OGH 4Ob56/06y

OGH4Ob56/06y20.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „P*****"***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei „S*****" ***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ramsauer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 32.700 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.600 EUR), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2005, GZ 2 R 110/05t-15, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. April 2005, GZ 12 Cg 82/04p-10, in der Hauptsache bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Urteile werden aufgehoben, und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien sind Medieninhaber und Herausgeber von Gratiszeitungen, die im Bundesland Salzburg verteilt werden. Anfang 2004 behauptete die Beklagte in ihrem Internetauftritt, ihre Zeitung habe „mit Abstand die meisten Leser pro Nummer aller Salzburger Medien". Als Quelle nannte sie die Media-Analyse 2002. Darin war die Zeitung der Klägerin nicht berücksichtigt. Die Zeitung der Beklagten hatte keine Spitzenstellung bei den Lesern im Bundesland Salzburg. Ob das bei einer nicht auf dieses Bundesland beschränkten Betrachtungsweise anders war, wurde bisher nicht geprüft.

Die Klägerin begehrt das Verbot der genannten Behauptung, „wenn [der Zeitung der Beklagten] diese Leserzahlen nicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen bestätigt werden und ihr nicht ein ständiger und stetiger Vorsprung gegenüber sämtlichen Mitbewerbern zukommt". Weiters strebt sie, soweit noch relevant, die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Internet an. Die Behauptung sei inhaltlich falsch und stütze sich zudem auf eine Quelle, die die Zeitung der Klägerin nicht erfasse. Die Reichweiten der von der Klägerin und der Beklagten herausgegebenen Zeitungen lägen im Bundesland Salzburg innerhalb der statistischen Schwankungsbreite. Die strittige Behauptung werde vom Publikum ausschließlich auf dieses Verbreitungsgebiet bezogen; die Zahlen für ganz Österreich seien daher nicht relevant. Bei einer bundesweiten Betrachtungsweise müssten zudem auch die in anderen Bundesländern erscheinenden Regionalausgaben der Zeitung der Klägerin einbezogen werden, die bei dieser Betrachtungsweise jedenfalls mehr Leser habe als die Zeitung der Beklagten.

Die Beklagte gestand zu, dass die Zeitung der Klägerin nicht von der Media-Analyse erfasst war. Es habe aber auch einem flüchtigen Durchschnittsleser klar sein müssen, dass sich der strittige Reichweitenvergleich nur auf die von der Media-Analyse erfassten Zeitungen bezogen habe. Zudem habe die Klägerin nicht behauptet, die meisten Leser aller Salzburger Medien im Bundesland Salzburg zu haben. Die Behauptung beziehe sich auf das ganze Bundesgebiet und sei insofern auch unter Berücksichtigung von Schwankungsbreiten wahr. Insbesondere habe die Zeitung der Beklagten bei dieser Betrachtungsweise mehr Leser als jene der Klägerin. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt, nur ein weiteres, nun nicht mehr strittiges Veröffentlichungsbegehren wies es ab. Die Beklagte habe den Eindruck einer alleinigen Spitzenstellung erweckt. Dabei habe sie verschwiegen, dass die Zeitung der Klägerin von der als Quelle genannten Reichweitenerhebung nicht erfasst gewesen sei. Feststellungen zur Behauptung der Beklagten, dass die Werbeaussage bei einer nicht auf das Bundesland Salzburg beschränkten Betrachtungsweise wahr gewesen sei, traf das Erstgericht nicht. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mehrdeutige Formulierungen gingen zu Lasten desjenigen, der sie gebrauche. Aus Titel, Inhalt und Vertriebsgebiet der Zeitung ergebe sich, dass sie sich in erster Linie an Leser im Bundesland Salzburg richte. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher müsse die Werbeaussage daher als Behauptung einer Spitzenstellung im Bundesland Salzburg verstehen. Da eine solche Spitzenstellung nicht vorliege, sei die Beklagte zur Unterlassung dieser Aussage verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Urteile der Vorinstanzen im Widerspruch zu der zwischen denselben Parteien ergangen Entscheidung 4 Ob 215/05d stehen; sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Senat hat mehrfach ausgesprochen, dass bei der Werbung mit Reichweitenvergleichen Quelle und Erhebungszeitraum angegeben werden

müssen (4 Ob 56/00i = MR 2000, 184 - weitester Leserkreis; 4 Ob

94/05k = wbl 2005, 538 - Regioprint). Wenn eine als Quelle angeführte

Studie nicht alle in Frage kommenden Medien erfasst, muss auf diesen Umstand hingewiesen werden (4 Ob 75/04i = ÖBl-LS 2004/142 - Regionalmarkt; 4 Ob 94/05k = wbl 2005, 538 - Regioprint). Fraglich ist allerdings, ob ein Unterbleiben dieses Hinweises auch dann zur Irreführung geeignet ist, wenn die behauptete Spitzenstellung - wie hier behauptet - objektiv zutrifft (vgl 4 Ob 75/04i: „Dass aber die Zeitung der Beklagten mehr Leser pro Nummer erreiche als jede andere Zeitung auf dem demselben Regionalmarkt, hat die Beklagte weder behauptet noch bescheinigt").

Dazu muss aber im konkreten Fall nicht abschließend Stellung genommen werden. Denn nach dem Klagebegehren soll der Beklagten die Behauptung der Spitzenstellung verboten werden, wenn sich diese Aussage nicht beweisen lässt. Damit wird beanstandet, dass die Werbung objektiv falsch war, nicht dass die dafür zitierte Quelle ungeeignet gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat daher richtig erkannt, dass es zumindest bei diesem Klagebegehren ausschließlich auf die objektive Richtigkeit der Aussage ankommt, nicht auf die Tauglichkeit der Quelle.

2. Für diese Prüfung ist zunächst zu klären, wie die strittige Aussage zu verstehen ist. Das Berufungsgericht hat die Aussage als mehrdeutig angesehen und auf dieser Grundlage zutreffend auf die stRsp verwiesen, wonach mehrdeutige Angaben zu Lasten desjenigen auszulegen sind, der sie gebraucht (RIS-Justiz RS0043590, RS0078428). Das führte folgerichtig zur Klagsstattgebung. Nach Auffassung der Beklagten ist die Aussage aber eindeutig, dh nicht auf Leser im Bundesland Salzburg beschränkt, und in diesem Sinn auch wahr, weswegen sie nicht verboten werden könne. Folgt man dieser Auffassung, so wäre die Sache noch nicht spruchreif, da Feststellungen zur von der Beklagten behaupteten österreichweiten Spitzenstellung fehlen.

3. Ob Angaben zur Irreführung geeignet sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0053112; zuletzt etwa 4 Ob 21/06a). Die Auffassung der Vorinstanzen ist nicht völlig unvertretbar. Das müsste an sich zur Zurückweisung der Revision führen.

Im konkreten Fall hat der Oberste Gerichtshof die strittige Formulierung bereits einmal in einem zwischen den Parteien geführten Verfahren als Vorfrage geprüft und ist dabei zu einem anderen Ergebnis gekommen (4 Ob 215/05d = MR 2006, 32 - Vergleichsanbot). Auch wenn keine formelle Bindung an diese Entscheidung besteht, ist es doch zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich, die Revision inhaltlich zu erledigen.

4. Im Vorverfahren ging es um die unstrittig falsche Aussage der Beklagten, die meisten Leser im Bundesland Salzburg zu haben. Die Beklagte bot insofern einen Unterlassungsvergleich an und war der Auffassung, dass dadurch die Wiederholungsgefahr weggefallen sei. Die Klägerin wandte ein, dass die Weigerung der Beklagten, auch im hier vorliegenden Verfahren eine Unterlassungsverpflichtung einzugehen, die Ernstlichkeit der Sinnesänderung in Frage stelle. Der Senat verneinte das, weil die Aussage „Leser pro Nummer" wegen der fehlenden Beschränkung auf das Bundesland Salzburg auch dann richtig sein könne, wenn in Salzburg selbst keine Spitzenstellung bestehe. Es lägen daher unterschiedliche Beweisthemen vor, was auch zu einem unterschiedlichen Prozesserfolg führen könne.

An dieser Auffassung ist festzuhalten. Es mag zwar zutreffen, dass sich die Zeitung der Beklagten aufgrund ihres Titels und ihres Verbreitungsgebiets in erster Linie an Leser im Bundesland Salzburg richtet. Auch wird das Bundesland ausdrücklich genannt. Das unterscheidet diesen Fall von der Werbung eines regionalen Mediums mit der nicht regional beschränkten Aussage, „die private Nummer 1 in Österreich" zu sein (4 Ob 152/02k = MR 2002, 328 - Antenne 1). Allerdings ist die Werbeaussage nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf Leser im Bundesland Salzburg beschränkt. „Leser von Salzburger Medien" hat auch bei bloß flüchtiger Betrachtung eine darüber hinausgehende Bedeutung. Es trifft auch nicht zu, dass die nicht auf das Bundesland beschränkte Leserzahl für potenzielle Werbekunden keine Aussagekraft hätte. Eine höhere Leserzahl durch überproportionale Verbreitung etwa in angrenzenden Gebieten könnte für die Auswahlentscheidung durchaus relevant sein.

5. Die Behauptung der Beklagten, die strittige Aussage sei bei Berücksichtigung der bundesweiten Leserzahlen richtig gewesen, ist daher nicht von vornherein unbeachtlich. Da es dazu keine Feststellungen gibt, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Das Erstgericht wird die von der Beklagten angebotenen Beweise

aufzunehmen haben. Zu prüfen ist, ob die Zeitung der Beklagten bei

einer nicht auf das Bundesland Salzburg beschränkten Betrachtung auch

unter Berücksichtigung von Schwankungsbreiten einen stetigen

Vorsprung vor allen anderen Salzburger Medien hatte (4 Ob 76/95 = MR

1995, 233 - meistzitierte Tageszeitung; 4 Ob 331/99a = ÖBl-LS 2000/62

= ÖBl-LS 2000/65 - Nr. 1 im Bezirk; zuletzt 4 Ob 11/06f). Die

Beweislast trifft die Beklagte (4 Ob 173/02y = wbl 2002, 584 - Emmi

Vollmilch; 4 Ob 34/03h = ÖBl-LS 2003/116 - Preiswertester Baumarkt; 4

Ob 94/05k = wbl 2005, 538 - Regioprint; RIS-Justiz RS0116971, zuletzt

4 Ob 11/06f).

Da Anfang 2004 geworben wurde, wird auf den unmittelbar davor liegenden Zeitraum abzustellen sein (RIS-Justiz RS0088811, RS0078691). Unter „Salzburger Medien" wird das Publikum alle in Salzburg erscheinenden Kauf- und Gratiszeitungen verstehen. Davon sind auch die Salzburger Regionalausgaben von überregionalen Zeitungen erfasst. Nicht in den Vergleich einzubeziehen sind demgegenüber in anderen Bundesländern erscheinende Regionalausgaben von Zeitungen, die auch eine (oder mehrere) Regionalausgabe(n) in Salzburg haben. Zu prüfen ist also beispielsweise die nicht auf Salzburg beschränkte Reichweite der Salzburger Krone oder der Salzburger Bezirksblätter; irrelevant ist demgegenüber die Reichweite der Oberösterreichischen Krone oder der Oberösterreichischen Bezirksblätter (und zwar auch soweit sie in Salzburg erzielt wird). Zeitungen, die vom Publikum schon aufgrund ihres Titels als „Salzburger" Medien wahrgenommen werden (zB die „Salzburger Nachrichten"), sind auch dann mit ihrer Gesamtleserzahl in den Vergleich einzubeziehen, wenn sie in anderen Bundesländern mit besonderen Ausgaben erscheinen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte