OGH 7Ob20/06a

OGH7Ob20/06a26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sonja S*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Gerold B*****, vertreten durch Dr. Anton Waltl und andere Rechtsanwälte in Zell am See, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2005, GZ 54 R 241/05p-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 26. August 2005, GZ 2 C 1999/04x-19, infolge Berufung des Beklagten bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Die Revisionsbeantwortung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2.) Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin die Wohnung Top 2 im ersten Stock des Hauses P***** 7 in S***** auf Liegenschaft EZ ***** GB ***** S*****, bestehend aus den Grundstücken *****, ***** und *****, geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit insgesamt EUR 5.612,14 (darin enthalten EUR 901,02 USt und EUR 206,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Geschwister. Ihre Eltern wollten ihr Wohnhaus in S***** (das auch vom Beklagten mit seiner Ehefrau und zwei Kindern bewohnt wurde) durch einen Zubau vergrößern und diese Investition durch ein Bankdarlehen vorfinanzieren. Die Kreditrückzahlungen sollten allerdings der Beklagte und dessen Bruder leisten, da geplant war, dass die beiden das Haus später einmal (ins Eigentum übertragen) bekommen und die Klägerin und eine weitere Schwester mit S 500.000,-- abfinden sollten. Man einigte sich aber nicht, da dem Beklagten die Ausgleichszahlung zu hoch war. Der Zubau wurde dennoch errichtet, wobei die gesamte Familie, auch der Beklagte, bei den Bauarbeiten mithalf. Die Ehefrau des Beklagten steuerte S 150.000,-- und Baumaterial bei. Nach Fertigstellung des Zubaues erstreckte sich die Wohnung des Beklagten auch auf einen Teil der neuen Räumlichkeiten. Die beiden Brüder zahlten zunächst im Einverständnis mit den Eltern das Bankdarlehen zurück. Der Beklagte stellte jedoch die Zahlungen im Gegensatz zu seinem Bruder Ende Juli 1996 ein, worauf die Klägerin die Zahlungen an seiner Stelle übernahm. Der Beklagte leistete nur mehr die ausschließlich mit seiner Wohnung verbundenen Kosten für Strom, Wasser, Kohleheizung, Kanal und Müll anteilsmäßig.

Nachdem mehrere Versuche, hinsichtlich der Hausübergabe zu einer Einigung zu kommen, gescheitert waren und sich die gesamte Familie deswegen zerstritten hatte, war der Beklagte an einer Hausübernahme nicht mehr interessiert. Ohne ihn weiter zu beteiligen einigten sich seine Geschwister und die Eltern schließlich dahin, dass seine Schwester (die Klägerin) und sein Bruder das Haus im Juni 1996 von den Eltern kauften, ohne dass erörtert worden wäre, ob der Beklagte im Haus bleiben könne oder nicht. Jedenfalls wurde dem Beklagten nicht zugesagt, in der Wohnung bleiben zu dürfen. Die Klägerin duldete allerdings zunächst die Anwesenheit des Beklagten und seiner Familie und nahm dessen Betriebskostenzahlungen entgegen. Im Jahr 2004 wurden die Wohnungen parifiziert und ist nun die Klägerin Alleineigentümerin der Wohnung des Beklagten. Weil sich dieser weigert, die von der Klägerin getragenen Darlehensrückzahlungen auch nur teilweise zu übernehmen, verlangt nun die Klägerin die Räumung der Wohnung, die vom Beklagten titellos benützt werde.

Der Beklagte wendete, soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, ein, er benütze die Wohnung mit seiner Familie nicht titellos; ihm sei von seinen Eltern konkludent ein Wohnungsrecht eingeräumt worden, das die Klägerin zu berücksichtigen habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Ein Wohnrecht sei dem Kläger weder durch seine Eltern noch durch die Klägerin eingeräumt worden. Das Bewohnen von Räumlichkeiten durch ein Familienmitglied und die Duldung durch ein anderes Familienmitglied könne nicht als Einräumung eines dinglichen oder obligatorischen Wohnrechtes oder eines sonstigen auf Dauer eingerichteten Bleiberechtes ausgelegt werden, zumal der Beklagte ab dem Kauf durch die Klägerin auch mit Ausnahme der anteiligen Betriebskosten keinerlei Zahlungen mehr geleistet habe. Im Verhältnis zur Klägerin besitze der Beklagte somit titellos. Handle es sich dabei allenfalls auch nicht um ein Prekarium, sei für den Beklagten nichts gewonnen, weil auch bei Annahme einer Wohnungsleihe ein Zurückbehaltungsrecht für seine Investitionen nach § 1440 ABGB ausgeschlossen sei.

Eine notwendige Streitgenossenschaft des Beklagten und seiner Ehefrau liege nicht vor. Mehrere titellose Benützer einer unbeweglichen Sache bildeten beim Räumungsbegehren des Eigentümers nur dann eine solche, wenn die Ehegattin ihr Recht vom Beklagten ableitete. Der Beklagte habe aber selbst kein Recht, weil die Klägerin die Liegenschaft lastenfrei erworben habe. Die vom Beklagten zitierte Judikatur nehme eine notwendige Streitgenossenschaft an, wenn auch die Ehegattin behaupte, Mitmieterin zu sein, was hier jedoch nicht der Fall sei, da ein Mietrecht nicht behauptet worden sei, sondern nur die Zusage der Eltern des Beklagten, das Haus einmal übernehmen zu dürfen, wobei aber die daran geknüpften Bedingungen nicht eingetreten seien.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Allein der Beklagte werde von der Klägerin auf Räumung in Anspruch genommen. Mangels Mehrheit auf Beklagtenseite stelle sich schon grundsätzlich die Frage nach dem Vorliegen einer Streitgenossenschaft oder gar einer einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO) nicht. Soweit der Beklagte dennoch meine, er könne nur zusammen mit seiner Ehefrau in Anspruch genommen werden, übersehe er, dass die Zivilprozessordnung nirgendwo ausdrücklich normiere, dass „eine bestimmte Person (neben einer anderen) geklagt werden muss" oder dass ein bestimmter Beklagter nicht (alleine) geklagt werden dürfe. Das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei sei zu verneinen, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung gegeben sei, abweichende Entscheidungen somit nicht zu unlösbaren Verwicklungen führten. Leite die Gattin des Beklagten ihren Rechtsanspruch von letzterem als Ehepartner als familienrechtlichen Anspruch ab, müsse ihr Anspruch dann gleichermaßen unbegründet sein, wenn auch jener des Beklagten nicht zu Recht bestehe und er zur Räumung verhalten werde. Könnte sich dagegen der Beklagte zu Recht auf einen Rechtstitel zur Benützung der streitgegenständlichen Wohnung berufen, werde auf Grund des im Familienrecht begründeten Unterhalts- und Wohnanspruches der Ehegattin auch deren Verbleib in der Wohnung gesichert. Die Möglichkeit einer unlösbaren Verwicklung wegen divergenter Verfahrensergebnisse stelle sich somit nicht. Wäre die Rechtsauffassung des Beklagten richtig, müssten konsequenterweise regelmäßig auch minderjährige Kinder eines Beklagten mitgeklagt werden, da auch diese in der Regel ihr Benützungsrecht aus einem familienrechtlichen Unterhalts- bzw Versorgungsanspruch des zu Räumenden herleiteten. Einer Klagsführung gegen sämtliche Familienangehörigen des Beklagten bedürfe es in Wahrheit aber solange nicht, als diese ihr Mitbenützungsrecht vom Beklagten ableiteten; sie teilten vielmehr schon grundsätzlich dessen (verfahrens-)rechtliches Schicksal.

Unstrittig sei es schon zwischen dem Beklagten und den Voreigentümern (den Eltern der Streitteile), zu keiner Vereinbarung bezüglich eines Wohn- oder sonstigen Benützungsrechtes (Dienstbarkeit) zu Gunsten des Beklagten gekommen. Auch ein - vom Beklagten ohnehin nicht ausdrücklich behauptetes - Mietrecht scheide aus. Ob der Beklagte auf Grund der von ihm erbrachten Leistungen beim Wohnungsausbau allenfalls noch einen Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin habe oder ob ein solcher durch die faktische Weiterbenützung der Wohnung ab dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellungen ohnehin schon „abgewohnt" sei, sei nicht Gegenstand des Räumungsverfahrens.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Räumungsklage abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Die Klägerin hat die ihr am 21. 2. 2006 freigestellte Revisionsbeantwortung beim Erstgericht eingebracht, das sie an den Obersten Gerichtshof weiterleitete, wo sie am 28. 3. 2006 einlangte. Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO wäre die Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen gewesen. Die vierwöchige Frist des § 507a Abs 1 ZPO, die im vorliegenden Fall am 21. 3. 2006 endete, wäre nur dann gewahrt, wenn die Revisionsbeantwortung innerhalb dieser Frist an den Obersten Gerichtshof adressiert zur Post gegeben worden (§ 89 Abs 1 GOG) oder beim Obersten Gerichtshof eingelangt wäre, weil bei unrichtiger Adressierung § 89 Abs 1 GOG nach ständiger Rechtsprechung nicht anwendbar ist (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 7 Vor § 461 mwN; SZ 52/155; RZ 1990/109; 7 Ob 321/00g uva). Die Revisionsbeantwortung der Klägerin ist daher als verspätet zurückzuweisen.

2.) Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Der Beklagte, der allein noch das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft releviert, macht zutreffend geltend, dass die Vorinstanzen von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen sind. Der Revisionswerber weist zunächst richtig darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes dafür, ob eine notwendige Streitgenossenschaft bzw einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO vorliegt, selbstredend nicht entscheidend ist, ob eine Mehrheit von Personen tatsächlich geklagt wurde, sondern vielmehr, ob eine Personenmehrheit geklagt hätte werden müssen.

Nach ständiger Rechtsprechung wird eine notwendige Streitgenossenschaft - deren Wesen darin besteht, dass der Klagsanspruch nach der Natur des Rechtsverhältnisses oder nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift nur von allen an einem Rechtsverhältnis Beteiligten oder gegen sie erhoben werden kann - stets dann angenommen, wenn bei Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu besorgen wäre, was nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (Schubert in Fasching/Konecny2 § 14 ZPO Rz 2 mit zahlreichen Judikaturnachweisen; RIS-Justiz RS0035479 und RS0035496, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; zuletzt etwa 7 Ob 293/04w). Vice versa ergibt sich, dass keine einheitliche Streitpartei dann gegeben ist, wenn trotz der Gemeinsamkeit des rechterzeugenden Sachverhaltes keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung vorliegt (SZ 52/35; RIS-Justiz RS0035473; Schubert aaO Rz 22).

Zwar fallen nach diesen Definitionen mehrere titellose Benützer einer Sache, etwa einer Wohnung, grundsätzlich nicht unter § 14 ZPO (Schubert aaO Rz 22). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof aber bereits ausgesprochen, dass dies anders ist, also eine einheitliche Streitpartei auf Seiten der beklagten Partei dann vorliegt, wenn einer von zwei Ehegatten einen das Räumungsbegehren hindernden Titel behauptet und der zweite Benützungsrechte familienrechtlicher Art vom ersten ableitet (1 Ob 640/89, RZ 1990, 76/32; 6 Ob 191/03m; vgl auch schon 8 Ob 306/67, EFSlg 8.872; 5 Ob 154/68, SZ 41/95 = JBl 1969, 97 = MietSlg 20.675; 2 Ob 137/04t; RIS-Justiz RS0035542).

Ein solcher Fall ist hier gegeben: Der Beklagte behauptet, von seinen Eltern ein Wohnungsrecht (konkludent) eingeräumt erhalten zu haben und die Wohnung (mit seiner Ehefrau und den beiden minderjährigen Kindern) daher - da die Klägerin dieses Wohnungsrecht zu respektieren habe - nicht titellos zu benützen. Daran, dass die Ehefrau des Beklagten ihr Wohnungsbenützungsrecht auf familienrechtlicher Basis vom Beklagten ableitet, ist nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht zu zweifeln. Dass sie ihr Benützungsrecht auf andere Gründe stützen würde (vgl 6 Ob 191/03m), wurde von den Parteien nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen.

Sollte die Ehefrau des Beklagten, die von einem in der vorliegenden Rechtssache gefällten Urteil - anders als seine Kinder, die insoweit das rechtliche Schicksal ihrer obsorgeberechtigten Vertreter ja jedenfalls teilen - nicht unmittelbar betroffen ist, die Wohnung nicht freiwillig räumen, müsste von der Klägerin auch gegen sie ein Räumungsprozess angestrengt werden, in dem mangels Parteienidentität keine Bindung an die hier getroffenen Sachverhaltsfeststellungen bestünde. Abweichende Feststellungen, die eine andere rechtliche Beurteilung der Frage eines tauglichen Titels zur Benützung der Wohnung durch die Eheleute erlaubten, wären daher denkbar. Es wären demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sehr wohl eben jene Verwicklungen zu befürchten, die zu vermeiden die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft gebietet.

Eine - also hier anzunehmende und (auch) von Amts wegen wahrzunehmende (RIS-Justiz RS0035196 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen) - notwendige Streitgenossenschaft erfordert die Einbindung sämtlicher Rechtsgenossen in das Verfahren, sei es auf der Kläger- oder Beklagtenseite (Schubert aaO Rz 2). Der Mangel der notwendigen Streitgenossenschaft kann auch nicht durch nachträgliche Einbringung einer Klage (allein) gegen den notwendigen Streitgenossen (SZ 51/4) und umso weniger durch bloßen Beitritt des betreffenden Rechtsgenossen als Nebenintervenient geheilt werden (5 Ob 579/88, EvBl 1989/40; Schubert aaO). Die Klägerin hätte im vorliegenden Fall daher auch die Ehefrau des Beklagten mitzuklagen gehabt. Da sie dies nicht getan hat, muss ihre allein gegen den Ehemann gerichtete Klage ohne weitere Prüfung der strittigen Frage der titellosen Wohnungsbenützung abgewiesen werden.

In Stattgebung der Revision des Beklagten sind die Entscheidungen der Vorinstanzen daher spruchgemäß abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die vom Beklagten in erster Instanz eingebrachten Schriftsätze, die lediglich bloße Anzeigen, Urkundenvorlagen und Mitteilungen an das Gericht enthielten, sind nur nach TP 1 RATG zu entlohnen. Die Pauschalgebühren zweiter Instanz betrugen nur EUR 47,- -.

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