Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die spanische nunmehrige Antragstellerin und betreibende Partei (im Folgenden nur betreibende Partei) und die österr. nunmehrige Antragsgegnerin und verpflichtete Partei (im Folgenden nur verpflichtete Partei) vereinbarten in ihrem Lizenzvertrag (License Agreement) vom 10./15. Februar 1999 die Anwendung spanischen Rechts, weiters für den Fall von Rechtsstreitigkeiten deren Austragung vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof der in Paris ansässigen Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce - ICC) - die einzelnen Schiedsverfahren werden nicht vom Internationalen Schiedsgerichtshof, sondern von einem für den jeweiligen Fall speziell konstituierten Schiedsgericht entschieden - und das zugehörige Verfahren (Schiedsgerichtsort Paris, Verfahrenssprache englisch) und nach Einbringung einer Klage durch die verpflichtete Partei die Entscheidung durch einen Drei-Richter-Senat. Die verpflichtete Partei nominierte als Schiedsrichter einen näher genannten deutschen Rechtsanwalt. Verfahrensordnung für das Schiedsgericht war unbestritten die Geschäftsordnung des Schiedsgerichtshofs in der Fassung von 1998 (Schiedsgerichtsordnung, ICC Rules of Arbitration oder kurz ICC-Rules, hier im Folgenden nur ICC-SchiedsO 1998). Mit Schiedsspruch vom 7. Juli 2003 hat das Schiedsgericht mehrheitlich dahin entschieden, dass die Ansprüche der nun verpflichteten Partei wegen näher genannter Vertragsverletzungen „abgewiesen werden", der Forderung der nun betreibenden Partei auf Rückerstattung näher genannter Beträge hingegen stattgegeben und die verpflichtete Partei zur Zahlung von 329.783,48 EUR samt näher genannten Zinsen und der Hälfte der insgesamt mit 262.000 USD bestimmten Kosten der ICC für das Schiedsverfahren, somit von 131.000 USD an die betreibende Partei verpflichtet werde. Unbestritten anzuwenden ist im vorliegenden Verfahren - Gegenstand ist die Erteilung der Vollstreckbarkeit des genannten Schiedsspruchs und die Bewilligung der Fahrnisexekution - das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBl 1961/200 (New Yorker Konvention 1958 oder New Yorker Übereinkommen, im Folgenden nur NYÜ). Dieses gilt außer in Österreich (BGBl 1961/200) u.a. auch in Spanien (BGBl 1977/351).
Die betreibende Partei beantragte, den genannten Schiedsspruch für Österreich für vollstreckbar zu erklären und zur Hereinbringung einer Forderung von 329.783,48 EUR samt näher genannter Zinsen, einer Kostenforderung von 131.000 USD = 157.750,20 EUR sowie der Kosten des Exekutionsantrags gegen die verpflichtete Partei die Fahrnisexekution zu bewilligen. Dem Antrag waren die beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs in englischer Sprache mit beglaubigter Übersetzung nur des Rubrums und des Spruchs in die deutsche Sprache, die Kopie des Lizenzvertrags samt beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache, die beglaubigte Abschrift der Terms of Reference samt beglaubigter deutscher Übersetzung sowie eine Zinssatzbestätigung der spanischen Nationalbank im Original und beglaubigter deutscher Übersetzung angeschlossen.
Das Erstgericht erklärte den Schiedsspruch für Österreich für vollstreckbar und bewilligte die beantragte Exekution. In ihrem Rekurs gegen diese Entscheidung machte die verpflichtete Partei, soweit zur Behandlung des Revisionsrekurses relevant, Rechtswidrigkeit aus mehreren Gründen geltend: Die betreibende Partei habe keinen vollständigen Titel samt vollständiger qualifizierter Übersetzung vorgelegt (Art IV Abs 1 und 2 des NYÜ), das Schiedsverfahren sei nicht in Übereinstimmung mit dem von den Schiedsparteien gewählten Verfahren gestanden (Art V Abs 1 lit d des NYÜ), es sei gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen worden (Art V Abs 2 lit b des NYÜ). Dazu wird ausgeführt, der von der verpflichteten Partei nominierte Schiedsrichter habe in seinem Minderheitsvotum (vom 8. Juli 2003) den Mangel an angemessener Beratung beanstandet. Denn der Vorsitzende des Schiedsgerichts habe am 25. Dezember 2002 an seine beiden Mitschiedsrichter einen Questionaire versandt, den diese bis zum 30. Dezember beantworteten. Ein auf Grundlage dieses Questionaires und diesbezüglicher Telefonkonferenzen vom 31. März 2003 zwischen dem Vorsitzenden und jeweils einem Mitschiedsrichter verfasster Entscheidungsentwurf (Draft Award) sollte Gegenstand der Erörterung und Beschlussfassung werden. Zwar habe der Vorsitzende beiden Mitschiedsrichtern die Gelegenheit gegeben, ihre Kommentare zu diesem Entscheidungsentwurf abzugeben. Jedenfalls in der Frage der Wirkungen der Vertragsaufhebung habe jedoch keine direkte Erörterung zwischen den beiden Mitschiedsrichtern stattgefunden. Auch der Vorsitzende habe sich mit den Argumenten des von der verpflichteten Partei nominierten Schiedsrichters nicht auseinandergesetzt, sondern (am 16. Mai 2003) jede Argumentation in der Sache abgelehnt. Der von der verpflichteten Partei nominierte Schiedsrichter habe in seinem Minderheitsvotum darauf hingewiesen, dass es im Schiedsverfahren keine Gelegenheit für die drei Schiedsrichter gegeben habe, den Entscheidungsfindungsentwurf in einer gemeinsamen Sitzung zu diskutieren und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Die gewählte Vorgangsweise des Vorsitzenden des Schiedsgerichts (schriftliche Beantwortung schriftlich gestellter Fragen des Vorsitzenden anstatt einer internen „mündlichen Verhandlung und Abstimmung" innerhalb des Schiedsgerichts), wie es nach der anwendbaren Schiedsordnung notwendig sei und auch sonst in jedem ordnungsgemäßen Verfahren stattfinde, sei in jedem Gerichtsverfahren unangemessen. Telefonkonferenzen zwischen bloß dem Vorsitzenden und jeweils einem Mitschiedsrichter, nicht aber zwischen den beiden Mitschiedsrichtern untereinander, erfüllten nicht das Erfordernis einer gründlichen Erwägung der Schiedssache, insbesondere deshalb nicht, weil einige Punkte offen blieben, die daher nie zwischen allen drei Schiedsrichtern gemeinsam hätten erörtert werden können. Das Rekursgericht bestätigte die Vollstreckbarerklärung zur Gänze, änderte jedoch die Exekutionsbewilligung dahin ab, dass die betriebene Kostenforderung entsprechend dem Schiedsspruch nur in der ausländischen Währung, somit mit 131.000 USD (ohne Umrechnung in EUR) bewilligt wurde.
In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz im Wesentlichen aus, Voraussetzung der Vollstreckung des Schiedsspruchs iSd Art IV des NYÜ sei u.a., dass die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsuche, mit ihrem Antrag außer der Urschrift der Vereinbarung iSd Art II des NYÜ oder einer beglaubigten Abschrift dieser Urschrift auch die legalisierte Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, vorlege. Art IV Abs 2 des NYÜ sehe vor, dass eine Übersetzung des Schiedsspruchs und der Vereinbarung in die Sprache des Landes, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, von der die Anerkennung und Vollstreckung beantragenden Partei beizubringen sei; die Übersetzung müsse vom einem amtlichen oder beeideten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter beglaubigt sein. Gegenstand der Vollstreckung sei nur die hier von der Mehrheit der Schiedsrichter getragene Court's Opinion, weshalb in der Nichtvorlage des Minderheitsvotums des - von der verpflichteten Partei bestellten - Schiedsrichters kein Formverstoß gegen Art IV des NYÜ vorliege. Aus dem vollständig in die deutsche Sprache übersetzten Tenor des vorliegenden Schiedsspruchs ergebe sich unzweifelhaft ein Zuspruch an die betreibende Partei. Auch die verpflichtete Partei erhebe in diesem Zusammenhang keine konkrete Einwände gegen den betriebenen Anspruch, sondern berufe sich nur darauf, dass durch die Nichtübersetzung der Entscheidungsgründe Formvorschriften nicht eingehalten worden seien, weshalb in diesem Fall die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zur Vorlage einer beglaubigten Übersetzung der Gründe (unter Einschluss des Minderheitsvotums) nicht notwendig sei. In der Nichtübersetzung der Gründe liege auch bei angemessener Beachtung der Art 8 B-VG und § 53 Abs 1 GeO kein Formverstoß gegen Art IV Abs 2 des NYÜ. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das NYÜ im Allgemeinen und dessen Art IV im Besonderen geschaffen worden sei, um die internationale Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen zu erleichtern. Die Vorlage der Übersetzung des ausländischen Schiedsspruchs sei ausreichend.
Art 14 Abs 3 der ICC-SchiedsO 1998 stelle es in das ausschließliche Ermessen des Schiedsgerichts, seine Beratungen an jedem ihm angemessen erscheinenden Ort abzuhalten. Durch die Beratung sei es weder zu einer Unterbesetzung des Schiedsgerichts gekommen noch habe dem überstimmten Schiedsrichter die Möglichkeit gefehlt, mit seiner Argumentation auf die Willensbildung der übrigen Mitglieder des Schiedsgerichts Einfluss zu nehmen, zumal er Stellung zum Entscheidungsfindungsentwurf habe nehmen können. Dass der von der verpflichteten Partei nominierte Schiedsrichter seine Stimme nicht habe abgeben können oder die Stimmabgabe verweigert hätte, sei nicht behauptet worden. Der Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit d des NYÜ sei somit nicht gegeben. Weshalb durch eine allenfalls mangelhafte Beratung der drei Schiedsrichter die verpflichtete Partei in ihrem rechtlichen Gehör verletzt werden sollte und daher der Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit b des NYÜ gegeben sei, sei nicht ersichtlich.
Der verfahrensrechtliche ordre public könnte überhaupt nur bei sehr wichtigen Verfahrensgrundsätzen berührt sein, obwohl dann auch einer Spezialtatbestände des NYÜ erfüllt wäre. Die ordre public-Klausel stelle eine systemwidrige Ausnahme dar, weshalb allgemein sparsamster Gebrauch gefordert werde; eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genüge ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österr. Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssten vielmehr Grundwertungen der österr. Rechtsordnung sein. Verstöße gegen die Bestimmung über Beratung und Abstimmung des Senats, die in Österreich in der Praxis schon deshalb sanktionslos blieben, weil sie regelmäßig weder für die Parteien noch für das Rechtsmittelgericht manifest werden, ließen sich auch theoretisch wohl schwerlich unter die Nichtigkeitsgründe einordnen. Allfällige Mängel in der Beratung könnten daher nicht gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen. Welchen tragenden Grundgedanken der österr. Rechtsordnung die Anerkennung und Vollstreckung dieses mehrheitlich getragenen und durch den Schiedsgerichtshof genehmigten Schiedsspruchs des Schiedsgerichts widersprechen würde, sei nicht ersichtlich. Mit dem Schiedsspruch sei die verpflichtete Partei auch zur Zahlung von Kosten von 131.000 USD an die betreibende Partei verpflichtet worden. In einem solchen Fall habe die Umrechnung mangels anderer Anordnungen im Exekutionstitel am Zahlungstag zu erfolgen. Bei Exekutionen aufgrund eines solchen Exekutionstitels sei im Exekutionsantrag und in der Exekutionsbewilligung die geschuldete Leistung in ausländischer Währung zu bezeichnen.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil, soweit überblickbar, Rsp des Obersten Gerichtshofs dazu, ob durch die Nichtvorlage der Minderheitsvotums samt Übersetzung gegen die Formvorschrift des Art IV Abs 1 und Abs 2 des NYÜ verstoßen werde und Verstöße gegen die Bestimmungen über Beratung und Abstimmung Art V Abs 1 lit d des NYÜ und dem verfahrensrechtlichen ordre public widersprechen, fehle.
Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das in den §§ 79 ff EO geregelte Verfahren zur Vollstreckbarerklärung und Anerkennung von Akten und Urkunden, die im Ausland errichtet wurden, ist durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, die aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 86 EO Vorrang genießen, überlagert. Maßgebend sind somit die in diesen zwischenstaatlichen Vereinbarungen
festgelegten Anerkennungs- und Versagungsgründe (3 Ob 221/04b = JBl
2005, 661 = ecolex 2005, 372 = RdW 2005, 431 mwN). Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des Schiedsgerichts, das nach der ICC-SchiedsO 1998 entschieden hat, für Österreich erfolgt hier auf Grundlage des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBl 1961/200 (im Folgenden weiterhin NYÜ). Dessen hier relevanten Bestimmungen lauten:
Art III:
Jeder Vertragsstaat erkennt Schiedssprüche als wirksam an und lässt sie nach den Verfahrensvorschriften des Hoheitsgebietes, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, zur Vollstreckung zu, sofern die in den folgenden Artikeln festgelegten Voraussetzungen gegeben sind. Die Anerkennung oder Vollstreckung von Schiedssprüchen, auf die dieses Übereinkommen anzuwenden ist, darf weder wesentlich strengeren Verfahrensvorschriften noch wesentlich höheren Kosten unterliegen als die Anerkennung oder Vollstreckung inländischer Schiedssprüche.
Art IV:
(1) Zur Anerkennung und Vollstreckung, die im vorangehenden Artikel erwähnt wird, ist erforderlich, dass die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag vorlegt:
a) die gehörig beglaubigte (legalisierte) Urschrift des Schiedsspruches oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist, b) ...
(2) Ist der Schiedsspruch oder die Vereinbarung nicht in einer amtlichen Sprache des Landes abgefasst, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, so hat die Partei, die seine Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, eine Übersetzung der erwähnten Urkunden in dieser Sprache beizubringen. Die Übersetzung muss von einem amtlichen oder beeidigten Übersetzer oder von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter beglaubigt sein.
Art V:
1) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches darf auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn diese Partei der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, den Beweis erbringt, ... d) dass die Bildung des Schiedsgerichtes oder das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder, mangels einer solchen Vereinbarung, dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat, oder
...
(2) Die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruches darf auch versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, feststellt, ... b) dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde.
a) Die Vollstreckbarerklärung setzt - schon zufolge Art 8 B-VG und §
53 Abs 1 GeO - das Vorliegen einer Übersetzung in die deutsche
Sprache voraus. Darüber hinaus ist grundsätzlich für eine Überprüfung
der Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung eines
ausländischen, nicht in der Gerichtssprache deutsch verfassten
Exekutionstitels eine vollständige Übersetzung des Titels wie ein
kompletter Titel selbst erforderlich. Der Begriff „Schiedsspruch" in
Art IV Abs 1 lit a des NYÜ bedeutet eben nicht nur den Spruch der
Entscheidung, sondern die gesamte Entscheidung mit Kopf, dem
eigentlichen Spruch und den Gründen für diese Entscheidung. Weder der
EO noch Art IV Abs 1 und 2 des NYÜ ist zu entnehmen, dass sich das
Gericht im Vollstreckungsstaat mit unvollständigen Titeln oder
Übersetzungen begnügen dürfe. Derartige Unvollständigkeiten sind
richtigerweise von Amts wegen wahrzunehmen, zumindest dann, wenn sie
aufgrund der Gliederung der Entscheidung auch ohne
Fremdsprachenkenntnisse erkennbar sind (3 Ob 347/99x = ZfRV 2001/8;
ebenso zur Vollstreckung einer türkischen Entscheidung 3 Ob 160/98w =
ZfRV 1999, 75; RIS-Justiz RS0053065). Eine günstigere Verfahrensvorschrift nach österr. Recht, deren Anwendung nach Art III zweiter Satz des NYÜ in Frage käme, existiert - anders als nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 1064 dZPO) - nicht. Dass sich die Parteien auf die englische Sprache als solche des Verfahrens vor dem Schiedsgericht einigten und die Parteien diese Sprache kennen, wie die betreibende Partei in ihrer Revisionsrekursbeantwortung ausführt, ändert daran nichts, weil diese Erwägungen jedenfalls nicht für das zur Vollstreckbarerklärung zuständige Gericht gelten können, für das die Gerichtssprache deutsch ist. Unter der Annahme der betreibenden Partei, der Schiedsspruch sei im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur ein Beweismittel, wäre auch dieses als Urkunde in die in Österreich geltende Gerichtssprache zu übersetzen. Die von der betreibenden Partei zur Stützung ihres Standpunkts angeführte Entscheidung SZ 35/80 behandelt mit keinem Wort Probleme des Art 8 B-VG oder des § 53 Abs 1 GeO, sondern solche des § 333 ASVG. Letztlich ergibt sich die Pflicht zur Übersetzung auch noch aus folgender Erwägung: Besteht der Exekutionstitel in einer nach Spruch und Begründung getrennten Entscheidung - wie hier -, so ist bei der Erledigung des Exekutionstitels allein der Spruch maßgeblich (Jakusch in Angst, EO, § 7 Rz 5). Wenn aber die reine Wortinterpretation des Spruchs zu keinem sinnvollen Ergebnis führt, darf zu seiner Auslegung auch die der Entscheidung beigegebene Begründung herangezogen werden (zuletzt 3 Ob 61/04y = RPflE 2004/101). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind somit fremdsprachige Schiedsgerichtstitel, deren Vollstreckbarkeit beantragt wird, in Österreich grundsätzlich vollständig, somit deren Kopf, Spruch und Gründe in die Gerichtssprache deutsch zu übersetzen (Art 8 B-VG, § 53 Abs 1 GeO).
Dieser dem vorliegenden Antrag anhaftende Fehler führt jedoch nicht zur sofortigen Abweisung der Anträge der betreibenden Partei auf Vollstreckbarerklärung und Exekutionsbewilligung. Vielmehr wird das Erstgericht gemäß § 54 Abs 3 EO, der gemäß § 83 Abs 2 EO auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung sinngemäß anzuwenden ist (3 Ob 347/99x), die Verbesserung des Formmangels der unvollständigen Übersetzung des Schiedsspruchs aufzutragen haben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher auch im Hinblick auf die Exekutionsbewilligung, die ja die Vollstreckbarerklärung voraussetzt, aufzuheben.
b) Die verpflichtete Partei hat darüber hinaus geltend gemacht, dass die betreibende Partei nicht nur den Schiedsspruch als solchen mit vollständiger Übersetzung, sondern auch das von einem der drei - nämlich dem von ihr nominierten Schiedsrichter - verfasste Minderheitsvotum (Dissenting Opinion) vorzulegen habe. Dieser Ansicht kann aus folgenden Überlegungen nicht beigetreten werden:
Vorauszuschicken ist, dass die verpflichtete Partei das in englischer Sprache abgefasste Minderheitsvotum ohne Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt hat und dieses vom 8. Juli 2003 stammt, wogegen der Schiedsspruch mit 7. Juli 2003 datiert ist.
Das Thema Minderheitsvotum ist zwar in der hier für das Schiedsverfahren geltenden ICC-SchiedsO 1998 (siehe hiezu einführend Reinisch, Die neuen Schiedsregeln der Internationalen Handelskammer, ecolex 1998, 280; abgedruckt in der offiziellen englischen Version in Zeiler, Schiedsverfahren, Anh 9, weiters in deutscher Übersetzung in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit 25 ff) unerwähnt und ungeregelt; Minderheitsvoten sind im ICC-Schiedsverfahren grundsätzlich möglich (Reiner/Jahnel in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, Art 25 ICC-SchiedsO Rz 9; Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 267 ff). Wenn das Minderheitsvotum in einem separatem Dokument besteht, ist es vom Schiedsgerichtshof, der gemäß Art 27 der ICC-SchiedsO 1998 den Entwurf des Schiedsspruchs vor der Unterzeichnung durch das Schiedsgericht zu prüfen hat, nicht „genehmigt" (Reiner/Jahnel aaO). Jedenfalls in diesem Fall besteht keine Verpflichtung zur Vorlage auch dieses Minderheitsvotums mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung, weil es sich hiebei nicht um einen Bestandteil des Schiedsspruchs handelt (Lionnet aaO 269). Die Auffassung der zweiten Instanz ist daher hier zu billigen.
c) Auch die von der verpflichteten Partei (schon) im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss geltend gemachte Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen - den oben wiedergegebenen - Art V Abs 1 lit d des NYÜ liegt nicht vor. Der Umstand, dass nach den Behauptungen der verpflichteten Partei der Vorsitzende des Schiedsgerichts keine direkte Konfrontation aller drei Schiedsrichter ermöglicht bzw. weitere Erörterungen verhindert habe, stellt letztlich einen derartigen Versagungsgrund nicht dar.
Art 14 Abs 3 der ICC-SchiedsO 1998 enthält den einzigen Hinweis auf die Beratung der Schiedsrichter und lautet: Das Schiedsgericht kann an jedem ihm angemessen erscheinenden Ort beraten, stellt somit den Ort seiner Beratung in das ausschließliche Ermessen des Schiedsgerichts. Gedacht ist dabei daran, dass die erforderlichen Mindestvoraussetzungen für die Abhaltung eines unabhängigen und fairen Schiedsverfahrens durch mögliche tatsächliche und/oder rechtliche Beeinflussungen am Schiedsort beeinträchtigt sein können (Reiner/Jahnel aaO Art 14 Rz 4 mwN). Damit wird nicht gesagt, wie und in welcher Form die zweifellos notwendigen Beratungen (vgl. dazu eingehend Reiner, Handbuch der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit 251 ff) der drei Schiedsrichter stattzufinden haben und ob vor allem alle drei Schiedsrichter gleichzeitig bei einer Beratung anwesend sein müssen. Art 15 (Verfahrensregeln) der ICC-SchiedsO 1998 sagt darüber nichts aus. Wenngleich eine gleichzeitige Anwesenheit der Schiedsrichter sicher wünschenswert ist, im Besonderen dann, wenn der Schiedsspruch ein Mehrheitsschiedsspruch ist, können ICC-Schiedsgerichte auch ausschließlich per Korrespondenz oder Telefon- oder Videokonferenz beraten, vorausgesetzt, dass dies auch nach dem Recht am Schiedsort zulässig ist (Reiner aaO 253; Reiner/Jahnel aaO Art 14 Rz 10 mwN zu Art 837 der italienischen Zivilprozessordnung in FN 143). Rechtsvorstellungen, dass jedenfalls bei unterschiedlichen Ansichten der Richter zu einem Entscheidungspunkt eine Beratung fast zwangsläufig eine gleichzeitige Anwesenheit oder zumindest gleichwertige Kommunikation erfordern, weil nur bei mündlicher Aussprache mit Rede und Gegenrede auf die einzelnen Argumente und deren „für und wider" eingegangen werden könnte, sind hier angesichts des Schiedsortes Paris fehl am Platz. Wenngleich die von Reiner/Jahnel (aaO Art 14 Rz 10) angeführte Videokonferenz eine Kommunikation aller drei Schiedsrichter miteinander zweifellos ermöglicht, was bei (den hier von der verpflichteten Partei behaupteten) Telefonaten des Vorsitzenden des Schiedsgerichts mit nur jeweils einem der beiden Mitschiedsrichter nicht der Fall ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der verpflichteten Partei nicht, dass diese Art der Kommunikation als Form des procedere bei Beratungen von Schiedsrichtern bei autonomer Betrachtung der gesamten ICC-SchiedsO 1998 unzulässig wäre. Dass es nach dem maßgeblichen Prozessrecht am Ort des Schiedsgerichts (Paris) unzulässig wäre, behauptete die verpflichtete Partei in ihrem Rekurs an die zweite Instanz ebensowenig wie, dass es dem von ihr nominierten Schiedsrichter unmöglich gewesen wäre, mit seinem spanischen Mitschiedsrichter über die causa zu sprechen und so auf dessen Willensbildung Einfluss zu nehmen, dies unabhängig von der behaupteten Vorgehensweise des Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Das nunmehrige Vorbringen im Revisionsrekurs, der Vorsitzende des Schiedsgerichts habe ganz offensichtlich jede Erörterung in der Sache selbst, insbesondere jedoch die Argumente des „dritten Schiedsrichters", geradezu blockiert, um einer kontradiktorischen Erörterung im Kollegium zu entgehen, stellt eine unzulässige Neuerung dar.
Das ICC-Schiedsverfahren ist durch eine, u.a. auch der österr. Rechtsordnung unbekannte Regelung gekennzeichnet. Im Gegensatz zu sonstigen Schiedsverfahren unterliegt die Entscheidung des Schiedsgerichts einer gewissen Prüfung: Gemäß Art 27 der ICC-SchiedsO 1998 kann der Internationale Schiedsgerichtshof Änderungen in der Form vorschreiben sowie unter Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Schiedsgerichts dieses auf Punkte hinweisen, die den „sachlichen Inhalt des Schiedsspruches" betreffen. Dies gilt im Besonderen für einen nicht einstimmig gefällten Schiedsspruch wie hier (vgl. dazu Reinisch aaO 282). Erst nach Genehmigung wird der unterzeichnete Schiedsspruch den Parteien zugestellt und damit endgültig und vollstreckbar. Wenn diese Überprüfung auch nicht einem Verfahren nach §§ 577 ff öZPO mit ihren Rechtsmittelmöglichkeiten gleichgehalten werden kann, bedeutet es angesichts dieser Überprüfung doch einen gewissen höheren Wert des Schiedsspruchs, hat doch die Prüfung den Zweck, sicherzustellen, dass jeder ICC-Schiedsspruch keine gravierenden formellen Mängel aufweist, etwa ob es am Schiedsort zwingende rechtliche Anforderungen gibt, die durch das Schiedsgericht nicht beachtet wurden (Schäfer/Verbist/Imhoos, ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis 169). Zusammenfassend hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall frei von Rechtsirrtum einen Verstoß gegen Art V Abs 1 lit d des NYÜ verneint.
d) Angesichts dieser Erwägungen kann auch eine ordre public-Widrigkeit in formeller Hinsicht, die gemäß Art V Abs 2 lit b des NYÜ einen Versagungsgrund darstellt, in der hier behaupteten Unterlassung einer Beratung mit persönlicher Anwesenheit aller Schiedsrichter über die strittigen Fragen nicht erblickt werden. Bei der ordre-public-Klausel handelt es sich um eine systemwidrige Ausnahme, von der allgemein sehr sparsamer Gebrauch gefordert wird; eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebensowenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österr. Vorschriften. Gegenstand der Verletzung müssen vielmehr Grundwertungen der österr. Rechtsordnung sein (RIS-Justiz RS0110743, RS0002402, RS0002409). Dass dem Verfahren vor dem Schiedsgericht derartige, einen Versagungsgrund bildende Fehler anhaften würden, ist zu verneinen, wobei auch neuerlich auf Art 27 der ICC-SchiedsO 1998 zu verweisen ist.
e) Auf den von der betreibenden Partei ins Treffen geführte allgemeinen Rechtsgrundsatz (aus dem Völkerrecht) Estoppel (bei Vertrauen eines anderen Staates oder einer internationalen Organisation auf die bisherige Praxis und der Rechtmäßigkeit eines Staates kann dieser nicht mehr die Unverbindlichkeit oder Rechtswidrigkeit dieser Praxis behaupten), dem Verbot des venire contra factum proprium, ist nicht mehr einzugehen.
Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 EO, § 52 ZPO.
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