OGH 5Ob167/05b

OGH5Ob167/05b20.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei DI Alexander R*****, vertreten durch Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Gemeinnützige ***** eingetragene Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 187.240,55 und EUR 214.475,70 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Mai 2005, GZ 2 R 49/05y-112, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. Jänner 2005, GZ 12 Cg 123/01k, 45/02s-108, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte versucht die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels mit einer in Rechtsfragen des Verfahrensrechts (A.) und des materiellen Rechts (B.) gegliederten Begründung darzustellen; darin zeigt die Beklagten allerdings keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

A. 1. Die Beklagte meint, eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu erkennen, weil das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohne Beweiswiederholung Feststellungen zugrunde gelegt habe, die im vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt seien:

a) Das Berufungsgericht sei der Ansicht, der Einbau eines zweiten Aufzugs wäre ohne weitere Projektänderung möglich gewesen, weshalb sein Fehlen keinen Mangel des Vorentwurfs des Klägers dargestellt habe (Berufungsurteil S. 17). Diese Annahme habe das Berufungsgericht selbst unzulässig und auch inhaltlich unrichtig ergänzt, weil der Sachverständige (S. 1 in ON 30) ausgeführt habe, dass sich bei Ausführung eines zweiten Personenlifts die Gesamtkosten um 1,200.000 Schilling erhöht hätten, was eine Projektänderung - zumindest im wirtschaftlichen Bereich - erfordert hätte.

Wenn die Beklagte zu dieser Tatfrage behauptet, dass sich bei Ausführung eines zweiten Personenlifts die Gesamtkosten um 1,200.000 Schilling erhöht hätten, erweist gerade dies die Annahme des Berufungsgericht von der Möglichkeit des nachträglichen Einbaus eines zweiten Lifts als zutreffend. Im Übrigen war nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichts die fehlende Anbindung aller Wohnungen an den Aufzug von der Jury bereits beim eingereichten Wettbewerbsprojekt akzeptiert worden; das Erstgericht hat schon aus diesem Grund einen Mangel insoweit verneint (Ersturteil S. 18), womit die Wesentlichkeit der von der Beklagten angesprochenen Tatfrage nicht dargelegt ist.

b) Das Berufungsgericht habe unterstellt, es hätten bei der Beklagten keine weiteren Änderungswünsche bestanden und Abweichungen von der vorgelegten Wettbewerbsplanung seien nur auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Grundstücke zurückzuführen gewesen (Berufungsurteil S. 20). Demgegenüber habe das Erstgericht (Ersturteil S. 17) die erfolgte Bemängelung vor allem der schlauchartigen Gestaltung der Wohnungen, der fehlenden natürlichen Beleuchtung von Küchen und Nassräumen, der fehlenden Be- und Entlüftung sowie Liftanbindung im Erdgeschoss festgestellt, weshalb die dortigen Wohnungen nicht verwertbar gewesen wären; weiters sei der Laubengang nicht akzeptiert und die unrichtige Einzeichnung des Möblierungsplans moniert worden. Da das Berufungsgericht in diesem Punkt von den erstgerichtlichen Feststellungen abweiche, sei eine Auseinandersetzung mit ihrer Rechtsansicht unterblieben, wonach ein Werkunternehmer Änderungswünsche des Werkbestellers zu berücksichtigen habe, um einen Entgeltanspruch zu erlangen.

Die Beklagte stellt in diesem Punkt die Ausführungen von Erst- und Berufungsgericht in einem unrichtigen Zusammenhang dar. Die Ausführung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagte keine Änderungswünsche mehr geäußert habe (Berufungsurteil S. 20), bezieht sich - wie der Verweis auf diese Fundstelle (Ersturteil S. 20) zeigt - auf den Zeitraum nach der Besprechung am 26. 4. 1999 bis zum Präsentationstermin am 16. 6. 1999. Für diesen Zeitraum hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte keine weiteren Änderungswünsche mehr geltend gemacht habe, womit die behauptete Abweichung des Berufungsgerichts von den erstgerichtlichen Feststellungen insoweit nicht vorliegt.

Warum die Beklagte in der Ansicht des Berufungsgerichts, die Abweichungen von der vorgelegten Wettbewerbsplanung seien nur auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Grundstücke zurückzuführen gewesen (Berufungsurteil S. 20), ein Abgehen von den erstgerichtlichen Feststellungen erkennen will, ist nicht nachvollziehbar. Das Erstgericht stellt ausführlich fest (Ersturteil S. 16 f), dass gerade die Adaptierung der dem Wettbewerbsverfahren zugrunde gelegenen Planung an die erworbenen Liegenschaften Aufgabe des Klägers war und dass insoweit keine sachlichen Fehler vorgelegen hätten (Ersturteil S. 18).

Der behauptet Mangel des Berufungsverfahrens liegt damit nicht vor.

2. Ob unter Berücksichtigung anderer Beweisergebnisse, insbesondere widersprechender Privatgutachten, ein Sachverständigengutachten eine ausreichende Grundlage für die getroffenen Feststellungen bildet, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die ausschließlich von den Tatsacheninstanzen zu beurteilen ist; dies gilt auch für die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen (10 ObS 5/04i).

3. Das Berufungsgericht hat sowohl betreffend die unterbliebene Einvernahme des Privatgutachters also auch die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint; angebliche Mängel des Verfahrens I. Instanz, die das Berufungsgericht verneint hat, können aber nicht mehr erfolgreich mit Revision geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043051 ua).

Soweit sich daher die Beklagte auf vermeintliche, nicht ausreichend geklärte Widersprüche zwischen einem von dieser vorgelegten privaten Gutachten und jenem des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruft und dazu die Einholung eines weiteren Gutachtens sowie die Einvernahme des Privatgutachters für erforderlich hält, macht sie keine zulässigen Revisionsgründe geltend gemacht.

4. Ob das Vorbringen der Beklagten in deren Schriftsatz vom 5. 8. 2002 (ON 32), in welchem das Fehlen bestimmter baulicher Einrichtungen, nämlich einer Verharrungsstrecke, eines Sicherheitsstreifens, einer Gebäudedehnfuge, von Angaben zum Hauskanalanschluss sowie eine zu kurze Einfahrtsrampe, eine unrichtige Darstellung der Geschosshöhe „und vieles mehr" beanstandet wird, für die Prüfung der Entwürfe des Klägers auf deren „Bauordnungskonformität" ausreichend war, ist eine Frage der Bestimmtheit des Prozessvorbringens in einer spezifischen Richtung. Wie das Parteienvorbringen zu verstehen und ob es (in einer bestimmten Richtung) ausreichend spezifiziert ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb der Klärung dieser Frage regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zukommt. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn das Verständnis mit dem Wortlaut oder den Sprachregeln unvereinbar ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder sonst eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0042828; 5 Ob 17/03s mwN; 5 Ob 136/01p; 10 Ob 222/00w). Wenn das Berufungsgericht hier das Vorbringen der Beklagten betreffend die „Bauordnungskonformität" der Entwürfe des Klägers für unzureichend erkannte, dann ist darin im Zusammenhang mit dem von der Beklagten angesprochenen Schriftsatz vom 5. 8. 2002 (ON 32) jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen, machte doch die Beklagte darin insgesamt 46 (!) vermeintliche Mängel an verschiedenen Teilen der Entwürfe des Klägers geltend, ohne auch nur für einen behaupteten Mangel einen Konnex zu bestimmten Vorgaben der Bauordnung herzustellen.

5. Ob - wie vom Gericht zweiter Instanz angenommen - die Berufungsausführungen der Beklagten betreffend Raumhöhe, Verharrungsstrecke und ungeschützten Zugang zum Wohnbereich - teilweise - unzulässige Neuerungen darstellten, ist wiederum eine Frage der ausreichende Bestimmtheit des erstinstanzlichen Prozessvorbringens der Beklagten, wozu eine richtungweisende Beurteilung des Obersten Gerichtshofs infolge der Einzelfallsbezogenheit dieser Frage nicht möglich ist. Im Übrigen erweisen sich die Berufungsausführungen der Beklagte zu diesen Themen als - dem Revisionsverfahren nicht mehr zugängliche - Bekämpfung der auf sachverständiger Grundlage beruhenden und vom Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht übernommenen - erstgerichtlichen Annahme, dass in diesen Planungspunkten keine sachlichen Mängel vorgelegen hätten.

6. Das Erstgericht stellte einerseits fest, der Kläger habe der Beklagten Vorentwurfsskizzen übergeben (Ersturteil S. 17) und es nahm andererseits an, der Kläger habe an Leistungen den Vorentwurf vollständig, den Entwurf zu 80 %, die Einreichung zu 65 % und die Ausführungs- und Detailplanung zu 61 % fertig gestellt (Ersturteil S. 21). Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit diesem Widerspruch in den erstinstanzlichen Feststellungen nicht auseinandergesetzt, ist schon deshalb unzutreffend, weil insoweit kein Widerspruch in der Tatsachengrundlage vorliegt. Das Erstgericht beschreibt nämlich einerseits, welche Pläne die Beklagte ausgehändigt erhielt, und andererseits den Umfang der vom Kläger insgesamt erbrachten Planungsleistungen (vgl dazu SV S. 6 ff in ON 65); dass der Beklagten nicht alle Unterlagen, insbesondere Detailskizzen und -überlegungen, etwa über Ausführungsdetails in Bereichen noch nicht zur Gänze abgeschlossener Planungsleistungen, übergeben wurden, heißt nicht, dass der Kläger diese Leistungen nicht erbracht hat.

B. 1. Die Beklagte meint, das Berufungsgericht sei zur Frage, was der Kläger durch anderweitige Verwendung erworben habe, von der Rechtsprechung zu § 1168 ABGB abgewichen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, welches in den dazu erhobenen Berufungsausführungen unzulässige Neuerungen erkannt habe, habe die Beklagte zu dieser Frage ausreichendes Vorbringen erstattet, welches der Kläger in seiner Parteiaussage, wonach er seinerzeit voll ausgelastet gewesen sei, auch bestätigt habe.

Die Beklagte erkennt selbst, dass es Sache des Bestellers ist, konkrete Behauptungen darüber aufzustellen und zu beweisen, was sich der Unternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit erspart (RIS-Justiz RS0021768 [T 1]) oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (RIS-Justiz RS0021768 [T 2]; 2 Ob 54/99a mwN); wenn das Berufungsgericht ein konkretes Vorbringen der Beklagten zu dieser Tatfrage verlangt, weicht es gerade nicht von der herrschenden Rechtsprechung ab.

An der in der Revision bezeichneten Stellte (S. 12 in ON 6) hat die Beklagte nur die vom Kläger zugestandene Eigenersparnis bestritten; dazu liegt aber eine erstgerichtliche Feststellung vor (Ersturteil S. 21), sodass sich insoweit keine Fragen der Behauptungs- und Beweislast stellen.

2. Für von der Rechtsprechung bislang ungelöst und im Hinblick auf andere Nachrückerprojekte über den Einzelfall hinaus bedeutsam hält die Beklagte die Frage, ob der Werkunternehmer im Nachrückerverfahren den Vorgaben des Werkbestellers zu entsprechen habe oder ob die Vorlage des geringfügig adaptierten Entwurfs für das Wettbewerbsverfahren genüge. Diese Frage stellt sich auf der Grundlage des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts allerdings nicht, weil danach die dem Wettbewerbsverfahren zugrunde gelegene Planung überhaupt erst die Grundlage für die Nachrückerposition war (Ersturteil S. 19), die Beklagte bei der Präsentation am 14. 12. 1998 keine Einwände gegen den Entwurf des Klägers erhob (Ersturteil S. 17), den Entwurf des Klägers später zwar in bestimmten, vom Erstgericht näher bezeichneten Punkten - allerdings unberechtigt - bemängelte (Ersturteil S. 17 f) und die Beklagten dann nach der Besprechung beim Auslober am 26. 4. 1999 keine Änderungswünsche mehr äußerte.

3. Die Beklagte habe dem Kläger mit dem an dessen Rechtsvertreter gerichteten, unbeantwortet gebliebenen Schreiben vom 11. 11. 1999 einen wechselseitigen Forderungsverzicht im Sinn eines Vergleichs vorgeschlagen. Obwohl Schweigen dann als Zustimmung gelte, wenn eine Pflicht zum Reden bestanden hätte, habe das Berufungsgericht einen stillschweigenden Forderungsverzicht des Klägers verneint. Ob die Nichtäußerung eines standesrechtlich zur Antwort verpflichteten Rechtsanwalts als Zustimmung zu werten sei, stelle eine erhebliche Rechtsfrage dar.

Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall ist ebenso wie die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Erklärungsverhaltens - von groben Auslegungsfehlern abgesehen - vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (vgl 4 Ob 147/03a, RIS-Justiz RS0042555 und RIS-Justiz RS0044298). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall idR unabhängig davon nicht vor, ob (auch) eine andere (9 Ob 72/01f mwN), insbesondere die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (4 Ob 134/02p; 1 Ob 260/00t). Eine solche Auslegung könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die zu einem unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (5 Ob 121/05p); dass dies hier der Fall wäre, ist aber nicht zu erkennen, kann doch bloßes Stillschweigen nur unter besonderen Umständen die Bedeutung einer Zustimmung gewinnen. Entscheidend dafür ist, dass der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (RIS-Justiz RS0014126). Als Zustimmung kann bloßes Schweigen daher ausnahmsweise dann zu werten sein, wenn wegen einer Sonderrechtsbeziehung eine Pflicht zum Widerspruch besteht (9 ObA 187/93). Vertragsparteien des von der Beklagten vermeintlich angebotenen Vergleichs hätten nur die Streitteile selbst sein können; wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen in der Standespflicht des Parteienvertreters kein Pflicht der vertretenen Partei zum Widerspruch erkannte, ist darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden krasse Fehlbeurteilung zu erkennen.

4. Die von der Beklagten letztlich noch bekämpfte Ansicht der Vorinstanzen vom (konkludenten) Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Streitteilen ist ebenfalls die von den Umständen des Einzelfalls abhängige Auslegung von Willenserklärungen und der Schlüssigkeit des Erklärungsverhaltens der Streitteile.

Die Parteien hatten sich zunächst zur Zusammenarbeit zwecks Teilnahme am Bauträgerwettbewerb verstanden. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen erteilte dann die Beklagte dem Kläger mündlich den Auftrag zur Planung für die Nachrückerprojekte (Ersturteil S. 15). Soweit der Beklagten eine konkrete Regelung über das Honorar des Klägers fehlt, kann sich dessen Entgeltanspruch auf § 1152 ABGB stützen, der auch für Werkverträge gilt und für dessen betragliche Ausmittlung eine einschlägige Gebührenordnung Grundlage sein kann (vgl 4 Ob 2161/96i); damit liegt auch in der Annahme eines Vertrags zwischen den Streitteilen und in der Anwendung der Gebührenordnung für Architekten keine unvertretbare Rechtsansicht der Vorinstanzen.

Da die Beklagte somit insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist ihre Revision unzulässig und daher zurückzuweisen.

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