Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:
"Das Klagebegehren,
a) die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet, zu unterlassen, die irreführende und unrichtige Behauptung aufzustellen, die reichweitenstärkste Zeitung im Bundesland Salzburg zu sein, wenn ihrem Printmedium 'S*****' eine solche Reichweite nicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen bestätigt wird und ihr nicht ein ständiger und stetiger Vorsprung außerhalb der statistischen Schwankungsbreite gegenüber ihren Mitbewerbern zukommt;
b) die klagende Partei wird ermächtigt, den über diese Klage ergehenden Urteilsspruch innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft im stattgebenden Umfang auf Kosten der beklagten Partei in ganzseitigen Einschaltungen auf der Internethomepage 'www.s *****', 'www.b *****' sowie in einer Ausgabe des Stadtblatt S*****, des BB F*****, des BB F*****, des BB T*****, des BB P*****, des BB P***** und des BB L***** und einer Ausgabe des 'S*****' veröffentlichen zu lassen, und zwar mit fettgedruckter Überschrift 'Im Namen der Republik' mit Fettumrahmung sowie fettgedruckter Bezeichnung der Parteien; wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.238,86 EUR (darin 275,50 EUR USt und 275,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.732,52 EUR (darin 455,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens in der Hauptsache erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.102,22 EUR (darin 698,87 EUR USt und 1.909 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Gratiszeitung „B*****", die wöchentlich in einer Auflagenstärke von 201.858 Stück in mehreren Regionalausgaben an die Haushalte in Salzburg verteilt werden. Die Beklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Gratiszeitung „S*****", die in einer Auflagenstärke von 185.090 Stück im Bundesland Salzburg verteilt wird.
Die Beklagte bewirbt ihre Gratiszeitung im Internet unter der Adresse „www.s *****" mit der Behauptung, Salzburgs reichweitenstärkste Zeitung zu sein. Zur Untermauerung dieser Aussage stützt sich die Beklagte in ihrem Internetauftritt auf Reichweitenergebnisse der Media-Analyse 2002, die für ihre Zeitung eine Leser-pro-Nummer-Reichweite von 68,7% (ohne Hinweis auf die - der Höhe nach unbekannte - statistische Schwankungsbreite) ausweist, und nennt als Vergleichsmedien die „Salzburger Nachrichten", die „Salzburger Woche" und die „Salzburger Krone", nicht hingegen die Gratiszeitung der Klägerin. Letztere erreichte in der Regio-Print 2003 eine Leser-pro-Nummer-Reichweite von 64% bei einer Schwankungsbreite von +/- 4,5%.
Beim LG Salzburg sind zwischen den Streitteilen zwei weitere Wettbewerbsverfahren anhängig. Zu 12 Cg 82/04p wird die Äußerung als irreführend beanstandet, die Zeitung der Beklagten habe mit Abstand die meisten Leser pro Nummer aller Salzburger Medien, zu 5 Cg 118/04f die Äußerung, sie habe die meisten LeserInnen aller Salzburger Zeitungen.
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet, die irreführende und unrichtige Behauptung aufzustellen, die reichweitenstärkste Zeitung im Bundesland Salzburg zu sein, wenn ihrem Printmedium „S*****" eine solche Reichweite nicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen bestätigt wird und ihr nicht ein ständiger und stetiger Vorsprung außerhalb der statistischen Schwankungsbreite gegenüber ihren Mitbewerbern zukommt. Sie stellt weiters ein Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Internet und in verschiedenen Printmedien. Ein mit dem Unterlassungsbegehren inhaltsgleicher Sicherungsantrag war in zweiter Instanz erfolgreich; der außerordentliche Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung wurde mit Beschluss vom 4. 5. 2004, GZ 4 Ob 75/04i-14, der Beklagten zugestellt am 22. 6. 2004, zurückgewiesen.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Mit Schreiben vom 15. 7. 2004 bot sie der Klägerin den Abschluss eines gerichtlichen Unterlassungsvergleichs an, der das gesamte Unterlassungsbegehren sowie die Veröffentlichung auf der Homepage umfasste, auf der die beanstandete Äußerung enthalten war, und wendete den Wegfall der Wiederholungsgefahr ein. Die Klägerin antwortete hierauf, dass der Vergleich auch das Veröffentlichungsbegehren im gesamten Umfang zu umfassen habe, andernfalls könne der Vergleich nicht abgeschlossen werden.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze, dem Veröffentlichungsbegehren nur hinsichtlich einer Einschaltung auf der Homepage mit der Adresse „www.s *****" statt. Die Beklagte habe zwar einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden Vergleich und die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im berechtigten Ausmaß angeboten; aus ihrem Gesamtverhalten ergebe sich jedoch nicht, dass sie ernstlich gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Wiederholungsgefahr sei weiterhin gegeben.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Frage, ob der von der Beklagten angebotene vollstreckbare Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr beseitige, keine erhebliche Rechtsfrage sei. Der angebotene Unterlassungsvergleich hätte der Klägerin alles geboten, was sie durch ein klagestattgebendes Urteil hätte erlangen können. Ein Vergleichsanbot sei jedoch nur ein Indiz für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr, das durch andere Umstände, insbesondere durch eine Fortsetzung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ungeachtet des angebotenen Vergleichs, widerlegt werden könne. Auf Grund des Prozessverhaltens der Beklagten in den Verfahren 12 Cg 82/04p und 5 Cg 118/04f, je des LG Salzburg, sowie des Umstands, dass der Unterlassungsvergleich erst nach der Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch den Obersten Gerichtshof im Provisorialverfahren und nur für das gegenständliche Verfahren angeboten worden sei, müsse an der Ernsthaftigkeit des Verpflichtungswillens der Beklagten gezweifelt werden. Die noch anhängigen Verfahren beträfen gleichartige, im Kernbereich gleichlautende Aussagen der Beklagten und würden fortgeführt. Die Beklagte habe ihren Prozessstandpunkt nach Abschluss des Sicherungsverfahrens geändert, in den genannten anderen Verfahren hingegen keinen Unterlassungsvergleich angeboten. Damit habe sie nach außen hin nicht klar erkennen lassen, dass es ihr ernst sei, künftig Äußerungen wie die hier beanstandete zu unterlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Die Beklagte bekämpft die Feststellung des Berufungsgerichts als aktenwidrig, die Verfahren 5 Cg 118/04f und 12 Cg 82/04p des LG Salzburg hätten gleichartige Ansprüche zum Gegenstand wie das streitgegenständliche Verfahren. Auch habe das Berufungsgericht zu Unrecht aus der Fortführung der genannten Verfahren und aus dem Umstand, dass die Beklagte den Vergleich erst nach Abschluss des Sicherungsverfahrens angeboten habe, den Fortbestand der Wiederholungsgefahr bejaht. Dazu ist zu erwägen:
Die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen ist eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung und demnach grundsätzlich vom Kläger zu beweisen. Hat sich aber der Beklagte bereits rechtswidrig verhalten, so ist zu vermuten, dass er sich auch in Zukunft nicht an das Gesetz halten werde. Daher kommt es bei der Wiederholungsgefahr zu einer Umkehr der Beweislast: Der Beklagte muss besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (stRsp 4 Ob 193/00m = ÖBl 2001, 267 - Einkaufszentrum U II mwN: RISJustiz RS0080065).
Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr kommt es stets darauf an, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen ((RIS-Justiz RS0012087 und RS0080065). Dabei kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an, für welche insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann (4 Ob 22/95 = ÖBl 1996, 35 - Rolls Royce; 4 Ob 283/00x = ÖBl 2001, 105 - Reisebedarf, je mwN). Hält der Störer im Verfahren daran fest, zur beanstandeten Handlung berechtigt gewesen zu sein oder ist sein Prozessverhalten zwiespältig, so kann die Wiederholungsgefahr regelmäßig nur verneint werden, wenn er dem Kläger einen vollstreckbaren Exekutionstitel verschafft, der dem Kläger all das bietet, was er im Verfahren erreichen kann (4 Ob 283/00x = ÖBl 2001, 105 - Reisebedarf). Aus diesem Grund ist ein Vergleichsangebot auch ein verlässliches Indiz für eine Willensänderung des Verletzers: Es ist nicht anzunehmen, dass jemand eine exekutionsfähige Verpflichtung eingehen wird, wenn er nicht den festen Willen hat, sie auch einzuhalten (4 Ob 15/99f; RIS-Justiz RS0079899[T34]). Ob Wiederholungsgefahr besteht, ist nach der Sach- und Rechtslage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz zu beurteilen (4 Ob 244/01p = ÖBl 2002/302 - Alpentrio Tirol mwN; 4 Ob 5/05x; RIS-Justiz RS0037456, RS0079899[T13]).
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass trotz Anbots eines vollstreckbaren Vergleichs der Wegfall der Wiederholungsgefahr zu verneinen sein kann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, welche die Aufrichtigkeit des Verpflichtungswillens zweifelhaft erscheinen lassen. Im Fall der diesen Rechtssatz formulierenden - Entscheidung 4 Ob 360/86 (= ÖBl 1989, 87 Heeresnachrichtenamt) war dies die mangelnde Bereitschaft des Beklagtenvertreters, die auf der Gegenseite offenkundig bestehenden Unklarheiten über die rechtlichen Konsequenzen des von ihm vorgeschlagenen Vergleichsabschlusses zu beseitigen. Sein Verhalten konnte damit dahin gedeutet werden, dass es ihm weniger um eine vergleichsweise Bereinigung als vielmehr darum gegangen war, nach der Ablehnung seiner Vergleichsanbote den Ansprüchen des Klägers mit dem Einwand des Wegfalls der Wiederholungsgefahr zu begegnen, um so eine Abweisung des Klagebegehrens erreichen zu können. Die Entscheidung 4 Ob 267/02x (= ecolex 2003/221, 535 [Schumacher] Fireg) prüft, ob trotz Vergleichsanbots Bedenken gegen die Ernstlichkeit des Willens, künftige Verstöße zu unterlassen, bestehen und verneint sie. Die (dortige) Klägerin hatte die Bedenken damit begründet, dass auch das mit dem Vergleichsanbot vorgelegte geänderte (nach § 28a UWG zu beurteilende) Eintragungsoffert zur Irreführung geeignet sei (vgl 4 Ob 145/05k).
Im vorliegenden Fall geht es hingegen darum, ob die mangelnde Bereitschaft der Beklagten, zwei weitere zwischen den Streitteilen anhängige Wettbewerbsprozesse durch Submission zu beenden, sowie der Umstand, den - wenn auch inhaltlich ausreichenden - Unterlassungsvergleich erst nach Abschluss des Sicherungsverfahrens angeboten zu haben, darauf schließen lassen, dass die Beklagte auch in Zukunft geneigt sein wird, eine Äußerung wie die im Anlassfall beanstandete abzugeben.
Das Berufungsgericht hat sowohl die anhängigen Parallelverfahren als auch den Zeitpunkt des Vergleichsanbots als Indiz für die fehlende Sinnesänderung der Beklagten gewertet. Es hat dabei verkannt, dass sich die den Gegenstand der Parallelverfahren bildenden Behauptungen wesentlich von der hier verfahrensgegenständlichen Behauptung unterscheiden und dass aus dem (späten) Zeitpunkt eines Vergleichsanbots wohl nur in Ausnahmefällen auf die mangelnde Bereitschaft geschlossen werden kann, in Zukunft Wettbewerbsverstöße zu unterlassen.
Gegenstand der Parallelverfahren sind die Äußerungen, die Zeitung der Beklagten habe (...) die meisten Leser pro Nummer aller Salzburger Medien/aller Salzburger Zeitungen. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um die Behauptung, die Zeitung der Beklagten sei die reichweitenstärkste Zeitung im Bundesland Salzburg. Da sich die zuerst genannten Behauptungen nicht allein auf das Bundesland Salzburg beziehen, kann die damit in Anspruch genommene Spitzenstellung zutreffen, auch wenn der Zeitung der Beklagten im Bundesland Salzburg keine Spitzenstellung zukommt. Angesichts der unterschiedlichen Beweisthemen sind daher unterschiedliche Beweisergebnisse und damit auch ein unterschiedlicher Prozesserfolg möglich. Das schließt es aus, aus der Fortführung der Parallelverfahren auf eine fehlende Sinnesänderung der Beklagten zu schließen.
Kein Indiz für eine mangelnde Bereitschaft der Beklagten, in Zukunft nicht mehr eine in Wahrheit nicht bestehende Spitzenstellung in Anspruch zu nehmen, bildet auch die Tatsache, dass die Beklagte den Vergleich nach Abschluss des Provisorialverfahrens angeboten hat. Abgesehen davon, dass die Beklagte damit ohnehin sofort die Konsequenzen aus ihrem Unterliegen in zweiter Instanz und der Zurückweisung des dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurses gezogen hat, schafft auch ein erst in einem späteren Verfahrensstadium angebotener und abgeschlossener Unterlassungsvergleich einen Exekutionstitel; die Beklagte setzt sich damit in jedem Fall der Gefahr einer Unterlassungsexekution aus, wenn sie wieder wettbewerbswidrig handelt. Anders als im Fall der Entscheidung 4 Ob 268/02v (= MR 2003, 153 Schlafender Offizier) wäre ein Verstoß auch offenkundig und nicht erst im Impugnationsverfahren zu klären.
Die Beklagte hat somit durch das Anbot eines vollstreckbaren Vergleichs in ausreichendem Umfang ihren Sinneswandel, künftig Äußerungen der beanstandeten Art zu unterlassen, hinreichend dokumentiert. Damit ist die Vermutung der Wiederholungsgefahr entkräftet, weshalb der verfolgte Anspruch nicht berechtigt ist.
Der Revision ist Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Berufungsverfahren wurden keine Beweise aufgenommen, weshalb nur der dreifache Einheitssatz zuzusprechen war (§ 23 Abs 9 RATG). Soweit die Klägerin Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen hatte, sind ihr diese Kosten nunmehr zuzusprechen. Die Klägerin hat im Provisorialverfahren obsiegt; die Vermutung der Wiederholungsgefahr wurde durch das Vergleichsanbot erst nach Abschluss des Provisorialverfahrens widerlegt. An der Berechtigung des Begehrens im Provisorialverfahren ändert sich dadurch nichts. Für den (Sicherungs- und Hauptverfahren zu gleichen Teilen dienenden) verfahrenseinleitenden Schriftsatz sind die halben Kosten zuzüglich der auf den Sicherungsantrag entfallenden halben Pauschalgebühr (vgl Anm 2 zu TP 1 GGG) zuzusprechen.
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