OGH 4Ob134/02p

OGH4Ob134/02p18.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef W*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch und andere Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Gemeinde Maria W*****, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 10.900,93 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. März 2002, GZ 2 R 12/02f-18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2001, GZ 20 Cg 181/00w-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 686,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 114,48 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, dass ein wirklich vergleichbarer Fall vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei und die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teilrücktrittsrecht beim Werkvertrag vorbehalten werden könne bzw wo in derartigen Fällen die Sittenwidrigkeitsgrenze liege, weit über diesen Einzelfall hinaus bedeutsam sei. Nach Auffassung des Klägers soll als weitere erhebliche Rechtsfrage hinzukommen, dass das Berufungsgericht nur durch "logisch widersprüchliche" Auslegung des Werkvertrags zum Schluss gekommen sei, die Parteien hätten ein Teilrücktrittsrecht vereinbart.

Gegenstand des Werkvertrags waren Bautischlerarbeiten für einen Zubau zur Volksschule R*****. Integrierende Bestandteile des mit dem Kläger geschlossenen Vertrags waren (ua) die Vorbemerkungen (Besonderen Bedingungen) zum Leistungsverzeichnis, in denen in Punkt 000527 festgelegt war, dass „in Abänderung zu den ÖNormen A 2060 und B 2110 (...) Mehr- oder Minderleistungen in jedem Ausmaß zu keinen Änderungen der Einheitspreise (berechtigen). Für nicht zustandekommende Leistungen steht dem Auftragnehmer kein Ersatzanspruch zu". In Punkt 2 des Werkvertrags ("Art und Umfang der Leistungen") behielt sich die Auftraggeberin "das Recht vor, einzelne Positionen des Angebots nur teilweise oder gar nicht zu vergeben, wobei die Einheitspreise unveränderlich bleiben; dies gilt auch für eine allfällige Erweiterung des Auftrags bzw für angebotene Leistungen, die jedoch zur Zeit der Auftragsvergabe unberücksichtigt blieben". Nach den vom Erstgericht weiters getroffenen Feststellungen hat der Kläger gewusst, "dass sich der Bauherr auch nach Auftragserteilung vorbehalten hat, ganze Positionen des Leistungsverzeichnisses nicht mehr durchzuführen" und er hat auch keinen Einwand erhoben, als ihm bei einer Besprechung mit dem Bauleiter erklärt wurde, welche Positionen nicht mehr durchzuführen sind.

Das Berufungsgericht hat die zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen als Vereinbarung eines Rücktrittsrechts verstanden, das die Beklagte berechtigte, den Kläger einen Teil der ihm aufgetragenen Leistungen nicht ausführen zu lassen, ohne dafür ein Entgelt entrichten zu müssen.

Rechtliche Beurteilung

Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, wenn - wie hier - das Berufungsgericht den Vertrag im Einklang mit den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ausgelegt hat (4 Ob 76/89 = MR 1989, 210 [Walter] - Happy Skiing; 1 Ob 2380/96y = EFSlg 82.291 uva). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (1 Ob 260/00t ua).

Ob das Berufungsgericht in Punkt 5 seiner Begründung die Beweislastverteilung in Bezug auf die Kenntnis der in den "Vorbemerkungen" enthaltenen Vertragsbedingungen verkannt hat (zur Beweislastverteilung bei objektiv ungewöhnlichen Klauseln s Rummel in Rummel, ABGB³ § 864a Rz 9), ist für die Entscheidung unerheblich. Dem Anspruch des Klägers steht nämlich nicht (bloß) Punkt 000527 der Vorbemerkungen entgegen, sondern vor allem Punkt 2 des Werkvertrags, dessen Inhalt dem Kläger nach dem festgestellten Sachverhalt auch bekannt war. Die gegenteilige Behauptung des Klägers ist aktenwidrig.

Zu der vom Berufungsgericht verneinten Sittenwidrigkeit macht der Kläger geltend, dass er ein grundsätzliches Anrecht auf Vertragstreue habe und ein vereinbartes Rücktrittsrecht, das über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehe, einschränkend auszulegen sei. Einschränkend heiße, dass vor allem die Dispositionsnotwendigkeit des Klägers zu berücksichtigen sei. Selbst wenn man das Teilrücktrittsrecht als vereinbart ansehen wolle, sei die Vereinbarung nach der getroffenen Gestaltung als sittenwidrig anzusehen.

Nach der Rechtsprechung ist ein willkürliches Rücktrittsrecht insoweit wirksam vereinbart, als es nur aus berechtigten Interessen geltend gemacht werden kann (8 Ob 172/70 = SZ 43/152 mwN), wobei die berechtigten Interessen auch in der Wahrung der Dispositionsfreiheit liegen können (Reischauer in Rummel, ABGB³ vor §§ 918 - 933 Rz 13a). Ob die Dispositionsfreiheit nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen im Rahmen der Billigkeit ausgeübt wird (s dazu Reischauer aaO), hat regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Die Revision war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen; ihre Revisionsbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Stichworte