OGH 5Ob47/73

OGH5Ob47/7328.3.1973

SZ 46/35

Normen

Strukturverbesserungsgesetz §8
ZPO §14
Strukturverbesserungsgesetz §8
ZPO §14

 

Spruch:

§ 8 Abs. 4 StruktVG BGBl. 69/1969 regelt nur die abgabenrechtliche Stellung der Beteiligten, schafft aber handelsrechtlich keine Gesamtrechtsnachfolge; dem mit seinem ganzen Vermögen haftenden Schuldner soll dadurch keineswegs die Möglichkeit eröffnet werden, die Schuldenhaftung auf das Vermögen der übernehmenden Gesellschaft zu beschränken.

Wird zugleich mit der Gesellschaft als Übernehmerin auch der Einzelkaufmann als Überträger aus einem von ihm vor der Übertragung erteilten Auftrag in Anspruch genommen, dann liegt insoweit keine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14

ZPO vor

OGH 28. 3. 1973, 5 Ob 47/73 (OLG Wien 1 R 6/73; HG Wien 18 Cg 17/72)

Text

Die zu HRA 6337 des Handelsrechtes Wien protokollierte Firma "Stadtbaumeister Karl R, Alleininhaber Dipl.-Ing. Otto R" wurde am 7. November

1971 (anscheinend richtig: 8. Oktober 1971) gemäß § 8 StruktVG gelöscht und die neue Firma "Stadtbaumeister Karl R Gesellschaft m. b. H. mit dem Sitz in Wien (Erstbeklagte) am selben Tag zur HRB

13.229 in das Handelsregister eingetragen. Dabei wurde die Einzelfirma in die Gesellschaft eingebracht, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist.

Mit der am 2. Feber 1972 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von den beiden beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Bezahlung durchgeführter Tischler- und Schlosserarbeiten, die der Zweitbeklagte als damaliger Alleininhaber der prot. Firma Stadtbaumeister Karl R in Auftrag gegeben habe. Die erstbeklagte Partei wurde als deren Rechtsnachfolgerin in Anspruch genommen.

über das Vermögen der erstbeklagten Partei wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5. Dezember 1972, S 85/72-2, das Konkursverfahren eröffnet.

Das Erstgericht hat daraufhin festgestellt, daß der gegenständliche Rechtsstreit (hinsichtlich beider beklagter Parteien) gemäß § 7 KO unterbrochen sei.

Infolge Rekurses der klagenden Partei hat das Rekursgericht diesen Beschluß, der bezüglich der Unterbrechung des Verfahrens gegen die erstbeklagte Partei als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, in Ansehung der zweitbeklagten Partei aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen diese aufgetragen, weil nur im Fall einer einheitlichen Streitgenossenschaft der beklagten Parteien die Unterbrechung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 KO auch auf den Streitgenossen des Gemeinschuldners wirke. Eine solche einheitliche Streitgenossenschaft liege zwischen den beiden Beklagten aber nicht vor, weil ihre Haftung aus verschiedenen Rechtsgrunden abgeleitet werde und sich auch nicht die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf beide Streitgenossen erstrecke.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Zweitbeklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil § 192 Abs. 2 ZPO nicht für Unterbrechungen auf Grund der Bestimmungen der KO gilt (vgl. JBl. 1962, 445). überdies liegt ein nur formell aufhebender, in Wirklichkeit aber abändernder und damit anfechtbarer rekursgerichtlicher Beschluß vor (vgl. SZ 12/17 u. v. a., zuletzt 5 Ob 230/72).

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 KO wirkt die Unterbrechung anhängiger Rechtsstreitigkeiten zufolge Konkurseröffnung auf Streitgenossen des Gemeinschuldners nur dann, wenn sie mit dem Gemeinschuldner eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO bilden. Eine solche liegt dann nicht vor, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (vgl. SZ 43/61). Darüber hinaus ist das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei aus den Fällen der Erweiterung der Rechtskraft abzuleiten, so auch bei einer Rechtskrafterstreckung auf den Gesamtrechtsnachfolger, aber auch auf den Einzelrechtsnachfolger (vgl. SZ 28/265; Fasching II, 197; III, 727). Die Solidarverpflichtung aus Gesetz oder Vertrag stellt für sich allein keine einheitliche Streitpartei her (Fasching II, 196; RZ 1968, 108; SZ 43/61).

Die klagende Partei leitet die Haftung der erstbeklagten Partei aus der Übernahme des Vermögens der protokollierten Firma Stadtbaumeister Karl R ab, deren Alleininhaber ihr den Auftrag zur Durchführung der in Rechnung gestellten Arbeiten gegeben habe. Die Rechtsnachfolge wird sohin mit der Einbringung des unter der Einzelfirma betriebenen Unternehmens als Sacheinlage in die Gesellschaftsfirma begrundet. Nach § 8 Abs. 4 des Gesetzes über abgabenrechtliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (Strukturverbesserungsgesetz), BGBl. 69/1969 i. d. F. BGBl. 417/1970 und 493/1972, tritt die den Betrieb eines Einzelkaufmanns in der Zeit vom 1. Jänner 1969 bis 31. Dezember 1973 übernehmende Kapitalgesellschaft hinsichtlich der mit den Buchwerten übernommenen Gegenstände des Betriebsvermögens in die rechtliche Stellung des Einbringenden ein. Dieses Gesetz regelt nur die abgabenrechtliche Stellung der Beteiligten, schafft aber handelsrechtlich keine Gesamtrechtsnachfolge (Helbich, Umgrundungen auf der Grundlage des Strukturverbesserungsgesetzes 273; Kastner - Mayer - Frint, Komm. z. StruktVG 80 Anm. 222). Es soll damit keineswegs einem mit seinem ganzen Vermögen haftenden Schuldner die Möglichkeit eröffnet werden, nunmehr die Schuldenhaftung auf das Vermögen der Gesellschaft zu beschränken (vgl. 1 Ob 57/72). Zwischen dem Zweitbeklagten als Überträger und der Erstbeklagten als Übernehmerin des Vermögens oder Unternehmens der Einzelfirma Stadtbaumeister Karl R liegt sohin kein Fall der Rechtsnachfolge vor. Wenngleich die beiden beklagten Parteien im Rahmen der gesetzlichen Haftungsbestimmungen solidarisch für die in die Gesellschaft eingebrachten Schulden haften mögen, wird damit noch keine einheitliche Streitpartei begrundet. Ein nur gegen den Veräußerer erwirktes Urteil wäre gegen die Übernehmerin nicht vollstreckbar, der Gläubiger hätte gegen die übernehmende Gesellschaft eine neuerliche Klage einzubringen (vgl. Heller - Berger - Stix, Komm. z. EO I, 225 ff.; Rspr. 1931/322).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes war der Zweitbeklagte zwar nicht persönlich haftender Gesellschafter der Auftraggeberin, sondern mit dieser ident, da eine Einzelfirma und die Person des Inhabers ein und dasselbe Rechtssubjekt sind. Trotz der Gemeinsamkeit des geltend gemachten rechtserzeugenden Sachverhalts kann aber die rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung gegenüber beiden Beklagten nicht angenommen werden, weil ein unterschiedliches Ergebnis im Verfahren gegen die beiden beklagten Parteien denkbar erscheint. Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß sich aus der Natur des streitigen Rechtsverhältnisses nicht die Notwendigkeit der Wirkung des gegen einen der Streitgenossen gefällten Urteils auch gegen den anderen ergibt, zumal auch kein Fall der Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsnachfolger gegeben ist (vgl. HS 1068, 1070).

Da sohin entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO auf seiten der beklagten Parteien nicht vorliegt, muß seinem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben.

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