OGH 4Ob56/00i

OGH4Ob56/00i14.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Achammer, Mennel, Welte & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. "D*****" ***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, 2. Rudolf G*****, beide vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler und Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 80.000 S), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 5. Jänner 2000, GZ 2 R 286/99x-9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Oktober 1999, GZ 9 Cg 180/99a-4, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die einstweilige Verfügung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird den Beklagten ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterlassungsbegehren verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Inserate (Eigenwerbung) mit dem Inhalt '225.600 Leser, 80,2 % Reichweite (WLK)' in der Gratiswochenzeitung 'D*****' zu schalten (veröffentlichen), wenn sie nicht gleichzeitig angeben, wer (welches Institut, welche Institution) die Leserzahl und Reichweite erhoben hat (Quellenangabe), in welchem Erhebungszeitraum die Ermittlung der Leseranzahl und Reichweite erfolgte und dass unter weitestem Leserkreis (WLK) Personen zu verstehen sind, die in einem Intervall von drei Monaten eine Ausgabe der Gratiswochenzeitung "D*****" gelesen oder durchgeblättert haben.

Das Mehrbegehren, den Beklagten auch die Klarstellung aufzutragen, dass die behauptete Leseranzahl und Reichweite nicht auf dem Kriterium des Lesers pro Ausgabe (LpA), sondern auf dem Kriterium des weitesten Leserkreises (WLK) beruhen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 2.510,63 S bestimmten anteiligen Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (darin 418,43 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herstellerin einer Tageszeitung, die Erstbeklagte ist Medieninhaberin und Herstellerin der Gratiswochenzeitung "D*****". Der Zweitbeklagte ist Herausgeber der Zeitung; er ist gleichzeitig Verlagsleiter und Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Erstbeklagten. Hauptverbreitungsgebiet beider Zeitungen ist Vorarlberg.

In der Zeit vom 10. 2. 1999 bis 18. 8. 1999 enthielten 18 Ausgaben der Zeitung "D*****" insgesamt 32 Eigeninserate mit (ua) folgendem Inhalt:

"225.600 Leser. 80,2 % Reichweite (WLK)"

In vier Inseraten war neben "WLK" ein Sternchen angebracht, mit dem auf den Vermerk "F*****, B*****, I*****, Dezember 1998" hingewiesen wurde.

"WLK" bedeutet "Weitester Leserkreis". Darunter wird in der Printreichweitenforschung jener Personenkreis verstanden, der (bei einer Wochenzeitschrift) in den letzten drei Monaten zumindest eine Ausgabe gelesen oder durchgeblättert hat.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs die Schaltung (Veröffentlichung) von Inseraten (Eigenwerbung) mit dem Inhalt

"225.600 Leser, 80,2 % Reichweite (WLK)" im D***** oder in anderen Medienerzeugnissen zu verbieten, ohne darauf hinzuweisen

* welches Institut, bzw welche Institution, bzw wer die Leseranzahl und Reichweite erhoben hat (Quellenangabe),

* in welchem Erhebungszeitraum die Ermittlung über Leseranzahl und Reichweite erfolgte,

* dass die behauptete Leseranzahl und Reichweite nicht auf dem Kriterium des Lesers pro Ausgabe (LpA), sondern auf dem Kriterium des weitesten Leserkreises (WLK) beruhen,

* dass unter weitestem Leserkreis (WLK) Personen zu verstehen sind, die in einem Intervall von drei Monaten eine (1) Ausgabe des D***** gelesen oder durchgeblättert haben.

Es sei allgemein üblich, Reichweiten auf Basis des LpN-Werts (LpA-Werts) anzugeben. Hingegen sei es völlig unüblich und für den durchschnittlichen Medienkonsumenten und Medienkunden auch nicht aussagekräftig, wenn der WLK-Wert angegeben werde. Beim flüchtigen Lesen der von den Beklagten geschalteten Inserate entstehe der Eindruck, dass das Gratisblatt der Beklagten wöchentlich von 225.600 Vorarlbergern - der gesamten lesenden Vorarlberger Bevölkerung - gelesen werde. Die Beklagten hätten ihre wettbewerbswidrige Vorgangsweise entweder einzustellen oder das Publikum entsprechend aufzuklären.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Berechnung der Reichweite auf Basis des WLK-Werts sei ebenso üblich wie die auf Basis des LpN-Werts (LpA-Werts). Der von ihr angeführte WLK-Wert sei richtig. Reichweitenwerbungen richteten sich an potenzielle Interessenten, denen die Abkürzung "WLK" bekannt sei. Die Beklagten seien nicht verpflichtet, die Quelle ihrer Daten und die Definitionskriterien für den WLK-Wert anzugeben. Die Werbung rufe keinen falschen Eindruck hervor.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. An die Vollständigkeit einer Werbeaussage sei ein milderer Maßstab anzulegen, wenn der Werbende seine Leistung nicht mit der eines Konkurrenten vergleiche. Auch wenn die Abkürzung "WLK" nicht jedem Leser vertraut sei, sei dies noch nicht einer Irreführung gleichzusetzen, weil sich ein Inseratenkunde informieren werde, bevor er einen Insertionsauftrag erteile. Ein potenzieller Inseratenkunde sei als mündiger und verständiger Leser zu behandeln. Er könne sich die von der Klägerin für notwendig erachteten Informationen bei den Beklagten beschaffen. Das Fehlen eines Hinweises auf den Erhebungszeitraum sei bei aktuellen Daten nicht irreführend. Dass die Daten veraltet wären, sei nicht bescheinigt.

Das Rekursgericht verbot den Beklagten im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs die Schaltung (Veröffentlichung) von Inseraten (Eigenwerbung) mit dem Inhalt: "225.600 Leser, 80,2 % Reichweite (WLK)" im "D*****" oder in anderen Medienerzeugnissen, ohne darauf hinzuweisen, welches Institut bzw welche Institution bzw wer die Leseranzahl und Reichweite erhoben hat (Quellenangabe), in welchem Erscheinungszeitraum die Ermittlung über Leseranzahl und Reichweite erfolgte, und dass unter weitestem Leserkreis (WLK) Personen zu verstehen sind, die in einem Intervall von drei Monaten eine Ausgabe des "D*****" gelesen oder durchgeblättert haben. Das Rekursgericht wies das Mehrbegehren ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Reichweite und Leseranzahl seien für die Akquisition von Inseratenkunden von entscheidender Bedeutung. Mit welchen Werten eine Zeitung werbe, sei ihr überlassen; sie müsse aber hinreichend deutlich darüber aufklären, wie die Reichweitenangaben zu verstehen sind. Die Abkürzung "WLK" sei nicht so gebräuchlich, dass ihre Bedeutung den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt sei. Insoweit sei daher eine Aufklärung geboten, nicht aber auch über die Bedeutung der Abkürzung "LpA", weil sich diese bereits in Abgrenzung zur Definition des weitesten Leserkreises ergebe. Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung statistischer Angaben über Leseranzahl und Reichweite sei das Wissen darüber, wann und von wem die Erhebung durchgeführt wurde. Es sei weitgehend üblich geworden, bei der Wiedergabe von Umfrageergebnissen die Quelle anzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil - entgegen der Behauptung der Klägerin - Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der von dieser als einschlägig zitierte Zurückweisungsbeschluss zu 4 Ob 1018/95 nimmt zu den hier erheblichen Fragen nicht Stellung. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung ihre Aufklärungspflichten überspanne. Der Zusatz "WLK" genüge, um eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise auszuschließen. Wer den von den Beklagten angegebenen Wert mit dem anderer Medien vergleiche, werde nur die jeweiligen WLK-Werte einander gegenüberstellen. Er werde nicht dadurch irregeführt, dass die Quelle nicht angegeben sei. Eine Angabe des Erhebungszeitraums sei nur bei veralteten Daten notwendig. Abzustellen sei auf das Informationsbedürfnis eines Fachpublikums und nicht auf das des flüchtigen und oberflächlichen Durchschnittslesers.

Dem hält die Klägerin zu Recht entgegen, dass sich die Eigenwerbung der Beklagten nicht nur an ein Fachpublikum richtet. Sie ist nicht in einer für Fachkreise bestimmten Publikation enthalten, sondern findet sich in der Gratiszeitschrift selbst, die sowohl Inserate von Unternehmen als auch von Privaten annimmt.

Die Werbung der Beklagten wäre aber selbst dann zur Irreführung geeignet, wenn sie sich nur an Fachkreise richtete:

Die Beklagten haben sich darauf beschränkt, den WLK-Wert als Reichweite ihrer Gratiszeitung anzugeben. Sie haben die von ihnen verwendete Abkürzung (WLK) weder definiert noch haben sie - in der weitaus überwiegenden Zahl ihrer Einschaltungen - Quelle und Erhebungszeitraum angegeben. Diese Angaben sind aber notwendig, um die Aussagekraft der in Anspruch genommenen Reichweite beurteilen zu können. Reichweitenangaben haben in erster Linie den Zweck, die Position eines Mediums gegenüber der von Konkurrenzerzeugnissen zu bestimmen. An ihren Inhalt sind daher ähnlich strenge Anforderungen zu stellen wie an (unmittelbar) vergleichende Werbeaussagen.

Ein Vergleich zu Werbezwecken entspricht nur dann den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs, wenn dem angesprochenen Publikum alle wesentlichen Umstände mitgeteilt werden, die es in die Lage versetzen, sich selbst ein Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistung gegenüber der verglichenen Leistung zu bilden (ÖBl 1997, 66 - Sparpreise mwN). Das Gleiche muss auch für die Werbung mit Reichweitenangaben gelten. Ihre Aussagekraft hängt ganz entscheidend davon ab, wie, von wem und wann sie errechnet wurden. Der Werbende muss daher die von ihm angegebene Reichweite definieren, er muss die Quelle und den Erhebungszeitraum angeben.

Für die Definition genügt es nicht, eine Abkürzung - wie zB "WLK" - zu verwenden, weil nicht angenommen werden kann, dass die Abkürzung bloß einem nicht ins Gewicht fallenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise unbekannt wäre. Hinreichend aufgeklärt ist das Publikum erst dann, wenn angegeben wird, was unter "WLK" zu verstehen ist und wie dieser Wert errechnet wird. Nur wenn es weiß, dass unter weitestem Leserkreis (WLK) Personen zu verstehen sind, die in einem Intervall von drei Monaten eine Ausgabe der jeweiligen Zeitung gelesen oder durchgeblättert haben, wird es die Bedeutung dieses Werts für seine Insertionsentscheidung abschätzen können.

Für die Insertionsentscheidung ist auch immer von Bedeutung, wie aktuell die Umfrageergebnisse sind. Das spricht dafür, den Werbenden nicht bloß bei "veralteten" Umfrageergebnissen zu verpflichten, den Erhebungszeitraum anzugeben. Damit entfällt die Schwierigkeit festzulegen, ab welchem Zeitpunkt Umfrageergebnisse "veraltet" sind. Der Werbende wird durch die Verpflichtung zur Angabe des Erhebungszeitraums nicht unzumutbar belastet, weil ihm dieser ohnehin bekannt sein wird oder er sich die Kenntnis jedenfalls leicht verschaffen kann und es keinen besonderen Aufwand bedeutet, seine Werbebotschaft um diese Angabe zu ergänzen.

Das Gleiche gilt für die Quellenangabe. Sie ist unabhängig davon von Bedeutung, ob der Werbende die Reichweite seiner Zeitschrift mit der einer Konkurrenzzeitschrift vergleicht. Bei Reichweitenerhebungen besteht ein gewisser Spielraum; es gibt nicht nur eine Methode und auch nicht nur einen Weg, eine Methode anzuwenden. Wie überzeugend ein Ergebnis ist, wird daher auch davon bestimmt, wer es erhoben hat.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben. Die durch die Maßgabebestätigung vorgenommenen Änderungen des Unterlassungsgebots sind rein sprachlicher Natur.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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