicherungsschutzes im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung bekannt war (EvBl. 1962/139 u. v. a.), besonders wenn der verletzte Betriebsgehilfe selbst die Lenkung des Fahrzeuges unbefugterweise überlassen hat; die erwähnte Einrede ist mit einem solchen Sachvorbringen hinreichend deutlich erhoben (ZVR 1969/2). Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin in ihrem Tatsachenvorbringen den aufgezeigten Gesichtspunkt andeutungsweise substantiiert und auch die Kenntnis der Klägerin von der durch Claudia H ermöglichten Schwarzfahrt behauptet. Aus den von der Klägerin selbst stammenden Urkunden ergibt sich auch unzweideutig, daß die Revisionsgegnerin im Zeitpunkte der vergleichsweisen Abfindung der Verletzten Claudia H am 12. Juli 1976 vom Fahrzeughalter Alois R längst dahin informiert war, daß Claudia H nicht berechtigt war, die Lenkung des Fahrzeuges weiterzugeben. Aus dem Strafakt mußte der Klägerin überdies die Verantwortung der Beklagten bekannt sein, Claudia H habe sie um die Lenkung des Fahrzeuges ersucht. Dennoch hätte die Klägerin die Ersatzansprüche dieser Verletzten mit dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung nur unter der weiteren Voraussetzung abwehren können, daß ihr auch die nach den nunmehrigen Verfahrensergebnissen unrichtige Auskunft bekannt war, der Fahrzeughalter habe Claudia H auch die Weitergabe der Lenkung an die Beklagte erlaubt. Diese Frage blieb im erstinstanzlichen Verfahren unerörtert. Andererseits müßte die Klägerin das allfällige Fehlen der Kenntnis dieses Umstandes gegenüber der Beklagten dann vertreten, wenn sie den Abfindungsvergleich mit Claudia H ohne deren Zustimmung geschlossen hätte. Für eine nicht mitversicherte Person bestand nämlich ebenso wie im Fall des § 158 f. VersVG keine Verhandlungs- oder Vergleichsvollmacht im Sinn des Art. 9 AKHB; der Versicherer muß sich deshalb auch hier alle Einwendungen aus dem Haftpflichtverhältnis entgegenhalten lassen, wenn er den Dritten ohne Zustimmung der Regreßpflichten befriedigt hat (vgl. SZ 44/84 u. v. a.). Im Umfang der vergleichsweisen Abfindung der Verletzten Claudia H wäre demnach ein Regreßanspruch nach § 67 VersVG ganz zu verneinen, wenn die Klägerin im Zeitpunkt dieses Vergleiches den gesamten oben dargestellten Sachverhalt gekannt oder den Vergleich ohne Zustimmung der Beklagten abgeschlossen hätte; im anderen Fall wäre die Klagsforderung auch in diesem Umfang voll berechtigt. Selbst bei Verneinung des Klagsanspruches nach § 67 VersVG wäre die Sache im Umfang der vergleichsweisen Zahlung an Claudia H noch nicht spruchreif. Die Klägerin hat nämlich hilfsweise den weiteren Rechtsgrund geltend gemacht, jene Schuld der Beklagten bezahlt zu haben, zu der diese aus dem Titel des Schadenersatzes auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren verpflichtet gewesen sei. Im Strafurteil ist allerdings ein Zuspruch an die Verletzte oder auch nur deren Verweisung auf den Zivilrechtsweg nicht erfolgt. Aus dem Schuldspruch folgte aber eine mindestens teilweise Schadenersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Verletzten Claudia H, sodaß im Umfang des Zurechtbestehens dieser Forderung und ihrer Zahlung durch die Klägerin ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB bestunde. In dem bezeichneten Umfang hätte nämlich die Klägerin für die Beklagte einen Aufwand gemacht, den diese nach dem Gesetze selbst hätte machen müssen, ohne daß sie selbst dazu aus einem anderen Rechtstitel verpflichtet gewesen wäre, wenn die Halterhaftung nach dem oben Gesagten wegfiel.
Der Höhe nach könnte über diesen Ersatzanspruch noch nicht entschieden werden. Hier käme nämlich dem Mitverschuldenseinwand der Beklagten insoweit Berechtigung zu, als sich Claudia H eine Kürzung ihrer Ansprüche zwar nicht wegen bloßer Ermöglichung einer Schwarzfahrt zurechnen lassen müßte, wohl aber aus dem oben erörterten Rechtsgrund der Irreführung der sodann am Verkehrsunfall schuldigen Lenkerin über eine Zustimmung des Fahrzeughalters und damit über das Bestehen des Haftpflichtversicherungsschutzes. Im Zweifel wäre wieder davon auszugehen, daß die Beklagte bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung über diesen Sachverhalt die Lenkung des Kraftfahrzeuges nicht übernommen hätte. Gegenüber ihrem Verschuldensanteil durch fahrlässige Herbeiführung des Verkehrsunfalls würde sodann der Mitverschuldensanteil der Verletzten mit einem Drittel zu veranschlagen, weil die unmittelbare Herbeiführung des Unfalls schwerer wiegt. Da andererseits eine vergleichsweise Abfindung der Schadenersatzansprüche der Verletzten mit einem nach der Aktenlage über dem begehrten Schmerzengeld liegenden Betrag erfolgt ist, müßte geprüft werden, in welcher Gesamthöhe diese Ansprüche gerechtfertigt waren und ob nicht etwa die von der Klägerin erzielte vergleichsweise Abfindung sogar das ganze Mitverschulden aufwog. Die Anwaltskosten wären dabei aber nicht mitzuveranschlagen, wenn der von der Klägerin verglichene Anspruch nicht auch ausdrücklich gegen Claudia H erhoben worden sein sollte.
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