Spruch:
Bei Nichtäußerung des Beteiligten trotz Aufforderung nach § 185 Abs. 3 AußStrG hat das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers, soweit es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt, als zugestanden zu gelten; das versäumte Vorbringen des Antragsgegners kann auch nicht in Form von Neuerungen im Rekurs nachgetragen werden
Die Tage des Postenlaufes sind nur dann in eine richterliche Frist nicht einzurechnen, wenn die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist
OGH 30. Oktober 1979, 1 Ob 715/79 (LG Feldkirch R 201/79; BG Feldkirch P 254/72)
Text
Karl S, der uneheliche Vater der am 4. Dezember 1964 geborenen Minderjährigen, wurde mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 9. Jänner 1973 zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 500 S für sein Kind verhalten. Am 19. März 1979 beantragte der Amtsvormund, die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab April 1979 auf 2000 S monatlich zu erhöhen; der Vater sei als Fräser bei der Firma B in D (Schweiz) beschäftigt, beziehe laut beiliegender Lohn- und Verhältniserhebung monatlich umgerechnet etwa 18 500 S und habe noch für seine Gattin und ein weiteres uneheliches Kind zu sorgen. Unter Mitteilung des Inhaltes des Antrages des Amtsvormundes wurde der Vater vom Erstgericht aufgefordert, binnen acht Tagen ab Empfangnahme des Schreibens seine Äußerung zum Unterhaltserhöhungsantrag abzugeben und bei Nichtzustimmung die Abweisungsgrunde anzugeben. Für das weitere uneheliche Kind sollte der Vater die Unterhaltsverpflichtungsurkunde vorlegen, widrigenfalls diese Unterhaltsleistung keine Anerkennung finden könnte; der Vater wurde auch zur Bekanntgabe aufgefordert, ob seine Gattin berufstätig sei bzw. wieviel sie allenfalls verdiene. Wenn sich der Vater in der gesetzlichen Frist nicht äußere,werde gemäß § 185 Abs. 3 AußStrG angenommen, daß er dem Antrage keine Einwendungen entgegensetze. Die Aufforderung wurde dem Vater durch die Kantonspolizei am 5. April 1979 persönlich zugestellt.
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 19. April 1979 wurde dem Antrag des Amtsvormundes unter Hinweis darauf, daß der Vater innerhalb der gesetzlichen Frist keine Erklärung abgegeben habe, so daß seine Zustimmung zum Unterhaltsbegehren ausgewiesen erscheine, stattgegeben. Am selben Tage langte beim Erstgericht eine Äußerung des Vaters vom 10. und 12. April 1979 ein, die an das Bezirksgericht Feldkirch gerichtet und am 17. April 1979 als Irrläufer bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch eingetroffen war. Nach den Erhebungen des Erstgerichtes war die Äußerung des Vaters am Abend des 12. April 1979 beim Post- und Telegraphenamt D unter der Anschrift "Bezirkshauptmannschaft Feldkirch" zur Post gegeben worden. In dieser Äußerung behauptete der Vater u. a., wesentlich weniger als 18 500 S monatlich zu verdienen und auch für ein am 12. November 1978 geborenes eheliches Kind sowie für seine Ehegattin sorgen zu müssen.
Über Rekurs des Vaters hob das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Beschlußfassung an dieses zurück. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Vater seine Stellungnahme rechtzeitig zur Post gegeben habe und diese Stellungnahme ohne Verschulden des Vaters zunächst der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zugegangen sei. Im Verfahren außer Streitsachen sei es den Parteien gemäß § 10 AußStrG unbenommen, in Rekursen neue Umstände und Beweismittel anzuführen, so daß das Vorbringen im Rekurs beachtlich und vom Erstgericht zu prüfen sei.
Der Oberste Gerichtshof hob über Rekurs des Amtsvormundes, den er als zulässig erachtete, den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß dem durch BGBl. 403/1977 eingefügten Abs. 3 des § 185 AußStrG kann das Gericht, wenn das Wohl eines Minderjährigen die dringende Erledigung eines Antrages erfordert, einen Beteiligten unter Setzung einer angemessenen Frist zur Äußerung auffordern und im Fall der Nichtäußerung annehmen, daß der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt. Die Aufforderung hat den Hinweis auf diese Rechtsfolge zu enthalten und ist nach den Bestimmungen für die Zustellung von Klagen zuzustellen. Gegen eine solche Aufforderung ist ein Rechtsmittel unzulässig. Diese Bestimmung wurde durch den Justizausschuß des Nationalrates (587 BlgNR, XIV. GP) in das Gesetz aufgenommen und ging auf Anregungen aus dem Kreis der Richterschaft und einen Vorschlag der Regierungsvorlage (60 BlgNR, XIV. GP) zurück, folgende Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen: "Erfordert ein Antrag eine dringende Erledigung, so kann das Gericht einen Beteiligten, dessen Anhörung geboten ist, zur Äußerung mit dem Beifügen auffordern, daß die Nichtäußerung innerhalb der gesetzten Frist als Zustimmung gewertet würde." Diese Bestimmung sollte für das Vormundschafts- und Pflegschaftsverfahren eine dem § 56 Abs. 2 EO ähnliche Regelung bringen und damit Verfahrensverzögerungen entgegenwirken, die darauf beruhen, daß Beteiligte oft erst nach wiederholter Aufforderung und Androhung oder Anwendung von Zwangsmitteln gerichtlichen Vorladungen Folge leisten. Das Gericht sollte dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch in der Weise Genüge tun können, daß es den Beteiligten zur Äußerung binnen angemessener Frist mit dem Beifügen auffordert, daß die Nichtäußerung als Zustimmung gewertet würde. Die neue Bestimmung sollte allerdings keine Beweisregel enthalten, sondern dem Gericht die Beurteilung der Nichtäußerung überlassen; falls Umstände darauf hinwiesen, daß der Beteiligte dem Antrag, obgleich er sich hiezu nicht äußerte, widerstrebe, sollte ihn das Gericht als nicht zustimmend betrachten. Diese Intentionen der Regierungsvorlage kamen nach Auffassung des Justizausschusses offenbar in der vorgeschlagenen Gesetzesregelung nicht genügend deutlich zum Ausdruck, so daß er, wie er sich ausdrückte, die Anordnung des § 185 Abs. 3 AußStrG gegenüber dem Vorschlag der Regierungsvorlage "milderte": Die Bestimmung hat zunächst nur zur Anwendung zu gelangen, wenn das Wohl des Minderjährigen die dringende Erledigung eines Antrages erfordert, was das Vormundschafts- bzw. Pflegschaftsgericht allerdings mangels Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen seine Entscheidung abschließend zu beurteilen hat; und die Untätigkeit des Beteiligten darf nicht schlechthin als Zustimmung gewertet werden, sondern das Gericht darf nur annehmen, daß der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt.
Auch der geltende Wortlaut des Gesetzes bezeichnet jedoch die Annahme des Gerichtes als Rechtsfolge und stellt damit klar, daß die Unterlassung von Einwendungen nicht ohne rechtliche Konsequenz bleiben sollte; daher wurde auch ausdrücklich angeordnet, daß die Aufforderung zur Äußerung mit dem Hinweis auf die Rechtsfolge der Nichtäußerung nach den Bestimmungen für die Zustellung von Klagen zuzustellen ist. Die rechtliche Konsequenz der Nichtäußerung soll allerdings nicht so weit gehen, daß das Gericht seine Entscheidung ohne jede Prüfung auf den anzunehmenden Konsens des Beteiligten grunden kann. Sie soll etwa auf der Rechtsgrundlage erfolgen, wie sie bei Fällung eines Versäumungsurteiles im Sinne des § 396 ZPO besteht: Das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers soll so weit als zugestanden gelten, als es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt. Das Gericht soll auch nicht seiner Pflicht enthoben sein, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung des Begehrens des Antragstellers auf Grund seines mangels Erhebung von Einwendungen nach der Aktenlage für wahr zu haltenden Vorbringens zu prüfen. Die Auffassung des Erstgerichtes, daß die Zustimmung des Vaters zum Unterhaltserhöhungsbegehren ausgewiesen erscheine, ist damit zwar unrichtig, Erhebungen über die nichtwiderlegten Teile des Vorbringens des Antragstellers hatten aber zu unterbleiben; verspätete Einwendungen des Antraggegners waren unzulässig.
Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kann es auch nicht statthaft sein, daß Einwendungen in Form von Neuerungen im Rekurs nachgeholt werden, weil damit der Sinn der Bestimmung des § 185 Abs. 3 AußStrG, in Wahrung des Wohles des Minderjährigen die dringende Erledigung eines Antrages sofort herbeizuführen, geradezu in sein Gegenteil verkehrt werden würde. Die Rechtsfolge der Annahme, daß der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt, darf vielmehr nach Ablauf der Äußerungsfrist nicht mehr beseitigt werden. Einem Beteiligten, der vom Erstgericht nach § 185 Abs. 3 AußStrG ordnungsgemäß zur Äußerung aufgefordert wurde, sich daraufhin nicht äußerte und damit keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, ist es also verwehrt, dem Sachverhalt, von dem das Gericht erster Instanz bei seiner Entscheidung im Hinblick auf das Schweigen des Beteiligten auszugehen hatte, im Rekurs davon abweichende, mangels Vorbringens in der ersten Instanz nicht ergänzbare Tatsachenbehauptungen entgegensetzen (so schon 1 Ob 693/79). Insoweit wurde dem § 10 AußStrG, soweit er überhaupt angewendet hätte werden können, derogiert. Im übrigen geht auch die Judikatur zum § 10 AußStrG dahin, daß der Rekurswerber nicht die Möglichkeit hat, bisher noch gar nicht aufgestellte Tatsachenbehauptungen vorzubringen (SZ 47/141; EvBl. 1974/226 u. a.).
Im vorliegenden Falle ist allerdings noch die Frage zu beurteilen, ob überhaupt eine Nichtäußerung des Vaters im Sinne des § 185 Abs. 3 AußStrG anzunehmen ist. Die Aufforderung nach § 185 Abs. 2 AußStrG wurde dem Vater am 5. April 1979 persönlich zugestellt; seine Äußerung richtete er nach ihrem Inhalt an das Erstgericht und gab sie fristgerecht am 12. April 1979 zur Post. Die Postanschrift lautete jedoch, wie das Erstgericht erhob ",Bezirkshauptmannschaft" (und nicht Bezirksgericht) "Feldkirch", so daß auch die Äußerung bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch einlangte und erst sodann an das Bezirksgericht Feldkirch weitergeleitet wurde, wo sie am 19. April 1979 eintraf. Gemäß § 89 Abs. 1 GOG werden nun zwar bei einer richterlichen Frist, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Abgabe von Erklärungen offen steht, die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet. Das gilt auch für eine Postaufgabe bei einem ausländischen Postamt (SZ 44/134 u. a.). Die Anwendung des § 89 Abs. 1 GOG setzt aber voraus, daß die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist; anderenfalls entscheidet nur der Tag des tatsächlichen Einlangens beim zuständigen Gericht (SZ 2/71 und ständige Rechtsprechung); das gilt auch im außerstreitigen Verfahren (RZ 1978/93; EvBl. 1976/11 u. a.). Da die Anschrift der Postsendung nicht an das Erstgericht lautete, die Äußerung bei diesem aber erst am 19. April 1979 einlangte, war sie verspätet, so daß die Rechtsfolgen des § 185 Abs. 3 AußStrG eintraten.
Das Erstgericht hatte daher von den Behauptungen über die Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Vaters, soweit sie auch der Aktenlage entsprachen, auszugehen und den Unterhalt der antragstellenden Minderjährigen auf dieser Grundlage zu bestimmen. Auch das Rekursgericht hatte bei seiner überprüfenden Entscheidung davon auszugehen. Hingegen durfte es auf die erstmals im Rekursverfahren aufgestellten Behauptungen nur insoweit eingehen, als der Sachverhalt bereits dem Erstgericht bekannt war. Dazu gehörte etwa die vom Erstgericht ignorierte, aber aus dem Erhebungsbericht der Gemeindekanzlei D ersichtliche Tatsache, daß der Vater offenbar nicht nur für seine Ehegattin und ein zweites uneheliches Kind, sondern auch für ein am 12. November 1978 geborenes eheliches Kind zu sorgen hat.
Der OGH kann, wenn es keiner weiteren Erhebungen bedarf und Spruchreife der Sache gegeben ist, auf Grund eines Rekurses in der Sache selbst entscheiden (JBl. 1973, 97; SZ 39/32; SZ 25/51 u. a.). Es darf aber nicht der Fall eintreten, daß der OGH sachlich über eine Frage erkennt, in der er, wie zur Unterhaltsbemessung, nicht angerufen werden kann. Es obliegt dann auch nicht seiner Beurteilung, ob aus anderen vom Rekursgericht nicht herangezogenen Gründen zur abschließenden Beurteilung im Rahmen der Unterhaltsbemessung die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erforderlich erscheint. Dem Gericht zweiter Instanz ist demnach die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Zugrundelegung der vom OGH nunmehr dargelegten Rechtsansicht aufzutragen. Sache des Erstgerichtes wird es darüber hinaus sein, den im Rekurs gestellten Antrag des Vaters, ihn von seiner Unterhaltsverpflichtung zu befreien, als mit dem Tage der Rekurserhebung gestellt zu erledigen.
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