OGH 6Ob140/05i

OGH6Ob140/05i14.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roland R*****, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Dr. Alwin P*****, vertreten durch Mag. Stephan Wirth, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 22. Februar 2005, GZ 2 R 45/05s-22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 29. November 2004, GZ 3 C 1183/04d-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Fruchtgenussberechtigter einer Liegenschaft in B***** mit einem 1931 darauf errichteten (Wohn-)Gebäude (Am B***** 14). Eigentümer der Liegenschaft sind seine beiden Töchter.

Der Beklagte ist seit 2001 Eigentümer von benachbarten Liegenschaften. Auf einer davon befindet sich das 1929 errichtete (Wohn-)Gebäude Am B***** 16. Das vom Kläger bewohnte Haus Am B***** 14 ist - wie auch jenes des Beklagten - nur über einen im Eigentum des Beklagten befindlichen länglichen Grundstückstreifen zugänglich.

Der Kläger begehrt gegenüber dem Beklagten 1. die Feststellung, ihm und allen künftigen Eigentümern der (näher bezeichneten) herrschenden Grundstücke stehe die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes gegenüber den jeweiligen Eigentümern des (näher bezeichneten) dienenden Grundstücks zu; 2. der Beklagte sei schuldig, binnen 14 Tagen in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit in der für das dienende Grundstück bestehenden Grundbuchseinlage einzuwilligen; 3. der Beklagte sei weiters schuldig, ab sofort das Aufstellen eines Pfostens auf dem Teil des (näher bezeichneten dienenden) Grundstücks, der in der Natur als Zufahrtsweg ersichtlich sei, zu unterlassen. Zugang und Zufahrt zu den Liegenschaften des Klägers erfolge ausschließlich über den vom Beklagten erworbenen Grundstückstreifen. Den jeweiligen Eigentümern der vom Kläger genutzten Liegenschaften sei auch die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes eingeräumt worden. Sie hätten überdies den Grundstückstreifen zumindest seit dem Jahr 1941 - für jedermann deutlich erkennbar - als Zufahrt auch für Fahrzeuge benützt, um kurze Ent- oder Beladetätigkeiten auszuführen. Das Klagebegehren werde daher sowohl auf vertragliche Einräumung des Geh- und Fahrrechts als auch auf dessen Ersitzung gestützt.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete ein, der Kläger sei aktiv nicht legitimiert, weil er nicht Liegenschaftseigentümer sei. Eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts für den Kläger und zukünftige Eigentümer der von ihm genutzten Liegenschaft zu Lasten der vom Beklagten erworbenen Grundstücke bestehe nicht. Eine solche Dienstbarkeit sei weder im Grundbuch eingetragen noch dem Beklagten bekannt. Sie sei auch in seinem Kaufvertrag nicht erwähnt. Im Übrigen müsse der Kläger den Grundstückstreifen des Beklagten nur bis zum Eingang seiner Grundstücke begehen oder befahren, sodass - wenn überhaupt - nur ein eingeschränktes Geh- und Fahrrecht Verfahrensgegenstand sei.

Der Kläger schränkte daraufhin sein Begehren hinsichtlich des Ausmaßes der geltend gemachten Dienstbarkeit auf den räumlichen Bereich bis zum Eingang zu seinen Grundstücken ein.

Das Erstgericht stellte fest, dass dem Kläger und allen künftigen Eigentümern der näher bezeichneten Grundstücke als herrschendem Gut zu deren hauswirtschaftlichen Nutzung die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes gegenüber dem Beklagten und dessen Rechtsnachfolgern des näher bezeichneten Grundstücks als dienendem zustehe, wobei diese Dienstbarkeit vom ostseitigen Beginn des dienenden Grundstücks bis zum Eingang zum herrschenden Grundstück beschränkt werde und das Fahrrecht „nur" auf Be- und Entladetätigkeiten eingeschränkt sei (Punkt 1.). Der Beklagte sei verpflichtet, binnen 14 Tagen in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit in der für das dienende Grundstück bestehenden Grundbuchseinlage einzuwilligen und ab sofort das Aufstellen eines Pfostens auf dem Teil des dienenden Grundstücks zu unterlassen, der in der Natur als Zufahrtsweg ersichtlich sei (Pkt 2). Ein über Punkt 1 (Feststellung des Geh- und Fahrrechts) hinausgehendes Mehrbegehren wies es ab, obgleich der Kläger diesbezüglich bereits in der Tagsatzung vom 9. 11. 2004 eine Einschränkung vorgenommen hatte.

Das Erstgericht stellte noch fest, das vom Kläger benützte Haus „Am B***** 14" sei 1931 errichtet worden. Zu seiner hauswirtschaftlichen Nutzung, etwa durch Anlieferung von Heizmaterial, sei der etwa 3 m breite, im Eigentum des Beklagten stehende Grundstückstreifen seit jeher mit den jeweiligen der Zeit entsprechenden Fahrzeugen benützt worden.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht das Recht des Fruchtnießers zur Erhebung der Dienstbarkeitsklage nach § 523 ABGB. Das Geh- und Fahrrecht zugunsten seines Grundstücks sei zwar nicht vertraglich eingeräumt worden, jedoch lägen die Voraussetzungen der Ersitzung dieser Dienstbarkeit zur hauswirtschaftlichen Nutzung seines Grundstücks vor. Die Dienstbarkeit sei offensichtlich, weil der Beklagte wie auch die übrigen Verfasser von Kaufverträgen sie augenfällig hätten erkennen können. Allerdings sei die Dienstbarkeit nicht unbeschränkt, sondern auf die Be- und Entladetätigkeiten in dem dafür erforderlichen räumlichen Ausmaß einzuschränken.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung teilweise ab und verpflichtete den Beklagten, ab sofort das Aufstellen eines Pfostens auf dem Teil des ihm gehörigen Grundstückstreifens, der in der Natur als Zufahrtsweg ersichtlich sei, zu unterlassen. Das auf Feststellung der Dienstbarkeit und deren Einverleibung gerichtete Mehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob auch ein Fruchtnießer aktiv zur Klage auf Feststellung eines dinglichen Rechts auf der vom Fruchtgenussrecht betroffenen Liegenschaft berechtigt sei. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend verneinte das Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers als Fruchtgenussberechtigter der herrschenden Liegenschaft. Der Fruchtgenussberechtigte habe das ausschließliche Recht, Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse auszuüben. Es stünden ihm daher die zur Abwehr von Eingriffen in diesen Rechtsbereich erforderlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Mit der hier erhobenen Servitutsklage werde jedoch das dingliche, dem Eigentümer vorbehaltene Recht geltend gemacht, sie stehe daher ebenso wie das Begehren auf Einverleibung des Eigentumsrechts nur dem Eigentümer zu. Hingegen sei das darüber hinausgehende Begehren, das Aufstellen eines Pfostens zu unterlassen, berechtigt. Das Verfahren habe nämlich ergeben, dass das belastete Grundstück während der 30-jährigen Frist seit Errichtung des Hauses durch die Rechtsvorgänger des Klägers regelmäßig und in für jedermann offenkundiger Weise benützt wurde. Der Beklagte habe die offenkundige Dienstbarkeit auch dann gegen sich gelten zu lassen, wenn sie nicht im Grundbuch eingetragen sei. Als Fruchtgenussberechtigter des herrschenden Grundstücks sei der Kläger berechtigt, den Servitutsweg im ersessenen Umfang zu benutzen. Der vom Beklagten versetzte Pfosten störe das Recht des Klägers, er könne Unterlassung der Störung begehren.

Der Beklagte ließ den stattgebenden Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung unbekämpft, sie ist insoweit in Rechtskraft erwachsen.

Der Kläger bekämpft die Abweisung seiner weiteren, auf § 523 ABGB gestützten Begehren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, als Fruchtgenussberechtigter sei er anstelle des Eigentümers zur Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse ausschließlich berechtigt, er sei etwa zur Einbringung einer Eigentumsfreiheitsklage legitimiert und könne alle sein Fruchtgenussrecht beeinträchtigenden Eingriffe in gleicher Weise wie ein Eigentümer abwehren. Er sei daher auch berechtigt, die Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts zu fordern. Dem ist entgegenzuhalten:

Dem Kläger wurde von den Eigentümern des (behauptetermaßen) herrschenden Grundstücks die persönliche Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts eingeräumt (§ 509 ABGB). Als Fruchtnießer steht ihm die volle Nutzung des herrschenden Grundstücks unter Schonung der Substanz zu; er ist zur Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse in Bezug auf dieses Grundstück berechtigt (stRsp JBl 1987, 376; RIS-Justiz RS0011873, RS0011877, RS0011841) und kann auch Eingriffe Dritter in sein Fruchtgenussrecht abwehren (SZ 63/164). Diesem Ziel diente auch das vom Berufungsgericht rechtskräftig zuerkannte Unterlassungsgebot.

Davon zu unterscheiden ist die behauptete Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts zugunsten des/der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber dem Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks. Insoweit ist der Kläger nicht Dienstbarkeitsberechtigter, er leitet sein Recht auf Benutzung des dienenden Gutes von den dienstbarkeitsberechtigten Grundeigentümern ab. Die Frage, ob dem Eigentümer einer Liegenschaft gegenüber dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft ein Nutzungsrecht an dieser zusteht, betrifft für sich keine Angelegenheit der Verwaltung und ist daher von den Nutzungs- und Verwaltungsbefugnissen des Fruchtnießers nicht umfasst (stRsp 6 Ob 255/00v; RIS-Justiz RS0108021).

Das im Revisionsverfahren noch strittige Begehren ist nicht auf die Abwehr von Eingriffen in das Fruchtgenussrecht des Klägers gerichtet. Begehrt wird die Feststellung, wonach dem Kläger und allen künftigen Eigentümern des herrschenden Grundstücks die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts gegenüber dem Beklagten und dessen Rechtsnachfolgern als Eigentümer des dienenden Grundstücks zustehe und der Beklagte in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen habe. Dieses Begehren kann nur als Dienstbarkeitsfeststellungsklage im Sinn einer actio confessoria des § 523 ABGB verstanden werden. Eine Verbindung der auf § 523 ABGB gestützten Feststellung mit dem Begehren auf grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig (1 Ob 230/03k; 2 Ob 36/03p). Die Aktivlegitimation zur Erhebung einer derartigen Dienstbarkeitsfeststellungsklage steht bei Grunddienstbarkeiten - wie hier - nur dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu (EvBl 1976/177; Koziol/Welser, Bürgerl. Recht12 I 389; Kiendl-Wendner in Schwimann ABGB² § 523 Rz 2 und 4; Hoffmann in Rummel ABGB³ § 523 Rz 7), bzw allen von mehreren Miteigentümern gemeinsam (RIS-Justiz RS0101793), nicht aber auch einem Fruchtnießer, weil nur der Grundeigentümer des herrschenden Grundstücks Berechtigter der Grunddienstbarkeit sein kann. Dementsprechend hat der Eigentümer des herrschenden Grundstücks bei der actio confessoria (neben der Störung oder Bestreitung seines Rechts) den Erwerb der Servitut und - bei Grunddienstbarkeiten überdies sein Eigentumsrecht am herrschenden Grund zu beweisen (NZ 1997, 213). Dem gegenüber leitet der am herrschenden Grund zum Fruchtgenuss Berechtigte sein Recht auf Benutzung der Grunddienstbarkeit des Servitutsweges aus der mit dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks getroffenen Vereinbarung ab. Er hat gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks weder einen auf § 523 ABGB gegründeten Anspruch auf Dienstbarkeitsfeststellung noch einen Anspruch auf Einverleibung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch des dienenden Gutes. Ein stattgebendes Urteil über Feststellungs- und Einverleibungsbegehren würde die Eigentümer binden, ohne dass sie am Verfahren beteiligt waren. Sie könnten nicht mehr geltend machen, die Servitut habe einen größeren Umfang oder der Weg verlaufe anders. Damit griffe der Fruchtnießer in das Recht der Eigentümer ein.

Soweit der Kläger sein Begehren als Feststellungsklage im Sinn des § 228 ZPO verstanden wissen will, scheitert sein Begehren am fehlenden Feststellungsinteresse. Er konnte nämlich bereits auf Abwehr der Eingriffe in seine Rechtsposition als Fruchtgenussberechtigter klagen und hat dies mit dem rechtskräftig zugesprochenen Unterlassungsgebot auch bereits getan.

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Aktivlegitimation des am herrschenden Gut (bloß) Fruchtgenussberechtigten zur Erhebung der Dienstbarkeitsfeststellungsklage verbunden mit der Klage auf Einverleibung der Dienstbarkeit beim dienenden Grundstück verneint.

Die in der Revision angeführten Entscheidungen EvBl 1968/231, EvBl 1974/54, SZ 27/203, 7 Ob 514/93 und SZ 63/164 = EvBl 1991/14 betrafen jeweils auf § 523 ABGB gegründete negative Feststellungsklagen bzw Eigentumsfreiheitsklagen und dienten der Abwehr von Angriffen, die das Fruchtgenussrecht der damaligen Kläger beeinträchtigten. Das im vorliegenden Fall formulierte Klagebegehren dient demgegenüber der Feststellung der den Eigentümern des herrschenden Grundstücks zustehenden Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts und deren Einverleibung im Grundbuch des dienenden Gutes. Zur Geltendmachung eines derartigen Anspruchs ist nur der Grundeigentümer des herrschenden Grundstücks, nicht aber ein daran (bloß) Fruchtgenussberechtigter legitimiert.

Der unberechtigten Revision wird ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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