OGH 2Ob603/94

OGH2Ob603/9412.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther J*****, vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien, 2. Ludwig H*****, vertreten durch Dr.Manfred Ainedter und Dr.Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien, und 3. Walter H*****, vertreten durch Dr.Alfred Strommer, Dr.Johannes Reich-Rohrwig, Dr.Georg Karasek und Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolg Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Juli 1994, GZ 14 R 63/94-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 13.Oktober 1993, GZ 17 Cg 236/92-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Sämtliche Parteien sowie Sonja G***** (1/6) und Gretchen H***** (1/9) sind Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Haus ***** M*****straße

181. Am 5.12.1990 verkaufte der frühere Miteigentümer Herbert H***** seinen 1/6-Anteil an die erstbeklagte Partei. Herbert H***** hatte mit Zustimmung aller Miteigentümer 1983 die in dem genannten Haus befindliche Wohnung Nr.5 gemietet. Am 4.12.1990 vermietete er diese Wohnung mit Zustimmung des Zweit- und Drittbeklagten an die erstbeklagte Partei. Die Miteigentümer Sonja G***** und Gretchen H***** widersprachen diesem Mietvertrag.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit des zwischen Herbert H***** und der erstbeklagten Partei am 4.12.1990 abgeschlossenen Mietvertrages mit der - soweit im Rechtsmittelverfahren noch relevanten - Begründung, dieser hätte nur mit den Stimmen aller Miteigentümer wirksam abgeschlossen werden können. Der Mietvertrag enthalte nämlich extrem nachteilige Bedingungen, durch die die Verwertung des Hauses aufgrund des bereits anhängigen Teilungsverfahrens wesentlich verschlechtert worden sei. Zur Schädigung der übrigen Miteigentümer sei ein "Scheinvertrag" geschlossen worden. Die nicht geklagten Miteigentümer hätten der Vermietung widersprochen und dem Kläger gegenüber erklärt, den Standpunkt einzunehmen, daß ein Mietvertrag nicht wirksam zustandegekommen sei.

Die Beklagten wendeten ein, die erstbeklagte Partei sei zum Zeitpunkte des Abschlusses des Mietvertrages noch nicht Miteigentümerin gewesen. Der Mietvertrag sei verbindlich von der Mehrheit der Miteigentümer abgeschlossen worden, er enthalte keine für die Miteigentümer nachteiligen Bestimmungen. Die Feststellungsklage sei schon allein deshalb abzuweisen, weil sie sich gegen alle Miteigentümer richten müsse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Am 22.9.1989 war Herbert H***** 1/6-Eigentümer der eingangs genannten Liegenschaft, die übrigen Miteigentümer waren der Zweitbeklagte Ludwig H***** zu 1/6-Anteil, Sonja G***** zu 1/6-Anteil, Gretchen H***** zu 1/9-Anteil, der Drittbeklagte Walter H***** zu 8/36-Anteilen, Friedrich Z***** zu 1/12-Anteil und Robert Z***** ebenfalls zu 1/12-Anteil.

Zum Abfragedatum 5.4.1991 war die erstbeklagte Partei anstatt Herbert H***** Miteigentümer zu 1/6-Anteil. Anstelle von Friedrich und Robert Z***** war der Kläger Miteigentümer zu 1/6-Anteil.

Diese Eigentumsverhältnisse bestanden auch zum Zeitpunkte der Abfrage vom 23.9.1993.

Im Jahre 1983 erklärten die damaligen Miteigentümer der Liegenschaft schriftlich die Zustimmung zur Vermietung der Wohnung top.Nr.5 an Herbert H*****. Herbert H***** und der Zweitbeklagte erklärten als Miteigentümer, daß sie keine Einwände erheben werden, falls einer der übrigen Miteigentümer in Hinkunft einen Anspruch auf eine freigewordene Wohnung im Haus stellen sollte.

Bei dem an Herbert H***** vermieteten Bestandobjekt handelt es sich um eine ca. 85 m2 große Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche, Vorraum, Klosett und Bad mit Gaskonvektorenheizung.

Am 4.12.1990 schlossen Herbert H***** als Miteigentümer der Liegenschaft und die erstbeklagte Partei einen Mietvertrag über diese Wohnung auf unbestimmte Zeit. § 3 dieses Mietvertrages bestimmt, daß als Hauptmietzins der nach § 16 Abs.2 bis 4 MRG jeweils zulässige Mietzins vereinbart ist und daß dieser derzeit nach Kategorie und Nutzfläche 1.717 S betrage. Der Mieter erhält das Recht zur Weitergabe der Wohnung zu denselben Bedingungen wie im bestehenden Vertrag vereinbart, sowie das Recht der gänzlichen Untervermietung. Im § 8 des Mietvertrages ist festgehalten, daß der Vertrag von Herbert H***** als Miteigentümer mit der Zustimmung der zur Mehrheit notwendigen Miteigentümer unterfertigt wurde.

Herbert H*****, der Zweitbeklagte und der Drittbeklagte erklärten schriftlich, daß der Käufer des Anteiles von Herbert H***** neuer Mieter der Wohnung top.Nr.5 Kategorie B mit "Weitergabe- und Untermietrecht" sei.

Der Kläger sowie die Miteigentümer Gretchen H***** und Sonja G***** stimmten dem Mietvertrag nicht zu.

Am 5.12.1990 erwarb die erstbeklagte Partei den Miteigentumsanteil des Herbert H***** (1/6). Zu diesem Zeitpunkt war eine vom Kläger angestrengte Teilungsklage bereits im Grundbuch angemerkt, wovon die erstbeklagte Partei Kenntnis hatte.

Die Wohnung top.Nr.5 wurde weiterhin von Herbert H***** benutzt.

Am 21.2.1992 wurde zwischen der erstbeklagten Partei und Herbert H***** ein gerichtlicher Räumungsvergleich geschlossen, in dem sich Herbert H***** verpflichtete, der Klägerin (erstbeklagte Partei dieses Verfahrens) die Wohnung bis 30.11.1992 geräumt zu übergeben. Der Räumungsvergleich ist rechtswirksam und vollstreckbar. Seit April 1993 ist die Wohnung geräumt.

Folgende Umstände erachtete das Erstgericht als für die Entscheidung irrelevant, sodaß es darüber keiner Feststellungen bedürfe:

1. Ob der Mietvertrag zwischen der erstbeklagten Partei und Herbert H***** für jeden einzelnen Hausmiteigentümer extrem nachteilig ist;

2. ob es sich um eine Wohnung der Kategorie A oder B handelt bzw ob es ohne größeren Kostenaufwand möglich gewesen wäre, diese Wohnung in die Kategorie A anzuheben und damit im Rahmen einer freien Mietzinsvereinbarung einen ortsüblichen Mietzins zu erzielen;

3. ob es durch den Abschluß dieses Mietvertrages zu einer Wertminderung der gesamten Liegenschaft gekommen ist, sodaß für das Teilungsverfahren des Klägers Nachteile entstanden sind;

4. ob die Mietzinszahlung schleppend erfolgte bzw erhebliche Mietzinsrückstände bestehen;

5. ob die Vermietung einer freiwerdenden Wohnung im Jahre 1990 an die Tochter des Drittbeklagten in Ausführung der Vereinbarung der Miteigentümer aus dem Jahre 1983 erfolgte.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen eines Scheingeschäftes, weil die Vertragsparteien den Geschäftswillen hatten, den Mietvertrag vom 4.12.1990 auch tatsächlich abzuschließen. Da die Feststellungsklage aber gegen alle Miteigentümer zu richten gewesen wäre, sei sie jedenfalls abzuweisen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, bei einer Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Bestandvertrages seien alle Miteigentümer notwendige Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO. Im Verfahren über die Feststellung eines mehreren Personen gemeinsamen Rechtsverhältnisses bildeten die in Rechtsgemeinschaft stehenden Personen eine notwendige Streitgenossenschaft für oder gegen die eine einheitliche Entscheidung zu ergehen habe. Abweichende Entscheidungen würden zu unlösbaren rechtlichen Verwicklungen führen. Nur die Abwehr unzulässiger Eingriffe könne jeder einzelne Teilhaber allein begehren. Da im gegenständlichen Verfahren nicht alle Miteigentümer beteiligt seien, sei ohne nähere Prüfung des behaupteten Umgehungsgeschäftes die Klage abzuweisen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob sich die dem Mietvertrag widersprechenden Minderheitseigentümer sämtliche am Feststellungsverfahren zu beteiligen hätten, noch nicht auseinandergesetzt habe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, sie ist im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Der Kläger vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, es liege kein Fall notwendiger einheitlicher Streitgenossenschaft vor. Die vorliegende Feststellungsklage richte sich gegen diejenigen Miteigentümer, die behaupteten, es sei ein gültiger Mietvertrag zustandegekommen und sich daher weigerten, gegen den angeblichen Mieter vorzugehen. Die Rechtswirkungen der Feststellungsklage würden sich nur auf die verfahrensbeteiligten Parteien beziehen. Ausdrücklich sei außer Streit gestellt worden, daß die nicht beklagten Miteigentümerinnen Gretchen H***** und Sonja G***** dem Abschluß des gegenständlichen Mietvertrages widersprochen hätten, also den Standpunkt der klagenden Partei teilten. Bei dieser Sachlage sei es weder erforderlich noch zweckmäßig, davon auszugehen, daß Vermieter mitgeklagt werden müssen, die den Klagsstandpunkt teilen.

Hiezu wurde erwogen:

Zutreffend haben die Vorinstanzen an sich dargelegt, daß in einem Prozeß auf Feststellung des Bestandverhältnisses mehrere Miteigentümer als Bestandgeber eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilden, weil das Bestandverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (MietSlg 42.497; SZ 53/2; Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 14; Rechberger/Simotta, Grundriß des österr. Zivilprozeßrechts4, Rz 201). Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Klage ausnahmsweise gegen jene Miteigentümer unterbleiben kann, die das Feststellungsbegehren anerkannt haben, wobei es aber nicht ausreicht, daß die nicht beklagten Miteigentümer mit dem Vorgehen der anderen einverstanden waren (MietSlg 29.615; 24.560; 21.787/21; 8400).

Daß im vorliegenden Fall die Miteigentümer Sonja G***** und Gretchen H***** dem Mietvertrag vom 4.12.1990 nicht zustimmten, wäre sohin nicht ausreichend und wäre daher das Klagebegehren, weil nicht sämtliche Miteigentümer am Verfahren beteiligt sind, abzuweisen. Der Kläger hat allerdings auch behauptet (AS 33), daß die beiden nicht geklagten Miteigentümerinnen ihm gegenüber erklärt hätten, den Standpunkt einzunehmen, daß ein Mietvertrag nicht wirksam zustandegekommen sei. Dieses Vorbringen kann nur dahin verstanden werden, daß die beiden nicht geklagten Miteigentümerinnen das von ihm erhobene Klagebegehren anerkannten und daß es daher im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung nicht notwendig wäre, sie mitzuklagen. Über diese vom Kläger aufgestellte strittige Behauptung wurden aber vom Erstgericht keine Feststellungen getroffen.

Diese Frage ist - entgegen der von der erstbeklagten Partei vertretenen Ansicht - für die Entscheidung auch relevant.

Zutreffend ist zwar, daß eine Feststellungsklage ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes verlangt und daß es an einem derartigen Interesse vor allem dann mangelt, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 11 zu § 228). Wenn ein Miteigentümer - wie im vorliegenden Fall - geltend macht, der abgeschlossene Mietvertrag stelle eine außerordentliche Maßnahme dar, die seiner Zustimmung bedurft hätte, kann er sofort auf Räumung klagen. Die Vertretungsbefugnis der Mehrheit erstreckt sich nämlich nur auf die Fälle der ordentlichen Verwaltung, nicht aber auf infolge Widerspruchs der überstimmten Minderheit oder deren Übergehung nicht unbedingt wirksame wichtige Veränderungen. Der überstimmte Minderheitseigentümer kann, solange die Maßnahme nicht vom Außerstreitrichter bewilligt ist, gegen den Bestandnehmer mit Räumungsklage vorgehen, weil ihm gegenüber der Bestandnehmer, der sich nur auf den mit der Mehrheit geschlossenen, aber noch nicht vom Richter genehmigten Vertrag über die wichtige Änderung stützt, die gemeinsame Sache titellos benützt (SZ 59/203 mwN). Dieses Klagerecht steht jedem Teilhaber, auch dem Minderheitseigentümer, zu (Gamerith in Rummel2, Rz 6 zu § 828). Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt aber eine Feststellungsklage nur dann aus, wenn das mögliche Leistungsbegehren all das bietet, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt wird. Das rechtliche Interesse an der Feststellung, daß ein Recht nicht bestehe, ist gegeben, wenn der Bestand eines Rechtes ernstlich behauptet wird, sodaß eine tatsächliche Ungewißheit und Unsicherheit besteht. Die negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben. Das Ergebnis einer Räumungsklage wegen titelloser Benützung muß sich nicht unbedingt mit dem Ergebnis einer auf Feststellung des Nichtbestehens eines Bestandverhältnisses gerichteten negativen Feststellungsklage decken (MietSlg 38.768). Mit der vorliegenden negativen Feststellungsklage strebt der Kläger mehr an, als er durch eine bloße Räumungsklage erreichen könnte, weil sich die Räumungsklage nur gegen den Bestandnehmer richten könnte, er mit der vorliegenden Klage aber das Rechtsverhältnis gegenüber den übrigen Miteigentümern klären will.

Zusammenfassend folgt daraus, daß der Frage, ob die beiden nicht geklagten Miteigentümerinnen das Feststellungsbegehren des Klägers anerkannt haben, entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt, sodaß wegen Fehlens einer Feststellung hierüber die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben waren.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte