OGH 2Ob103/71

OGH2Ob103/7127.5.1971

SZ 44/84

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §10 Abs3
ABGB §879
ABGB §1375
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §10 Abs3
ABGB §879
ABGB §1375

 

Spruch:

Die klageweise Geltendmachung eines auf Grund eines "echten" Anerkenntnisses zustehenden Anspruches ist in der Regel nicht sittenwidrig

OGH 27. 5. 1971, 2 Ob 103/71 (OLG Linz 1 R 11/71; LG Salzburg 7 a Cg 278/69)

Text

Am 12. 8. 1966 stieß auf der Wolfgangsee-Bundesstraße ein vom Beklagten gelenkter PKW Marke VW im Begegnungsverkehr mit dem vom Kläger gelenkten und ihm gehörigen PKW Marke Renault, der in einem Überholvorgang begriffen war, zusammen. Dabei wurde der Kläger verletzt und erlitt Sachschaden. In dem aus Anlaß dieses Verkehrsunfalles nur gegen den Beklagten durchgeführten Strafverfahren wurde dieser freigesprochen.

Der Kläger behauptete, den Unfall habe der Beklagte durch überhöhte Geschwindigkeit und fahrtechnisch unrichtiges Lenken verschuldet. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten habe die Forderung des Klägers dem Grund nach anerkannt. Primär gestützt auf dieses Anerkenntnis, aber auch unter Berufung auf die Haftung nach dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch und dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz begehrte der Kläger Ersatz für Autoschäden, Mietwagenkosten, Barauslagen, sonstige Sachschäden, Schmerzengeld und Verdienstentgang.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Das Alleinverschulden treffe nicht ihn, sondern den Kläger, durch dessen verkehrswidrigen Überholvorgang es zum Unfall gekommen sei. Das Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers sei lediglich unter der nicht erfüllten Voraussetzung abgegeben worden, daß sich der Kläger dem Strafverfahren gegen den Beklagten nicht als Privatbeteiligter anschließe.

Nachdem der Beklagte von allen geltend gemachten Anspruchsteilen der Höhe nach einen Schaden von je S 1.- anerkannt hatte und das Verfahren auf den Anspruchsgrund eingeschränkt worden war, erkannte das Erstgericht mit Zwischenurteil, daß der Anspruch, den der Kläger auf Bezahlung von S 79.764.89 sA auf Grund des Anerkenntnisses vom 25. 10. 1966 geltend mache, dem Grund nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Beklagten das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Es nahm auf der Grundlage des von diesem festgestellten Sachverhaltes gleichfalls ein den Beklagten als berechtigten Fahrer bindendes Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers an. Dieses Anerkenntnis verpflichtete den Beklagten allerdings nur im Umfang der Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag. Es sei nicht ausgeschlossen, daß der geltend gemachte Sachschaden die im § 24 KfV 1955 vorgesehene Mindestversicherungssumme übersteige. Die Frage, ob der Klagsanspruch in der Versicherungssumme Deckung finde, sei in erster Instanz nicht erörtert worden. Ohne Klärung der Haftungsbeschränkung hätte nur ausgesprochen werden dürfen, daß der Klagsanspruch soweit zu Recht bestehe, als er in den dem Beklagten Deckung bietenden Haftpflichtversicherungsvertrag Deckung finde. Ein das Ersturteil in diesem Sinn abänderndes Zwischenurteil hätte eine Teilabweisung zur Folge. Eine solche sei aber nicht möglich, weil der Kläger als Klagsgrund auch Verschulden des Beklagten geltend gemacht habe und der Beklagte bei Vorliegen dieses bisher nicht erörterten Haftungsgrundes dem Kläger allenfalls unbeschränkt ersatzpflichtig wäre. Unter diesen Umständen sei die Fällung eines Zwischenurteils unzulässig. Klärungsbedürftig sei auch, ob der Beklagte mit seinem Zugeständnis, von allen geltend gemachten Ansprüchen der Höhe nach einen Schaden von S 1.- anzuerkennen, seine frühere Bestreitung einzelner Klagsposten fallen gelassen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

1. Rekurs des Beklagten:

Der Annahme der Vorinstanzen, es liege ein konstitutives Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers vor, liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Mit Schreiben vom 18. 8. 1966 forderte der Klagsvertreter den Haftpflichtversicherer des Beklagten zur grundsätzlichen Anerkennung der Schadenersatzpflicht auf. Das Strafverfahren gegen den Beklagten wurde am 25. 8. 1966 eingeleitet. Am 6. 9. 1966 schloß sich der Kläger diesem Verfahren als Privatbeteiligter an. Die Hauptverhandlung vom 27. 10. 1966 wurde vertagt. An diesem Tag langte das schriftliche Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers dem Grund nach beim Klagevertreter ein. Es enthielt keine Bedingung, daß es nur gelten solle, wenn sich der Kläger dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligter anschließe. Auch mündlich wurde eine solche Vereinbarung nicht getroffen. Bei der fortgesetzten Hauptverhandlung am 10. 11. 1966 wurde der Beklagte freigesprochen. Am 17. 11. 1966 widerrief der Haftpflichtversicherer sein Anerkenntnis. Der Widerruf wurde vom Klagevertreter nicht zur Kenntnis genommen.

Gegen die Geltendmachung des Anerkenntnisses als Klagsgrund hatte der Beklagte bereits in erster Instanz ua eingewendet, es widerspreche den guten Sitten, wenn sich der Kläger trotz seines alleinigen Verschuldens auf das irrtümlich abgegebene Anerkenntnis berufe.

Zu diesem Einwand ist festzuhalten, daß in dem am 12. 5. 1967 beim Erstgericht anhängig gewordenen Rechtsstreit 1 Cg 258/67 die Streitteile in vertauschter Parteirolle einander gegenüberstehen. Nach den Ergebnissen dieses Verfahrens steht die Ersatzpflicht des dort beklagten B gegenüber dem dortigen Kläger C dem Gründe nach fest.

Der Rekurs des Beklagten macht nun geltend, eine Ersatzleistung in der Höhe des Klagsbetrages ohne Vorliegen eines Rechtsgrundes widerspreche jedem Rechtsgefühl. Darauf ist zu erwidern, daß in dem vorliegenden Anerkenntnis der vermißte Rechtsgrund gegeben ist. Dieses "echte" Anerkenntnis als Willenserklärung ist ein Vertrag, der ein bestimmtes Rechtsverhältnis ohne gegenseitiges Nachgeben der Parteien feststellt und das anerkannte Rechtsverhältnis für den Fall, daß es nicht bestanden haben sollte, ins Leben ruft (vgl Ehrenzweig, System[2] I/1, 361 f; SZ 36/24 ua). Die klagsweise Geltendmachung eines vertragsmäßigen Anspruches wird aber, von Ausnahmefällen abgesehen, schon im Hinblick auf den Grundsatz der Vertragstreue nicht als ein mit Rechtsgrundsätzen unvereinbarer Verstoß gegen die guten Sitten zu beurteilen sein (vgl Gschnitzer, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 33 D). Daß ein derartiger Ausnahmefall hier vorliege, kann nicht gesagt werden.

Der Beklagte hält auch den weiteren Einwand aufrecht, das Anerkenntnis beruhe auf einem vom Kläger veranlaßten Irrtum. Der Kläger habe gewußt bzw wissen müssen, daß er durch sein Überholmanöver den Unfall allein verursacht habe und daß das Anerkenntnis unter falschen Voraussetzungen gegeben worden sei. Auch darin kann dem Beklagten nicht gefolgt werden. Zur Zeit des Anerkenntnisses lagen die Ergebnisse der von der Gendarmerie über den Unfall durchgeführten Erhebungen und insbesondere die einander widersprechenden Darstellungen der beiden unfallsbeteiligten Lenker vor. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten kam nach Einsichtnahme in diese Unterlagen zur Überzeugung, daß den Kläger kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe. Bei diesen Umständen kann nicht davon die Rede sein, daß sich der Kläger oder sein Vertreter einer List schuldig gemacht habe. Der Anfechtungsanspruch wegen Irrtums unterlag daher der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, die nicht nur für die Erfüllungsklage, sondern auch für die Einrede gilt. Der Fristenlauf begann iS der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung mit Vertragsabschluß, also mit Zustellung des Schreibens vom 25. 10. 1966 an den Klagevertreter. Die Einrede wurde bei der Tagsatzung zur Streitverhandlung am 4. 6. 1970 erhoben. Das Berufungsgericht hat somit zutreffend die Berechtigung der Irrtumseinrede wegen Verjährung verneint.

Mit seiner Rekursbehauptung, das Berufungsgericht erachte zu unrecht "das Zustandekommen des Anerkenntnisses durch zweiseitige Willenserklärung", für gegeben, ist der Beklagte auf das eben Gesagte zu verweisen.

Vergeblich bekämpft schließlich der Rekurs die Ansicht des Berufungsgerichtes als rechtsirrig, der Haftpflichtversicherer sei berechtigt gewesen, für den Beklagten Erklärungen abzugeben. Nach den diesfalls maßgeblichen Feststellungen war Versicherungsnehmer und Halter des vom Beklagten gelenkten VW die Firma Bo in Salzburg und der Beklagte selbst zur Unfallszeit berechtigter Fahrer, somit versicherte Person, weshalb der Versicherer als bevollmächtigt galt, alle ihm zur Befriedigung oder Abwehr von Entschädigungsansprüchen zweckmäßig erscheinenden Erklärungen für ihn abzugeben (§ 10 Abs 1 und 3 AKB).

Soweit der Rekurs in diesem Zusammenhang auf Prozeßbehauptungen des hier Beklagten als Kläger im Parallelprozeß 1 Cg 258/67 des Erstgerichtes verweist, die, würden sie festgestellt, einen Regreßanspruch des Haftpflichtversicherers auslösen könnten, ist dieses Vorbringen im Hinblick auf die unter einem ergehende Revisionsentscheidung 2 Ob 113/71 bedeutungslos.

2. Rekurs des Klägers:

Dieser rügt als rechtsirrig die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe durch das Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers nur soweit verpflichtet werden können, als für ihn aus dem Versicherungsvertrag Deckung bestehe. Zur Widerlegung dieser Ansicht, die das Berufungsgericht auf die ua in JBl 1969, 38 veröffentlichte Entscheidung 7 Ob 29/66, stützte, beruft sich der Rekurs auf den Aufsatz Strassers in JBl 1969, 1 "Die Regulierungsmacht des Versicherers beim kranken Versicherungsverhältnis", dessen Argumente zum Ergebnis führen müßten, daß im Außenverhältnis eine von der Höhe der Versicherungssumme unabhängige Vollmacht des Versicherers anzunehmen sei.

Der erkennende Senat sieht sich jedoch auf Grund der Rekursausführungen nicht veranlaßt, einen von der zitierten Entscheidung abweichenden Standpunkt einzunehmen. Auf die zustimmende Besprechung der erwähnten und anderer gleichlautenden Entscheidungen in diesem Punkt durch Wahle ist zu verweisen (VersR 1966, 256; VersR 1961, 527 und 528). Auch der späteren Entscheidung 7 Ob 67/67 (EvBl 1968/77) liegt der gleiche Gedanke zugrunde, wenn sie ausspricht, daß die Bevollmächtigung nach § 10 Abs 3 AKB auf den Umfang der Entschädigungspflicht abzustellen sei, so daß von einer nunmehr ständigen Praxis in diesem Sinn gesprochen werden kann.

Schließlich hätte nach Ansicht des Klägers ungeachtet der im Aufhebungsbeschluß erwähnten Unklarheit (siehe oben) die Entscheidung der ersten Instanz zumindest hinsichtlich der Teilansprüche Autoschäden und Schmerzengeld aufrecht erhalten werden müssen, weil bezüglich dieser Ansprüche keine weiteren Einwendungen zum Grund erhoben worden seien. Dabei übersieht der Rekurswerber, daß die Fällung eines Teilurteils, worauf diese Differenzierung hinausliefe, Ermessenssache der Vorinstanzen ist.

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