Spruch:
Die Unterlassungsklage gegen die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit muß wegen unzertrennlicher Streitgenossenschaft gegen alle Miteigentümer des angeblich herrschenden Grundstückes gerichtet werden.
Entscheidung vom 14. April 1954, 2 Ob 969/53.
I. Instanz: Landesgericht Linz - Nord; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Unbestritten ist, daß die Kläger je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 6, KG. J., zu der das Wiesengrundstück Nr. 389 gehört, und der Beklagte und dessen Gattin Eigentümer der angrenzenden Wiesenparzelle Nr. 390/1 EZ. 12, KG. J. sind.
Die Kläger behaupten, der Beklagte fahre schon seit Jahren von seinem Wiesengrundstück über das der Kläger und gebe vor, daß er und seine Vorbesitzer stets über das Grundstück 389 gefahren seien und daher ein Fahrtrecht ersessen haben. Im übrigen solle der Erstkläger ein solches Recht dem Beklagten ausdrücklich eingeräumt haben, wozu es aber an der hiezu nötigen Ermächtigung seitens der Zweitklägerin als Miteigentümerin gefehlt habe, Der Beklagte wendet gegen die von den Klägern erhobene Unterlassungsklage Ersitzung der Dienstbarkeit des Fahrweges und überdies seitens des Erstklägers ausdrückliches sowie seitens der Zweitklägerin stillschweigendes Anerkenntnis dieses Rechtes ein. Schließlich bestreitet der Beklagte die passive Klagslegitimation, weil die Klage gegen seine Gattin als Miteigentümerin nicht erhoben worden sei.
Das Erstgericht schloß sich dem Rechtsstandpunkt des Beklagten an und wies die Klage unter Hinweis auf § 14 ZPO. ab, weil nur alle Gründeigentümer der Parzelle 390/1 mit der Eigentumsfreiheitsklage belangt werden könnten.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Ansicht, daß die actio negatoria nicht nur gegen die Gesamtheit der Eigentümer des Nachbargrundstückes, sondern auch gegen einen derselben angebracht werden könne, weil sich ein Urteil, das einen Miteigentümer zur Unterlassung bestimmter Handlungen in bezug auf das benachbarte Grundstück verpflichte, keineswegs notwendig auch auf die anderen Miteigentümer erstrecke, wie dies bei der Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes einer Grunddienstbarkeit der Fall sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Kläger auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist richtig, daß mit der Eigentumsfreiheitsklage nicht nur Servitutsanmaßungen, sondern jeder Eingriff in das Eigentumsrecht abgewehrt werden kann. Es ist auch keineswegs notwendig, daß bei unberechtigter Ausübung eines dringlichen Rechtes an einer Liegenschaft ein Begehren auf Feststellung des Nichtbestandes dieses Rechtes zu stellen sei. Es bleibt in jedem Falle dem Eigentümer überlassen, mit welchen Mitteln er den Eingriff in sein Eigentum abwehren will (siehe hiezu Klang, 2. Auflg. zu § 523 ABGB. S. 602 f). Es kann demnach auch gegen denjenigen, der sich eine Servitut anmaßt, die Unterlassungsklage ohne gleichzeitiges Feststellungsbegehren erhoben werden. Wer als Gegner im Prozesse in Anspruch zu nehmen ist, hängt aber nicht von der Fassung des Klagebegehrens der Eigentumsfreiheitsklage ab. Maßgebend ist vielmehr der Inhalt des Rechtes, das der Störer tatsächlich ausübt und als Eigentumsbeschränkung in Anspruch nimmt. Übt ein Miteigentümer ohne Einspruch seiner Mitgenossen eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten eines bestimmten (herrschenden) Grundstückes aus, dann haben alle Miteigentümer auf den Fall ihrer Redlichkeit Ersitzungsbesitz an dieser Servitut. Die Klage nach § 523 ABGB. unterbricht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1497 ABGB. die Ersitzung des oder der Servitutsbesitzer gegen die Freiheit des Eigentums an der dienenden Sache. Diese Wirkung könnte einer Klage nicht zukommen, die nur gegen einen der Miteigentümer des Nachbargrundstückes erhoben würde. Es darf auch nicht übersehen werden, daß eine Grunddienstbarkeit nicht zu Gunsten einer bestimmten Person, sondern zu Gunsten eines bestimmten Grundstückes begrundet und ausgeübt wird. Ein Urteil gemäß dem Antrage der Kläger würde aber einen Rechtszustand schaffen, der einem der Miteigentümer die Ausübung einer solchen Grunddienstbarkeit untersagen würde, während ein anderer Miteigentümer mangels eines Urteilsspruches weiterhin das gleiche Recht auszuüben vermöchte. Auf diese Weise könnte es zur Ersitzung einer Grunddienstbarkeit kommen, die einer der Miteigentümer nicht ausüben dürfte. Der Rechtsspruch kann in einem solchen Falle nicht verschieden ausfallen, weil die Gleichheit in der Rechtslage dies nicht zulassen würde (Sperl S. 186). Es steht demnach dem Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes nicht frei, zu wählen, welchen der Störer er in einem solchen Falle belangen will. Er darf vor allem nicht nur einen der Miteigentümer, etwa den, der die störende Handlung zu setzen pflegt, sondern er muß alle Eigentümer des Grundstückes, zu dessen Gunsten die Servitut ausgeübt wird, klagen.
Der Kläger bezeichnet selbst seine Klage als Klage wegen Nichtbestandes einer Dienstbarkeit.
Aus der Klagserzählung ergibt sich ferner eindeutig, daß der Kläger sich gegen die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit mit Unterlassungsklage zur Wehr setzen will. Er sagt selbst in der Klagserzählung, daß der Beklagte als Besitzer eines Nachbargrundstückes ein Fahrtrecht über seinen, des Klägers Grund ausübe und die Ersitzung dieser Servitut behaupte. Damit stimmt das Vorbringen des Beklagten überein. Daß die Besitzausübung gegen den Willen der Gattin des Beklagten als Miteigentümerin der Parzelle 390/1 erfolge, behauptet der Kläger gar nicht. Aus seiner Klage geht vielmehr hervor, daß er nur deshalb den Beklagten allein belangte, weil er der Meinung war, daß dieser Alleineigentümer des Nachbargrundstückes sei. Da aber die Freiheit des Eigentums von der Dienstbarkeit des Fahrweges nur allen Miteigentümern des "herrschenden" Grundstückes gegenüber durchgesetzt werden kann, das zu fällende Urteil in einem solchen Fall nur gegen alle Miteigentümer gleich lauten kann, liegt eine unzertrennliche Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO. der Eigentümer des Grundstückes 390/1 vor (siehe SZ. X/333, die allerdings den Fall der Servitutsklage im Auge hat; ferner Sperl a. a. O., Schrutka S. 87, Pollak S. 200 und Neumann S. 437) und war die Abweisung des Klagebegehrens gegerechtfertigt.
Es war daher der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu beheben. Die zweite Instanz wird nunmehr unter Bindung an die oben dargelegte Rechtsansicht eine neuerliche Entscheidung zu fällen haben.
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