OGH 4Ob572/95

OGH4Ob572/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerlinde W*****, vertreten durch Dr.Adolf Lientscher und Dr.Peter Resch, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei Ing. Anton M*****, vertreten durch Dr.Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterlassung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert S 71.800,-) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgericht vom 9. Juni 1995, GZ 29 R 66/95-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 27.Jänner 1995, GZ C 1000/94b-11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Mieterin eines Geschäftslokals im Haus N*****. Der Beklagte ist - mit zwei weiteren Miteigentümern - zu einem Drittel Miteigentümer dieser Liegenschaft.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten - nach Einschränkung um ein Duldungsbegehren auf Wiederherstellung des vorherigen Zustandes - den Beklagten schuldig zu erkennen, Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, die Klägerin in der ungestörten Ausübung ihrer Bestandrechte zu beeinträchtigen oder zu behindern, wie etwa Manipulationen an der Abwasserleitung oder Absperrung der Hauswasserzufuhr und dergleichen; weiters erhebt sie ein aus den behaupteten Störungen ihres Geschäftsbetriebes abgeleitetes Schadenersatzbegehren auf Zahlung von S 16.800,- sA. Der Beklagte habe eigenmächtig einen Teil des durch das Geschäftslokal der Klägerin führenden Abwasserrohres beseitigt, so daß Abwässer im Bestandobjekt ausgetreten seien. Der Beklagte habe zwar später den entfernten Rohrteil wieder eingesetzt, neuerlich aber das Abwasserrohr auseinandergezogen, so daß das Geschäftslokal der Klägerin ein weiteres Mal mit übelriechendem Abwasser überflutet worden sei. Außerdem habe der Beklagte ein Rohrgebrechen zum Anlaß genommen, die Wasserzufuhr abzusperren.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen habe er nicht vorgenommen. Wie es dazu gekommen sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Außerdem sei er als Minderheitseigentümer passiv nicht legitimiert; die Klägerin hätte sämtliche Miteigentümer des Hauses klagen müssen.

Das Erstgericht wies das Unterlassungs- und das Zahlungsbegehren ab. Mit der Einschränkung des Klagebegehrens durch Fallenlassen des auf Duldung gerichteten Begehrens habe die Klägerin in Wahrheit auch um das damit in Zusammenhang stehende Unterlassungsbegehren eingeschränkt. Das dem Unterlassungsbegehren entgegenstehende Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges habe daher nicht wahrgenommen werden müssen. Das allein gegen den Beklagten erhobene Schadenersatzbegehren sei aber abzuweisen, weil sämtliche Miteigentümer des Hauses auch in Ansehung dieses Begehrens eine einheitliche Streitpartei bildeten.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin wegen Nichtigkeit; im übrigen hob es die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Unterlassungsbegehren und das fallengelassene Duldungsbegehren deckten sich nicht, so daß die Einschränkung um das Duldungsbegehren auf das Unterlassungsbegehren keinen Einfluß gehabt habe. Die Klägerin begehre vom Beklagten nicht ein positives Tun auf Grund seiner Verpflichtungen als Vermieter, sondern die Unterlassung weiterer Störungen. Für dieses Begehren stehe der Rechtsweg offen. Mehrere Bestandgeber bildeten im Rechtsstreit auf Feststellung eines Bestandverhältnisses zwar eine einheitliche Streitpartei. Das könne auch der Fall sein, wenn einzelne Rechte aus einem Bestandvertrag festgestellt werden sollen. Anders liege die Sache jedoch, wenn ein Mieter bloß auf Unterlassung einzelner Störungshandlungen klage, die nur einer von mehreren Vermietern gesetzt habe. Dann lägen die Voraussetzungen des § 14 ZPO nicht vor. Der Inhalt des Bestandvertrages sei dann nur als Vorfrage zu beurteilen, wenn es darum gehe, ob der Beklagte zu den von der Klägerin behaupteten Störungshandlungen berechtigt gewesen sei. Auch die Solidarhaftung mehrerer auf Schadenersatz in Anspruch genommener Vermieter begründe auf ihrer Seite keine einheitliche Streitgenossenschaft, so daß die behaupteten Störungshandlungen und der geltend gemachte Schadenersatzanspruch inhaltlich zu prüfen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 14 ZPO liegt eine einheitliche Streitpartei dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Das ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird, wie etwa bei vollständiger Identität des Streitgegenstandes oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können, oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle festgestellt werden kann. Eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO liegt in Zweifel nur dann vor, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligter die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen besteht (NZ 1977, 55; SZ 51/4; SZ 52/35; MietSlg 34.693; RZ 1990, 32; EvBl 1992/6). Sie besteht immer dort, wo auch die positive Erledigung einer Einzelklage nicht zu einem von weiteren Erfolgen unabhängigen endgültigen Erfolg führen könnte (vgl Kralik, Streitgenossen als einheitliche Streitpartei, ÖJZ 1963, 113 f). Eine einheitliche Streitpartei ist daher dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß (SZ 47/93; SZ 51/4; MietSlg 34.693).

In einem Prozeß auf Feststellung eines Bestandverhältnisses bilden mehrere Miteigentümer eine einheitliche Streitpartei, weil das Bestandverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann; das wird auch dann angenommen, wenn nur ein Teil des durch den Bestandvertrag begründeten Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll (MietSlg 42.497; RdW 1995, 344). Die Klage kann allerdings gegen jene Miteigentümer unterbleiben, die das Feststellungsbegehren anerkannt haben (RdW 1995, 344).

Der Eigentümer einer Liegenschaft kann die von einem einzelnen Miteigentümer einer anderen Liegenschaft ausgehende Störung seines Eigentumsrecht gegen den Störer allein mit schlichter Unterlassungsklage geltend machen oder aber im Sinne des § 523 ABGB auch das Bestehen eines vom Beklagten etwa beanspruchten Rechts zum Gegenstand der Eigentumsfreiheitsklage machen (EvBl 1989/26). Nur bei einer gegen sie gerichteten Eigentumsfreiheitsklage bilden sämtliche Miteigentümer wegen der Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit (§ 485 ABGB) eine notwendige Streitgenossenschaft (SZ 27/101; SZ 56/60; MietSlg 38.745; MietSlg 39.731), aber nicht, wenn gegen einen Miteigentümer als Störer mit schlichter Unterlassungsklage vorgegangen wird (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 828). Dasselbe gilt aber auch, wenn sich ein Mieter gegen Störungen der Ausübung seines Mietrechts durch einen der Mitvermieter zur Wehr setzt. Er kann den Anspruch entweder nur auf Unterlassung einer konkreten eigenmächtigen Störung oder auch gegen die Ausübung eines vermeintlichen aus dem Miteigentum entspringenden Rechts richten. Ob die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidung besteht, kann freilich immer nur auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden (SZ 52/35). Werden nur Störungen durch einen mehrerer Vermieter behauptet, ist die Klage - wie bei einer schlichten Unterlassungsklage des Eigentümers gegen einen Störer - nicht notwendig gegen alle Miteigentümer der Bestandsache zu richten, geht es doch nur um das Hintanhalten künftiger Störungen durch den konkreten Störer, nicht aber auch um die Feststellung eines Bestandrechts oder das Nichtbestehen eines aus dem Mietvertrag abgeleiteten Eingriffsrechts. Auch in einem solchen Fall wird somit kein Anspruch geltend gemacht, der nach den dargelegten Grundsätzen gegen sämtliche Miteigentümer der Bestandsache gerichtet werden müßte.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die Passivlegitimation des Beklagten für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch bejaht. Zutreffend ist auch seine Rechtsansicht, daß der Beklagte auch für den aus den behaupteten Eingriffen abgeleiteten Schadenersatzanspruch passiv legitimiert ist, selbst wenn sämtliche Miteigentümer dafür solidarisch haften sollten (Fasching II 196; SZ 43/61; SZ 46/35 uva).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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