OGH 7Ob321/00g

OGH7Ob321/00g17.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz G*****, vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. L***** S*****, und 2. Dr. Hans W*****, beide vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 1,905.564,-- samt Anhang über die Revision der beklagten Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2000, GZ 2 R 237/99g-66, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 2. Juli 1999, GZ 6 Cg 271/96y-49, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird, soweit es nicht hinsichtlich der - nicht ausdrücklich in den Spruch aufgenommenen, sich aber aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichtes ergebenden - Teilabweisung des Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Haftung der Beklagten auch für entgangenen Gewinn bereits in Rechtskraft erwachsen ist, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte chronologisch zusammengefasst im wesentlichen, vom Berufungsgericht noch nicht überprüft, fest:

Der Kläger begab sich am 5. 7. 1993 in die I. Chirurgie der Landeskrankenanstalten Salzburg, deren Rechtsträger die Erstbeklagte ist, da er bereits den dritten Tag unter starken Schmerzen im linken Mittelbauch litt. Bei einer Gastrografinirrigo wurde festgestellt, dass der Kläger unter Sigmadivertikulitis litt. Der Dienst habende Arzt Dr. Z***** schlug ihm eine sogenannte Operation nach Hartmann vor. Dabei sollte der entzündete Darm, der nach Ansicht von Dr. Z***** vielleicht bereits durchbrochen sein könnte, entfernt und ein künstlicher Seitenausgang hergestellt werden, da auf Grund der Entzündung die Gefahr bestünde, dass eine Verbindung der Darmstücke nicht halten würde. Der Kläger wurde über das Risiko eines Nahtbruchs in Kenntnis gesetzt. Der Nahtbruch an der Wiedervereinigungsstelle des Darmes ist die häufigste Komplikation bei solchen Eingriffen, wobei diese sowohl bei der Handnaht als auch bei der Klammernaht (laparoskopische Methode) gleich häufig ist.

Der Kläger verlangte den Zweitbeklagten zu sprechen, der ihn im Jahr 1990 am Blinddarm operiert hatte. Dieser bestätigte die richtige Diagnose von Dr. Z***** und erwähnte ebenfalls, die Gefahr eines Nahtbruches. Da der Kläger der vorgeschlagenen Operation ablehnend gegenüber stand, erklärte der Zweitbeklagte die mögliche Alternative, nämlich ihn mit Antibiotika zu behandeln und die Entzündung auf konservativem Weg so abklingen zu lassen. Der Kläger war damit einverstanden. Sein Zustand besserte sich bis zur Beschwerdefreiheit. Der Zweitbeklagte informierte den Kläger, dass nach wie vor die Gefahr eines Divertikulitisschubes bestehe.

Das Risiko eines allfälligen Nahtbruchs wurde auch noch mit dem Kläger in der Zeit vom 5. bis 13. 7. 1993 erörtert.

Am 8. 7. 1993 wurde eine Darmspiegelung durchgeführt, bei der sich weder eine Entzündung noch Perforationsanzeichen erkennen ließen. Am 9. 7. 1993 empfahl der Zweitbeklagte, den Darmabschnitt operativ zu entfernen, wobei er den Kläger darüber informierte, dass es neben der dem Kläger bereits auf Grund einer Operation seines Bruders gut bekannten "offenen Methode" noch eine neue Methode gebe, die für den Kläger sehr gut wäre. Über die Laparoskopie gab der Zweitbeklagte bekannt, dass mittels einer Kamera in den Bauchraum hineingesehen werde und dann erst entschieden werden könne, ob die laparoskopische Operation möglich wäre. Es könne durchaus sein, dass man während der laparoskopischen Operation auf die offene Methode umsteigen müsse. Die laparoskopische Operation erfordere einen Krankenhausaufenthalt von lediglich fünf Tagen. Der Kläger, der aus beruflichen Gründen nicht lange im Krankenhaus bleiben wollte, entschied sich für diese Operationsmethode, ohne darüber hinaus weitere Fragen zu stellen.

Am 12. 7. 1993 wurde zur genaueren Abklärung eine Bariumirrigoskopie durchgeführt. Der Röntgenologe entscheidet darüber, welches Kontrastmittel verwendet wird. Es zeigten sich im Bereich der linken Dickdarmhälfte über ca. 40 cm Darm verstreut multiple Vertikel, teilweise mit Entzündungszeichen. Nach der Irrigoskopie wurde eine Darmlavage durchgeführt. Vor der Operation am 13. 7. 1993 wurden keine Kontrollröntgenbilder angefertigt, um sich davon zu überzeugen, dass das Barium zur Gänze durch die Lavage aus dem Darm entfernt wurde. Dies entspricht dem Stand der Medizin. Tatsächlich verblieb trotz der Lavage Barium im Darm des Klägers. Wenn das Barium in das Gewebe austritt, führt es zu lang anhaltenden Entzündungen, zu einer schlechten Fistelheilung und zu einer massiven Verengung des Darms.

Am 13. 7. 1993 nahm der Zweitbeklagte die laparoskopische Sigmaresektion lege artis vor. Die laparoskopische Sigmaresektion ist noch kein standardisiertes Verfahren. Bei gleicher Erfahrung der Operateure besteht bei beiden Operationstechniken ein gleich hohes Risiko. Je mehr Erfahrung der Operateur hat, desto geringer die Komplikationen. Nach 50 klinischen Eingriffen weist ein Operateur jedenfalls ausreichend klinische Erfahrung auf. Der Zweitbeklagte hat von Juli 1990 bis Juli 1993 600 laparoskopische Eingriffe durchgeführt. Die Sigmaresektion vom 13. 7. 1993 war für den Zweitbeklagten aber erst die zweite. Seit dem Jahr 1991 nahm er an diversen Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen in diesem Fachbereich teil.

Es kann nicht festgestellt werden, ob sich der Kläger der Operation unterzogen hätte, wenn er gewusst hätte, dass er für den Zweitbeklagten erst der zweite Fall einer laparoskopischen Sigmaresektion war.

Das Risiko bei der Durchführung einer Laparoskopie ist bei gleicher Erfahrung des Operateurs gleich groß wie bei einer Laparotomie. Eine Sigmateilresektion ist laparoskopisch leichter durchzuführen als eine Vollresektion. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte mit dem Kläger ein Gespräch über die zu entnehmende Darmlänge geführt hat. Bei der Operation skelettierte er nur 15 cm Darm, 4 weitere cm skelettierte er nach. Es ist nur schwer möglich 40 cm Darm mit einer Laparoskopie zu skelettieren. Es ist kein Kunstfehler, dass nicht 40 cm Darm entfernt wurden.

Am zweiten Tag nach der Operation wurde dem Kläger in sechsstündigem Rhythmus Prostigmin verabreicht. Seit dem Jahr 1994 findet in den Landeskrankenanstalten S***** Prostigmin bei der Dick- und Dünndarmchirurgie Anwendung. Es wird damit die Darmtätigkeit angeregt. Es ist nicht feststellbar, dass die Beigabe von Prostigmin wahrscheinlich einen Nahtaufbruch begünstigt.

Am 16. 7. 1993 litt der Kläger starke Schmerzen, weshalb eine Röntgenuntersuchung durchgeführt wurde. Der Zweitbeklagte, der nicht Dienst hatte und sich zu Hause befand, wurde gerufen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte das Röntgenbild vor der am 16. 7. 1993 durchgeführten Notoperation sah. Der Zweitbeklagte nahm vor der Operation mit dem Röntgenarzt keinen Kontakt auf. Ein durchschnittlicher Arzt in der Lage des Zweitbeklagten kann auf Grund des Kurzbefundes des Röntgenologen nicht ableiten, dass noch Barium im Darm ist. Ein durchschnittlicher Röntgenologe hätte in dieser Situation den Chirurgen darüber informieren müssen, dass sich bei der Röntgenleeraufnahme Barium im Darm gezeigt habe. Hätte der Zweitbeklagte gewusst, dass eine derart große Menge Barium im Darm vorhanden wäre, hätte er die Operationsmethode nach Hartmann wählen müssen. Da dies der Zweitbeklagte aber nicht wusste, handelt es sich beim laparoskopischen Eingriff um eine Methode zweiter Wahl und nicht um eine falsche Behandlung.

Bei der Operation am 16. 7. 1993 wurde ein künstlicher Ausgang als Entlastung eines offenbar aufgetretenen Nahtbruches geschaffen. Der Kläger wurde am 20. 7. 1993 aus dem Krankenhaus entlassen. Im September 1993 (geplante Rückoperation) zeigte sich eine große Fistel, zu deren Bildung es mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Grund eines traumatischen Ereignisses während der laparoskopischen Operation, nämlich beim Einführen des Klammernahtgerätes durch den Assistenten des Operateurs, gekommen ist. Der Heilungsprozess der Fistel dauerte statt wie üblich drei Monate sechs Monate, da er durch das in das Gewebe ausgetretene Barium behindert wurde (Urteilsausfertigung S 23 erster Absatz). Andererseits kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Fistel trotz oder wegen der 15-maligen Fibrinklebung oder wegen des permanenten Entzündungsreizes durch das aggressive Barium sechs Monate lang benötigt hatte, bis sie sich im Sinne einer Defektheilung verschlossen hatte (Urteilsausfertigung S 23 unten).

Es ist davon auszugehen, dass es zu dem Darmwandaufbruch entweder im Bereich der Klammernaht oder etwas oberhalb in unmittelbarer Nähe davon gekommen ist. Der Nahtbruch steht im direkten Zusammenhang mit der Operation bzw der maschinellen Anastomosentechnik.

Hätte der Zweitbeklagte Kenntnis vom Bariumaustritt gehabt, hätte er die Methode nach Hartmann gewählt und es wäre dadurch der Krankheitsverlauf und die Folgebeschwerden (durch den Bariumaustritt) verringert worden. Spätfolgen auf Grund des Bariumaustritts sind nicht ausgeschlossen.

Der Kläger wurde im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nochmals nach der Hartmann'schen Methode operiert. Es wurde ein 20 cm langes Darmstück mit Divertikel entfernt.

Der Kläger begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihm S 1,605.564 zu bezahlen und den Beklagten gegenüber festzustellen, dass sie zur ungeteilten Hand für alle künftig auftretenden Schäden und auftretenden Schmerzen zu haften haben, die aus der ärztlichen Behandlung im Zeitraum 5. 7. 1993 bis 23. 2. 1994 herrühren. Die Operation am 13. 7. 1993 sei lediglich zur Vorbeugung späterer Erkrankungen durchgeführt worden, weil es dazu keine gesundheitliche Indikation gegeben habe. Der Zweitbeklagte habe die Behandlung nicht lege artis durchgeführt und ihn auch nicht darüber aufgeklärt, dass die laparoskopische Colonresektion nach heutigem Stand der Medizin noch kein standardisiertes Verfahren sei, sondern sich im Experimentalstadium befinde. Er habe ihm nicht erklärt, dass das Standardverfahren jenes nach Hartmann sei. Bei dieser Operation hätte er das Krankenhaus nach höchstens 14 Tagen verlassen können. Er begehre daher Schmerzengeld. Er werde auch in Hinkunft nicht schmerzfrei sein und werde sich weiterer Operationen, zB wegen ständiger Narbenbrüche, unterziehen müssen.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass sowohl Dr. Z***** als auch der Zweitbeklagte dem Kläger eindringlich eine Operation nach Hartmann vorgeschlagen hätten, was der Kläger jedoch strikt abgelehnt habe. Deshalb habe der Zweitbeklagte ihn auf eine konservative Therapie durch Verabreichung von Antibiotika verwiesen. Der Kläger sei darüber aufgeklärt worden, dass sich zwar die Divertikelentzündung durch die konservative Therapie gebessert habe, dass jedoch auf Grund seiner Risikofaktoren und der zahlreich vorliegenden Divertikel innerhalb kurzer Zeit ein Rückfall auftreten könne, welcher eine Operation notwendig machen würde. Es sei dem Kläger die Sigmaresektion mit primärer Anastomosierung nach abgeheilter akuter Entzündung geraten worden. Diese hätte im Wege der Laparotomie oder der laparoskopischen Sigmaresektion durchgeführt werden können. Der Kläger habe nach ausreichender Aufklärung der laparoskopischen Sigmaresektion zugestimmt. Die Operation sei lege artis erfolgt. Der Nahtbruch sei eine Komplikation, die sowohl bei einer konventionellen wie auch bei einer laparoskopischen Resektion auftreten könne. Sie sei kein Kunstfehler. Im September 1993 habe die Rückoperation auf Grund der Fistelbildung nicht erfolgen können. Die ambulante Behandlung mit Fistelklebungen entspreche den Regeln der medizinischen Kunst. Es lägen keine Behandlungsfehler vor. Der Zweitbeklagte sei im Herbst 1993 mit der Behandlung des Klägers nicht befasst und für die Verwendung der Fibrinkleber nicht verantwortlich gewesen.

Das Erstgericht wies in seinem Teilurteil das Klagebegehren gegenüber dem Zweitbeklagten zur Gänze ab und stellte die Haftung der Erstbeklagten gegenüber für alle künftig auftretenden Schäden einschließlich entgangenem Gewinn und auftretende Schmerzen, die aus der ärztlichen Behandlung am 16. 7. 1993 infolge Nichterkennens des Vorhandenseins von Barium im Darm des Klägers herrühren, fest und erkannte mit Zwischenurteil die Haftung der Erstbeklagten für die Folgen des Bariumaustritts infolge Nichterkennens des Vorhandenseins von Barium im Darm des Klägers bei der Behandlung in den Landeskrankenanstalten Salzburgs am 16. 7. 1993 dem Grunde nach als zu Recht bestehend. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Kläger über die grundsätzliche Gefahr eines Nahtbruches in Kenntnis gesetzt worden sei sowie darüber, dass es sich bei der laparoskopischen Sigmaresektion um eine neue Methode handle. Es habe sich im vorliegenden Fall nicht das Risiko der laparoskopischen Operationsmethode verwirklicht, sondern es bestehe die Haftung der Erstbeklagten deshalb, weil der Wortlaut des Röntgenbefundes unklar gewesen sei und der Röntgenologe den Zweitbeklagten nicht auf das Vorhandensein von Barium im Darm aufmerksam gemacht habe. Wäre dies geschehen, hätte der Zweitbeklagte eine andere Operationsmethode gewählt und der Kläger hätte nicht an Schmerzen auf Grund des Bariumaustritts leiden müssen. Er hätte sich eine Operation erspart, da die im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder vorgenommene Hartmann'sche Operation bereits früher, also am 16. 7. 1993 durchgeführt hätte werden können. Bei Wählen der offenen Operationsmethode wäre es auch nicht zur Fistelbildung gekommen. Der Zweitbeklagte schulde nicht den Heilungserfolg, sondern nur die Anwendung der ärztlichen Kunstkenntnisse. Dem Zweitbeklagten sei kein Fehlverhalten nach den Feststellungen nachzuweisen. Mit der Fibrinklebung sei er nicht befasst gewesen.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Klägers und der Erstbeklagten das angefochtene Teil- und Zwischenurteil dahingehend ab, dass das Klagebegehren hinsichtlich des Leistungsbegehrens beiden Beklagten gegenüber zur ungeteilten Hand dem Grunde nach zu Recht bestehe. Weiters wurde festgestellt, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, dem Kläger alle künftig auftretenden Schäden zu ersetzen und auftretende Schmerzen abzugelten, die aus der ärztlichen Behandlung des Klägers in den Landeskrankenanstalten Salzburg im Zeitraum 5. 7. 1993 bis 23. 2. 1994 (dem Tag der Entlassung) aus der spitalsärztlichen Behandlung herrührten. Es vertrat, ohne über die erhobenen Mängel- und Beweisrügen abzusprechen, die Auffassung, dass die ärztliche Aufklärungspflicht umso weiter reiche, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder sogar geboten sei. Dem Berufungsgericht schien es auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen "mehr als fraglich", ob dem Kläger auch tatsächlich klar gemacht worden sei, dass auch bei einer laparoskopischen Sigmaresektion die Gefahr eines Nahtbruches bestehe. Auch wenn ein Nahtaufbruch an den Wiedervereinigungsstellen sowohl bei der laparoskopischen Methode als auch bei der Handnaht anlässlich einer laparotomischen Operation in gleicher Häufigkeit auftrete, wäre es Sache des Zweitbeklagten gewesen, den Kläger dahin aufzuklären, dass eben trotz der beschriebenen Vorteile der Laparoskopie ein Nahtaufbruch mit gleicher Wahrscheinlichkeit auch bei dieser Operationsmethode auftreten würde können. Der Zweitbeklagte hätte auch aufklären müssen, dass nicht der gesamte befallene Bereich durch die vom Zweitbeklagten vorgeschlagene Methode hätte operiert werden können und dass dies erst die zweite Operation dieser Art für ihn sei. Die konkrete Erfahrung des Operateurs spiele für die Entscheidung für eine neue oder doch die standardisierte Operationsmethode eine Rolle. Das Risiko der neuen Operationsmethode habe sich insofern verwirklicht, als der Zweitbeklagte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über die gleiche Operationserfahrung auf dem Gebiet der Laparoskopie wie auf dem Gebiet der Laparotomie im Bereich von Sigmaresektionen verfügt habe. Zur Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens führte das Berufungsgericht aus, dass dem Arzt die Behauptungs- und Beweislast dafür verbleibe, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Einwilligung in die beabsichtigte Heilbehandlung erteilt hätte, gehe es doch darum, dass der Arzt bzw der Krankenhausträger das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen habe. Die nicht ausdrücklich in den Spruch aufgenommene Abweisung hinsichtlich des Feststellungsbegehrens "einschließlich entgangenem Gewinn" begründete das Berufungsgericht damit, dass der Kläger keine konkreten Behauptungen dazu, dass dem Zweitbeklagten ein grobes Verschulden vorzuwerfen sei, aufgestellt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes im Interesse der Rechtssicherheit zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung, die verspätet ist. Die vierwöchige Frist ist nur dann eingehalten, wenn die Revisionsbeantwortung innerhalb der Frist an den Obersten Gerichtshof adressiert zur Post gegeben wird oder beim Obersten Gerichtshof einlangt (§ 89 GOG). Die Revisionsbeantwortung wurde beim Erstgericht am letzten Tag der Frist überreicht und langte erst am 12. 4. 2001 beim Obersten Gerichtshof, sohin verspätet, ein (vgl Kodek in Rechberger2, § 509 ZPO, Rz 2).

Unstrittig ist, dass der Patient vom Rechtsträger der Krankenanstalt auf Grund eines schlecht erfüllten Behandlungsvertrages Schadenersatz begehren kann (SZ 62/125, SZ 69/198, 1 Ob 91/99k, 6 Ob 324/97h ua).

Ein Spitalsärzten anzulastendes Fehlverhalten liegt dann vor, wenn diese nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen sind oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt haben. Dabei ist der Beweis des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und seiner Kausalität in Bezug auf den eingetretenen Schaden im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln grundsätzlich vom Patienten zu führen (RdM 1997/4, JBl 1995, 245, SZ 62/53). Da ein exakter (alle Zweifel ausschließender) Kausalitätsbeweis bei ärztlichen Kunstfehlern sehr schwer zu erbringen ist, hat die Rechtsprechung die Anforderungen an diese Beweisführung reduziert. Für den Nachweis des Kausalzusammenhanges (gemessen an entsprechenden medizinischen Erfahrungswerten) genügt die Wahrscheinlichkeit oder ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit (7 Ob 165/99m, JBl 1995, 245, 2 Ob 538/92, RIS-Justiz RS0026412).

Die am Patienten angewendete Behandlungsmethode muss also den Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft und den Regeln der ärztlichen Kunst folgen. Der Arzt handelt nicht fahrlässig, wenn die von ihm gewählte Behandlungsmethode einer Praxis entspricht, die von angesehenen, mit dieser Methode vertrauten Medizinern anerkannt ist, selbst wenn ebenfalls kompetente Kollegen eine andere Methode bevorzugt hätten (JBl 1995, 245, SZ 62/53). Eine Behandlungsmethode ist grundsätzlich solange als fachgerecht anzusehen, als sie von einer anerkannten Schule medizinischer Wissenschaft vertreten wird (SZ 62/53).

Der mit dem Arzt abgeschlossene Vertrag umfasst auch die Pflicht, den Patienten über die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen der Behandlung zu unterrichten, wobei die Aufklärungspflicht insbesondere auch bei operativen Eingriffen gilt. Da dem Kranken in aller Regel die Kenntnisse fehlen, um die Mitteilungen des Arztes richtig einzuschätzen, muss der Umfang der Aufklärung auf Grund gewissenhafter ärztlicher Übung und Erfahrung nach den Umständen des Einzelfalles unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Krankheitsbildes beurteilt werden. In welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, damit dieser die Tragweite seiner Erklärung in die Behandlung einzuwilligen, beurteilen kann, also weiß, worin er einwilligt, stellt eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende (RS0026529) Rechtsfrage dar (SZ 55/114, SZ 62/154, 7 Ob 46/00s mwN). Auf alle nur denkbaren Folgen der Behandlung muss der Arzt nicht hinweisen (RS0026529). Auf objektiv unbedeutende Risken oder Nebenwirkungen ist nur dann hinzuweisen, wenn für den Arzt erkennbar ist, dass diese aus besonderen Gründen für den Patienten wichtig sind. Nur auf typische Risken einer Operation ist ganz unabhängig von der prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit hinzuweisen (SZ 57/207, 7 Ob 12/97h, 7 Ob 46/00s). Typizität ergibt sich daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist und den nicht informierten Patienten überrascht (RdM 1996/12). Nur wenn Schäden in äußerst seltenen Fällen eintreten und anzunehmen ist, dass der Hinweis auf eine äußerst unwahrscheinliche Schädigung für den Entschluss des Patienten, in die Operation einzuwilligen, nicht ernsthaft ins Gewicht gefallen wäre, dann ist eine Aufklärung über solche mögliche schädliche Folgen nicht erforderlich (7 Ob 46/00s).

Zur Problematik der Beweislast für das "rechtmäßige Alternativverhalten" im Falle unterlassener Aufklärung über mögliche Behandlungsrisken ist der Oberste Gerichtshof in seinen neueren Entscheidungen unter Berufung auf die herrschende Lehre (Karollus und Koziol) der Lehrmeinung Dullingers (JBl 1998, 2 ff) nicht gefolgt (4 Ob 335/98p, 6 Ob 126/98t, 3 Ob 314/97s, 7 Ob 165/99m; RS0111528, 0038485). Dem Arzt verbleibt daher die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Einwilligung zur beabsichtigten Heilbehandlung erteilt hätte. Durch die Aufklärungsverpflichtung des Arztes soll der Patient vor den mit der Behandlung verbundenen Risken gewarnt werden, um beurteilen zu können, ob er sich behandeln lassen will. Wenn sich dieses Risiko dann verwirklicht, obwohl bei der Behandlung kein Fehler unterlaufen ist, haftet der Arzt nicht. Dem Umstand der Nichtaufklärung kommt aber nur dann Bedeutung zu, wenn sich ein damit verbundenes Risiko verwirklicht hat (vgl 7 Ob 165/99m).

Für das Argument des Berufungsgerichtes, der Zweitbeklagte hätte darüber aufklären müssen, dass es für ihn erst die zweite laparoskopische Sigmaresektion sei, fehlt es an einer gesicherten Grundlage. Es ist nicht festgestellt, dass es zu dem Nahtbruch oder die Fistelbildung deshalb gekommen wäre, weil dem Zweitbeklagten die nötige "handwerkliche Sicherheit" gefehlt hätte. Das Risiko der Unerfahrenheit hat sich nach den vorliegenden Feststellungen nicht verwirklicht.

Um nun die allfällige Haftung der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es freilich noch an entscheidenden Feststellungen, wobei es das Berufungsgericht unterlassen hat, sich mit der Mängel- und Beweisrüge auseinanderzusetzen, was es im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben wird.

Folgendes wird daher im fortzusetzenden Verfahren - soweit jetzt absehbar - Folgendes entscheidungsrelevant sein:

Erfolgten die Laparoskopie vom 13. 7. 1993, auch wenn sie erst die zweite Operation dieser Art für den Zweitbeklagten war, und die Notoperation am 16. 7. 1993 lege artis, wären dem Zweitbeklagten sowohl hinsichtlich des Nahtbruchs als auch der entstandenen Fistel kein Kunstfehler vorzuwerfen. Offen ist noch, welche Operationsmethode der Zeitbeklagte bei der Operation am 16. 7. 1993 gewählt hat und ob die Fistelbildung auf diese oder die erste Operation vom 13. 7. 1993 zurückzuführen ist. Nur wenn die Operationen vom Zweitbeklagten insgesamt lege artis durchgeführt wurden, der Nahtbruch und die Fistel sohin nicht durch sein Fehlverhalten verursacht wurde und ein längeres Darmstück für einen Heilungserfolg notwendigerweise beim Kläger nicht zu entfernen war, stellt sich die Frage nach einer allfälligen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht.

Dafür ist ausschlaggebend, ob ein Nahtbruch ein sowohl für die Laparotomie als auch für die Laparoskopie typisches Risiko ist. Ist das Risiko gleich - wie das Erstgericht festgestellt hat -, so würde ein (noch nicht festgestelltes) Unterlassen der Aufklärung über das gleiche bei jeder Methode unvermeidliche Risiko des Nahtbruchs gesondert bei der Laparoskopie nicht schaden, zumal dieses Risiko für den Patienten nicht mehr überraschend ist und er mit einer Naht auch bei dieser Methode nach Herausnahme eines Stück Darms rechnen muss. Ist das Risiko nicht gleich zu beurteilen, müsste eine gesonderte Aufklärung erfolgen. Weiters wird zu klären sein, ob das Entstehen von Fisteln speziell auf die bei der Laparoskopie hergestellte Klammernaht zurückzuführen ist, ob es sich daher um ein im oben aufgezeigten Sinn typisches Risiko dieser Methode handelt. Ist dies der Fall, so hätte der Kläger darüber aufgeklärt werden müssen und es stellt sich die Frage, ob dies im Sinne der obigen Ausführungen einen Einfluss auf die Entscheidung des Klägers für die Laparoskopie gehabt hätte.

Weiters wird auch noch dazu Stellung zu nehmen sein, in welcher Länge der Darm des Klägers zur Herbeiführung eines endgültigen Heilungserfolgs entfernt hätte werden müssen und ob diese Darmlänge mittels einer Laparoskopie überhaupt entfernt hätte werden können. Sollten hier die Anwendungsmöglichkeiten der Laparoskopie von der Laparotomie abweichen, wären also bei der Laparoskopie von vornherein mehrfache Operationen indiziert, so hätte der Zweitbeklagte den Kläger darüber aufklären müssen und es ist wieder zu prüfen, ob die fehlende Aufklärung wie oben dargelegt einen Einfluss auf die Entscheidung des Klägers für diese Operationsmethode gehabt hätte.

Sollte der unstrittig beim Kläger aufgetretene Nahtbruch eine typische Folge der Laparotomie und Laparoskopie sein, über die der Kläger aufgeklärt wurde, wäre festzustellen, welche übliche Komplikationen ein Nahtbruch nach sich zieht. Dafür würde keine Haftung bestehen. Zu klären wäre aber, ob das im Darm vorhandene Barium bereits beim Nahtbruch in das Gewebe ausgetreten ist und Komplikationen, wie dies von den Beklagten bestritten wird, verursacht hat. Es wird festzustellen sein, ob es auch bei fachmännisch durchgeführten Darmlavagen dazu kommen kann, dass derartige Bariumrückstände im Darm verbleiben oder ob die Lavage - nur für die Erstbeklagte haftungsbegründend - nicht lege artis gemacht wurde. Ist ein Bariumrückstand bei der Lavage nicht zu vermeiden, ist festzustellen, ob eine laparoskopische Sigmaresektion, ohne Notfall (die Entzündung war bereits zurückgegangen), so kurz nach einer Irrigoskopie mit Kontrastmitteln lege artis durchgeführt werden darf. Der Zweitbeklagte würde in diesem Fall nur dann nicht haften, wenn er mit einem Bariumrückstand trotz Lavage nicht rechnen musste.

Hinsichtlich der Operation vom 16. 7. 1993 ist zu berücksichtigen, ob nun der Nahtbruch eine typische, nicht zu vermeidende Komplikation einer Sigmaresektion ist oder nicht. Im ersteren Fall trifft die Beklagten kein Verschulden an der Operation selbst. Zu berücksichtigen wäre dann hier nur die zusätzliche Auswirkung durch das Austreten von Barium in das Gewebe. Weiters ist zu prüfen, ob dem Zweitbeklagten die fehlende Kenntnis von Barium im Darm des Klägers vor der Notoperation am 16. 7. 1993 vorzuwerfen ist oder nicht bzw welche Folgen der Bariumaustritt in das Gewebe zusätzlich (zu den Folgen des Nahtbruchs) nach sich zog. Es fehlen auch eindeutige Feststellungen dazu, ob die Heilung der Fistel durch das ausgetretene Barium beeinflusst wurde (vgl. den schon eingangs aufgezeigten Widerspruch in den erstgerichtlichen Feststellungen Urteilsausfertigung S 23, 1. und letzter Absatz).

Zusammengefasst hat das Berufungsgericht nun im fortgesetzten Verfahren einerseits die geltendgemachte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens und durch die Beweisrügen bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen zu prüfen, andererseits auf eine Vervollständigung der Tatsachengrundlage (allenfalls durch das Erstgericht) zu dringen. Es sind dann entsprechende Feststellungen in chronologischer Reihenfolge, den Operationen vom 13. und 16. 7. 1993 eindeutig zuordenbar im oben aufgezeigten Sinn zu treffen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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