OGH 7Ob293/04w

OGH7Ob293/04w22.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried H*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Siegfried O*****, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 5.500,- -), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 24. August 2004, GZ 3 R 252/04p-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 20. April 2004, GZ 4 C 2299/03b-5, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist bücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 91 GB ***** M*****, auf der sein Wohnhaus M***** 28 steht. Der Beklagte ist bücherlicher Eigentümer der benachbarten Liegenschaften EZ 92 mit dem - derzeit vermieteten - Wohnhaus M***** 27. Die ebenfalls benachbarte Liegenschaft EZ 548 steht im Eigentum des Hans Peter L*****.

Mit dem Eigentum an den genannten Liegenschaften ist bücherliches Miteigentum (zur Hälfte bzw zu je einem Viertel) an der Liegenschaft EZ 234 verbunden, zu der ua ein Vorplatz (Gst-Nr .84) gehört, der sich zwischen den Häusern M***** 27 und 28 befindet; der Vorplatz steht demnach derzeit zur Hälfte im Eigentum des Beklagten und zu je einem Viertel im Eigentum des Klägers und des Hans Peter L*****. Hinsichtlich von Teilen dieses Vorplatzes haben die Parteien am 4. 4. 2003 eine Benützungsregelung dahin getroffen, dass gewisse, am Rand gelegene Flächen entweder vom Kläger oder vom Beklagten allein benützt werden dürfen. Unabhängig von dieser Regelung dient der Vorplatz als Zufahrt zu den Häusern M***** 27 und 28.

Bei der Gemeinde M***** ist ein verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig, in dem der Kläger die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Ausflugsgasthauses auf seiner Liegenschaft EZ 91 in einem bereits bestehenden landwirtschaftlichen Gebäude beantragte. In seiner Stellungnahme hiezu brachte der Beklagte vor, dass es an der öffentlichen Zufahrt zum Gebäude mangle. Er wende sich gegen die vom Kläger angestrebte Bewilligung, da lediglich eine landwirtschaftliche Zufahrt und eine Zufahrt zu Wohnzwecken über den gemeinsamen Hof bestehe.

Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme begehrte der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit die urteilsmäßige Feststellung, dass über den gemeinsamen "Hofraum" (den erwähnten Vorplatz) - soweit dieser nicht der ausschließlichen Benützung zugeteilt worden sei - uneingeschränkt zu seinem Haus M***** 28 zugegangen und zugefahren werden dürfe.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Bezüglich des strittigen Hofraumes bestehe zufolge jahrzehntelanger Übung, ihn ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken und Wohnzwecken gemeinsam zu nutzen, eine zumindest konkludent zustandegekommene Benützungsregelung, die den Kläger nicht berechtige, den Hofraum uneingeschränkt zu benützen. Es mangle auch an der passiven (bzw aktiven) Klagslegitimation. Die Feststellung einer Dienstbarkeit könne nur gegenüber sämtlichen Miteigentümern erfolgen.

Zum letzteren Einwand erwiderte der Kläger, sein uneingeschränktes Zufahrtsrecht über den Hofraum werde vom Miteigentümer L***** anerkannt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt im Wesentlichen dahin, unstrittig sei, dass das betreffende Grundstück (der Vorplatz) im Miteigentum der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften EZ 91, 92 und 548 stehe und daher keine Rechtsgefährdung des Klägers vorliege. Es könne nicht Sache des Gerichtes sein, über den Inhalt von Rechten abzusprechen, sohin festzustellen, ob das Eigentumsrecht beinhalte, dass über ein Grundstück unbeschränkt zugegangen oder zugefahren werden dürfe. Außerdem sei im Feststellungsbegehren nicht konkretisiert worden, wer zum Haus M***** 28 uneingeschränkt zugehen und zufahren dürfe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz lassen sich - soweit noch wesentlich - dahin zusammenfassen, der Kläger habe angesichts des vom Beklagten im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunktes zwar entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sein Miteigentumsrecht nicht eingeschränkt worden sei, dass also die behauptete Benützungsvereinbarung nicht bestehe. Das Klagebegehren sei aber dessen ungeachtet unberechtigt, weil der Kläger die Klage gegen alle Miteigentümer, somit auch gegen Hans Peter L***** einbringen hätte müssen. Nach hL und Rsp könne die auf die Freiheit des Eigentumes gestützte Feststellungsklage wie auch die Unterlassungsklage nach § 523 ABGB bei Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft nur gegen alle Miteigentümer des angeblich herrschenden Grundstückes gerichtet werden, weil sich eine Grunddienstbarkeit notwendigerweise auf das Eigentum als Ganzes und nicht bloß auf einen Miteigentumsanteil beziehe. Die gegenständliche Feststellungsklage ziele zwar nicht auf das Nichtbestehen einer Grunddienstbarkeit ab; es werde jedoch die Freiheit des Miteigentumes des Klägers geltend gemacht, die vom Beklagten unter Hinweis auf eine zumindest konkludent zustandegekommene Benützungsvereinbarung in Frage gestellt werde. Die behauptete Benützungsvereinbarung könne nur von allen Miteigentümern abgeschlossen worden sein, andernfalls sie unwirksam wäre. Die begehrte Feststellung des uneingeschränkten Zugangs- und Zufahrtsrechtes würde auch zu Lasten des Miteigentümers L***** wirken, auch wenn dieser die unbeschränkte Nutzung des Klägers nicht in Frage gestellt hätte. Bei einer einheitlichen Streitpartei - wie hier - entbinde weder die außergerichtliche Anerkennung des Klagsanspruches noch die zur Erfüllung erforderliche Handlung eines Streitgenossen davon, alle Rechtsgenossen zu klagen. Es sei daher unerheblich, ob L*****, wie der Kläger behauptet habe, das uneingeschränkte Zufahrtsrecht laut Klagebegehren anerkenne oder nicht. Im Ergebnis sei daher der Berufung keine Folge zu geben gewesen.

Zur Begründung des Ausspruches der Zulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, es fehle Rsp darüber, ob bzw dass auch Miteigentümer eine einheitliche Streitpartei seien, von denen nur einer eine vertragliche Einschränkung des Miteigentumsrechtes behaupte. Insbesondere beziehe sich die zitierte Rsp zur einheitlichen Streitpartei auf dingliche Rechte und nicht darauf, dass das Eigentumsrecht nur durch ein obligatorisches Recht eingeschränkt sein solle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben, weshalb die Revision des Klägers unzulässig ist:

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren mangels passiver (bzw aktiver) Klagslegitimation ohne weiteres abgewiesen, weil der dritte Miteigentümer des klagsgegenständlichen Vorplatzes nicht in das Verfahren (als Beklagter oder Kläger) einbezogen wurde, der mit den beiden anderen Miteigentümer im vorliegenden Fall eine einheitliche Streitpartei bilde.

Eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) liegt gemäß § 14 erster Satz ZPO dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteiles kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Davon spricht man, wenn es das materielle Recht gebietet, die Klage für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben. Das ist nach stRsp dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann (SZ 51/4 = MietSlg 30.591 = MietSlg 30.675/9; 2 Ob 526/95, EvBl 1996/3; 4 Ob 572/95, MietSlg 47.581; 6 Ob 350/97g ua; RIS-Justiz RS0035409; Fasching, LB2 Rz 374). Bei dinglichen Ansprüchen folgt schon aus der Natur des Anspruches, dass sie grundsätzlich nur einheitlich festgestellt werden können (2 Ob 526/95; 7 Ob 125/04i). Bei obligatorischen Rechten hat die Beteiligung mehrerer Parteien zwar nicht in jedem Fall eine einheitliche Streitgenossenschaft zur Folge (vgl MietSlg 25.516); eine notwendige Streitgenossenschaft ist aber auch bei schuldrechtlichen Verhältnissen nicht ausgeschlossen. Ob alle an einem Rechtsverhältnis Beteiligten im Verfahren auf der Aktiv- oder Passivseite Parteistellung haben müssen, richtet sich im Wesentlichen nach der materiell-rechtlichen Beurteilung des Streitgegenstandes, ob dieser nämlich eine einheitliche Entscheidung erfordert. Im Zweifel liegt eine einheitliche Streitpartei vor, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht (SZ 51/4 = MietSlg 30.675/9; 1 Ob 178/97a; 6 Ob 350/97g; 6 Ob 299/01s ua; RIS-Justiz RS0035479, zuletzt 6 Ob 216/03p und 7 Ob 125/04i; vgl RIS-Justiz RS0035468 und RS0035496 sowie RS0035473). Ob wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht, ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (MietSlg 31.650; RIS-Justiz RS0035479).

Zufolge dieser Einzelbezogenheit entzieht sich diese Frage im Allgemeinen genereller Aussagen und stellt daher keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0021095; RS0042405, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).

Eine solche Fehlbeurteilung kann aber darin, dass das Berufungsgericht bei Nichteinbeziehung auch des dritten Miteigentümers des Vorplatzes die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen bejaht hat, keineswegs erblickt werden. Daran vermag auch die Behauptung des Klägers nichts zu ändern, Hans Peter L***** habe sein uneingeschränktes Zufahrtsrecht über den Hofraum außergerichtlich anerkannt, da eine solche Erklärung ja jederzeit widerrufen werden könnte. Die Einbeziehung des Miteigentümers Hans Peter L***** entweder auf Klags- oder Beklagtenseite erscheint daher aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und Rechtssicherheit geboten. Dass mehrere Miteigentümer hinsichtlich einer Benützungsregelung eine einheitliche Streitpartei bilden (können), wurde vom Obersten Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (MietSlg 19.036; 6 Ob 538/76; RIS-Justiz RS0013558).

Unrichtig ist die Behauptung des Revisionswerbers, sein Rechtsmittel sei zulässig, weil die bekämpfte Entscheidung von oberstgerichtlicher Rsp abweiche. Die in der Revision angeführten Entscheidungen 1 Ob 71/75 und 2 Ob 603/94 betreffen jeweils Bestandsachen, die mit der vorliegenden Causa nicht vergleichbar sind.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO erweist sich das Rechtsmittel des Klägers daher als unzulässig und war zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

Stichworte