OGH 6Ob299/01s

OGH6Ob299/01s20.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liesl K***** , vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Paul N*****, 2. Christine N*****, und 3. Dr. Michael N*****, alle vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Bestehens eines Bestandverhältnisses, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. August 2001, GZ 41 R 95/01a-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 25. Jänner 2001, GZ 6 C 1209/00v-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 5.271,60 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses *****, die Klägerin bewohnt die darin gelegene etwa 185 m2 große Wohnung top Nr 24. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie Mitmieterin dieser Wohnung sei. Ihr Vater habe die Wohnung im Jahr 1949 angemietet, die Klägerin habe seither in dieser Wohnung im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern gelebt. Nach dem Tod ihres Vaters seien sowohl ihre Mutter als auch die Klägerin selbst in die Mietrechte eingetreten. Die Beklagten weigerten sich jedoch, die Hauptmietrechte der Klägerin anzuerkennen. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung ihrer Hauptmietrechte, sie habe ein dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung, die die einzige Wohnmöglichkeit für sie darstelle.

Die Beklagten beantragten Klageabweisung. Sie bestritten sowohl das Hauptmietrecht der Klägerin als auch jenes ihrer Mutter. Keine von beiden sei eintrittsberechtigt. Im Übrigen habe die Klägerin selbst vorgebracht, gemeinsam mit ihrer Mutter Mitmieterin der Wohnung zu sein, sodass ihr auch nur gemeinsam mit ihrer Mutter die aktive Klagelegitimation zukomme.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Vater der Klägerin die Wohnung im Jahr 1949 angemietet habe; die Klägerin habe die Wohnung 1949 gemeinsam mit ihren Eltern bezogen und bewohne seither ein eigenes Zimmer im Bestandobjekt. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1985 habe die Klägerin die Wohnung gemeinsam mit ihrer Mutter weiter bewohnt. Weder sie noch ihre Mutter verfügten über eine andere Wohnmöglichkeit und seien auf die aufgekündigte Wohnung angewiesen. Trotz Kenntnis vom Tod des Hauptmieters habe die Hausverwaltung die Mietzinsvorschreibungen bis heute an den 1985 verstorbenen Vater der Klägerin gerichtet.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Klägerin und ihre Mutter in die Hauptmietrechte eingetreten seien. Es bestehe eine notwendige Streitgenossenschaft, sodass die Klägerin nicht allein zur Klage auf Feststellung der Mietrechte legitimiert sei. Die Feststellungsklage müsse von beiden Mitmietern getragen sein, weil sonst in Fällen, in denen wie hier das Recht auch des anderen Mitmieters bestritten werde, unzulässigerweise in ein gemeinschaftliches Recht eingegriffen werde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Mitmieter allein zur Klage auf Feststellung seiner Mietrechte legitimiert ist, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Ein bloßer Mitmieter allein sei zur Klage auf Feststellung seiner Mietrechte nicht legitimiert. Die Klägerin nehme nur Mitmietrechte in Anspruch, was bedeute, dass durch ein späteres Feststellungsurteil zwischen der Mutter der Klägerin und den Beklagten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen entstehen könnte. Klagte nämlich die am Verfahren nicht beteiligte Mieterin in der Folge auf Feststellung, dass sie alleinige Hauptmieterin sei, wäre ein stattgebendes Urteil mit der bereits erfolgten Feststellung im vorliegenden Verfahren unvereinbar.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt. Die Revisionswerberin macht geltend, die Klage, mit der sie lediglich die Feststellung anstrebe, Mitmieterin zu sein, tangiere die Rechtsposition ihrer ebenfalls in das Mietrecht eingetretenen Mutter nicht. Allfälligen übrigen Mitmietern sei es unbenommen, ihre Rechte geltend zu machen oder auch nicht. Sie bildeten keine einheitliche Streitpartei, weil die Wirkungen des (Feststellungs-)Urteiles sich nicht kraft Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses (oder kraft gesetzlicher Vorschrift) auf sie erstrecke.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung eine einheitliche Streitpartei auch dann vorliegt, wenn wegen Nichtbefassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht (SZ 51/4 = MietSlg 30.675/9; RIS-Justiz RS0035496; RS0035479; Fucik in Rechberger ZPO2 § 14 Rz 1). Nach Lehre und einhelliger Rechtsprechung bilden mehrere Mitmieter eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und im Kündigungsprozess eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO, weil sich die Wirkungen des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstreckt (wobl 1998, 339/221; wobl 2000, 60/28; Gamerith in Rummel ABGB3 § 825 Rz 9). Zur Vermeidung unlösbarer Verwicklungen bei Ergehen einer nur einen Mitmieter betreffenden Entscheidung muss daher sowohl ein Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter (§ 2 Abs 3 MRG) als auch auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes von allen Mitmietern getragen sein (MietSlg 50.049 = wobl 1999, 28/17). Der Oberste Gerichtshof hat die Legitimation eines einzelnen Mitmieters zur Klage auf Feststellung seines Mitmietrechts ausnahmsweise dann bejaht, wenn nur das festzustellende Mitmietrecht (nicht jedoch eines des anderen Mitmieters) bestritten war (MietSlg 33.606). Gleichzeitig hat er aber die Auffassung bekräftigt, dass Mitmieter über ihr gemeinsames Mietrecht grundsätzlich nur gemeinsam verfügen können und daher notwendige Streitgenossen sind (MietSlg 33.606).

An dieser Auffassung ist festzuhalten. Besteht aufgrund der Umstände des zu beurteilenden Falles die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch miteinander nicht in Einklang zu bringende Einzelentscheidungen, muss auch die von einem von mehreren Mitmietern angestrebte Feststellung seiner Stellung als Mitmieter von allen übrigen Mitmietern als einheitlichen Streitgenossen getragen werden.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die begehrte Feststellung über den Bestand eines Mitmietrechts der Klägerin könnte unter den hier gegebenen Umständen zu unlösbaren Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen führen, wenn die am Verfahren nicht beteiligte Mutter - deren Mietrechte bestritten sind - in einem weiteren Verfahren Feststellung ihres alleinigen Mietrechts begehrte. Solange daher nicht bindend feststeht, dass auch die als Mitmieterin in Frage kommende Mutter der Klägerin tatsächlich nur die Eigenschaft als Mitmieterin in Anspruch nimmt, muss - zur Vermeidung miteinander nicht in Einklang zu bringender Einzelentscheidungen - auch die nur einen Mitmieter als Teilnehmer der Gemeinschaft bürgerlichen Rechts betreffende Entscheidung von allen Mitgliedern der Gemeinschaft getragen werden.

Der Revision der Klägerin wird somit nicht Folge gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO.

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